Großmütter-Hypothese - Die Menopause ein evolutionsbiologischer Vorteil?

so geht die Mutter also mit jeder weiteren Geburt das Risiko ein, die schon "getätigten Investitionen" in die früheren Kinder zu gefährden.

Das gilt rein quantitativ, die Risiken für Mutter und Kind (körperliche Belastungen durch Schwangerschaft und Geburt, Fehlgeburten usw.) steigen zudem altersbedingt an.

In dem Sinne könnte Gebärfähigkeit ab einem bestimmten Alter biologisch auch keinen "Sinn" mehr ergeben, wie das Reinecke schon formulierte.

Dass das bei anderen Säugetieren evt. nicht entfallen ist, spricht mE nicht gegen den Sinn, sondern für einen gewonnenen Vorteil (bzw. mindestens "keine Nachteile") in der Evolution.
 
Wie wäre es denn mit einer rein biologischen Begründung?

Wieso kann es nicht einfach daran liegen, dass der energetische Aufwand des menschlichen (hier:weiblichen) Körpers zur Bildung von Fortpflanzungszellen einfach zu hoch ist, um ihn in dem Alter noch aufrecht zu erhalten?

Graue Haare und Falten im Gesicht kommen ja auch nicht daher, dass das evolutionsbiologisch Sinn macht, sondern weil die Regenerationsleistungen des Körpers schwächer werden.

Und es ist ja nicht so, dass bei Männern die Produktion von Spermatozoen nicht nachlässt - es ist lediglich so, dass die schiere Menge eine Garant dafür ist, dass immer noch einer oder zwei "durchkommen" und gesund sind.

Bei Frauen wird jedoch immer nur eine Eizelle zur Reife gebracht, in Ausnahmefällen mal mehrere, aber im Verhältnis dennoch wesentlich weniger.

Wieso also sollte die Menopause dann einen evolutionsbiologischen Grund haben, in dem sich eine soziale Gegebenheit (sprich: es ist ja so praktisch, weil Großmutter sich dann um die Kinderchen kümmern kann) widerspiegelt? Das macht, egal, von welcher Seite ich das betrachte, keinen Sinn.

Es wurde ja bereits festgestellt, dass Frauen heutzutage ein Alter erreichen, welches zu früheren Zeiten geradezu utopisch war.
Auch die Unterbrechung der Ovulationszyklen spricht da meiner Ansicht nach eine deutliche Sprache - wenn der Körper nicht genug Energie hat, stellt er die Produktion ein.
 
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- keine Signifikanz gegenüber der tatsächliche Lebenserwartung im Paläolithikum.

Die eigentlich Frage ist hier die nach der Signifikanz, und die mag fraglich sein, ist aber nicht beantwortet. Kann ich abschließend natürlich auch nicht. ;)

Allerdings: Es gab Menschen, die ein so hohes Alter erreichten, das ist mE unfraglich. Für unsere Fragestellung ist nun "nur" noch wichtig, ob das Eintreten der Menopause bei diesen (so weiblich etc...) eine Auswirkung auf das Reproduktionsverhalten hatte, und ob diese stark genug war, einen entsprechenden Trend herbeizuführen. Dazu sind allerdings auch bei anderen Merkmalen schon winzige Unterschiede relevant, also warum nicht auch hier eine Relevanz, obwohl nur eine Minderheit das entsprechende Merkmal überhaupt im Phänotyp ausdrücken kann?

Was mich an der Großmutterhypothese stört sind nicht ihre inneren Widersprüche, die hier- wie du sagst - schon gut herausgearbeitet worden sind, sondern ihre Grundprämisse. Warum sollte ausgerechnet der weibliche Körper so extrem auf eine Rollenverteilung reagieren, die zu keiner uns bekannten Epoche hundertprozentig in Stein gemeißelt war?
Immerhin ist doch die kreative Anpassungsfähigkeit, sowohl in der Umgebung als auch in sozialen Konstellationen, ein geschlechtsübergreifend herausragendes Merkmal des Menschen. Ist das nicht ein Widerspruch?

Die einzige Rollenverteilung, die wir bei der Frage brauchen, ist mE seit sehr vielen längeren Zeiträumen allen sich sexuell fortpflanzenden Lebewesen ins Genom gemeißelt: Frauen tragen die Junge/Kinder aus und gebären sie, Männer nicht. Damit tragen Frauen das Risiko aus Schwangerschaft und Geburt, und das ist beim Menschen wie gesagt extrem hoch, was mit dem Alter der Gebärenden auch noch ansteigt. Es ist mE dieses Risiko, dass die Menopause „rechtfertigt“. Hier liegt kein Widerspruch vor, denn diesen Sachverhalt mit Kreativität & Anpassungsfähigkeit zu ändern hat die Menschheit bis jetzt nicht auf die Reihe gekriegt; aber das 21. Jh. liegt ja noch vor uns. ;)



Wieso gibt es für den alten Mann, der ja nun auch weder jagen & erobern geht noch Kinder gebähren kann, keine Rolle in diesen Konstellationen?

