Grenztruppen der DDR

...ich kann mich garnicht darin erinnern, daß ich nach einem Dienst an der Grenze gefragt wurde.

Und genau diese Problematik hätte ich gern näher erläutert. Konnte jeder an der Grenze Dienst schieben oder war politische Korrektheit ausschlaggebend. Immerhin kamen ein großer Teil der Republikflüchtlinge aus den eigenen Reihen der Grenzsoldaten.

Also ich hatte vorher zumindest schon davon gehört, daß man keine Westverwandtschaft haben durfte, um an die Grenze zu kommen. Die gab ich dann auch promt an und auch, daß jemand darunter war, der wegen versuchter "Republikflucht" abgeschoben war, habe ich nicht verschwiegen. Und dann noch das mit dem "nicht auf Menschen schießen" - um ganz sicher zu gehen. Ich ging damals wie heute davon aus, daß zumindest eine erhöhte Zuverlässigkeit damit abgefragt wurde.
 
Welche Bestimmungen oder Gegebenheiten mussten vorliegen, damit ein Soldat als Wehrpflichtiger an der Grenze seinen Dienst ableistete?
Mußte er politisch korrekt sein oder durfte keine Westverwandschaft haben oder den Kontakt pflegen usw.?

Plaudert doch mal darüber und nicht über den Dienst. Solche Hintergründe sind doch genauso wichtig und viel interessanter als schnöder Dienstalltag.

Immerhin hat die politische und militärische Führung der DDR junge Männer mit der Entscheidung über Leben und Tot allein an der Grenze sich selbst überlassen, wenn es eine "Grenzverletzung" gab.

Wie sahen Eure gedanken dazu aus?

Habt Ihr Euch damit auseinander gesetzt, auf wehrlose Menschen schießen zu müssen oder die Konsequenz zu tragen, wenn absichtlich nicht geschossen wurde.
Ja, was passierte, wenn der Befehl den Grenzverletzer zu stoppen nicht durchgeführt wurde eigendlich mit den wachhabenden Soldaten?

Was sagen unseren ehm.Grenzsoldaten hierzu.


@Köbis17

Das zweite Antwortposting.

Zumindest bei mir, aber ich denke, daß dieses auch für die anderen galt, die "Fehlmeldung" durch den ABV. Da ich diese polizeiliche Fehlmeldung auch im BSTU Archiv gefunden habe, war die Stasi zumindest informiert und hat bestimmt in ihren "Unterlagen" nachgeforscht, ob es irgend etwas über den künftigen Grenzsoldaten gibt, hätten die was gefunden, z.b. "Junge Gemeinde", "Auffälligkeit in der Oberschule" etc., wäre derjenige bestimmt nicht an die Grenze gekommen. Wenn ich meine Kameraden so Revue passieren lasse, war die Voraussetzung wohl im wesentlichen Systemkonformität, d.h. nie auffällig geworden und soweit bekannt, "geordnete" Familienverhältnisse. Westverwandschaft, da hat die Stasi bestimmt die Intensität geprüft, aber das weiß ich ehrlich nicht, da z.B. ich keine hatte. Ich vermute, eine Geburtstagskarte im Jahr wäre durchgegangen, wöchtlich ein Brief oder Telefonate bestimmt nicht.

Mehr wäre wohl auch nicht möglich gewesen und natürlich die positive Bejahung der Frage in der "Nachmusterung".

Daß die "DDR-Führung" die Verantwortung über "Leben und Tod" an uns delegiert hat, darüber haben wir bestimmt nicht gesprochen, in solchen komplexen Kategorien, die moralisch-ethische, juristische, politische und militärische Dimensionen haben, so haben wir nicht gedacht und auch ich nicht; es war eben so.

