Gottesurteil als Mittel der Wahrheitsfindung und Rechtsinstitut - Quellen und Lit.

Vor Gericht geht es eigentlich weniger um die Wahrheit, als vielmehr um den Rechtsfrieden. Dieser lässt sich durch einen Zweikampf, wenn er von beiden Parteien akzeptiert wird, leichter herstellen, als eine langwierige oder vielleicht auch unmögliche Suche nach der Wahrheit.
 
@ElQ

Ich glaube da hast Du mich mißverstanden oder ich habe mich mißverständlich ausgedrückt. Ein Gottesurteil war Bestandteil eines rationalen juristischen Normensystems im UZ.

Was die Wiederholungen in Deinem Text angehen kann man nur mutmaßen, z.B. in Bezug auf die Reichweite des Urteils, die Konsequenzen des Urteils, vllt. auch ein unerwarteter Ausgang. Wiederholungen in anderen Formulierungen sind bis heute ein Mittel "Zweifel zu zerstreuen".

Dieter sprach das IV. Laterankonzil an, Can. 35 bestätigt ein Appellationsrecht nach vorinstanzlichem Urteil. Allerdings weiß ich nicht, ob Gottesurteile nicht per se letztinstanzlich waren. Wer weiß, wann ein solcher abstrakter Rechtsgrundsatz auch alle Regionen erreichte und auch umgesetzt wurde.

"...dass der Zweikampf als Gottesurteil im Verlauf der Zeit immer mehr zum Exklusivrecht wurde."

Sicher, endend in den Regeln zur Satisfaktionsfähigkeit.

M.
 
Allerdings weiß ich nicht, ob Gottesurteile nicht per se letztinstanzlich waren.

Laut Neumann wohl nicht.

"...dass der Zweikampf als Gottesurteil im Verlauf der Zeit immer mehr zum Exklusivrecht wurde."

Sicher, endend in den Regeln zur Satisfaktionsfähigkeit.

Genau diese Sichtweise lehnt Neumann ab (sie geht kurz darauf ein). Denn während das Gottesurteil ein Mittel der Wahrheitsfindung sei (und es ihr zufolge außerdem eher vermieden wurde und der Abschreckung dienen sollte), ist das neuzeitliche Duell eher darauf ausgelegt, irgendeine (meist eingebildete*) Ehrverletzung zu sühnen.


*ich weiß natürlich, dass das ein moderner Standpunkt ist, der vor 200 oder 300 Jahren nur bedingt verstanden worden wäre
 
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Gab es eigentlich Vorgänge, wie gern in Filmen dargestellt, dass zwei Heere aufeinander trafen und nur die Heerführer kämpften?
 
Tacitus berichtet darüber in seiner Germania. Demnach hätten die Germanen aus dem Ausgang des Zweikampfes den Ausgang der Schlacht versucht vorherzusagen. Ob das allerdings stimmt, ist eine andere Frage. In der älteren Literatur zum gerichtlichen Zweikampf wird dieser Zweikampf als Ursprung des gerichtlichen ~ angeführt. Ob das tatsächlich so ist, darf eher bezweifelt werden.
 
In dem Zusammenhang ist auch auf das Hildebrandslied hinzuweisen. Er und sein Sohn treffen ja als Heerführer aufeinander.
 
Da ich nicht mehr ändern kann, ein neuer Post:

@Zweikampf vor den Heeren: In dem Zusammenhang ist auch auf das Hildebrandslied hinzuweisen. Er und sein Sohn Hadubrand treffen ja als Heerführer aufeinander. Bevor gemeckert wird: Ja, schon die Namen (Kriegesbrand, Streitesbrand) zeigen, dass es sich um eine Sage handelt. Dabei mag Hildebrand ursprünglich Beiname einer historischen Person gewesen sein.

@Bauernwehr: Die Waffe entstand, da nur bestimmte Personengruppen Schwerter tragen durften. Das waren z.B. Ritter, Studenten und Kaufleute, wobei letztere die Waffe am Sattel befestigen mussten. Zur Begriffsklärung: Andere trugen längere Messer, die heute Bauernwehr genannt werden. Im 15.Jh. entwickelten sich dann über den Dussack die Lange Messer genannten, meist besser gefertigten Waffen. Wie schon die Wikipedia-Artikel zeigen gibt es keine einheitliche Definition und zeitgenössisch wurden wohl alle auf dt. mit Langes Messer bezeichnet. (Dussack kommt aus dem Tschechischen mit der Bedeutung Hirschfänger.) Diese Abbildung (um 1450) zeigt Johann Lichtenauer mit Fechtfeder, an der Wand hängen Langes Schwert und Bauernwehr/Langes Messer. Lichtenauer lebte im 14.Jh.. Wenn ich von Bauernwehr rede, beziehe ich mich also klar auf das Spätmittelalter und somit auf die Zeit des Rückgangs der Gerichtskämpfe.

