Gründe für die Beliebtheit des Kommunismus?

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Ob die berühmte 1. Kommunistenangst in den USA von 1917, die Matrosen bei der deutschen Revolution 1918 oder die russischen Revolutionäre: Der Kommunismus scheint in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts sehr beliebt gewesen zu sein.
Woher kam dies?

Okay, die SPD war damals (also zu Kaisers Zeiten) eine kommunistische Partei und konnte daher entsprechend werben. Auch hat die KOMINTERN sicher kräftig die Werbetrommel gerührt.

Das erklärt aber nicht die weltweite Beliebtheit des Kommunismus vor dem Erfolg der kommunisten Revolution in Russland. Woher kam diese?

In Europa könnte der Grund noch darin liegen, dass die Kommunisten ein allgemeines Wahlrecht versprachen. Doch das kann für die USA wiederrum nicht gelten (oder war damals die Möglichkeit zu wählen noch an Grundbesitz usf. gekoppelt? Das ist ja von Staat zu Staat verschieden, aber zumindest für die größeren Staaten ist mir nix bekannt); auch hat der Fordismus den allgemeinen Wohlstand ebenfalls gefördert.

Warum war also der Kommunismus internation so beliebt?
 
Wegen der Überwindung des feudalen Kapitalismus. In liberalen Staaten wie Großbritannien, USA oder Schweiz gab es keine nennenswerten kommunistischen Bestrebungen.
Aber auch in den Ländern, wo die Sozialisten viele Sympathisanten hatten, war der Kommunismus bei den Sozialisten keine Alternative. Erst der Staatsstreich in Russland im Oktober 1917 spülte die kommunistische Idee verstärkt in die Köpfe vieler Sozialisten in Europa.
Aber sooo beliebt war der kommunistische Gedanke gar nicht. Manche Geschichtsbücher übertreiben maßlos. Dann wäre Bayern erst einige Jahre später - nach der Weimarer Republik - wieder deutsch geworden. Oder Ungarn hätte 1919 erfolgreich die Slowakei kommunistisiert.
 
Da gibts nicht viel zu bereden, Paradiesvorstellungen und die dazugehörigen Mesiase waren immer beliebt.
 
damals wusste man noch nicht das sich so ein system nicht finanzieren kann, das ist nach '89/'90 anders.

Außerdem gab es damals noch größere Soziale Unterschiede als heute also wählten viele die KPD/SPD weil ja diese anscheinend diese ausglichen ;)
 
Entschuldigt, wenn ich hier ein Bisschen philosophisch werde. :grübel:Mich interessiert an dieser Stelle das zu Grunde liegende Denkmodell :

Die einen erklären die Volkswirtschaft mit der Interaktion der einzelnen Wirtschaftssubjekte (Firmen). Dem untergeordnet gibt es innerhalb der Firmen ein Innenverhältnis zwischen den Eignern (Arbeitgebern) und den dort arbeitenden Arbeitnehmern, z. B. bzgl. der Lohnhöhe.

Die anderen erklären das Spannungsverhältnis zwischen einer Klasse von Arbeitnehmern und einer Klasse der Arbeitgeber für die übergeordnete Systemebene und die Interaktion der Firmen untereinander für sekundär.

Die zweitere Sichtweise war den Kommunisten zu eigen. Sie hat sich (in meinen Augen erstaunlicher Weise) bis heute so gehalten.

Aber einer derartigen Uminterpretation der Systemebenen begegnet man häufig. Ein Beispiel :

Variante A - Eine Gesellschaft besteht aus miteinander interagierenden Familien. Innerhalb der Familie gibt es ein Spannungsverhältnis zwischen Mann und Frau.

Variante B - Der übergeordnete gesellschaftliche Konflikt besteht zwischen "den" Männern und "den" Frauen. Das Verhältnis zwischen den Familien ist dem untergeordnet.

Dasselbe funktioniert auch mit Nationen/Etnien und mit vielem Anderen mehr. Was bedeutet das ? Sind wir nicht in der Lage, das von uns selbst geschaffene Wirtschaftssystem "objektiv" zu verstehen, sondern wird unsere Wahrnehmung von der jeweilige emotionale Großwetterlage dominiert ?
 
