Gründe für den Militarismus

Wenn axiomatisch ein deutscher Militarismus 1871-1914 als gegeben hingenommen wird, so würde mich vielmehr interessieren, was schon in jener Zeit und eben nicht ex post und nach heutigen Maßstäben "westlicher Wertegemeinschaft" als militaristisch angesehen wurde und in welchen konkreten Bereichen man dies festzurren kann im Vergleich mit anderen Großmächten dieser Jahre,
nicht minder interessant wäre zu fragen, ob und was vor 1871 als militaristisch betrachtet werden könnte!
ein Exotikum hierzu: Manieren (nicht im Sinne von Tischsitten) im Festungsbau gehörten seit dem 16. Jh. zum Diskussionsstoff, nicht nur die Militärs zerbrachen sich die Köpfe über ideale Festungsgrundrisse - parodiert wird das in Sterne´s genialem Roman Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentelman. Mon dieu... sogar der Opernkomponist und Schachurahn Philidor entwarf Festungsgrundrisse...

später, wiewohl noch vor 1871, spottete Heine:
Heine schrieb:
Caput XI
Minden ist eine feste Burg,
Hat gute Wehr und Waffen!
Mit preußischen Festungen hab ich jedoch
Nicht gerne was zu schaffen.

Wir kamen dort an zur Abendzeit.
Die Planken der Zugbrück' stöhnten
So schaurig, als wir hinübergerollt;
Die dunklen Gräben gähnten.


Die hohen Bastionen schauten mich an,
So drohend und verdrossen;
Das große Tor ging rasselnd auf,
Ward rasselnd wieder geschlossen.


Ach! meine Seele ward betrübt,
Wie des Odysseus Seele,
Als er gehört, daß Polyphem
Den Felsblock schob vor die Höhle.


Es trat an den Wagen ein Korporal
Und frug uns: wie wir hießen?
»Ich heiße Niemand, bin Augenarzt
Und steche den Star den Riesen.«


Im Wirtshaus ward mir noch schlimmer zumut',
Das Essen wollt mir nicht schmecken.
Ging schlafen sogleich, doch schlief ich nicht,
Mich drückten so schwer die Decken.


Es war ein breites Federbett,
Gardinen von rotem Damaste,
Der Himmel von verblichenem Gold,
Mit einem schmutzigen Quaste.


Verfluchter Quast! der die ganze Nacht
Die liebe Ruhe mir raubte!
Er hing mir, wie des Damokles Schwert,
So drohend über dem Haupte!


Schien manchmal ein Schlangenkopf zu sein,
Und ich hörte ihn heimlich zischen:
»Du bist und bleibst in der Festung jetzt,
Du kannst nicht mehr entwischen!«


»Oh, daß ich wäre« - seufzte ich -
»Daß ich zu Hause wäre,
Bei meiner lieben Frau in Paris,
Im Faubourg Poissonnière!«


Ich fühlte, wie über die Stirne mir
Auch manchmal etwas gestrichen,
Gleich einer kalten Zensorhand,
Und meine Gedanken wichen -


Gendarmen in Leichenlaken gehüllt,
Ein weißes Spukgewirre,
Umringte mein Bett, ich hörte auch
Unheimliches Kettengeklirre.


Ach! die Gespenster schleppten mich fort,
Und ich hab mich endlich befunden
An einer steilen Felsenwand;
Dort war ich festgebunden.


Der böse schmutzige Betthimmelquast!
Ich fand ihn gleichfalls wieder,
Doch sah er jetzt wie ein Geier aus,
Mit Krallen und schwarzem Gefieder.


Er glich dem preußischen Adler jetzt,
Und hielt meinen Leib umklammert;
Er fraß mir die Leber aus der Brust,
Ich habe gestöhnt und gejammert.


Ich jammerte lange - da krähte der Hahn,
Und der Fiebertraum erblaßte.
Ich lag zu Minden im schwitzenden Bett,
Der Adler ward wieder zum Quaste.


Ich reiste fort mit Extrapost,
Und schöpfte freien Odem
Erst draußen in der freien Natur,
Auf bückeburgschem Boden.
Heinrich Heine, Deutschland ein Wintermärchen
 
Zuletzt bearbeitet:
? :grübel:
ich dachte, das militärhistor. Forschungsamt sei schon vor über 20 Jahren von Freiburg nach Potsdam umgezogen (worden)?


Ja, ich stand sogar mal davor.(In Potsdam) ;) Mittlerweile progressiv, also gegendert. Hab neulich eine Doku von 1990 o. 91 mit entsprechendem Bezug gesehen und mich wie immer gut echauffiert, daher der üble Dreher.
 
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