@freie Bauern als Gutsbesitzer: Nicht nur Besitzer, bzw. Eigentümer großer Güter, die es sich Müßiggang und somit umfassende Waffenübung leisten konnten, waren frei. Zugegeben, dies war schon im Mittelalter regional unterschiedlich, aber z.B. im Hochstift Paderborn gab es freie Meier. Ein Lehen zu empfangen, hieß ja nicht per se, unfrei zu werden. Wie schon gesagt, gibt es da regionale Unterschiede. (Ich habe mir erst vor ein paar Wochen den Sachsenspiegel gelesen, da ich eine Regelungen zu Burgen suchte. Mir fiel auf, dass auch Unfreie Waffen halten mussten. Werde mal nach der Belegstelle suchen.)

@Ritter und Bauern: Ich meinte nicht den sozialen Unterschied, hätte z.B. auch Ritter und Kaufmann, sogar Ritter und Priester sagen können. Ich meinte den Unterschied: Profisportler mit eingeschleiften Reaktionen und Hobby- oder Gelegenheitssportler.
 
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Das mit dem Gegensatzpaar freier Bauer vs. Ritter funktioniert so nicht. ...

Es gab zunächst freie Ritter; erst später wurden die unfreien Dienstmannen in das Rittertum aufgenommen und wurden so nach und nach als Adlige verstanden. Die Schwertleite war ursprünglich das Mannbarkeitsritual der freien Krieger. (Ja, ich folge hier Delbrück. Aber das sich das Rittertum im Hochadel entwickelte ist ja seit ein paar Jahrzehnten wieder in der Diskussion, siehe auch den Ritter-Artikel der Wikipedia: "Ab dem 11. Jahrhundert etablierten sich neben adligen („edelfreien“) Grundherren auch unfreie Hofbeamte („Ministerialen“) als Ritter.") Diese Ritter waren aufgrund ihrer Ausstattung mit Eigentum in der Lage, sowohl die Kosten für den Kriegszug zu tragen, als auch andere die Arbeit machen zu lassen und sich in den Waffen zu üben. Dies ist der Punkt, weshalb ich sie, wie schon im vorigen Post geschrieben den Bauern gegenüberstellte. Auch der freie Bauer war ja aufgebotspflichtig, hatte aber nicht so viel Zeit, sich zu üben.

Sozial gab es im frühen Mittelalter primär Adelige, Freie und Unfreie. (Ja, das ist vereinfacht. 'Halbfreie' und das bei den Franken "offiziell" keine Adeligen gab, lasse ich hier z.B. unbeachtet.) Der Stand der Freien wurde marginalisiert, indem sich ein Teil dem Adel anschloss, während der Großteil unfrei wurde. Nur in bestimmten Gegenden oder als Ausnahme konnten sich Freie Hofstelleninhaber halten. Schon Karl der Große ging gegen diese Entwicklung vor, indem er den Standeswechsel der Freien zu den Unfreien verbot. (Ihm gingen wohl die Fußkämpfer aus. Und Kanonenfutter braucht man im Krieg ja auch ohne Kanonen.) Die Stände der Adeligen und der Unfreien hingegen differenzierten sich immer mehr. (Darum gehe ich hier nicht auf die Halbfreien ein.) Solche Dinge wie die Städte, Burgmannslehen und Ministeriale der Ministerialen machen das ganze noch komplizierter.
 
Es gab zunächst freie Ritter; erst später wurden die unfreien Dienstmannen in das Rittertum aufgenommen und wurden so nach und nach als Adlige verstanden. Die Schwertleite war ursprünglich das Mannbarkeitsritual der freien Krieger. (Ja, ich folge hier Delbrück. Aber das sich das Rittertum im Hochadel entwickelte ist ja seit ein paar Jahrzehnten wieder in der Diskussion, siehe auch den Ritter-Artikel der Wikipedia: "Ab dem 11. Jahrhundert etablierten sich neben adligen („edelfreien“) Grundherren auch unfreie Hofbeamte („Ministerialen“) als Ritter.") Diese Ritter waren aufgrund ihrer Ausstattung mit Eigentum in der Lage, sowohl die Kosten für den Kriegszug zu tragen, als auch andere die Arbeit machen zu lassen und sich in den Waffen zu üben. Dies ist der Punkt, weshalb ich sie, wie schon im vorigen Post geschrieben den Bauern gegenüberstellte. Auch der freie Bauer war ja aufgebotspflichtig, hatte aber nicht so viel Zeit, sich zu üben.