Die Männer "brauchen" keine Menopause, weil die Fortpflanzung für sie weniger riskant ist. Als Kinderbetreuung eignet sich Opa sicher ebenso gut wie Oma. Männer hatten durch eine Änderung ihrer Sexualtität aber keinen Sicherheitsgewinn.



Das macht für mich eher Sinn als der ersnsthafte Versuch zu beweisen, dass durch Sozialverhalten der Körper in so extremer Weise mutiert.



Völlig andere Geschichte, aber: Als irgendwelche Säugetiere anfingen, sich verstärkt in Wassernähe aufzuhalten, und immer mehr Zeit im Wasser verbrachten, bis sie sich zu Walen und Delphinen entwickelt hatten, konnte etwas, was als soziales Verhalten begann (beginnen musste), langfristig größere „Mutationen“ auslösen als bei allen anderen Säugetieren im vergleichbaren Zeitraum. Die Cetacea haben sich vermutlich körperlich stärker verändert als irgend was anderes in den letzten 50 Mio Jahren... und das nur, weil deren Vorfahren gerne baden gingen. ;)



P.S.: Ich rate zu großer Vorsicht, sich bei einem wahrgenommen Konflikt zwischen biologisch-evolutionären Vorstellungen und den Gender studies reflexartig auf eine Seite zu schlagen. Ich kenne das Problem aus Debatten, die sehr viel politischer (und viel tiefer unter der Gürtellinie angesiedelt) waren, und leider verrennen sich hier zwei ehrenwerte Ansätze in Grabenkämpfen, die mE unnötig wären. Die Blickwinkel, die Fragestellungen und (natürlich) die Methoden sind derart unterschiedlich, dass eine große Gefahr besteht, aneinander vorbei zu reden; bzw eher früher als später aneinander vorbei zu schreien, weils einfach selten um lustige Diskussionen um der Diskussion willen geht...

Wer aber von vornherein davon ausgeht, dass jenseits der Geschlechtsreife von Frauen nur die Aufzucht späterer Generationen stehen kann, (...)

Dies ernsthaft zu beweisen wird niemand probieren, zumindest kein Biologe, der noch alle Kerzen im Leuchter hat... ;)

Könnte es sein, dass diese Betrachtungsweise durch Deine Brille geprägt ist? Evolutionsbiologen würden die Frage eher so stellen: „Was ist der Grund, das alle Frauen ab einem bestimmten Alter eine Entwicklung wie Menopause/Klimakterium durchmachen? Welche Gründe könnte es für die Entstehung eines solchen allgemeinen Merkmals geben?“ Nicht ein vermeintliches allgemeines Normieren ist die Intention, sondern das Verständnis der beobachteten „Allgemeinheiten“ auf der Welt in der Annahme, dass sich für solche auch allgemeine Regeln finden ließen.



Nichts für Ungut, Dog Soup. ;)



P.P.S.: Den Artikel hat dis I-Net zwwischenzeitlich ausgespuckt; ist mir zu lang und zu englisch, aber wenns jemand freiwillig für mich zusammenfassen will... ;)



http://homepage.psy.utexas.edu/homepage/group/busslab/pdffiles/kuhle_menopause.pdf
 
Ich hätte da noch ein paar Fragen.

1. Lag die Menopause denn auch beim paläolith. Menschen in dieser Alterskategorie? Auch die Menarche hat sich ja in den letzten 100 Jahren dramatisch entwickelt, warum nicht auch die Menopause in solch langen Zeiträumen? Die Veränderung der Ernährung wäre hier eine der Faktoren.

2. Könnte es nicht einfach so sein (weiß nicht, ob die These schon kam), dass mit zunehmendem Alter der Mutter ein Kind immer weniger überlebensfähig ist, und daher ein Ende der Fruchtbarkeit "sinnvoll" ist?
 
1. Lag die Menopause denn auch beim paläolith. Menschen in dieser Alterskategorie? Auch die Menarche hat sich ja in den letzten 100 Jahren dramatisch entwickelt, warum nicht auch die Menopause in solch langen Zeiträumen? Die Veränderung der Ernährung wäre hier eine der Faktoren.

Sehr interessante Frage, aber leider wohl nicht zu beantworten. :weinen:

Aber ein sehr guter Hinweis auf die Vielfältigkeit der Entwicklungsmöglichkeiten; Danke. :winke:

2. Könnte es nicht einfach so sein (weiß nicht, ob die These schon kam), dass mit zunehmendem Alter der Mutter ein Kind immer weniger überlebensfähig ist, und daher ein Ende der Fruchtbarkeit "sinnvoll" ist?