Im "Dienst" haben wir endlos über alles vom "Dienst" gesprochen. Die Frage aber, auf die Du abzielst:
- schießen wir, schieße ich
- schießen wir, schieße ich daneben

Darüber habe ich zumindest nie mit einem Kamerad, aber auch keiner mit mir. Das war ein Tabuthema. Warum? Es herrschte zwar ein sehr kameradschaftliches Verhältnis unter uns, aber der "Schießbefehl" war der zentralste Punkt bei den Grenztruppen, da hätte man auch an den "Falschen" kommen können. Ein verstecken hinter Befehlen und Vorschriften erspare ich mir

Natürlich habe ich darüber nachgedacht, weil "schießen" bedeutete, daß das "verstecken" hinter den Grenzsicherungsanlagen mit einem Schlag vorbei war, die "Grenzsicherung" wäre durch den einzelnen Soldaten aus der Anonymität heraus getreten und gleichsam individualisiert, durch die Tat des Soldaten.

M.
 
Mich würde jetzt zum Thema Grenzsoldaten die Einberufungstaktik interessieren und ich habe weitere Fragen.


@Köbis17

3. Antwortposting

Mannschaftsstärke Grenztruppen 1989 ca. 47.000 Soldaten inkl. RD
Mannschaftsstärke NVA 1989/1990 ca. 155.000 Soldaten

Also insgesamt 30,3% aller Offiziere, Uffz. und Soldaten dienten in diesem Zeitraum bei den Grenztruppen.

Quelle, nur Wiki, falls Du eine "lange Reihe" benötigst und robusteres Zahlenmaterial, schreib einfach:

Grenztruppen der DDR ? Wikipedia

Nationale Volksarmee ? Wikipedia


M.
 
@Köbis17

4. Antwortposting

Du fragtest nach Strafen, wenn nicht oder "gezielt" daneben geschossen wurde und es im Rahmen der obligatorischen Untersuchung durch die Militärstaatsanwaltschaft und die Stasi herausgekommen wäre.

Strafgesetzbuch der DDR (1968/74)

Ab Artikel 9 "Militärstraftaten"

Insbesondere § 257

Der dort erwähnte "Strafarrest" wäre dann im Militärgefängnis Schwedt zu verbüßen gewesen. Den Wiki-Artikel habe ich schon weiter oben verlinkt.

Disziplinarbestrafte - Militärgefängnis-Schwedt


M.
 
Kontakt zur "Grenzbevölkerung" - nicht lachen, so hieß das im Jargon bei uns -

Unsere Kompaniekaserne lag in einem Dorf im Sperrgebiet ("5-km-Zone"). Die Ausstellung von Passierscheinen, Genehmigungen etc., den die Menschen im Sperrgebiet unterwurfen waren, erfolgte duch die Polizei. Ob es Abstimmungsprocedere zwischen Polizei und Grenztruppen gab, ist zu vermuten, allerdings auf einer Ebene, die sehr weit über meiner lag.

Folgende Kontaktebenen gab es bei uns:

1. Ausgang

Unser Dorf hatte eine Kneipe, war die am Tag des möglichen Ausganges geschlossen, gab es keinen Ausgang, wohin hätten wir auch sonst "ausgehen" sollen. Ausgangsgebiet war nur das Dorf.

Wir wurden immer wieder belehrt, daß wir ein freundlich-distanziertes Verhältnis zur "Grenzbevölkerung" zu unterhalten hätten. Ich denke, daß die von sich aus schon Distanz gehalten haben, nicht, daß die uns nicht mochten, jedenfalls spürte ich keine Ablehnung, sondern da spielte natürlich auch der Altersunterschied und die dörfliche Bindung eine Rolle. Einzig der LPG-Vorsitzende machte eine Ausnahme, der sich an unsere Tische in der Kneipe setzte und unsere Rechnung übernahm.

