Günter Grass

Jacobum schrieb:
Grass war ja sicher nicht der einzige Soldat in seiner Einheit, der den Krieg überlebt hat. Und schon kurze Zeit später ist der Name Günter Grass im ganzen Land (und darüber hinaus) bekannt und berühmt geworden. Und da es sich auch nicht um einen Allerweltsnamen handelt, müsste doch spätestens in den 50er Jahren einer gesagt haben, "Mensch, der Günter, mit dem war ich in der SS".

Hmm..."in den letzten Monaten" eingezogen. Was mag er da überhaupt noch gemacht haben? Kann ja eigentlich nicht viel gewesen sein. Oder doch? Grundausbildung? Kam er überhaupt noch in Feindkontakt? Grass scheint sich diesbezüglich ja in Schweigen zu hüllen....
 
Jacobum schrieb:
Interessant finde ich einen anderen Umstand:

Grass war ja sicher nicht der einzige Soldat in seiner Einheit, der den Krieg überlebt hat. Und schon kurze Zeit später ist der Name Günter Grass im ganzen Land (und darüber hinaus) bekannt und berühmt geworden. Und da es sich auch nicht um einen Allerweltsnamen handelt, müsste doch spätestens in den 50er Jahren einer gesagt haben, "Mensch, der Günter, mit dem war ich in der SS".

Es scheint mir fast so, dass die Mitgliedschaft in der Waffen-SS wohl nie ans Licht gekommen wäre, wenn Grass nicht selbst diesen Umstand bekannt gemacht hätte. Eigentlich unglaublich, oder?

Jacobum
dachte ich zuerst auch, aber beim zweiten überlegen:

grass ist erst ende der 50er bekannt geworden, zu der zeit war es einfach keine nachricht, dass jemand wie er als jugendlicher soldat in einer waffen-ss-division war. Das waren hundertausende andere auch

wer hätte später daran interesse gehabt, die „springer-presse“ vielleicht, zum zeitpunkt, als schönhuber sein „ich war dabei“ veröffentlichte? wer weiß, wer da noch von seinen kameraden und vorgesetzten lebte und sich an ein kerlchen von 17 jahren (ohne den markanten schnäuzer) erinnerte.

@arne: seinen eignen angaben nach hat er keinen einizgen schuss abgegeben, aber er ist verwundet worden. ein sehr kurzer abriss zur divisonsgeschichte steht heute in der faz http://www.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB243B181B8B60AE/Doc~E909D597C9D1C4073BE74DFF14173C568~ATpl~Ecommon~Scontent.html
 
Arne schrieb:
Hmm..."in den letzten Monaten" eingezogen. Was mag er da überhaupt noch gemacht haben? Kann ja eigentlich nicht viel gewesen sein. Oder doch? Grundausbildung? Kam er überhaupt noch in Feindkontakt? Grass scheint sich diesbezüglich ja in Schweigen zu hüllen....


"Stern-Online" entnehme ich folgenden Auszug aus einem Artikel, der sich mit der im Herbst erscheinenden Autobiographie Günter Grass' befasst:

Grass hat nie ein Hehl daraus gemacht, als Jugendlicher für die NS-Propaganda empfänglich gewesen zu sein. In seiner Zeit bei der Waffen-SS habe er allerdings die Division Frundsberg, der er zugeordnet wurde, nach eigenen Angaben niemals gesehen. Stets seien aufs Neue Verbände zusammengewürfelt und zum Einsatz gebracht worden, die schon wenige Tage später zersprengt wurden. Als Mitglied von zwei Spähtrupp-Unternehmen geriet Grass hinter die russischen Linien, erlebte grausame Kriegsszenen und überlebte nur, wie er selber sagt, durch Zufall.
 
Für mich ist diese Debatte eine verlogene. Ich weiß nicht, ob sein Outing mit der Vermarktung seines Buches in Verbindung steht, ich denke aber, die Tatsache seiner SS-Mitgliedschaft wäre doch so oder so vor der Veröffentlichung bekannt geworden. Da gibt es doch genug Lecks bis zur Veröffentlichung. Es ist doch nicht wie bei dieser Michelle, die immer kurz vor einer neuen Platte aus ihrem Privatleben plaudert.

