Gründung des Herzogtums Normandie

Apvar

Premiummitglied
Bin durch eine Diskussion im Unterforum Wikinger mal wieder auf die Normandie gestossen.
Auf der Seite der Wikinger/Normannen gab es den "Warlord" Robert oder Rollo und auf der fränkischen Seite Karl den Einfältigen. Diese haben einen Vertrag geschlossen mit dem Rollo mit der Oberen Normandie belehnt wurde.
Warum wurde Rollo mit der oberen Normandie belehnt, obwohl er laut Tante Wiki einige empfindliche Niederlagen einstecken musste?
Und kurz nach dem Rollo mit der oberen Normandie belehnt worden ist fing er an seine Nachbarn zu bekriegen, um sein Lehen zu vergrössern. Gibt es zu diesem Faktum Erklärungen weshalb Karl III das durchgehen lies?
Zum anderen würde mich auch interessieren wie schnell die Normannen die Waffen und Taktik der Franken adaptiert hatten und sogar verbessert haben.

Apvar
 
Seit dem 9. Jahrhundert wurde das Frankrenreich von den Nordmännern mit Raubzügen überzogen, von der Francia bis nach Aquitanien hinein. Zeitweise besetzten sie sogar weite Landabschnitte, besonders an der unteren Loire (Angers, Nantes).

Neben der militärischen Bekämpfung versuchten die Frankenkönige die Wikinger oftmals mittels Kontributionen zu bändigen, vor allem unter den Königen Ludwig III. und Karlmann, die Regelrechte Tributzahlungen entrichten mussten um Ruhe zu bekommen. Das Problem war nur, das auf einen Wikingerhaufen zumeist ein nächster folgte, der die Franken vor neue Herausforderungen stellte und das zu einer Zeit, in der das fränkische Königtum in der sich im Werden befindenden Feudalstruktur zunehmend an Macht verlor.

Rollo und seine Leute wurden dann auch nicht vom König geschlagen, sondern von einem Aufgebot frankischer Großer um Richard dem Gerichtsherrn (Burgund) und Ebalus Manzer (Aquitanien). Das er aber geschlagen wurde bedeutet nicht, dass er später nicht wieder zur Bedrohung hätte werden können. Also tat Karl der Einfältige in seinen vergleichsweise beschränkten Mitteln nichts anderes als einen Warlord in das fränkische Feudalgefüge zu naturalisieren, wie es in dieser Zeit schon so viele gab. Das dieser Rollo auch noch Normanne war kam dabei gelegen, denn durch die Zuweisung von Land am Unterlauf der Seine konnte man nun die Bewegungen der nachfolgenden Wikingerzüge in mehr oder weniger geordnete Bahnen lenken. Statt als Räuber kamen die Wikinger nun als Siedler, nahmen den christlichen Glauben (Rollo musste sich schon taufen lassen) und langsam auch fränkische Lebensweisen an. Die Jahre nach 911 waren schließlich auch jene in der die nordischen Raubzüge abebbten.

Dazu gehörte auch, das Rollo und seine Nachkommen um im Spiel der fränkischen Warlords um eigene Fürstentümer mitreden zu können auch zum Schwert greifen mussten. Der König konnte dagegen letztlich gar nichts tun, zumal das Königtum selbst in dieser Zeit ein Spielball verschiedenster Interessen (Robertiner!) geworden war.
 
Die mehr oder weniger feierliche Belehnung Rollos des Normannen mit der Seinemündung ist auch eine komische Episode der französischem Geschichte. Da der freche Wikinger nicht vor dem König knien wollte, um ihm die Füße zu küssen, musste der König sein Bein ausstrecken bis Rollo Karls Zehen im Stand "huldigen" konnte. Leider verlor der König dabei das Gleichgewicht und flog auf die Schnauze - in gewissem Maße ein passender Anfang für die von ständigem Hickhack geprägte Geschichte der französisch-normannischen Beziehungen.

Rollo hatte im Grunde gar keine andere Wahl, als den Vertrag zu akzeptieren, denn sonst hätten ihn die französischen Großen hochkant aus dem Land geworfen. Andererseits war es für Karl den Einfältigen auch eine Möglichkeit, sich den Rücken frei zu halten bei seinen zahlreichen Kriegszügen in Mitteleuropa. Er ging wohl davon aus, dass Rollo mit der Normandie zufrieden sein und fortan kein Problem mehr darstellen würde. Das stellte sich im Nachhinein als Irrtum heraus. Die Normannen rückten weiter ins Landesinnere vor um ihr Herzogtum auf Kosten des Königslandes zu vergrößern, und die französischen Könige konnten dagegen so gut wie gar nichts tun, da sie mit ständigen Thronstreitigkeiten und Konflikten mit den Ostfranken bereits ausnehmend beschäftigt waren.
 
Dazu gehörte auch, das Rollo und seine Nachkommen um im Spiel der fränkischen Warlords um eigene Fürstentümer mitreden zu können auch zum Schwert greifen mussten. Der König konnte dagegen letztlich gar nichts tun, zumal das Königtum selbst in dieser Zeit ein Spielball verschiedenster Interessen (Robertiner!) geworden war.

Oder wollte Karl III mit den Normannen die Grafen und Herzöge beschäftigen damit er in der Ile de France etwas ruhe bekam? Und falls sie etwas Land verloren, auch gut.
Zumindest hat er es geschafft, das über die Seine weniger Unruhe in die Gegend von Paris kam.

Apvar
 
Paris war damals noch nicht die Hauptstadt des Königtums, eine Île-de-France auf die das Königtum beschränkt wäre gab es ebenso noch nicht. Das kam erst später. Karl III. versuchte noch immer den Geltungsbereich königlicher Autorität über das gesamte Königreich zu halten, oder zumindest auf das Land nördlich der Loire. Die Normannen waren verglichen mit anderen noch das kleinere Problem, mit dem sich Karl III. auseinander setzten musste. Viel wichtiger war sein Verhältnis zu den Robertinern und anderer mächtiger Adelsfraktionen, wie z.B. die Grafen von Vermandois und Flandern. Die Robertiner waren so etwas wie die zweite Familie im Land nach der karolingischen Königsfamilie und hatten mit Odo bereits einen König gestellt. Als Markgrafen der Neustria und Inhaber mehrerer Grafschaften waren sie die mächtigste Familie in der Francia (also nördlich der Loire) und standen in Konkurenz zu Karl III.

Gut möglich das Karl III. mit der Belehnung Rollos den Robertinern eins auswichen wollte, das das Land um Rouen zur neustrichen Mark gehörte. Allerdings war Rollo und das erst im Entstehen befindliche normannische Herzogtum noch nicht stark genug um da ein Wörtchen mitzureden. Die Normannenherzöge wurden übrigens später die Beschützer des Robertiners Hugo Capets und unterstützten dessen Wahl zum König.
 
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