Sozial gab es im frühen Mittelalter primär Adelige, Freie und Unfreie. (Ja, das ist vereinfacht. 'Halbfreie' und das bei den Franken "offiziell" keine Adeligen gab, lasse ich hier z.B. unbeachtet.) Der Stand der Freien wurde marginalisiert, indem sich ein Teil dem Adel anschloss, während der Großteil unfrei wurde. Nur in bestimmten Gegenden oder als Ausnahme konnten sich Freie Hofstelleninhaber halten. Schon Karl der Große ging gegen diese Entwicklung vor, indem er den Standeswechsel der Freien zu den Unfreien verbot. (Ihm gingen wohl die Fußkämpfer aus. Und Kanonenfutter braucht man im Krieg ja auch ohne Kanonen.) Die Stände der Adeligen und der Unfreien hingegen differenzierten sich immer mehr. (Darum gehe ich hier nicht auf die Halbfreien ein.) Solche Dinge wie die Städte, Burgmannslehen und Ministeriale der Ministerialen machen das ganze noch komplizierter.
Althoff und Fleckenstein lassen den Ritterbegriff vor dem 11. Jhdt. gar nicht gelten. Natürlich gab es berittene Krieger.
 
@ Conzaliss: Nein. Abgesehen von dem hier. ;)
(Ich gehe mal davon aus, das war ironisch gemeint.)
Meier war ein Verwalter und zumeist unfrei. Der Maior domus war der oberste der Familia, also der (meist unfreien) Dienerschaft. Ausnahmen (s.o.) bestätigen die Regel.

@ El Quijote: Ja, aber das ist nur überzeugend, wenn man von einem bestimmten Begriff ausgeht. Ich bin allerdings durchaus bereit den berittenen Krieger vor dem 11. Jh. nach den Quellen als 'miles' zu bezeichnen, und den Begriff 'Ritter' für einen speziellen Miles zu verwenden. Also nach dem Motto: Ein Ritter ist ein Miles mit einem bestimmten Ethos und ... Allerdings beschreiben wir ein Phänomen, welches sich bis in die Neuzeit hinein geändert hat und deren Ausgangspunkt doch in dem Übergang der Franken zu einem hauptsächlich berittenen Aufgebot liegt. Getreu einer konsistenten Wissenschaftssprache brauchen wir also zunächst einmal einen Terminus für das Gesamtphänomen, dessen Definition gewisse gleichzeitige Pole berücksichtigen muss. Hierzu scheint mir im Gegensatz zu 'Miles' der Begriff 'Ritter' zwar eher tauglich zu sein, aber der genaue Begriff ist weniger wichtig. Wir landen doch sonst nolens volens bei den Kategorien.

(Der Ritter von 1803 ist dann aber immer noch ein Miles. ;) )
 
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@Ritter und Bauern: Ich meinte nicht den sozialen Unterschied, hätte z.B. auch Ritter und Kaufmann, sogar Ritter und Priester sagen können. Ich meinte den Unterschied: Profisportler mit eingeschleiften Reaktionen und Hobby- oder Gelegenheitssportler.

Dieser Aussage stelle ich den Verdacht entgegen, dass der soziale Unterschied das entscheidende Kriterium war.

Wenn wir das Mittelalter betrachten, dann blicken wir auf eine stark strukturierte ("ständische") Gesellschaftsordnung, in der es soziale Mobilität kaum gab. Man wurde in einen Stand hineingeboren und verblieb dort. Die Überschreitung der Grenzen zwischen den Ständen war (fast) nicht möglich. Wie sich solche Verhältnisse gesellschaftlich auswirken können, sieht man noch heute (teilweise) in Indien (Kastensystem).

Ich kann mir nach wie vor nicht vorstellen, dass Gerichtskämpfe über Ständegrenzen hinweg möglich waren. Wenn im Sachsen- oder Sonstwas-Spiegel steht, dass der Höhergestellte einen Zweikampf ablehnen konnte, der "Niedere" aber nicht, dann - MEINE! Interpretation - bezog sich das auf Rangunterschiede innerhalb eines Standes. Gibt es Belege für das Gegenteil? Gibt es Hinweise, dass ein "Bürgerlicher" einen "Adeligen" fordern konnte - oder dass es umgedreht mal passiert wäre?