Sicherlich kann man Grass vorwerfen, daß er nicht früher darüber geredet hat. Aber wann? Nach dem Krieg wollte man doch eher vergessen. Und danach? Was sollte er sagen: Hallo, ich bin SS-Günter. Damit wäre er in den 70ern gut angekommen. Andere, die sich geoutet haben, haben dies mit dem Ende ihres Renomees bezahlt. Ist es denn verwerflich, wenn ein 17-jähriger zur SS eingezogen wird! Wer sich darüber aufregt, zeigt nur, daß er von der Geschichte und Entwicklung der SS keine Ahnung hat.

Es ist übrigends so, daß im Verlauf des Krieges die Verluste der SS so groß waren, daß regulär eingezogen wurde. Zudem wurden z.B. Polizisten in den sogenannten Polizeigrenadierdivisionen eingesetzt. Zudem gab es europäischer Freiwilligenverbände. Darunter war sogar eine SS-Einheit die mit Fez als Kopfbedeckung kämpfte und aus Moslems bestand. Mit der arischen SS der Anfangsjahre hatte dies also nichts mehr zu tun.
 
beorna schrieb:
....Ist es denn verwerflich, wenn ein 17-jähriger zur SS eingezogen wird! Wer sich darüber aufregt, zeigt nur, daß er von der Geschichte und Entwicklung der SS keine Ahnung hat.
[/QUOTE]
Es geht hier nicht um die Geschehnisse als 17-jähriger in der Waffen-SS, sondern um seine moralischen Anklagen gegen Politiker, die jetzt in einem sehr zweifelhaften und scheinheiligen Licht erscheinen.:grübel: Schließlich kritisierte Grass damals Kohl, daß er mit Reagan einen Soldatenfriedhof besuchte, auf dem auch Mitglieder der Waffen-SS lagen. Das nenne ich peinlich....



beorna schrieb:
Es ist übrigends so, daß im Verlauf des Krieges die Verluste der SS so groß waren, daß regulär eingezogen wurde. Zudem wurden z.B. Polizisten in den sogenannten Polizeigrenadierdivisionen eingesetzt. Zudem gab es europäischer Freiwilligenverbände. Darunter war sogar eine SS-Einheit die mit Fez als Kopfbedeckung kämpfte und aus Moslems bestand. Mit der arischen SS der Anfangsjahre hatte dies also nichts mehr zu tun.

Da es in den besetzten Ländern auch nationalsozialistische Anhänger gab, wurde ein großer Teil der Freiwilligen auf Basis einer 2jährigen Dienstverpflichtung bei der SS aufgenommen. Sie galten nicht als richtige SS-Mitglieder, sondern als der Organisation nur angeschlossen. Sie mußten deutsche Uniformen tragen und am Ärmel war meist ein in landesfarbengehaltenes Abzeichen. Hitlers Aufruf zum "Kreuzzug gegen den Bolschewismus" führte 1941 zu einem raschen Anstieg der Freiwilligen.

Es gab SS-Einheiten mit Angehörigen folgender Nationen:
Indische Freiwilligenlegion, SS-Hungaria u. Hunyadi (ungarisch), Langemarck (flämisch), SS Kama u. Handschar (kroatisch), SS-Skanderbeg (albanisch), Wallonien (wallonisch), SS "Rona" (russisch), Landstorm Nederland (niederländisch), SS-Charlemagne (französisch), überwiegende moslemische Osttürkische Waffenverband ...und dazu noch Aserbaidschaner, Esten, Norweger, Letten, Ukraine, Armenier, Georgiern und Freiwillige aus dem Kaukasus usw.. Auch wurden Briten (höchstens 70 Freiwillige) in der 11. SS-Freiwilligen-Panzergrenadierdivision Nordland in der Schlacht um Berlin eingesetzt.

Anfangs durfte die SS nur eine bestimmte Anzahl an deutschen Staatsbürgern anwerben. Das galt aber nicht außerhalb der Reichsgrenzen.


Grass war bei der:
10. SS-Panzerdivision Frundsberg, diese bestand aus:
SS-Panzergrenadierregiment 21
SS-Panzergrenadierregiment 22
SS-Panzerregiment 10
SS-Panzerartillerieregiment 10

Eine SS-Division bestand i.d.R. aus 19.000 Mann, die später aber nicht mehr erreicht wurden.
 
Cherusker schrieb:
Schließlich kritisierte Grass damals Kohl, daß er mit Reagan einen Soldatenfriedhof besuchte, auf dem auch Mitglieder der Waffen-SS lagen. Das nenne ich peinlich....

Mit welchen Worten kritisierte Grass damals Kohl?
 
Ob die Zugehörigkeit zu einer Einheit der Waffen-SS einen Vorwurf gegenüber einem Menschen rechtfertigt, kann nicht allgemein und ohne die Kenntnis des Einzelfalls entschieden werden.