2. Absicherung von land- und forstwirtschaftlichen Arbeiten im Schutzstreifen ("500 Meter-Zone")

Die Flächen des Schutzstreifens in unserem Grenzabschnitt wurden land- und forstwirtschaftlich genutzt (Ausnahme Weide). Notwendige Arbeiten mussten beantragt werden (wo, weiß ich nicht) und wurden uns bei der "Vergatterung" mitgeteilt. Beispiel:

Sie, Genosse Postenführer, sichern die Waldarbeiten ab. Durchlaß Grenzsignalzaun 8,00 Uhr, Angabe des Tores, es werden drei Arbeiter sein, Übergabe einer Liste der Namen der Arbeiter (inkl. Angaben zum Personalausweis, wie Nummer etc.), Benennung des Abschnittes in dem die Arbeiten erfolgten, Inhalt der Arbeiten.

Belehrung über den Umgang mit den Arbeitern.

Wir holten dann zum befohlenen Zeitpunkt die Arbeiter an dem Tor des Grenzsignalzaunes ab, kontrollierten die Liste und die Ausweise, die meisten kannten wir schon und der Vorarbeiter informierte uns, was genau er zu tun hatte. Dann begleiteten wir die Arbeiter bis zum Arbeitsort und "sicherten die Arbeiten ab" <= Militärjargon.

Das Verhältnis zu den Arbeitern erinnere ich als freundlich, kollegial. Unbehaglich war mir persönlich immer der Altersunterschied (Ein 19'jähriger kontrolliert einen 50'jährigen und begleitet ihn mit einer AK47 auf der Schulter).

3. Arbeitseinsatz in der LPG

War selten, kam aber vor und hat mir persönlich viel Spaß gemacht und, keine Waffe, Uniform nur "Arbeitskombi schwarz".


M.
 
Zuletzt bearbeitet:
Kontakt zur "Grenzbevölkerung" - nicht lachen, so hieß das im Jargon bei uns -
...
Wir wurden immer wieder belehrt, daß wir ein freundlich-distanziertes Verhältnis zur "Grenzbevölkerung" zu unterhalten hätten.
...
Wir holten dann zum befohlenen Zeitpunkt die Arbeiter an dem Tor des Grenzsignalzaunes ab, kontrollierten die Liste und die Ausweise, die meisten kannten wir schon und der Vorarbeiter informierte uns, was genau er zu tun hatte. Dann begleiteten wir die Arbeiter bis zum Arbeitsort und "sicherten die Arbeiten ab" <= Militärjargon.
Bedrückende Schilderung. Ich vermute mal, spätestens da ist allen klar geworden, dass etwas nicht stimmt "im Staate Dänemark". Ich war gerade geneigt, das mit meinen Erfahrungen zu vergleichen, die darauf hinauslaufen, dass ich mich immer als "Staatsbürger in Uniform" empfunden habe und immer auch genau so behandelt wurde (von Zivilisten). Aber das verbietet sich hier, da Soldaten in westlichen Friedenszeiten keine "Aufgabe" hatten. Sicher wäre es interessanter und informativer, mal Erfahrungen geschildert zu bekommen, die "Westzonen"-Grenzschützer in jener Zeit gemacht haben.

MfG
 
In unserem Abschnitt wurde die Grenze auf westlicher Seite überwacht durch:

Bayerische Grenzpolizei (BGP)
Bundesgrenzschutz (BGS)
Zoll
US Army

In unserem Grenzabschnitt gab es auf bundesdeutscher Seite eine kleine Straße die dem Grenzverlauf einigermaßen folgte. Auf der waren BGP, BGS und Zoll mit normalen Streifenwagen unterwegs. Allerdings in sehr großen zeitlichen Abständen. Es gab Schichten, da sahen wir vorstehend genannte westliche Grenzbeamte überhaupt nicht.

Sobald wir einen Streife sahen, mußten wir eine sog. "B-Meldung" (Beobachtungs-Meldung) via Grenzmeldenetz an den Zugführungspunkt abgeben.