Sind wir nicht in der Lage, das von uns selbst geschaffene Wirtschaftssystem "objektiv" zu verstehen, sondern wird unsere Wahrnehmung von der jeweilige emotionale Großwetterlage dominiert ?

Realisten bzw. Zufriedene agieren nicht nach Großwetterlage und sind auch für Experimente weniger zu haben. Phantasten bzw. Unzufriedene sind für Träumereien empfänglicher.
 
Ob die berühmte 1. Kommunistenangst in den USA von 1917, die Matrosen bei der deutschen Revolution 1918 oder die russischen Revolutionäre: Der Kommunismus scheint in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts sehr beliebt gewesen zu sein.
Der Schlußfolgerung kann ich nicht folgen.
Wenn jemand Angst hat, deutet das wohl gerade nicht auf Beliebtheit.

Und bei den russischen Revolutionären (wie später bei den deutschen) waren die Kommunisten nur eine Minderheit, wie auch die Revolutionäre nur eine Minderheit gegenüber der Gesamtbevölkerung waren.
 
Der Schlußfolgerung kann ich nicht folgen.
Wenn jemand Angst hat, deutet das wohl gerade nicht auf Beliebtheit

Die Frage ist, WER hat Angst und WOVOR.

Ein Landarbeiter, der einen 17-Stunden-Tag hat, dafür nur ein paar Pfennige am Tag verdient und menschenunwürdig haust (z.B. in Ostelbien bis in die 30er Jahre üblich und normal), hat nichts zu verlieren. Er muß also auch keine Angst haben, etwas zu verlieren. Für ihn kann es nur besser werden.

Jemand, der über 200 ha oder auch 30.000 ha Land verfügt, oder eine oder mehrere Fabriken sein eigen nennt, muß in diesem Zusammenhang durchaus Angst haben - nämlich davor, daß diese Produktionsmittel vergesellschaftet werden.

Im Jahre 1925 beispielsweise besaßen im DR nur 0,9 % der Landwirtschaftsbetriebe 23 % der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche, während etwa 60 % der Betriebe (Betriebsgröße unter 2 ha) nur 6 % der gesamten landwirtschftlichen Nutzfläche zur Verfügung hatten.

PS.: Heute sieht die Vermögensverteilung (und damit Machtverteilung) übrigens nicht viel anders aus. Laut einer Sendung des DLF verfügen aktuell 5 % der Privathaushalte über 95 % des in D. vorhandenen Privatvermögens.
 
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PS.: Heute sieht die Vermögensverteilung (und damit Machtverteilung) übrigens nicht viel anders aus. Laut einer Sendung des DLF verfügen aktuell 5 % der Privathaushalte über 95 % des in D. vorhandenen Privatvermögens.

Ich glaube, da hast Du dich verhört. Es ist zwar recht ungleich und ungerecht verteilt, aber dieses "5% der Haushalte=95% des Vermögens" trifft für D nicht zu. Hier sind es 10% die 2/3 Besitzen, was im internationalen Vergleich noch recht gut ist.

Studie DIW Berlin: Vermgensverteilung in Deutschland - 10% der Deutschen verfgt ber 2/3 des Einkommens
 
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Ich glaube, da hast Du dich verhört. Es ist zwar recht ungleich und ungerecht verteilt, aber dieses "5% der Haushalte=95% des Vermögens" trifft für D nicht zu. Hier sind es 10% die 2/3 Besitzen, was im internationalen Vergleich noch recht gut ist.

Studie DIW Berlin: Vermgensverteilung in Deutschland - 10% der Deutschen verfgt ber 2/3 des Einkommens


Und das ist in wie fern gut, lebe ich besser wenn der Ackermann ein armer Schlucker ist. :rofl:
 
Ich glaube, da hast Du dich verhört...

Hm. Also ich bin mir schon sehr sicher, daß beim DLF genau dieser Satz gefallen ist... wundert mich jetzt'n bißchen. Sei's drum. Kommt vielleicht auch darauf an, wie solche Zahlen ermittelt werden...

Interessant wird's jedenfalls wenn man die DIW-Studie von 2009 mit den entsprechenden Zahlen von 2003 vergleicht: Datei:Verteilung Nettovermoegen Deutschland 2003.PNG ? Wikipedia

Seinerzeit verfügten 10 % der Haushalte noch über 47 % des Vermögens. Dieser Trend wäre an sich nicht problematisch - sofern er nicht naturgemäß mit spürbarem Sozialabbau einherginge.
 
Wesentliches Merkmal der kommunistischen Ideologie ist, dass sie quasi alles Altbekannte in Frage stellte, ja als überholt und durch die Revolution umzustürzen deklarierte.
Diese Radikalität machte sicher den Reiz und den Schrecken gleichermaßen aus, vor allem ist sie der Kern der Sache, mitunter das Problem. Es ging um das ganze: Wirtschaft, Politik, Nation, Religion, Gesellschaft... alles überholt.
Eine dermaßen umfassende Revolution forderte keine andere politische Bewegung der Zeit.
Alles sollte anders werden: Marx Kommunistischen Manifest "Proletarier aller Länder vereinigt euch," will alles auf den Kopf stellen. Da geht es nicht nur um eine neue Regierung oder die Neuordnung eines Staates, sondern um die Überwindung der Nationalstaaten und die Solidarisierung aller Menschen.
Daher ist die Bewegung international, kann sich in allen Staaten ausbreiten. Die meisten anderen politischen Bewegungen scheiterten an den Landesgrenzen der "wissenschaftliche Sozialismus" nicht. (Schönes Beispiel dafür ist wie der Export der Französischen Revolutionsideale in preußischer Gloria unterging.)
 
Die Frage ist, WER hat Angst und WOVOR.
Ich bezog mich auf den Eingangsbeitrag, da wird die Kommunistenangst in den USA 1917 als Beleg für die Beliebtheit des Kommunismus angeführt.
Und das halte ich für einen logischen Fehler. Eine solche Angst kann ja kein Beleg dafür sein, daß die gefürchtete Sache beliebt ist.
 
Die Frage ist, WER hat Angst und WOVOR.
Und Wer ist für den Kommunismus und Warum.

Lässt sich nicht in zwei Zeilen beantworten, würde hier in meinen Augen den Rahmen sprengen, zumal es

psychologische, philosophische und materielle

Gründe gibt, dafür oder dagegen zu sein. Wobei beide Seiten reell sein können, aber nicht müssen.

Einer guten Idee steht meist der Mensch selbst entgegen, genauso wie einer schlechten Idee dafür.

Das liegt schlichtweg daran, dass wir unterschiedliche Lebenserfahrungen, Werte und Prioritäten haben, die Statussymbole nicht zu vergessen. Und jeder hat seine Statussymbole, sei es eine Bibliothek mit tausenden von antiquarischen und modernen Werken, sei es das Auto, sei es eine Machtposition, nur als Beispiele genannt.
Dementsprechend auch die Definition des eigenen Menschseins und der messbaren Erfolge.

Definier ich mich und meinen Erfolg über den Reichtum, den ich angehäuft habe, meine Statussymbole etcpp?
Kann und will ich wirklich Gleicher unter Gleichen sein? Wie definier ich das? Sollen wirklich alle gleich sein, können alle gleich sein?
Wenn "ja", wie geht das, wie setzt man das durch, wer kontrolliert das; wenn "nein", wozu taugt die Idee/Parole/Maxime dann überhaupt?

Nur als Denkanregung zu verstehen ...
 
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Okay, die SPD war damals (also zu Kaisers Zeiten) eine kommunistische Partei und konnte daher entsprechend werben.

Diese Aussage ist schlichtweg falsch.

Als die SPD noch unter der SAP mitte der 1870iger formiert war, wurde das Gohtaer Programm von Marx kritisiert, erst nach der Zeit der Sozialistengesetze 1890 wurde sich mit dem Erfurter Programm wieder näher an marxistischen Lehre orientiert.
Aber der wichtigste Aspekt des Kommunismus fehlte auch hier, die Forderung nach der proletarischen Revolution.

Die SPD war nie eine kommunistische Partei. Die erste deutsche Kommunistische Partei entspang aus Mitgliedern der Linksradikalen USPD und der Spartakusbundes und wurde nach dem 1.WK, 1919 gegründet.

Die Verknüpfungen werden in dieser Grafik (Quelle: Wiki; KPD) sehr schön verdeutlicht:
 
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