Sicher. viele, die insbesondere in den ersten Kriegsjahren dazu gehörten, verstanden sich als "politische Soldaten", die voller Ueberzeugung auch für den Nationalsozialismus kämpften.
Aber die Verbrecher der Totenkopfverbände waren keine originären Soldaten der Waffen-SS, sie wurden erst später, ich glaube 1942, der Waffen-SS zugeschlagen.

Sicher, Einheiten der Waffen-SS haben wohl - im Vergleich zur Wehrmacht - weit überproportional Kriegsverbrechen begangen, aber ich denke, eine grosse Zahl der Einheiten hat auch sauber gekämpft.

Und sehr viele Soldaten der Waffen-SS sind schlicht eingezogen worden. Schon im Februar 1943 wurde etwa der Jahrgang 1926 für die Aufstellung der Waffen-SS-Panzerdivision "Hitlerjugend" reserviert. Diese Jungen sind 1944 in Frankreich, Belgien und dem deutschen Grenzgebiet verblutet.
Auch mehrere meiner Freunde wurden 1944/45 gezogen.

Bei den ausländischen Einheiten war das genauso. In Estland etwa versuchte die Waffen-SS Freiwillige anzuwerben, ohne grossen Erfolg. Die jungen Esten, die gegen die Sowjetunion kämpfen wollten, und das waren nicht wenige, gingen nach Finnland und meldeten sich dort freiwillig. Als Finnland die ersten beiden estnischen Regimenter aufstellte, wurde von der deutschen Besatzung der Uebertritt nach Finnland verboten und man zog die Esten schlicht zur Waffen-SS - und übrigens auch Jungen und Mädchen als Luftwaffenhelfer - ein. Für die Verbände, die sich aus Volksdeutschen rekrutierten, gilt dies auch ganz allgemein, sie wurden generell eingezogen.

Zur Waffen-SS gehört zu haben wurde auch in den ersten Jahren nach dem Krieg nicht für erwas besonders Vorwerfbares gehalten. Als dann die Kriegsverbrechen von Waffen-SS-Einheiten bekannt wurden, begann man die Waffen-SS-Soldaten pauschal als Verbrecher darzustellen, was eine unzutreffende Pauschalisierung war und sich in der Zeit nach 1968 noch steigerte.

Hätte Günther Grass sich gleich von Anfang an zu seiner Vita bekannt, hätte ihm niemand einen Vorwurf gemacht, spätestens seit 1968 hätte er sich aber mit dem Vorwurf, einer verbrecherischen Organisation angehört zu haben, immer wieder auch öffentlich auseinandersetzen müssen. Seine politischen Aktivitäten wären ihm sehr viel schwerer gefallen, die Wertung seines literarischen Werkes wäre wahrscheinlich auch beeinträchtigt gewesen.
Er hat sich halt konformistisch an den Zeitgeist angepasst. Und jetzt,gegen Ende seiner Karriere, versucht er, die Wirkung des Bekanntwerdens dieses Elementes seines Lebenslaufes noch selbst zu bestimmen. Insofern arbeitet er auch hier an seinem Nachruhm. Wenn die Tatsache seiner Zugehörigkeit zur Division "Frundsberg" nach seinem Tode bekannt geworden wäre, wäre die Wirkung nicht beeinflussbar.

Ich meine, mit einer früheren Bekanntgabe hätte Günther Grass einen grösseren Charakter bewiesen, etwa, wenn er auf dem Höhepunkt der Pauschalisierungen nach dem Besuch von Kohl und Reagan auf dem Friedhof in Bitburg darauf hingewiesen hätte, dass er in der gleichen Situation war, wie die dort begrabenen eingezogenen Angehörigen der Division "Hitlerjugend".
 
Guter Beitrag, kwschaefer.

Lese grad die nächste Meldung:
CDU-Politiker fordert Grass zu Rückgabe des Nobelpreises auf
Der CDU-Kulturexperte Wolfgang Börnsen hat an den Schriftsteller Günter Grass appelliert, seinen Literatur-Nobelpreis zurückzugeben.