Inhalt, soweit erkennbar:

Ort
Zeit
Dienstherr (BGP, BGS, Zoll)
Autotyp
Fahrtrichtung oder Fahrzeug hat gestoppt
Dienstgrad
Bewaffnung
Autokennzeichen
Handlung

Mindestens einmal am Tag flog ein Hubschrauber des BGS bzw. der US Army den Grenzverlauf ab, und zwar mit diesen Helikoptern:

Bell OH-58 ? Wikipedia

Bell UH-1 ? Wikipedia


Auch das mußte natürlich als "Vorbeiflug" gemeldet werden.

Die US Army ist in sehr unregelmäßigen Abständen an der Grenze Patrouille gelaufen, meistens in Gruppenstärke (ca. 10 bis 12 Soldaten). Das waren die Einzigen die uns zugewunken haben und denen wir auch zurückwinkten.

Kontakt mit der BGP, dem BGS und Zoll hatte ich nur, wenn ich als Absicherungsposten feindwärts der Minensperre eingesetzt war.

1. Fall

Arbeiten an der Minensperre.

Während meiner Dienstzeit wurde in einem Grenzabschnitt die Minensperre step by step geräumt und neue Minen verlegt. Dazu sah man es als notwendig an, daß ein Postenpaar diese Arbeiten "feindwärts" absichert. Ich hatte ein paarmal das "Vergnügen".

Ablauf:

Information über die Arbeiten im Minenfeld während der Vergatterung. Nennung des Namens des Offiziers der Grenzpioniere, der die Arbeiten führt. Abholung der Grenzpioniere am Grenzsignalzaun. Dann wechseln auf die andere Seite der Minensperre (trassierter Weg). Es gab bei uns in der Kompanie eine informelle Regel, ich weiß nicht, ob es die auch woanders gab, entgegen den Vorschriften läuft der Postenführer als erster durch die Minensperre auf dem freigegebenen trassierten Weg.

Bei Arbeiten an der Minensperre war immer ein Streifenwagen der BGP oder des BGS vor Ort. Ob es da Informationskanäle zwischen den Grenztruppen und der BGP bzw. dem BGS gab, entzieht sich meiner Kenntnis.

Der Beamte der BGP bzw. des BGS kam dann auf uns zu, grüßte "Hallo" oder "Guten Tag", fragte wie lange die Arbeiten heute dauern und ob eventuell Minen gesprengt werden. Ich habe zurückgegrüßt, benannte das voraussichtliche Ende der Arbeiten und sagte ihm, ob es zu Sprengungen kommen könnte (Vorab Info durch den Offizier der Grenzpioniere). Tja, und dann war 8 h stehen angesagt, wir durften uns feindwärts der Minensperre nicht setzen.

2. Fall

Meliorationsarbeiten

In einem Grenzabschnitt bei uns gab es einen kleinen Bach der von Ost nach West floß und wahrscheinlich immer noch fließt. Die Minensperre endete ca. 20 Meter rechts und links dieses Baches. Natürlich mußten die unregelmäßigen Arbeiten an diesem Bach "abgesichert" werden. Wenn man da als Sicherungsposten eingesetzt war, fragte der Beamte der BGP bzw. des BGS natürlich auch immer, wann die Arbeiten enden würden.

Selbstverständlich mußte ich nach Dienstende meinen Vorgesetzten immer möglichst genau das Gespräch schildern und es wurde m. w. dann auch protokolliert; mein Posten wurde ebenfalls befragt.


M.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mannschaftsstärke Grenztruppen 1989 ca. 47.000 Soldaten inkl. RD
Mannschaftsstärke NVA 1989/1990 ca. 155.000 Soldaten

Also insgesamt 30,3% aller Offiziere, Uffz. und Soldaten dienten in diesem Zeitraum bei den Grenztruppen.
Waren eigentlich die Dienstzeiten identisch?