Hier kommt es im evolutionären Sinne v.a. auf "Investition" und "möglichen Ertrag" an. Grundsätzlich ist es evolutionär eigentlich immer gut, so viele Nachkommen wie möglich zu haben, auch wenn nur ein (kleiner) Teil davon selbst alt genug wird, sich fortzupflanzen. Die Einschränkung besteht in den "Kosten", angefangen vom höheren Energieverbrauch für Paarung (-sverhalten) und Schwangerschaft.

Der Mensch weist hier halt ein recht "extremes" Fortpflanzungsverhalten auf; wie schon gesagt, hohes Risiko und hohe Investition in die nachgeburtliche Aufzucht (beides "Kosten"). Unter diesen Umständen würde ich Dir zustimmen: Es "lohnt" sich einfach nicht mehr (im Sinne der Evolution), wenn man die Risiken und Kosten betrachtet.
 
Die einzige Rollenverteilung, die wir bei der Frage brauchen, ist mE seit sehr vielen längeren Zeiträumen allen sich sexuell fortpflanzenden Lebewesen ins Genom gemeißelt: Frauen tragen die Junge/Kinder aus und gebären sie, Männer nicht. Damit tragen Frauen das Risiko aus Schwangerschaft und Geburt, und das ist beim Menschen wie gesagt extrem hoch, was mit dem Alter der Gebärenden auch noch ansteigt. Es ist mE dieses Risiko, dass die Menopause „rechtfertigt“.

Die Männer "brauchen" keine Menopause, weil die Fortpflanzung für sie weniger riskant ist.

Soweit kann ich dir gut folgen, und sehe auch keinen Grund dir zu widersprechen; ich kann mir problemlos vorstellen, dass es einen evolutionären Grund für das Eintreten der Menopause gibt, und das Risiko der Schwangerschaft und Geburt scheint mir naheliegend... gerade wenn es wirklich so viel extremer ist als bei anderen Säugetieren. Aber das war auch nicht mein Anliegen.

Wo bei mir die Alarmglocken losgeschrillt haben war nicht bei der Beobachtung an sich, dass es halt diese Besonderheit der Menopause gebe und dass es dafür wohl einen praktischen Grund gegeben haben könne. Was mich an dieser Hypothese stört ist die Annahme, dass es dezidiert an der Wichtigkeit der Großmutter für die Aufzucht der Enkel liegen müsse. Wie gesagt folge ich dir gern soweit, dass die Menopause eine Art "Sicherheitsriegel" für das zunehmende Risiko einer Schwangerschaft im Alter sei. Aber das betrifft die Gesundheit der Frau, nicht ihre Rolle in der Gesellschaft.

Diese Rolle der Gesellschaft thematisiert die Großmutterhypothese aber ganz gezielt. Und wie gesagt, ich sehe das Bild der alten Frau in der Geschichte völlig anders dargestellt als die Realisierung ihres angeblich so tief im Genpool sitzenden "Zwecks" wie er von der Großmutterhypothese behauptet wird.


Als Kinderbetreuung eignet sich Opa sicher ebenso gut wie Oma. Männer hatten durch eine Änderung ihrer Sexualtität aber keinen Sicherheitsgewinn.

Soweit sind wir d'accord. Wie gesagt will ich nicht abstreiten, dass es eine Menopause gibt. Ich will nur in Frage stellen, dass sie diesen spezielle Grund hat.

Völlig andere Geschichte, aber: Als irgendwelche Säugetiere anfingen, sich verstärkt in Wassernähe aufzuhalten, und immer mehr Zeit im Wasser verbrachten, bis sie sich zu Walen und Delphinen entwickelt hatten, konnte etwas, was als soziales Verhalten begann (beginnen musste), langfristig größere „Mutationen“ auslösen als bei allen anderen Säugetieren im vergleichbaren Zeitraum. Die Cetacea haben sich vermutlich körperlich stärker verändert als irgend was anderes in den letzten 50 Mio Jahren... und das nur, weil deren Vorfahren gerne baden gingen. ;)

Ich widerspreche dir auch nicht, wenn du leise anmerkst, dass es etwas wie Evolution ja wohl gebe. Aber ich denke, du wirst mir zustimmen, dass man den tatsächlichen Grund für die Mutation nicht kennt und höchstens spekulieren kann. Diese Spekulationen wiederum speisen sich aus heutigen Vorstellungen von Fortpflanzung, natürlich gegebenen Prioritäten usw. Und genau auf diesem Hintergrund maße ich mir auch als Nicht-Evolutionsbiologin eine kritische Ansicht über die Wahrscheinlichkeit der großmütterlichen Hilfeleistung bei den Enkeln als evolutionäre Priorität an. Nicht der Gesundheitsaspekt für die Frau selber, wie gesagt. Nur der Enkelbetreuungsaspekt.

P.S.: Ich rate zu großer Vorsicht, sich bei einem wahrgenommen Konflikt zwischen biologisch-evolutionären Vorstellungen und den Gender studies reflexartig auf eine Seite zu schlagen. Ich kenne das Problem aus Debatten, die sehr viel politischer (und viel tiefer unter der Gürtellinie angesiedelt) waren, und leider verrennen sich hier zwei ehrenwerte Ansätze in Grabenkämpfen, die mE unnötig wären. Die Blickwinkel, die Fragestellungen und (natürlich) die Methoden sind derart unterschiedlich, dass eine große Gefahr besteht, aneinander vorbei zu reden; bzw eher früher als später aneinander vorbei zu schreien, weils einfach selten um lustige Diskussionen um der Diskussion willen geht...

Ich kenne selbst solche Debatten und finde es auch immer schade, wenn sie so enden. Aber ganz so weit sind wir noch nicht und brauchen es ja auch nicht so weit kommen zu lassen. Wir haben ja eben erst angefangen zu diskutieren.

Könnte es sein, dass diese Betrachtungsweise durch Deine Brille geprägt ist? Evolutionsbiologen würden die Frage eher so stellen: „Was ist der Grund, das alle Frauen ab einem bestimmten Alter eine Entwicklung wie Menopause/Klimakterium durchmachen? Welche Gründe könnte es für die Entstehung eines solchen allgemeinen Merkmals geben?“ Nicht ein vermeintliches allgemeines Normieren ist die Intention, sondern das Verständnis der beobachteten „Allgemeinheiten“ auf der Welt in der Annahme, dass sich für solche auch allgemeine Regeln finden ließen.

Wie du selbst sagtest, ich gehe von einer Gender-Perspektive an das Thema heran und du scheinbar von einer biologischen Perspektive. Und wie es oft so ist mit den Empirikern und den Analytikern: wenn sie sich nicht gerade die Köppe einschlagen weil sie aneinander vorbeireden, ergänzt sich die Forschungsleistung am Ende meist ganz gut.

In diesem Sinne ist es ziemlich irrelevant, ob einer Normierung "intendiert" war oder nicht, ebenso wie es für die evolutionsbiologische Recherche erstmal irrelevant ist, dass für die Interpretation der Daten am Ende Sprache benutzt wird. Aber Sprache wird nun mal benutzt, gesellschaftliche Analogien und kulturelle Transferleistungen werden gezogen, eine Sinnzuschreibung findet statt und das eben nicht nur auf Grundlage von Zahlen und Daten, sondern in ihrer Auswertung als Teil einer Debatte im Hier und Jetzt.

Und das kann eben auch Anlass für Debatten geben, wenn die impliziten Annahmen der Transfers - wie in diesem Fall - als problematisch wahrgenommen werden. Diese Dimension der Naturwissenschaft muss man eben auch einberechnen, selbst wenn man eine Kritik an diesen Punkten vielleicht auf den ersten Blick für hysterisch oder oberflächlich hält, weil sie sich gar nicht für die ganzen schönen, wichtigen, mühsam zusammengetragenen Daten interessiert. Aber Naturwissenschaft wird halt auch nicht besser, wenn man die Prämissen der Fragestellungen als " wir wollen jetzt was Allgemeingültiges finden" stehenlässt und dann davon ausgeht, das Gesuchte oder Gefundene sei völlig ohne "Brille".

Bestenfalls ergänzen solche Diskussionen wie die jetzige eine mögliche weitere Analyse um Aspekte und Nuancen. Jedenfalls sofern man die Diskussion ernst nimmt.

Nichts für Ungut, Dog Soup. ;)

No worries. :winke:
 
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ich kann mir problemlos vorstellen, dass es einen evolutionären Grund für das Eintreten der Menopause gibt, (...)

Gegeben haben muss; auch wenns eigentlich Semantik ist. :devil:

Aber widersprechen will ich Dir eigentlich nicht. Die Betonung der Großmutter bei der Betreuung wollte ich nicht verteidigen, die seh ich auch nicht belegt, nicht mals mit Argumenten; Großeltern wäre für diesen interessanten und mE wichtigen Aspekt menschlicher Entwicklung der bessere Begriff (weniger im Zusammenhang mit diesem Thema).