Unter Hinweis auf das Eingeständnis des Schriftstellers, Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein, sagte der Bundestagsabgeordnete der "Bild"-Zeitung, Grass habe sein Leben lang hohe moralische Ansprüche vor allem an Politiker gestellt. Diese Ansprüche solle er "jetzt auch an sich selbst stellen". Alle Ehrungen, die er erhalten habe, solle er zurückgeben - "auch den Nobelpreis
Quelle: http://www.gmx.net/de/themen/nachrichten/deutschland/innenpolitik/2760588,cc=000000160300027605881BOwDy.html

Wenn das von den Grünen gekommen wäre, hätte es mich nicht gewundert. Aber von einem CDU-Abgeordneten hätte ich differenzierte Gedankengänge erwartet. Den Nobelpreis gab es schließlich für sein literarisches Werk und nicht für Ehrlichkeit und Moral, oder? :autsch:
 
Zuletzt bearbeitet:
Als ich vorhin diese Meldung las, habe ich als allererstes mal den Wikipedia-Eintrag über das besagte MdB gelesen. Diese scheint aber aus dem eigenen Büro erstellt worden zu sein, jedenfalls findet sich dort wenig bis gra keine Kritik und der Mann kommt auch ganz symptahisch rüber (was ja an sich nicht schlimm ist). Ich habe von diesem Politiker jedenfalls zuvor nie gehört, und denke mal, dass es sich hier um einen jener berühmten Hinterwäld... -bänkler handelt, die immer dann aus ihren hinteren Reihen angekrochen kommen, wenn die Gurken sauer werden. Also nehme ich diese meldung auch nicht allzu ernst.
 
Mein Vater war ab Kriegsbeginn bei der 10. Panzerdivision, nach Tunesien durfte er dann nicht mit, nicht tropentauglich. Er kam dann wieder an die Ostfront. (wo er sich am Wolchow die Malaria holte, v.w. tropentauglich.)
Die 10. Panzerdivision ging dann in Tunesien unter. Aus den Resten (Ersatztruppenteilen usw.) wurde die 10. SS-Panzerdivision aufgestellt.

Mit anderen Worten, wäre mein Vater im Feb. 1943 nicht an die Ostfront versetzt worden, wäre er im Mai/Juni 1943 eines morgens aufgewacht als
Soldat der Waffen-SS. Hätte ihm vor 35 Jahren diese Story sein Jüngster so ohne weiteres abgenommen?

Grüße Repo
 
beorna schrieb:
Es ist übrigends so, daß im Verlauf des Krieges die Verluste der SS so groß waren, daß regulär eingezogen wurde. Zudem wurden z.B. Polizisten in den sogenannten Polizeigrenadierdivisionen eingesetzt. Zudem gab es europäischer Freiwilligenverbände. Darunter war sogar eine SS-Einheit die mit Fez als Kopfbedeckung kämpfte und aus Moslems bestand. Mit der arischen SS der Anfangsjahre hatte dies also nichts mehr zu tun.

Stimmt, in den letzten Kriegsmonaten zog man wahllos Leute ein, um die SS an der Front überhaupt noch am Leben halten zu können. Diese Einheiten waren dann aber trotzdem meistens unterbewaffnet und hatten keine Ausbildung. Außerdem ließ man jegliches Kriterium bei de Auswahl der Rekruten fallen, so dass jeder, der kriegstauglich war, in die SS konnte. Und "kriegstauglich" waren viele. Man denke dabei auch an den Volkssturm.

Cherusker schrieb:
Es geht hier nicht um die Geschehnisse als 17-jähriger in der Waffen-SS, sondern um seine moralischen Anklagen gegen Politiker, die jetzt in einem sehr zweifelhaften und scheinheiligen Licht erscheinen.:grübel: Schließlich kritisierte Grass damals Kohl, daß er mit Reagan einen Soldatenfriedhof besuchte, auf dem auch Mitglieder der Waffen-SS lagen. Das nenne ich peinlich.....

Ich würde es nicht peinlich nennen. Denn wer weiß, laut Grass eigenen Aussagen bereut er es und empfindet es als Schande. Falls er dort selbst gelegen hätte, dann hätte er das vielleicht aus der reiferen Sicht eines erwachsenen Grass auch kritisiert. Also eine "Selbstkritik". Außerdem bezogen sich seine Moralansprüche an Politiker auf eine gewollte Vertuschung ihrer damaligen Aktivitäten. D.h., diese Politiker haben mit Absicht versucht, ihre Vergangenheit reinzuwaschen. Das war der Kritikpunkt von Grass. Damit kann man seine Situation, denke ich, nicht vergleichen.
Und wenn dann so ein CDU-Politiker kommt und die Rückgabe des Literaurnobelpreises fordert:autsch: . Es stimmt, was Arne sagt. Das zählt literarische Leistung und deshalb bin ich mir auch nicht sicher, ob er den Nobelpreis nicht doch bekommen hätte, auch wenn seine Mitgliedschaft in der SS bekannt gewesen wäre. Schließlich kann man es eine "jugendliche" Verfehlung nennen. Wir müssten demnach auch alle unsere jungen Großeltern oder Eltern anklagen, die sich haben verführen lassen oder in der Wehrmacht oder sonstiger Organisation waren. Verführung spielte gerade bei der Jugend eine wichtige Rolle im 3. Reich, so groß, dass ein eigener Thread vielelicht nicht ausreichen würde!

Und zu kwschaefers Äußerung, viele SS-Einheiten hätten auch sauber gekämpft...das mag sein, aber wenn der Großteil es nicht getan hat, dann ist es ein Makel, noch dazu, dass die SS die Elite war. Viele Nazis haben ja auch keine Juden gequält oder vernichtet, aber Nazis im Negativen waren sie schon.

Dass Grass Offenbarung jetzt so hohe Wellen schlägt, dass liegt einfach an seiner Popularität und das müssen wir einsehen. Was täten wir, wenn so etwas über ein Familienmitgleid zu Tage käme, das man mag oder gern hat?
Vielleicht würde man verzeihen, wenn die Schuldgefühle ehrlich sind, wenn man sagen kann, was einen damals bewegte.

Uns so kann ich beorna auch nur zustimmen. Die Diskussion ist eigentlich verlogen, weil wir versuchen uns ein Urteil über eine Person zu bilden, die wir persönlich nicht kennen und deren Motve uns nur aus Medien bekannt sind.
Eigentlich wäre ich dafür, die Diskussion aufzulösen.
 
Das Problem ist ja nicht, dass Grass zur Waffen-SS eingezogen wurde. Er hat ja von je her zugegeben, als junger Mensch der NS-Propaganda geglaubt zu haben. Das könnte man ohne weiteres als Jugendtorheit abtun.

Das Problem ist vielmehr, dass er es 61 Jahre lang "vergessen" hat. Und dass es gerade jetzt, kurz vor Erscheinen seiner Autobiographie, ans Licht kommt, hat schon ein G'schmäckle...

Und dass er im FAZ-Interview geklagt hat, welche Bürde ihm jetzt von der Schulter gefallen ist ... dieses weinerliche Selbstmitleid ist eigentlich nur peinlich.

Man sollte nicht vergessen, dass gerade an den Menschen, die als (oftmals selbsternanntes) soziales Gewissen in der Öffentlichkeit auftreten, mit besondere Maßstäbe angelegt werden müssen - umso tiefer dann der Fall(Kann sich noch jemand an den Fall Friedman erinnern?).

Ich halte Grass nach wie vor für einen der Größten der deutschen Literatur und werde auch nach seinem Outing gern in der "Blechtrommel" lesen. Aber sein Ansehen hat bei mir nach dieser seltsamen Enthüllung stark gelitten.

Jacobum
 
Martas schrieb:
Eigentlich wäre ich dafür, die Diskussion aufzulösen.

Da hätte Herr Grass etwas dagegen. Nun hat er sich endlich geoffenbart, dann sollen wir uns auch gefälligst unsere Köpfe über ihn zerbrechen.

Ach ja, den Joseph Ratzinger kennt er schon seit seiner Kriegsgefangenschaft in Bad Aibling.
Vielleicht treffen sich die beiden demnächst.
 
Jacobum schrieb:
Das Problem ist vielmehr, dass er es 61 Jahre lang "vergessen" hat. Und dass es gerade jetzt, kurz vor Erscheinen seiner Autobiographie, ans Licht kommt, hat schon ein G'schmäckle...

"Vergessen" würde ich es nicht nenne. Eher verdrängt oder nicht den Mut gefunden zu haben es zu erzählen. Viele brechen doch jetzt erst ihr Schweigen. Dass es einen bitteren Geschmack hat mag sein, aber vielleicht ist dies wirklich nur eine Art Zufall, da er den Mut jetzt erst wirklich geunden hat. Vielleicht ist es keine Publicity. "Wieso müssen wir immer das Schlimmste von den Menschen denken" (aus "Biedermann und die Brandstifter", auch wenn die ihm am Ende das Haus entzündet haben)

Jacobum schrieb:
Und dass er im FAZ-Interview geklagt hat, welche Bürde ihm jetzt von der Schulter gefallen ist ... dieses weinerliche Selbstmitleid ist eigentlich nur peinlich.

Wieso gleich peinlich? Peinlich fände ich andere Sachen. Und von weinerlich hat keiner was gesagt. Stand da auch nicht. Vielleicht hast du es so empfunden, aber wieso kann es nicht wirklich so sein? Wäre ein "Outing" eines normalen Rentners auch peinlich? Wenn er nicht in der Zeitung stehen würde?

Jacobum schrieb:
Man sollte nicht vergessen, dass gerade an den Menschen, die als (oftmals selbsternanntes) soziales Gewissen in der Öffentlichkeit auftreten, mit besondere Maßstäbe angelegt werden müssen - umso tiefer dann der Fall(Kann sich noch jemand an den Fall Friedman erinnern?).

Jaja...Friedmann. Doch finde ich eine NS-Vergangenheit gravierender oder schwerer zu verarbeiten als die einnahme von Drogen.
 
Martas schrieb:
"Vergessen" würde ich es nicht nenne. Eher verdrängt oder nicht den Mut gefunden zu haben es zu erzählen. Viele brechen doch jetzt erst ihr Schweigen. Dass es einen bitteren Geschmack hat mag sein, aber vielleicht ist dies wirklich nur eine Art Zufall, da er den Mut jetzt erst wirklich geunden hat. Vielleicht ist es keine Publicity. "Wieso müssen wir immer das Schlimmste von den Menschen denken" (aus "Biedermann und die Brandstifter", auch wenn die ihm am Ende das Haus entzündet haben)



Wieso gleich peinlich? Peinlich fände ich andere Sachen. Und von weinerlich hat keiner was gesagt. Stand da auch nicht. Vielleicht hast du es so empfunden, aber wieso kann es nicht wirklich so sein? Wäre ein "Outing" eines normalen Rentners auch peinlich? Wenn er nicht in der Zeitung stehen würde?



Jaja...Friedmann. Doch finde ich eine NS-Vergangenheit gravierender oder schwerer zu verarbeiten als die einnahme von Drogen.


1.) "Vergessen" war in Anführungszeichen gesetzt. Natürlich sehe ich es so wie Du.

2.) Ich finde es peinlich. Punkt.

3.) Es geht nicht um das "Delikt" und schon gar nicht um einen Vergleich sondern darum, dass ein Mensch, der gern als "öffentliches Gewissen" auftritt, eben tiefer fällt als andere.

Gruß

Jacobum
 
Jacobum schrieb:
1.) "Vergessen" war in Anführungszeichen gesetzt. Natürlich sehe ich es so wie Du.

2.) Ich finde es peinlich. Punkt.

3.) Es geht nicht um das "Delikt" und schon gar nicht um einen Vergleich sondern darum, dass ein Mensch, der gern als "öffentliches Gewissen" auftritt, eben tiefer fällt als andere.

Gruß

Jacobum

Punkt 1) und 3) haben mine Zustimmung!:winke:

Und Joseph Ratzinger ist ein gutes Beispiel, danke Mercy...erstaunlich, dass er Papst ist:nono: :p
 
"Spiegel online" hat es heute auf den Punkt gebracht. Ich möchte euch ein Zitat nicht vorenthalten ;) :

Es ist, als würde eine Familie kurz vor Weihnachten erfahren, dass Oma als junge Frau auf den Strich gegangen ist, ausgerechnet Oma, die sich immer als besonders sittenstreng gebärdet und ihren Enkeltöchtern das Tragen von Miniröcken verboten hat. Und nun fragen sich alle: Wohin mit Oma? Man mag sie nicht aus dem Hause jagen, aber weiter am selben Tisch mit ihr sitzen, das möchte man auch nicht. Man kann einem/einer 80-Jährigen nicht zum Vorwurf machen, was er/sie mit 17 gemacht hat. Man kann auch nicht verlangen, dass ein Mensch alle Jugendsünden beichtet, sobald er/sie zu einer Person der Zeitgeschichte avanciert ist. In der Empörung über Grass artikuliert sich vor allem die Wut seiner Verehrer über ihr eigenes Verhalten: Auf so einen haben wir gehört? Von so einem haben wir uns Moral predigen lassen?
 
Mercy schrieb:
Mit polnischem Segen. :yes:

:rofl: Seit wann ist es denn bekannt, dass Joseph Ratzinger Hitlerjunge war? Denn falls es erst später herauskam, dann wäre die Situation durchaus mit der von Grass vergleichbar. Nur ist der Papst nicht gefallen bzw. ist Papst geworden.
Denn es ist schnell ruhiggeworden um die Hitlerjungenvergangenheit.
 
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