Ansonsten wäre ja die Zahl der Betroffenen höher oder niedriger als 30% (höher, wenn die Grenztruppen kürzer dienten, ansonsten umgekehrt)?
 
@R.A.

Ja, die Dienstzeiten waren identisch.

Soldaten:

Im Wehrdienst (NVA) bzw. Wehrersatzdienst (Grenztruppen, Bereitschaftspolizei usw.) 18 Monate

Unteroffiziere:

Wenn nicht Berufssoldat, drei Jahre. Berufsunteroffiziere zehn Jahre und mehr.

Fähnriche:

Berufssoldat, 15 Jahre und mehr.

Offiziere:

Offiziere, wenn nicht Offizier auf Zeit, 25 Jahre und mehr, Offizier auf Zeit 4 Jahre.

Ich hoffe, daß ich die Dienstzeiten richtig erinnere, ansonsten bitte Korrektur.


M.
 
Zuletzt bearbeitet:
Verhältnis zu den Vorgesetzten und untereinander

So ein Thema spiegelt natürlich viele subjektive Empfindungen wider. Natürlich gab es Vorgesetzte und Kameraden die ich besonders mochte und solche, die ich lieber von hinten gesehen habe, aber das ist nur natürlich.

Natürlich wußte ich auch, daß es unter meinen Kameraden und Vorgesetzten IM's gab (den Begriff kannte ich damals noch nicht). Die Stasi-Offiziere, die Uniformen der Grenztruppen trugen, aber als Offiziere des MfS bekannt waren ("Abteilung 2000"), mit denen hatten wir als Soldaten nichts zu tun, das war Ebene ab stellv. Kompaniechef aufwärts. Im formalen Umgang erinnere ich diese Offiziere als ausgesprochen freundlich. Ich wurde während meiner Dienstzeit auch nie von Vorgesetzten zur Denunziation von Kameraden angehalten.

Grenzausbildungsregiment

Die Ausbildungszeit dauerte ein halbes Jahr (1. Diensthalbjahr). Das Verhältnis zu den Vorgesetzten war streng militärisch und hierarchisch (In der Art: "Genosse Unteroffizier, gestatten Sie, daß ich Sie spreche"). Nach der militärischen Grundausbildung umfasste die Ausbildung, urvo hat es schon angerissen, das Lernen von Dienstgraden des BGS, der BGP, der US Army, deren Technik (Kfz, Bewaffnung, Hubschraubertypen etc.), die Ausbildung an der sog. "Lehrgrenze", also Festnahme usw. Ausbildung an sog. Grenzsignalmitteln, Sport, Schießen, Politunterricht und natürlich dem übrigen sonstigen "Militärkram". Darüber hinaus ein 2 wöchiger Einsatz zum Grenzausbau, Arbeitseinsatz am Grenzsignalzaun und natürlich die Spezialausbildung (Schreiber, KRad-Fahrer, P3, Trabant "Kübel", LO, Panzerbüchse etc.).

Grenzkompanie (Grenzdienst)

Das Verhältnis zu den Vorgesetzten (Offiziere, Fähnriche, Berufsunteroffiziere) war freundlich-distanziert, zu den Unteroffizieren ("Drei-jährige") kameradschaftlich.

Es gab bei den Grenztruppen, jedenfalls meine Erfahrung, keine ausgeprägte "EK-Bewegung" (siehe Film: "NVA" http://de.wikipedia.org/wiki/NVA_(Film). Klar, das 2. Diensthalbjahr hatte die Reviere zu reinigen, das war es aber auch schon. Die Soldaten des 3. Diensthalbjahres haben uns im Grenzdienst weiter ausgebildet und wir dann später auch, als wir im 3. Diensthalbjahr waren (Postenpunkte, Verhalten gegenüber z.B. den Arbeitern die im Schutzstreifen arbeiten mußten [da wich manches von den Dienstvorschriften ab], regionale Besonderheiten etc.).