Nicht "Allgemeingültiges" zu finden sollte die Devise sein, sondern Allgemeingültigkeiten, die man nicht ignorieren kann, zu erklären.
:winke:
 
Gegeben haben muss; auch wenns eigentlich Semantik ist. :devil:

Wieso? Ist es bei Menopausen der heutigen Frauen etwa nicht mehr evolutionsbedingt, nur früher kam's mal vor? :devil:

Aber widersprechen will ich Dir eigentlich nicht. Die Betonung der Großmutter bei der Betreuung wollte ich nicht verteidigen, die seh ich auch nicht belegt, nicht mals mit Argumenten; Großeltern wäre für diesen interessanten und mE wichtigen Aspekt menschlicher Entwicklung der bessere Begriff (weniger im Zusammenhang mit diesem Thema).

Na siehste, dann sind wir ja eigentlich doch voll auf einer Linie.

Nicht "Allgemeingültiges" zu finden sollte die Devise sein, sondern Allgemeingültigkeiten, die man nicht ignorieren kann, zu erklären. :winke:

Das hast du schön gesagt. :cry:
 
Ich würde gern noch einen kleinen Nachtrag zu der Diskussion einfügen, die hier gerade insb. zwischen Reinecke und mir geführt wurde. Der Grund ist, dass ich gerade einen Rotbommel gekriegt habe, der für die Diskussion ganz interessant sein könnte - er brachte nämlich pointiert etwas zur Sprache, was in der Diskussion immer mal wieder leise anklang (etwa wenn Reinecke befürchtete, hier würde man sich gleich total verrennen und anbrüllen wenn das so weiterginge).

Der Kommentar zum Rotbommel war "Ideologieverdacht."

Gleich vorab, ich finde das ein durchaus legitimes Statement zu meinen Beiträgen in diesem Thread. Gender Studies sind eine Perspektive eher als ein Thema, insofern ist das mit der Ideologie gewissermaßen richtig. Aber Gender Studies sind dann doch in erster Linie eine wissenschaftliche Perspektive und dementsprechend Werkzeug der Analyse - wenn solche Theorien Dialog verhindern statt zu befördern, kann man sie in die Tonne treten. Das schon mal grundsätzlich.

Eine genderspezifische Analyse muss tatsächlich noch nicht allein deswegen als verblendet abgetan werden, weil relativ klar ist, dass die Analyse von jemandem kommt der gerade persönlich echt angekotzt ist. Christoph Kucklick hat Gender Studies mal als "Verunsicherungswissenschaft" charakterisiert. Das finde ich gut formuliert: Es geht gerade darum, das zu analysieren, was üblicherweise für selbstverständlich und nicht diskutierenswert an einer Sache gehalten wird. Ein vielzitierter Grund ist, dass sich gerade in solchen selbstverständlich hingenommenen Bereichen Machtverhältnisse spiegeln (ein Punkt, der die Mehrzahl der Gender-Leute vor allem interessiert), aber das ist nicht das einzige Anwendungsgebiet. Man kann mit Analysewerkzeugen der Gender Studies z.B auch sehr grundsätzliche kulturelle Prioritäts- und Bedeutungsverschiebungen über die Zeit hinweg nachzeichnen, und und und.

Im Bereich empirischer Forschung - wie hier, der Biologie - können die Gender Studies speziell (oder die Geisteswissenschaften allgemein) einen meiner Ansicht nach sehr erheblichen Beitrag leisten. Gerade die empirischen Wissenschaften gehen oft aus praktischen, teilweise notwendigen Gründen von Annahmen aus, die so eigentlich nicht formuliert werden dürften: zu grob, zu formelhaft, teilweise einfach haarsträubend (ich denke da an so manche Parameter, die gelegentlich Wirtschaftsformeln zugrunde liegen). Darauf basierend wird dann Forschung betrieben, deren Ergebnisse als objektiv gelten, obwohl sie sehr kulturell spezifische Grundannahmen in sich tragen. Das muss man kritisieren dürfen, wenn um eine Einschätzung der Ergebnisse gebeten wird.

Ich weiß jetzt nicht, ob diese Ergänzung jetzt für jeden notwendig war; aber die Sache mit der Ideologie fand ich dann doch ganz relevant für die Einschätzung der Positionen, die hier vertreten wurden. Also insofern danke dem Bommler für den Anstoß.
 
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Gleich vorab, ich finde das ein durchaus legitimes Statement zu meinen Beiträgen in diesem Thread. Gender Studies sind eine Perspektive eher als ein Thema, insofern ist das mit der Ideologie gewissermaßen richtig. Aber Gender Studies sind dann doch in erster Linie eine wissenschaftliche Perspektive und dementsprechend Werkzeug der Analyse - wenn solche Theorien Dialog verhindern statt zu befördern, kann man sie in die Tonne treten. Das schon mal grundsätzlich.