Zweifel habe ich auch an der Unterscheidung "Profisportler - Amateur". War ein Ritter zwangsläufig ein "Profi" und ein freier Bauer zwangsläufig ein "Amateur"? Ich denke, dass beide im Rahmen ihrer Möglichkeiten innerhalb einer recht gewalttätigen Welt "überlebensfähig" waren. Auch aus der Tatsache, dass keiner der großen mittelalterlichen Fechtmeister "adelig" gewesen zu sein scheint, lese ich ab, dass in jener Zeit auch "bürgerliche" Menschen durchaus eine "Kampfausbildung" genossen haben können. Zudem: Die Regeln, die uns aus damaliger Zeit noch bekannt sind, sanktionieren nicht kämpferische Fähigkeiten, sondern nur den Besitz bestimmter Waffen (z.B. zweischneidig geschliffene Schwerter). Jemand, der ein "Schwert" (zweischneidig geschliffen) nicht besitzen durfte, kann also durchaus ein "Messer" (einschneidig) besessen haben. Auch wenn dieses "Messer" 90 Zentimeter lang war....

Ich räume übrigens freimütig ein, dass ich mich für die Frage nach "Gerichtskampf" oder "Gottesurteil" bislang nicht besonders interessiert habe. Dass ich darauf gestoßen bin, war eher eine Nebenerscheinung. Ausgangspunkt meines Interesses war die Kenntnis (vorwiegend) japanischer Kampfkünste. Ich wollte wissen, ob europäische Gesellschaften (die ja auch "Werkzeuge" wie das Schwert entwickelt hatten) vielleicht ähnliche Methoden der Kampfführung erdacht hatten. Dabei stieß ich dann auf Namen wie "Liechtenauer" und "Talhoffer" - und fand Belege für die Existenz sehr ausgefeilter Methoden, die den aus Japan bekannten Kampfkünsten sogar überaus ähnlich sind.

Die Ähnlichkeit reicht so weit, dass auch in Europa eine "Schule" existierte, die die Verwendung von Alltagsgegenständen als Waffen lehrte. Oder den waffenlosen Kampf. Stichwort: deutsches Freiringen. Oder das "lange Messer": Da wurde ein Alltagsgegenstand, den jeder besitzen durfte, so verändert, dass er (nur noch!) als Waffe nutzbar war.

Etwas sehr Ähnliches ist im Fernen Osten abgelaufen. Die japanische (Krieger-)Gesellschaft sah sich irgendwann genötigt, zu akzeptieren, dass auch profane Alltagsgegenstände wie Dreschflegel "Waffen" sein können. In Japan führte das zur Unterscheidung zwischen "großen" (Schwerter, Bögen etc.) und "kleinen" Waffen (Nunchaku, Sai etc.).

Der entscheidende Punkt ist: Die Leute, die in Europa das "lange Messer" genutzt haben, und die Leute, die in Japan (bzw. Korea) zum Nunchaku gegriffen haben, die waren zwar nicht zum Waffenbesitz berechtigt, hatten aber im unberechtigten Einsatz dieser "Nichtwaffen" beachtliche Fertigkeiten. Soll heißen: Wenn im europäischen Mittelalter ein Kämpfer zu einem Gerichtskampf angetreten ist und sich damit - in Kenntnis seiner eigenen Sterblichkeit! - einem "Gottesurteil" gestellt hat, dann muss er sich selbst für fähig genug gehalten haben, um den Kampf VIELLEICHT zu gewinnen. Ich glaube, dass eine Begegnung zwischen "unbesiegbaren Profis" und "überoptimistischen Amateuren" damals unmöglich war. Wer in den Ring stieg, wusste, dass sein nacktes Überleben davon abhing.

An der Stelle landen wir wieder beim Reglement der mittelalterlichen Gerichtskämpfe: Soweit ich das bisher verstanden habe, hat dieses Reglement ausgeschlossen, dass ein hochtrainierter Über-Krieger auf einen einarmigen, dummen Bauern traf. Das Reglement zielte darauf ab, beiden Kämpfern ungefähr gleiche Siegchancen zu verschaffen. Nur bei Chancengleichheit macht die Idee von einem "Gottesurteil" überhaupt Sinn.

MfG
 
Bitte, wir reden hier so mal locker über einen Zeitraum von 500-1000 Jahren und eine Region von 1000x1000 km, also Königsberg Köln und Flensburg Garmisch.
So mal als kleiner Einwand ....
 
@ Wer konnte was? 1: Es ging um folgende Aussage von mir:

"Der ausgebildete Ritter dürfte trotzdem immer noch die Oberhand über den freien, wenig mit Waffen trainierten Bauern haben."

Es ging somit nicht um den untrainierten, nur des Geldes wegen zum Ritter Geschlagenen. Und auch nicht um den trainierten Stadtbürger oder Bauern. Bezweifelt jemand ernsthaft, dass es weniger trainierte freie Bauern gab? Ich glaube nicht.