Das Verhältnis zu den Zivilangestellten ("Küchenfrauen") erinnere ich als ausgesprochen freundlich.

Das Verhältnis untereinander war sehr kameradschaftlich, mit Ausnahme, daß bestimmte Themen nicht angesprochen wurden, w.z.B. "Schießbefehl" usw.

Alles andere wäre "Folklore" und hat hier nicht seinen Platz.


M.
 
Bedrückende Schilderung. Ich vermute mal, spätestens da ist allen klar geworden, dass etwas nicht stimmt "im Staate Dänemark". Ich war gerade geneigt, das mit meinen Erfahrungen zu vergleichen, die darauf hinauslaufen, dass ich mich immer als "Staatsbürger in Uniform" empfunden habe...MfG

Das mag bedrückend sein, war aber so Realität.

o.t. zum Thread

Wenn Du als Kind bzw. Jugendlicher in einem totalitären, von mir aus auch spättotalitärem, Regime aufwächst, lernst du sehr früh dich zu arrangieren. Du weißt wann Du lügen mußt, um ein Ziel, z.B. einen Studienplatz, zu erreichen. Manche Dinge erzählst Du Deinem Schulfreund nicht, deinem Lehrer, deinem Kameraden wie auch immer. Natürlich werden die Lügen immer subtiler je älter Du wirst, logisch auch der Informationsfilter. Das ist logischerweise auch heute so, nur, die "Lüge" ist ein konstruktives Element des Totalitarismus. Ich habe von früh auf in meiner Sozialisation gelernt, daß ich nicht alles allen sagen darf, da es sonst Sanktionen gegeben hätte ("Das darfst du aber nicht in der Schule erzählen..."). Und immer mußte ich bei entscheidenden Handlungen abmessen, welche Konsequenz hat das für mich oder meine Familie. Auch das ist heute so, aber es gab in der DDR informelle Konsequenzen, die ich nicht abschätzen konnte. Dann kamen die Entscheidungen, wie weit läßt Du Dich ein, um gerade noch als systemkonform durchzugehen, natürlich wäre auch eine andere Haltung möglich gewesen (ein Satz, den ich damals so nicht formuliert hätte).

@maelonn

Ich wußte nicht erst seit dem ich Arbeiter am Grenzsignalzaun abholte, was ich bzw. wir da an der Grenze "trieben". Wie geschrieben, wir waren jung, aber nicht blöd. Die Grenze und das Grenzregime waren ein konstituierendes Element der DDR und das war uns klar, und zwar mehr oder weniger jeden.



M. :winke:
 
Einordnung der Grenztruppen der DDR in den Herrschaftssmechanismus der DDR. Ein Versuch.

Ausgangsprämisse, die DDR war ein totalitärer bzw. spättotalitärer Staat.

In der Geschichtsschreibung- aufarbeitung zur DDR Geschichte gibt es m.E. eine erstaunliche Schieflage.

Die Geschichte des MfS wird minutiös aufgearbeitet, und zwar mit sehr großem Aufwand und ist in der öffentlichen bzw. veröffentlichten Meinung sehr präsent. Währenddessen die Geschichte der SED und ihrer Ableger, die Blockparteien und die Geschichte der anderen Repressionsinstrumente (Polizei, Kampfgruppen, Grenztruppen etc.), zwar nicht unbearbeitet bleiben, aber nicht die Präsenz haben wie die des MfS.

Das Grenzregime, die Abriegelung der Staatsgrenze, war m.E. ein konstituierendes Element der DDR. Das war auch die Staatsführung der DDR bewußt. Die Sicherung der Staatsgrenze hatte bei der Tätigkeit des MfS, der Polizei und anderer staatlichen Dienststellen eine extrem hohe Priorität. Der Ausbau der Staatsgrenze mit technischen Sicherungsmitteln (Grenzsignalzaun, Minensperre, Sicherung der GüSt usw.) hat enorme Ressourcen gekostet bzw. gebunden.