Legitim hin oder her, in den weichen Geisteswissenschaften (und vermutlich nicht einmal in den harten Naturwissenschaften) wird es nie ganz objektiv und ohne implizite Ideologie zugehen, was die Ideologiekritik (an sich selbst!) so wichtig macht. Ohne Ideologiekritik gibt es keine Intersubjektivität. Ich finde, du kämpfst mit offenem Visier und hast deinen Standpunkt deutlich gemacht, auch wenn man mit dir in einzelnen Punkten nicht übereinstimmen muss, deine Überlegungen sind interessant und weiterführend. Den Schuh, den man dir da angeboten hat, solltest du nicht anziehen, er passt nicht.
 
Den Schuh, den man dir da angeboten hat, solltest du nicht anziehen, er passt nicht.

Das ist sehr nett von dir gemeint, und ich danke dir für deine Unterstützung. Aber ich habe das Fass ja nicht aufgemacht, weil ich mich persönlich beleidigt oder in meinen Ansichten missverstanden gefühlt habe. Wer seine Meinung so deutlich einfließen lässt, muss nun mal damit rechnen, dass sie nicht allen gefällt; das ist der eigentliche Grund, warum ich einen auf diese Weise begründeten Bommel legitim finde.

Ich stelle nur immer wieder allgemein fest, dass Perspektiven wie Gender Studies oft nochmal kontextualisiert werden müssen, um richtig verstanden zu werden. Der Vorteil an diesen ganzen kritischen Perspektiven, nämlich dass sie anderen Annahmen als normalerweise unterliegen, ist eben oft auch ihr Problem: wenn man den zugrundeliegenden Textkorpus gerade nicht kennt (und das trifft ja zugegebenermaßen auf die Mehrzahl der Leute zu), ist es manchmal schwer zu beurteilen, ob da einer nuanciert argumentiert oder einfach nur polemisch-politisch vor sich hin geifert. Da muss dann halt etwas zusätzliche Klarheit her.

Ich hatte den Eindruck, dass in diesem Thread dieses klassische Problem aufkam, und als Reaktion auf einen sehr typischen Konflikt habe ich diese Präzisierung nochmal hingeschrieben, gerade auch für die stillen Mitleser die vielleicht etwas mehr Information brauchen. Mehr war das ja nicht.

Von mir aus können wir jetzt auch langsam wieder auf die Menopause zurückkommen. =)
 
Wie viele Frauen haben den die Menopause noch erlebt. Doch Recht wenige und die haben wohl die Kinder gehütet für das ganze Dorf. Was machten die alten Männer das gleiche, lehrten sie die Jagd oder hatten sie eine Familienordnung wie Massai oder andere Völker die ähnlich leben wie die Uhrzeit. Das kann man alles weis man leider nicht, aus der Archeologie findet man sowas nicht heraus.
 
Noch mal eine andere Idee, diesmal speziell zu den betreuenden Omas: Bei anderen Säugetieren mit einem hochentwickelten Sozialverhalten und einer langen Aufzuchtszeit der Jungen ist es nicht unüblich, dass andere Tiere der Gruppe bei der Betreuung des Nachwuchses helfen; so bei Elefanten oder Pottwalen.

Ich bin jetzt leider für keines dieser Wesen ein Fachmann, was das Sozialverhalten angeht. Bei beiden genannten Arten werden dabei die Sozialgruppen v(vornehmlich) von Weibchen und dem noch nicht erwachsenen Nachwuchs gebildet, Männchen fallen also "Betreuer" weitgehend aus, da sie schlicht nicht da sind.

Man könnte jetzt spekulieren, dass dies vielleicht auch bei unseren Vorfahren irgendwann der Fall war; oder das Sozialgruppen idR aus mehreren Weibchen, aber nur einem (dominantem) Männchen bestanden, wie bei Gorillas. In diesen Fällen wäre es naheliegend, Betreuungsfunktionen ausschlließlich oder vornehmlich bei Weibchen zu vermuten.

Die Tatsache, dass Männer im Schnitt größer sind als Frauen (bei allen mir bekannten Populationen), und das es für diese Diskrepanz eine evolutionstechnische Erklärung gibt, könnten für solche Annahmen sprechen. Allerdings ist diese Größendiskrepanz nur recht gering ausgeprägt, anders als bspw beim Gorilla oder Pottwal (oder, ganz extrem, bei Seeelefanten). Auch bilden unsere nächsten Verwandten (Schimpansen und Bonobos) gemischte Sozialgruppen.

Ohne weitere Indizien (die ich auch nicht kenne) ist diese Annahme (Sozialverbände bestanden zu irgend einer Zeit v.a. aus Frauen) also nur sehr schwach gestützt. Zudem spricht die menschliche Sexualität eher dagegen. Zumindest alle mir bekannten Erklärungen dafür, dass Menschen weder Paarungszeiten kennen noch Frauen ihre "fruchtbare Periode" äußerlich anzeigen, laufen auf das ständige Zusammenleben in gemischten Sozialgruppen aus.