Sinn meiner Aussage war darauf hinzuweisen, dass der psychische Druck des Schuldigen durchaus durch die Gewohnheit gegen einen ungeübten Gegner wettgemacht werden konnte. Mehr zu sagen, war damit nicht beabsichtigt.

Der Sachsenspiegel sieht nur für Behinderte die Stellung eines Ersatzkämpfers vor.


@ Wer konnte was? 2: Die Städte waren wehrhaft und verlangten dies auch von ihren Bürgern. Während es Vorteil von Rittern und Söldnern war, die Kampfkunst exklusiv zu beherrschen, waren die Städte auf deren Vermittlung angewiesen. Es ist also kein Wunder, dass die Fechtbücher von bürgerlichen Autoren geschrieben wurden. Der Knappe lernte das Fechten vom Ritter, der Bürger vom bürgerlichen Fechtmeister gegen Geld. Das ist bekannt. Wie lernte es der Bauer? Da es bäuerliche Bogenschützen gab, müssen auch Bauern trainiert haben. Ich kenne dazu allerdings keine Quellen.

Die Regularien sollen ja immer weiter vermehrt worden sein. Daher findet sich in späteren Quellen natürlich mehr als im Sachsenspiegel.

Was schreibt denn Talhoffer zu den Regularien? Das ist doch sein Thema. Ich habe bisher nur die Abbildungen (Links unter F und M anklicken) betrachtet und ein paar Bemerkungen zur Kampftechnik zur Kenntnis genommen. Dort findet sich auch die Abbildung eines Gerichtskampfes eines Mannes in vollem Harnisch gegen einen nur mit Kettenhaube und Lederkoller geschützten. Es sei denn eine Textseite verrät Anderes zu diesem "anlaufen nach dem Schutz".

@ Stände: Die Rechte beziehen sich auf die Geburt, also den Stand. Die Rechte der Standesgenossen hingegen sind gleich. Die mittelalterlichen europäischen Stände waren keine indischen Kasten. Und es gab auch soziale Mobilität. Sonst hätten z.B. die Regeln diese Mobilität einzuschränken keinen Sinn.

Ein neuer Gedanke: Eine Zeit lang stand der unfreie Ministeriale unter dem freien Bauern.

EDIT: Mir ist natürlich bekannt, dass auch Adelige Fechtmeister engagierten.
 
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Bitte, wir reden hier so mal locker über einen Zeitraum von 500-1000 Jahren und eine Region von 1000x1000 km, also Königsberg Köln und Flensburg Garmisch.
So mal als kleiner Einwand ....

Das ist allerdings ein recht anachronistischer Raum... Ich habe ihn explizit weiter gefasst:
Handelte es sich um eine Mittel der Wahrheitsfindung und/oder Rechtsinstitut nur im lateinisch-katholischen Bereich oder auch im byzantinischen?
Wie sieht es mit dem islamischen Bereich aus?
 
Zu den Ordalen am Beispiel des mittelalterlichen englischen Strafrechts vgl. noch die Literaturangaben hier:
Die Bürgschaft im mittelalterlichen englischen Strafrecht - Susanne Jenks - Google Books

Aus dem Verbot kann man rückschließen, dass es die Fälle gegen haben muss.

Sowie Köbler, Welchen Gottes Urteil ist das ..., in: Festschrift Trusen, 1994, S. 89 ff.

Rechtshistorisch wurden Ordale, darunter eben auch Zweikämpfe als ein Fall, als gewöhnliches/formelles Verteidigungsmittel (ebenso wie Eid und Eidhelfer) angesehen. Die Ablösung ergab sich durch die Fortenttwicklung des "Beweisrechts" gegenüber den mittelalterlichen Volksrechten. Das Kirchenrecht ab dem 12. Jhdt. verlangte dagegen das Prinzip der materiellen Wahrheit, was zu Augenzeugen und Urkundsbeweisen überleitete, und wohl entscheidend für den Übergangsprozeß gewesen ist.
Odersky: 500 Jahre Reichskammergericht (in: NJW 1995, 2901)

Zur Frage des Übergangs ein Vorgang:
"Die Obrigkeit gewährte nicht mehr die formalen Verteidigungsmittel wie Reinigungseid und Gottesurteil, sie untersuchte (inquirierte) selbst: Die Offizialmaxime, das heißt die Pflicht zur Durchführung eines Verfahrens von Amts wegen, verband sich mit der Instruktionsmaxime, dem Gebot, die objektive Wahrheit zu erforschen."
Gergen: Die peinliche Gerichtsordnung Karls V. von 1532 (In: JA 2010, 577)
 
@ Wer konnte was? 1: Es ging um folgende Aussage von mir:

"Der ausgebildete Ritter dürfte trotzdem immer noch die Oberhand über den freien, wenig mit Waffen trainierten Bauern haben."

Es ging somit nicht um den untrainierten, nur des Geldes wegen zum Ritter Geschlagenen. Und auch nicht um den trainierten Stadtbürger oder Bauern. Bezweifelt jemand ernsthaft, dass es weniger trainierte freie Bauern gab? Ich glaube nicht.
Vielleicht haben wir beide unsere Beiträge in einer Weise verfasst, die allzu schwarz-weiß-malerisch wirkte. So konnte ich in Deine Beiträge hineininterpretieren, dass jeder Ritter immer jedem "Bauern" überlegen gewesen sei. Und Du konntest in meine Beiträge hineininterpretieren, dass jeder Bauer jedem Ritter hätte Paroli bieten können. Wir diskutieren also gerade über Dinge, die wie beide so nicht geschrieben haben... Damit sollten wir aufhören. Ich fange an:

Selbstverständlich sind wir uns einig, dass der "Ritter", der von Beruf Krieger war, sein Handwerk besser verstand als irgendein beliebiger Bauer. Wir diskutieren ja auch nicht über die Stände an sich, sondern wir reden über die Individuen, die bereit waren, vor ein Gericht zu treten und dann - in der logischen, weil vorher absehbaren oder gar gewünschten Konsequenz - in einem Kampf auf Leben und Tod den Nachweis anzutreten, dass sie sich im Recht fühlten. Mir geht es nur darum, dass kein fußlahmer einäugiger Bauer sich auf so ein Wagnis eingelassen hätte. Das wäre Selbstmord gewesen. Meine These: Die Leute, die zu einem derartigen Stunt bereit waren, konnten mit Waffen gut genug umgehen, um berechtigte Hoffnung auf ihr eigenes Überleben hegen zu dürfen.

Meine zweite These: "Waffenkundigkeit" war nicht auf die höheren Stände beschränkt. Es gab auch "Bürgerliche", die sich ihrer Haut zu wehren wussten. Als Beleg dafür hatte ich die Tatsache angeführt, dass keiner der uns heute noch namentlich bekannten Schwertmeister "adelig" war. Das waren alles "Bürgerliche". Kann natürlich sein, dass das "Militär" eigene Schwertmeister hatte, die bloß keine Bücher geschrieben haben. Das halte ich aber für eher unwahrscheinlich, da es ein "bürgerlicher" Meister Liechtenauer war, der zum großen Guru der Kunst im Umgang mit dem langen Schwert wurde.

Sinn meiner Aussage war darauf hinzuweisen, dass der psychische Druck des Schuldigen durchaus durch die Gewohnheit gegen einen ungeübten Gegner wettgemacht werden konnte. Mehr zu sagen, war damit nicht beabsichtigt.
Das hatte ich schon verstanden. Ich halte es nur immer noch nicht für plausibel. Wir reden über Zweikämpfe, bei denen die Beteiligten ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben. Sie konnten entweder gleich während des Kampfes sterben oder anschließend vom Gericht zum Tode verurteilt werden. Da ging es ums nackte Überleben. Dass hierbei möglicherweise vorhandene "Schuldgefühle" eine nennenswerte Rolle gespielt haben könnten, bezweifele ich. Mir erscheint es sogar fraglich, ob es damals überhaupt sehr oft vorkam, dass Prozessbeteiligte sich von vornherein ihrer eigenen Schuld bewusst waren. Beweise kann ich natürlich nicht anführen. Nur das Alltagswissen, dass sich noch heute immer wieder in Gerichtssälen Menschen begegnen, einander anschreien und dabei völlig überzeugt sind, im Recht zu sein.


Der Sachsenspiegel sieht nur für Behinderte die Stellung eines Ersatzkämpfers vor.
Das kann sich eigentlich nicht auf meine Aussagen beziehen. Von Ersatzkämpfern habe ich nirgends geredet. Nur davon, dass das Reglement der Gerichtskämpfe immer darauf abzielte, die Chancen gleich zu halten.


@ Wer konnte was? 2: Die Städte waren wehrhaft und verlangten dies auch von ihren Bürgern. Während es Vorteil von Rittern und Söldnern war, die Kampfkunst exklusiv zu beherrschen, waren die Städte auf deren Vermittlung angewiesen. Es ist also kein Wunder, dass die Fechtbücher von bürgerlichen Autoren geschrieben wurden.
Warum ist das "kein Wunder"? Dass die berufsmäßigen Kämpfer (Ritter) gute Kämpfer waren, ist zwischen uns doch gar nicht umstritten. Es stellt sich da nur die Frage: Warum haben die berufsmäßigen Kämpfer keine Bücher hinterlassen, in denen es um die Lehre von Kampfkunst ging? Und warum haben "Bürgerliche", denen man Kampfkunst gar nicht zutrauen mag, so nachhaltige Wirkung gehabt wie Liechtenauer oder Talhoffer oder...? Die Fechtbücher belegen, dass Kampfkunst nicht auf die berufsmäßig-militärische Elite beschränkt war. Anmerkung: Das hat sich im Verlauf der geschichtlichen Entwicklung auch stark verändert. Im 14. Jahrhundert sahen die gesellschaftlichen Verhältnisse völlig anders aus als im 8. Jahrhundert.

Der Knappe lernte das Fechten vom Ritter, der Bürger vom bürgerlichen Fechtmeister gegen Geld. Das ist bekannt. Wie lernte es der Bauer? Da es bäuerliche Bogenschützen gab, müssen auch Bauern trainiert haben. Ich kenne dazu allerdings keine Quellen.
Das kann durchaus so sein. Es erklärt nur nicht, warum die "Amateure" diverse Quellen hinterlassen haben, die "Profis" aber gar keine. Und es erkärt nicht, warum es überhaupt "Amateure" gegeben haben soll. Die Fechtbücher sind der Beleg dafür, dass Kampfausbildung nicht auf die Ritterschaft beschränkt war. Was natürlich nicht heißt, dass JEDER Bauer eine Fechtausbildung genossen hat. Es heißt nur, dass individuelle Kampffertigkeiten einer breiteren Bevölkerungsschicht vermittelt worden sein müssen als wir heute vermuten würden.

@ Stände: Die Rechte beziehen sich auf die Geburt, also den Stand. Die Rechte der Standesgenossen hingegen sind gleich.
Ich habe nichts anderes behauptet. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass es innerhalb der Stände Rangunterschiede gab. Und ich habe die Vermutung geäußert, dass sich die Passagen im Sachsen- oder Sonstwas-Spiegel auf die Rangunterschiede und nicht auf Standesunterschiede bezogen. Jedenfalls habe ich bislang noch nirgends gelesen, dass Zweikämpfe zwischen Angehörigen verschiedener Stände üblich oder auch nur häufig gewesen wären. Aber - wie gesagt - dazu habe ich auch noch nicht ernsthaft nach Quellen gesucht. Vielleicht hat ja hier jemand Informationen, die fundierter sind als mein Wissensmangel.

Die mittelalterlichen europäischen Stände waren keine indischen Kasten.
Ich habe auch nicht behauptet, dass Europa im Mittelalter nach dem indischen Kastensystem organisiert war. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass die Stände sehr starre Grenzen hatten. Ich habe auch nicht behauptet, dass es unmöglich gewesen ist, diese Grenzen zu überschreiten. Ich habe nur gesagt, dass solche Grenzüberschreitungen sehr unwahrscheinlich waren und nur in Ausnahmefällen vorkamen.

Und es gab auch soziale Mobilität. Sonst hätten z.B. die Regeln diese Mobilität einzuschränken keinen Sinn.
Das habe ich nicht verstanden. Die Tatsache, dass institutionalisiere Regelungen die Überschreitung von Ständegrenzen erschwerten, soll der Beweis sein, dass es solche Überschreitungen gab?

MfG
 
So viel kann ich schon sagen:
Die Teilnahme an Zweikämpfen zwecks Gottesurteil war dem höheren Adel zum Teil explizit verboten. Neumann vermutet dahinter Pragmatismus: Der höhere Adel als Funktionselite war nur schwer ersetzbar, also war man tunlichst darauf bedacht, das Risiko, dass er verletzt oder getötet würde, zu minimieren.

Städte haben häufig Händler von Zweikämpfen befreit, weil diese viel Geld kosteten und die Händler so ruinieren konnten und außerdem man ein Interesse hatte, dass der Handel nicht einbrach. Es gab sogar ganze vom Zweikampf befreite Landschaften.

Ersatzkämpfer durften immer für eine Person streiten, z.T. auch angeheuert werden. Die Städte unterhielten z.T. Kämpfer für diesen Zweck, welche dann Bürger vertraten.

Neumann breitet einen Fall aus Valenciennes aus (S. 61 - 65). Ein Schneider der Stadt Tournai brachte den Vater einer Frau um, die er gerne geheiratet hätte, deren Vater sie ihm aber nicht geben wollte. Er flüchtete daraufhin nach Valenciennes, eine Stadt die Totschlägern das Asyl gewährte, wenn der Totschlag in Notwehr geschah.
Nun ist es aber so, dass ein Verwandter des Ermordeten in die Stadt kommt, den Mörder erkennt und ihn anzeigt. Es war eben keine Tat aus Notwehr. Die Stadt Valenciennes, um ihre Freiheitsprivilegien besorgt setzt Kläger und Beklagten in Haft und bezahlt dem Beklagten einen Trainer, nach zehn Monaten kommt es zum Zweikampf, der den Quellen zufolge unter vielen Regelzuwiderhandlungen und besonders gewalttätig verläuft. Am Ende ist der Kläger siegreich. Die Schilderungen sind dabei recht drastisch, z.T. aber auch nicht sehr wahrscheinlich. So habe der Kläger dem Beklagten mit bloßen Händen die Augen und das Herz ausgerissen (mir wird beim Schreiben schlecht :S). Die Hauptquelle für dieses Ereignis ist ein picardischer Adeliger, der sich deutlich gegen den gerichtlichen Zweikampf, insbesondere bei Bürgern, positioniert und natürlich die Grausamkeiten und Regelwidrigkeiten sehr betont.

Es gab aber, um auf meine Frage zurückzukommen, ob man im Mittelalter an das Gottesurteil glaubte, immer Kritiker desselben:

Neumann, S. 38 f:
Die Aussicht auf eine Beweiserhebung per Zweikampf hat auch bei den Betroffenen eher für Zögern als für Kampfbegeisterung gesorgt. Zumindest stützt die systematische Auswertung der Gerichtsurkunden bis zum Jahre 1000 diese Vermutung [FN 116: Hübner, Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit]. Dort wird allein in 16 von etwa 1500 in den Quellen erfassten Verfahren ein Zweikampf angeboten, jedoch nur in drei Fällen wirklich ausgefochten. In den restlichen 13 Rechtshändeln verzichtet die Gegenseite auf eine weitere Durchführung des Beweisverfahrens und lenkt ein. Allein das Zweikampfgebot konnte also die Parteien zu gütlicher Einigung bewegen. [...] Allein das Zweikampfgebot konnte also die Parteien zu gütlicher Einigung bewegen. Lagen die Motive dafür nun im Vertrauen der Beteiligten auf die Beweiskraft des Gottesurteils, das den Schuldigen eine Niederlage befürchten ließ, oder wurde der Rückzug vom Kampf aufgrund der Körperkraft des Gegners nötig, so dass die Entscheidung zwischen Physis und Metaphysik dann doch zugunsten des Erstgenannten ausfiel? [...] Dass die Integration des Zweikampfes ins Satzungsrecht häufig weniger Überzeugungstat denn Zugeständnis war, macht das Beispiel des Langobardenkönigs Liudprand deutlich. Er äußerte sich bereits im 8. Jahrhundert ausgesprochen skeptisch über die Glaubwürdigkeit der Gottesurteile, insbesondere des Zweikampfes. Für ihn sprach der Erfahrungswert, dass man schon häufig Unschuldige dabei ihr Recht habe verlieren sehen, eindeutig gegen diese Beweismittel, aber er gab unumwunden zu, dass er [...] nicht in der Lage sei, diese Form der Beweismittelerhebung zu unterbinden.
Neumann, S. 66 f.
Insbesondere die Gottesurteilslehre, die Legitimationsbasis auch des Zweikampfes, ist von Anfang an theologisch höchst umstritten; zahlreiche Kritiker wenden sich vehement gegen die unzulässige Vereinfachung und Profanierung christlicher Grundsätze im Ordalgedanken. Gottesurteile werden von ihnen als tentatio Dei eingestuft, da Gott hier zu einer Stellungnahme durch eine Art Wunder gezwungen werden solle. Die Vorstellung jedoch, der Mensch könne Gott nach Bedarf Wunder wirken lassen, bewertet z.B. Petrus Cantor im 12. Jahrhundert nicht nur als frevlerische, sondern auch als ausgesprochen einfältige Vorstellung. Und nicht weniger dumm erscheint ihm die mangelnde Einsicht in die Naturgesetze: Manche Wunder hätten völlig natürliche Ursachen. Gerade für den Zweikampf lässt sich diese Einsicht seit frühester Zeit greifen. Bereits im 6. Jahrhundert begründet Bischof Avitus von Vienne seine Ablehnung des gerichtlichen Zweikampfes mit dem Erfahrungswert, dass häufig der Schuldige den Sieg davontrage, weil nämlich der Stärkere gewinne und dies sei eben nicht unbedingt derjenige, der im Recht sei.
S. 67, FN 287:
Guibert [von Nogent] nutzt einen aktuellen Fall - das Verfahren gegen einen Kirchenräuber in Laon um 1103/04, der als Schuldiger siegreich aus dem Zweikampf hervorgeht - um den gerichtlichen Zweikampf als "lex illegitima, die durch keinen Kanon gedeckt ist" zu brandmarken.
 
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