Während die Polizei und das MfS ihre Überwachungsmethoden immer mehr verfeinerten, sie also diffiziler gestalteten, deswegen sie gleichwohl nicht weniger perfide waren, wurde an der Staatsgrenze bis zuletzt offene Gewalt angedroht. Hier trat der spättotalitäre Staat seinen Bürgern mit der schlussendlichen höchsten Sanktion, dem möglichen Tod, entgegen. Die DDR-Führung hat sich manches am Grenzregime vom Westen abkaufen lassen, z.B. den sukzessiven Abbau der Minensperren, die Sanktionsdrohung des Grenzregimes aber nicht, da diese Sanktionsdrohung konstituierend war. Die Grenztruppen waren in der Repressionskette des Grenzregimes das letzte, aber das entscheidende Glied. Da sie diese Sanktionsdrohung exekutiert haben. Hierzu verfügten sie über ein ganzes Repertoire an technischen Hilfsmitteln, welches auch in Anwendung kam. Zusammenfassend betrachtet, waren die Grenztruppen ein wichtiger, nicht zu unterschätzender Teil des Repressionsapparates des DDR-Regimes.


M.
 
Erst mal danke für dein Engagement vor allem hier bei diesem Thema.
:friends:

Einordnung der Grenztruppen der DDR in den Herrschaftssmechanismus der DDR. Ein Versuch.

Ausgangsprämisse, die DDR war ein totalitärer bzw. spättotalitärer Staat.

In der Geschichtsschreibung- aufarbeitung zur DDR Geschichte gibt es m.E. eine erstaunliche Schieflage.

Die Geschichte des MfS wird minutiös aufgearbeitet, und zwar mit sehr großem Aufwand und ist in der öffentlichen bzw. veröffentlichten Meinung sehr präsent. Währenddessen die Geschichte der SED und ihrer Ableger, die Blockparteien und die Geschichte der anderen Repressionsinstrumente (Polizei, Kampfgruppen, Grenztruppen etc.), zwar nicht unbearbeitet bleiben, aber nicht die Präsenz haben wie die des MfS.

Ich glaube, das liegt daran, weil das MfS überall involviert war - angefangen von allen anderen Staatsorganen über die Wirtschaft bis in den privaten Bereich der DDR-Bürger hinein. Es hatte am Ende seiner Existenz ein so ausreichendes, weil flächendeckendes Netz von Funktionären und Spitzeln aufgebaut, das es erlaubte, zu jeder Zeit an jedem Ort in der DDR die gewünschten Informationen zu bekommen. Wer die DDR als Staat verstehen will, muß das MfS kennen und verstehen, denn es hatte eine herausragende Stellung in diesem Staat. Letztlich waren ja z. B auch alle Passkontrolleure an der Grenze Offiziere des MfS.



...Die DDR-Führung hat sich manches am Grenzregime vom Westen abkaufen lassen, z.B. den sukzessiven Abbau der Minensperren...

Gab es die Mienenfelder nicht bis zum Schluß?
Meines Wissens wurden die Selbstschußanlagen Anfang der 80er Jahre abgebaut...
:grübel:
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich glaube, das liegt daran, weil das MfS überall involviert war - angefangen von allen anderen Staatsorganen über die Wirtschaft bis in den privaten Bereich der DDR-Bürger hinein. Es hatte am Ende seiner Existenz ein so ausreichendes, weil flächendeckendes Netz von Funktionären und Spitzeln aufgebaut, das es erlaubte, zu jeder Zeit an jedem Ort in der DDR die gewünschten Informationen zu bekommen. Wer die DDR als Staat verstehen will, muß das MfS kennen und verstehen, denn es hatte eine herausragende Stellung in diesem Staat. Letztlich waren ja z. B auch alle Passkontrolleure an der Grenze Offiziere des MfS.