Fazit: Warum Großmütter/alte Frauen verstärkt die Kinder anderer Gruppenmitlgieder betütteln sollten, während das für Großväter/alte Männer nicht gilt, erschließt sich mir immer noch nicht; obwohl diese Betreuungsfunktion alter Leute egal welchen Geschlechts mE eine Rolle in der menschlichen Entwicklung spielte.

P.S.: Irgendwie geht mir bei diesem Thread nie das Bild meines eigenen Opas aus dem Kopf, der die Angewohnheit hatte, in Ferienzeiten oder an Wochenenden die (viel zu früh) aufwachenden Enkelkinder abzufangen und zum Frühstück in der Küche zu versammeln, damit deren arme Eltern verdienterweise mal ausschlafen konnten... Genau genommen sind das sogar die schönsten und persönlichsten Erinnerungen an Opa...
 
Ohne weitere Indizien (die ich auch nicht kenne) ist diese Annahme (Sozialverbände bestanden zu irgend einer Zeit v.a. aus Frauen) also nur sehr schwach gestützt. Zudem spricht die menschliche Sexualität eher dagegen. Zumindest alle mir bekannten Erklärungen dafür, dass Menschen weder Paarungszeiten kennen noch Frauen ihre "fruchtbare Periode" äußerlich anzeigen, laufen auf das ständige Zusammenleben in gemischten Sozialgruppen aus.

Zusammen mit der flexiblen menschlichen Sexualität kommt das Phänomen der Instinktreduktion, also dass der Mensch eigentlich in allen Bereichen abgeschwäche Instinkte hat und diese Lücke mit Kultur anfüllt, so dass je nach Situation völlig andere Verhaltensweisen und Organisationsformen für Menschengruppen als "natürlich" wahrgenommen werden können (ich denke da vor allem an die Theorien von Arnold Gehlen, auch wenn ich nicht von dem Institutionsgedanken überzeugt bin, den der so hat - ich denke, da macht er einen ziemlich gewagten Gedankensprung).

Die Erhöhung von Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Abstraktionsfähigkeit des Menschen scheinen mir, wenn überhaupt, der wichtigste Ansatzpunkt evolutionärer Entwicklung zu sein. Ich denke da zum Beispiel an die Entwicklung des Halses. Der Hals des Menschen ist im Gegensatz zu dem eines Menschenaffen wesentlich länger, was das Erwürgen viel leichter macht - aber nur mit Eingehen dieses Risikos für Leib und Leben kann präzise Sprache erzeugt werden. Die Koordination in der Gruppe kann somit nuancierter, komplexer und durchaus konterintuitiver werden.

Auch unter diesen Gesichtspunkten stört mich das mit dieser Festlegung auf die Großmutter, weil mir so gar nicht einleuchtet, dass evolutionär beim Menschen soviel Energie auf Ausdifferenzierung und Flexibilisierung verwendet wird, und bei so einem Pillepalle dann plötzlich wieder alles ganz schematisch sein soll.
 
Vielleicht sollte man die Sache wirklich andersherum denken: Nicht fragen, warum Frauen in der Mitte ihrer Lebenserwartung als Erwachsene ihre Fortpflanzungsfähigkeit verlieren, sondern warum Menschen weiterleben, die regelmäßig ihrem Alter und Geschlecht nach nicht mehr fortpflanzungsfähig sind. Funktional bedeuten solche Personen ja eine Existenzgefährdung für eine Gruppe, ie am Rande des Existenzminimums in der Steinzeit ihr Überleben sichern muss.

Nicht nur in hochtechnisierten Gesellschaften ist das Phänomen zu beobachten, dass Gruppen von älteren Menschen, in der Tendenz jenseits der 50 geführt werden. Womöglich sind die Alten nötig um in Ruhe und mit viel Erfahrung durch kluge Entscheidungen zum Überleben er Gruppe beizutragen.
 
Womöglich sind die Alten nötig um in Ruhe und mit viel Erfahrung durch kluge Entscheidungen zum Überleben er Gruppe beizutragen.

Vor allem wenn das mit dem instinktreduzierten Wesen des Menschen so stimmt, ist das durchaus vorstellbar. Immerhin ist dann das für die Gruppe lebenswichtige Wissen nicht mehr quasi in der DNA, sondern es ist ein Erfahrungsschatz, den dann auch irgendjemand sammeln, hüten und verbreiten muss. Wenn jemand sowieso aus Altersgründen kürzer treten muss, ist das keine üble Zeit für so eine Aufgabe.
 
Die Erhöhung von Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Abstraktionsfähigkeit des Menschen scheinen mir, wenn überhaupt, der wichtigste Ansatzpunkt evolutionärer Entwicklung zu sein. Ich denke da zum Beispiel an die Entwicklung des Halses. Der Hals des Menschen ist im Gegensatz zu dem eines Menschenaffen wesentlich länger, was das Erwürgen viel leichter macht - aber nur mit Eingehen dieses Risikos für Leib und Leben kann präzise Sprache erzeugt werden.
...aber bestand denn in neolithischen Zeiten überhaupt die Gefahr, erwürgt zu werden, egal wie lang der Hals ist? Die Würgeschlangen wie Python und Anaconda pflegen Beute jeglicher Halslänge zu "erwürgen" :winke: ... also die Gefahr für den langhälsiger gewordenen Menschen wird wohl erst innerhalb dieser Spezies aufgekommen sein, nachdem der langhalsige erkannte, dass man Konkurrenten auch ohne Keule...

Die Koordination in der Gruppe kann somit nuancierter, komplexer und durchaus konterintuitiver werden.
das ist eine wundervolle Formulierung :yes::yes:

Aber zurück zu den Großmüttern:
Gustav Schwab schrieb:
Das Gewitter


Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
In dumpfer Stube beisammen sind
;
Es spielet das Kind, die Mutter sich schmückt,
Großmutter spinnet, Urahne gebückt
Sitzt hinter dem Ofen im Pfühl -
Wie wehen die Lüfte so schwül!


Das Kind spricht: "Morgen ists Feiertag,
Wie will ich spielen im grünen Hag,
Wie will ich springen durch Tal und Höhn,
Wie will ich pflücken viel Blumen schön;
Dem Anger, dem bin ich hold!" -
Hört ihrs, wie der Donner grollt?


Die Mutter spricht: "Morgen ists Feiertag,
Da halten wir alle fröhlich Gelag,
Ich selber, ich rüste mein Feierkleid;
Das Leben, es hat auch Lust nach Leid,
Dann scheint die Sonne wie Gold!" -
Hört ihrs, wie der Donner grollt?

Großmutter spricht: "Morgen ists Feiertag,
Großmutter hat keinen Feiertag,
Sie kochet das Mahl, sie spinnet das Kleid,
Das Leben ist Sorg und viel Arbeit
;
Wohl dem, der tat, was er sollt!" -
Hört ihrs, wie der Donner grollt?


Urahne spricht: "Morgen ists Feiertag,
Am liebsten morgen ich sterben mag:
Ich kann nicht singen und scherzen mehr,
Ich kann nicht sorgen und schaffen schwer,
Was tu ich noch auf der Welt?" -
Seht ihr, wie der Blitz dort fällt?


Sie hörens nicht, sie sehens nicht,
Es flammet die Stube wie lauter Licht:
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
Vom Strahl miteinander getroffen sind,
Vier Leben endet ein Schlag -
Und morgen ists Feiertag.
 
...aber bestand denn in neolithischen Zeiten überhaupt die Gefahr, erwürgt zu werden, egal wie lang der Hals ist? Die Würgeschlangen wie Python und Anaconda pflegen Beute jeglicher Halslänge zu "erwürgen" :winke: ... also die Gefahr für den langhälsiger gewordenen Menschen wird wohl erst innerhalb dieser Spezies aufgekommen sein, nachdem der langhalsige erkannte, dass man Konkurrenten auch ohne Keule...

lol ok, dann halt nicht erwürgt, sondern von einem wilden Vieh angefallen und die Kehle durchgebissen, oder blöd von nem Felsen gefallen und Genick gebrochen, oder Schleudertrauma vom Wasserfall, oder querschnittsgelähmt weil der Scheiß-Albatros einem in den Nacken gehackt hat. :D
 
In dem Link von EQ (#12) wird gezeigt, dass, zumindest in der Gemeinde Krummhörn, nur die Großmutter mütterlicherseits die Überlebenswahrscheinlichkeit des Kindes erhöht, die Oma väterlicherseits diese aber erniedrigt !

Ich denke, dass es schwierig bis unmöglich ist, diese beiden widersprüchlichen Einflüsse genetisch so zu begründen, dass daraus eine Evolution der Menopause ableiten ließe.
 
In dem Link von EQ (#12) wird gezeigt, dass, zumindest in der Gemeinde Krummhörn, nur die Großmutter mütterlicherseits die Überlebenswahrscheinlichkeit des Kindes erhöht, die Oma väterlicherseits diese aber erniedrigt !
:grübel::grübel:...gütiger Himmel... konkurrieren da die Großmütter? ...das ist ja schlimmer als die böse Schwiegermutter... ...allerdings: warum "erniedrigt" die Mutti den Nachwuchs ihres Stammhalters??? :still:;);)
 
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