Gab es die Mienenfelder nicht bis zum Schluß?
Meines Wissens wurden die Selbstschußanlagen Anfang der 80er Jahre abgebaut...
:grübel:

Ob es Minensperren (Landminen) bis zum Schluß gab, weiß ich nicht. Das was Du unter "Selbstschußanlagen" subsumierst, war die MS-70.

Selbstschussanlage ? Wikipedia

Die gab es in unserem Grenzabschnitt nicht, wir hatten die sog. MS-66. Das waren verlegte Landminen in einem ca. 20 m bis 25 m breiten von ca. 2,2 Meter hohen Streckmetallzäunen begrenzten Streifen. In unserem Abschnitt waren die Minen in dreier Reihe, versetzt verlegt. Die von mir in einem früheren Posting beschriebenen Arbeiten am Minenfeld dienten dazu, die Minen einfach zu erneuern.

Erinnertes Verlegeschema:

. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . usw.,

und zwar im letzten Drittel der eingezäunten Minensperre.

Nun zu Deiner ersten Anmerkung.

Logo, das MfS hatte im Auftrag der Partei alle Bereiche der DDR durchsetzt, im Jargon "abgesichert". Aber eben im "Auftrag" der SED. Darüber hinaus gab es, Du weißt das sicher, Repressionsinstrumente, die jenseits des MfS arbeiteten, Polizei, Grenztruppen usw. Deren Geschichte als Repressionsinstrument werden eben nicht mit der gleichen Intensität aufgearbeitet, wie die Geschichte des MfS.

Es gab denunzierende Lehrer, FDJ-Sekretäre, die auch den Partei-Gremien berichteten, der ABV, der Kindern über die Straße half und Verkehrsunterricht erteilte, aber dann eben auch Berichte schrieb und die Führung der Hausbücher kontrollierte usw. Ich persönlich finde, daß die Aufarbeitung der DDR-Geschichte, warum auch immer, sich zu sehr auf das MfS konzentriert, wissend, daß das MfS das wahrscheinlichst wichtigste Repressionsinstrument war.

M. :friends:
 
Zuletzt bearbeitet:
Erinnertes Verlegeschema:

. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . usw.,

und zwar im letzten Drittel der eingezäunten Minensperre.

Das Porgramm ist manchmal etwas eigenwillig, daher vermute ich mal, dass das anders dargestellt ist, als von dir gewünscht. Muss man sich das so vorstellen?

. . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
 
Ob es Minensperren (Landminen) bis zum Schluß gab, weiß ich nicht. Das was Du unter "Selbstschußanlagen" subsumierst, war die MS-70.

Selbstschussanlage ? Wikipedia

Genau die meinte ich und bei Wiki stehts ja auch:
Die Selbstschussanlagen wurden seit 1970 an der DDR-Grenze zur Bundesrepublik (nicht an der Berliner Mauer) installiert und auf bundesdeutschen Druck ab 1983 wieder abgebaut. Bis zum Abbau waren auf 440 km der innerdeutschen Grenze ca. 60.000 SM-70 im Einsatz ("SM für "Splittermine"). Die offizielle DDR-Bezeichnung lautete „kegelförmige Splittermine mit Richtwirkung“.
Der Begriff "Selbstschußanlage" ist natürlich jener, der in den westdeutschen Medien verwendet wurde, während die Anlagen bei uns im Osten (meiner Erinnerung nach) gegenüber der Zivilbevölkerung gar nicht erst erwähnt wurden.

Edit:
Übrigens hab ich auch einen Dokumentarfilm über Gartenschläger gesehen, der zum Beweis zwei dieser SM 70 abgebaut hat und beim 3. Versuch erschossen wurde.
Also dazu muß ich sagen, einmal soetwas zu tun hat für mich schon was von einer Heldentat, der 2. Versuch war dagegen schon Leichtsinn, aber der 3. Versuch war dann reine Dummheit.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben