Hat mein Religionslehrer recht? (Säkularisierung)

Kaito

Neues Mitglied
Hallo,

eigentlich liegt mir das Thema Geschichte, aber dann doch erst ab Neuzeit, und mit christlichen Themen habe ich mich noch nie wirklich beschäftigt, also habe ich daher eine Frage. Ich möchte mir ein Bild von meinem Lehrer machen und schauen ob ich ihm vertrauen kann was er uns da erzählt, manchmal habe ich nämlich das Gefühl, dass er gewisse Themen beschönigt bzw. uns zu unwissenden Menschen degradiert. Ich hab mir im Unterricht Notizen gemacht und versuche das jetzt mal mit einfachen Worten wiederzugeben.

Damals (welche Zeitspanne weiß ich nicht) war die Poltik in Westeuropa geprägt von der röm-kath-Religion und somit waren Bischöfe auch Fürsten und haben dafür gesorgt, dass in Schule und Pflegeheime investiert wurde, damit das allgemeine Leben besser wird. Nonnen/Dominikaner/Franziskaner haben im Krankenhaus gearbeitet und Menschen von der Straße geholt, bis sich irgendwann die Kirche dachte "ach dafür ist doch der Stadt zuständig" und somit wurde dann erst später vom Staat alles übernommen "Kindergärtner, Schulen, Krankenhäuser".

Ok nun kommen meine Fragen:

1. Stimmt das im Grunde genommen was er behauptet?

2. Ist das nicht eigentlich ein Denkfehler? Der Staat war damals religiös, also ist der Staat nicht böse, weil er sich nicht um die Kranken und Kinder gekümmert hat, weil der Staat ja sozusagen die Religion war Oo. Als dann die Religion unwichtiger wurde und die Säkularisierung begann, hat der Staat gesagt "Komm, ihr Christen seid ein Verein und wir als Staat übernehmen die Gesellschaftlichen Aufgaben". Unser Religionslehrer stellt das so dar, dass der Staat die Kranken auf die Straße geschmissen hat weil sie unbrauchbar waren und die lieben Mönche (Franziskaner z.B ) alle aufgesammelt und sie gepflegt haben. Ich habe aber auch in einem Lexikon gelesen, dass Dominikaner/ Franziskaner Inquisitoren waren besonders in Sevilla, als im 14/15 Jhd 44000 "Ketzer" unter ihrer Macht starben und die Inquisitoren erst nach dem Tod von Conrad von Marburg ausstarb, aber in der "Hexenverfolgungszeit" wieder aufkam. Ich versteh das eifnach nicht, was waren sie nun, liebe oder gute Menschen so wie es mein Lehrer darstellt?

3. Außerdem, so wie ich dass sehe "Selbst wenn die christen sich um alle liebevoll gekümmert haben, wer hätte es sonst in Westeuropa machen sollen? Es gab nur Christen, die anderen wurden verbrannt oder nicht? :) Das ist genau die Gleiche aussage wie "Die Juden sind böse, weil sie Jesus getötet haben"- ja aber damals gab es eben nur Juden, dass hat nichts explizit mit ihnen zu tun, so seh ich das.

4. Was bedeutet einfach gesagt Subsidiarität?

So, danke schonmal im vorraus für eure Antworten.

tschaui :winke:
 
Unter Historikern ist "damals" oder "früher" relativ verpönt, weil es unglaublich ungenau ist. Versuch vielleicht mal aus ihm herauszukitzeln wann genau dieses Früher war.
3. Außerdem, so wie ich dass sehe "Selbst wenn die christen sich um alle liebevoll gekümmert haben, wer hätte es sonst in Westeuropa machen sollen? Es gab nur Christen, die anderen wurden verbrannt oder nicht? :) Das ist genau die Gleiche aussage wie "Die Juden sind böse, weil sie Jesus getötet haben"- ja aber damals gab es eben nur Juden, dass hat nichts explizit mit ihnen zu tun, so seh ich das.
Es gab zu Jesus' Zeiten auch die Römer in dem Gebiet.
Die Bevölkerungsmehrheit war lange Zeit in Westeuropa natürlich christlich, aber wenn ich sage "Christen taten dies und das", dann drücke ich damit aus, dass die Urheber (Täter klingt hier blöd) nicht nur Christen waren, sondern auch aus christlichen Motiven handelten. Sie taten es nicht aus Langeweile, weil sie zuviel Geld hatten oder ähnlichen Gründen, sondern weil sie sich als Christen dazu verpflichtet fühlten.
 
oi, dass ging aber schnell, danke :). Ja ich weiß Damals und Früher hört sich nicht so toll an, ich glaube er meint Mittelalter bis hin zur heutigen Zeit, also als die Trennung begann.

Aus christlichen Motiven hört sich doch sehr hart an, dass Bedeutet dann doch, dass ich an das Gleiche glaube und die Gleiche Ideologie habe wie die Inquisitoren, als sie andere Menschen verfolgten. OÒ
 
oi, dass ging aber schnell, danke :). Ja ich weiß Damals und Früher hört sich nicht so toll an, ich glaube er meint Mittelalter bis hin zur heutigen Zeit, also als die Trennung begann.

Aus christlichen Motiven hört sich doch sehr hart an, dass Bedeutet dann doch, dass ich an das Gleiche glaube und die Gleiche Ideologie habe wie die Inquisitoren, als sie andere Menschen verfolgten. OÒ

Das würde ja bedeuten, dass sie aus christlichen Motiven heraus handelten. Das sehe ich etwas anders. Wahrhaft christliche Motive sind zutiefst menschliche Motive, wobei der Umkehrschluß nicht taugt. Man kan auch Humanist sein ohen dem christlichen Glauben zu folgen.

Es sind in Deinem Text aber auch ein paar Ungereimtheiten, zum Beispiel
bis sich irgendwann die Kirche dachte "ach dafür ist doch der Stadt zuständig" und somit wurde dann erst später vom Staat alles übernommen "Kindergärtner, Schulen, Krankenhäuser"

Sicherlich hat der Staat so einiges übernommen und sollte generell verantwortlich sein für das Wohl seiner Bürger. Das entbindet aber nicht andere Träger, hier die Kirche, von ihrer Pflicht. Die Kirche selber war immer Träger kirchlicher Einrichtungen zum Wohl vor allem der Schwachen, sie hatte Kinder- und Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser sowie andere Einrichtungen in ihrer Obhut und das ist bis heute so geblieben (Stichwort auch Bahnhofsmissionen). Beispiele dafür gibt es viele. Nur ist es heute so, dass sich die Last auf viele Schulter verteilt und der Staat mitfinanziert oder auch letztendlich in der Pflicht bleibt.

Es ist sehr schwer, so aus dem Zusammenhang gerissene Sätze zu interpretieren. Es wäre also hilfreich zu wissen, welches Thema Ihr gerade besprochen habt und wie Themistokles schon bemerkte, die Zeit genauer einzugrenzen.
 
Bei Allem Respekt für die Arbeit der Lehrkräfte, aber stellt sich Dein Religionslehrer das Alles nicht vielleicht ein wenig zu undifferenziert vor? :confused:

In den mir bekannten Sozialwissenschaften wird die Säkularisierung als westlich-christliches Phänomen betrachtet, welches im Christentum inherent ist. In Matthäus 22:21 (King James Version), heißt es von Jesus über das Zahlen von Steuern, daß Caesar erhalten solle was ihm gebühre und Gott was Gott zusteht.

Verschiedene Theoretiker behaupten nun aufgrund dessen, daß das Christentum von Anfang an die Trennung von Staat und Kirche 'eingebaut' hatte, und es den Christen an sich um das Geistliche und nicht das Weltliche ging. Da ja Jesus eindeutig gesagt hat, daß man Caesar seine Steuern zu zahlen habe, wird hiermit die Legitimität weltlicher Herrschaft anerkannt.

Die Barmherzigkeit und Wohltätigkeit, Krankenpflege etc ließe sich ebenfalls auf der Basis der Heiligen Schrift erklären (Siehe die Geschicht vom Barmherzigen Samariter etc). Solchen Theorie zufolge sind alle weltlichen Belange Sache des Staates und alle geistlichen Belange, Sache der Kirche. Einmischung der Kirchen in staatliche Belange wären somit verpönt gewesen, und Einmischung des Staates in kirchliche Belange ebenso. So weit die Theorie, aber in der Praxis lief es und läuft es eben anders.

Staaten waren durchaus religiös geprägt, aber sind nicht mit 'Religion' gleichzusetzen. Staaten hatten weltliche Interessen. Es war z.B.: zwar oftmals im Sinne eines Herrschers, wenn alle Untertanen die gleiche Religion hatten, aber in vielen Fällen hatte das mehr damit zu tun, daß man Unruhe vermeiden wollte, anstatt mit der Sorge um das Seelenheil des Einzelnen. Für besagtes Seelenheil waren Priester etc, und der Einzelne zuständig.

Es wäre mir nicht bekannt, daß irgendein Staat mal aktiv den Versuch unternommen hat Kranke auf die Straße zu werfen, die dann von den Franziskanern aufgenommen wurden, aber ich lasse mich gerne berichtigen. Meines Wissens nach haben Familien im Mittelalter dazu tendiert ihre Leprakranken 'auf die Straße zu werfen'*, die dann durchaus von geistlicher Seite Unterstützung erfahren haben, aber aus Staatsräson wäre mir sowas neu, es sei denn Dein Religionslehrer meint die Eindämmung von Epidemien etc. Das verschiedene Kirchen gerne mal in weltliche Belange eingegriffen haben, dafür fallen mir schon mehr Beispiele ein.

Ich schließe mich Anish und Themistokeles an, eine Eingrenzung der Zeit und der Zusammenhang wäre hilfreich. :winke:

(*Bitte um Korrektur falls ich das falsch in Erinnerung habe.)
 
Zuletzt bearbeitet:
4. Was bedeutet einfach gesagt Subsidiarität?
Subsidiarität bedeutet, dass jede Aufgabe auf der unterstmöglichen Stufe bearbeitet wird. Beispiel: Gemeinde - Landkreis - Regierungsbezirk - Bundesland - Bund. Deine Verkehrsbusse wird also nicht vom Verkehrsminister persönlich ausgestellt, sondern von einem einfachen Verwaltunsmitarbeiter. Obwohl Verkehrsbussen natürlich dem Verkehrsminister unterstehen...

Gruss Pelzer


.
 
Zuletzt bearbeitet:
4. Was bedeutet einfach gesagt Subsidiarität?

So, danke schonmal im vorraus für eure Antworten.

tschaui :winke:
Hi hi!
Um diese Frage haben sich bis jetzt alle gedrückt... :D

Dann versuche ich es mal:

Subsidiarität bedeutet einfach gesagt die Abarbeitung eines politischen Problems auf möglichst niedriger politischer Ebene. Am günstigsten erklärt man das an Beispiel Deutschlands:

- Bei einem politischen Problem, das ein Bundesland intern alleine regeln kann, braucht sich nicht die Bundesregierung einschalten.

- Bei einem politischen Problem, das auf kommunaler Ebene geregelt werden kann, braucht sich nicht der Landkreis oder gar das Bundesland einschalten.

usw.

Das ist in groben Zügen das Prinzip der Subsidiarität.

Ich hoffe, das kam einigermaßen verständlich rüber?
;)


Edit:

ups!
hab gerade gesehen, das doch jemand ein kleines bisschen schneller war...
:D
 
Zuletzt bearbeitet:
Subsidiarität bedeutet, dass jede Aufgabe auf der unterstmöglichen Stufe bearbeitet wird.
Subsidiarität bedeutet einfach gesagt die Abarbeitung eines politischen Problems auf möglichst niedriger politischer Ebene.
Das läuft ein wenig auf den in der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre gängigen Begriff der "Delegation" hinaus, wonach eine Aufgabe auf derjenigen (relativ untersten) Hierarchieebene erfüllt werden soll, die dazu (gerade noch) fachlich am besten in der Lage ist.

Was die Diskussion zum Verhältnis von Bund und Ländern einerseits, von Kreisen und Gemeinden andererseits betrifft, so wird diese traditionell unter anderen Vorzeichen geführt (Föderalismusprinzip - schon seit 1871 -, Selbstverwaltungsprinzip - schon seit 1808 -). Dass das Subsidiaritätsprinzip als solches hierbei zunächst keine Rolle spielt(e), hängt mit der schlichten Tatsache zusammen, dass der Begriff aus dem kirchlichen Raum stammt (Subsidiarität ? Wikipedia) und Aufmerksamkeit darüber hinaus erst mit der 1931er Sozialenzyklika "Quadrogesimo anno" von Papst Pius XI. erlangte. Er diente dazu, ein formales Zuständigkeitsprinzip zur Verteidigung des Vorrangs kirchlicher Einrichtungen vor Aktivitäten des Staates zu begründen, war also eine Art "Kampfbegriff", der nach 1949 im Zeichen des "Sozialstaats" natürlich in seinen Auswirkungen - wie stehen z. B. die Einrichtungen der freien und kirchlichen Wohlfahrtpflege denen des Staates gegenüber? usw. - größere Bedeutung erlangte.
 
Ich finde es sehr positiv, dass hier ein Schüler, der an den Darstellungen seines Lehrers zweifelt, auch den nächsten Schritt macht und sich auch informieren möchte!
Sehr gut!

Wie schon die Vorredner zeigten, sind die Ausführungen deines Lehrers, jedenfalls so wie sie durch dich über uns kommen, sehr undifferenziert. Erste Schritte zur Differenzierung hast du schon gemacht, indem du zum Beispiel gesehen hast, dass bestimmte christliche Orden sich für Menschen einsetzten und andere wieder Menschen verfolgten.

Differenzieren und unterscheiden muss man auch regional, zeitlich und teilweise situationsgebunden. So stimmt nämlich beides: Es waren teilweise christliche Orden, die sich um Notleidende und Kranke kümmerten, es war aber ebenso eine christliche Institution, die Ketzer und Häretiker verfolgte.
Ich denke nicht, dass die Kirche Aufgaben an den Staat abgeben wollte; ich denke, dass es eher zu gesellschaftlichen Verschiebungen kam. So haben zum Beispiel Stadtbürger - auch ohne dass die Kirche irgendwie Signale gegeben hätte, jemand anders solle sich um Hilfsbedürftige kümmern - Einrichtungen wie Armenhäuser mitfinanziert; dies sehr wohl wiederum meist aus christlichen Beweggründen.

Es wurde aber schon versucht deine Fragen genauer zu beantworten, während man auf neue Informationen von deiner Seite wartet; weshalb ich hier keinen großartigen Text schreiben möchte. :)

Doch ich habe das Gefühl, dass, wenn deine Darstellung sehr nahe der Darstellung eures Lehrers ist, sie sehr salopp und allgemein gehalten wirklich eine Zeitspanne vom Mittelalter bis zur Neuzeit beschreiben soll. Es klingt wie eine sehr platte und undifferenzierte Erklärung der Säkularisierung in gesellschaftlichen und politischen Bereichen.
 
ich weiß Damals und Früher hört sich nicht so toll an, ich glaube er meint Mittelalter bis hin zur heutigen Zeit, also als die Trennung begann...

Guter Hinweis; am besten platzieren wir das Thema dann aber nicht mehr im Forum "Altertum", sondern besser epochenübergreifend im Forum "Religionsgeschichte".



Zum Thema selbst erlaube ich mir, einen Fragepunkt aufzugreifen:
Damals ... war die Poltik in Westeuropa geprägt von der röm-kath-Religion und somit waren Bischöfe auch Fürsten und haben dafür gesorgt, dass in Schule und Pflegeheime investiert wurde, damit das allgemeine Leben besser wird. Nonnen/Dominikaner/Franziskaner haben im Krankenhaus gearbeitet und Menschen von der Straße geholt, bis sich irgendwann die Kirche dachte "ach dafür ist doch der Stadt zuständig" und somit wurde dann erst später vom Staat alles übernommen "Kindergärtner, Schulen, Krankenhäuser".

...

2. Ist das nicht eigentlich ein Denkfehler? Der Staat war damals religiös, also ist der Staat nicht böse, weil er sich nicht um die Kranken und Kinder gekümmert hat, weil der Staat ja sozusagen die Religion war Oo. Als dann die Religion unwichtiger wurde und die Säkularisierung begann, hat der Staat gesagt "Komm, ihr Christen seid ein Verein und wir als Staat übernehmen die Gesellschaftlichen Aufgaben". Unser Religionslehrer stellt das so dar, dass der Staat die Kranken auf die Straße geschmissen hat weil sie unbrauchbar waren und die lieben Mönche (Franziskaner z.B ) alle aufgesammelt und sie gepflegt haben. Ich habe aber auch in einem Lexikon gelesen, dass Dominikaner/ Franziskaner Inquisitoren waren besonders in Sevilla, als im 14/15 Jhd 44000 "Ketzer" unter ihrer Macht starben und die Inquisitoren erst nach dem Tod von Conrad von Marburg ausstarb, aber in der "Hexenverfolgungszeit" wieder aufkam. Ich versteh das eifnach nicht, was waren sie nun, liebe oder gute Menschen so wie es mein Lehrer darstellt?

Dazu folgende Anmerkungen:
1. Inquisition - oder genauer gesagt: der Inquisitionsprozeß - stellt rechtsgeschichtlich einen der größten Fortschritte dar: zum ersten Mal wurde das Prozedere aus Anklage, Verteidigungsplädoyer und Richterspruch einheitlich und verbindlich festgelegt, und zudem kamen auf dem Weg zur Urteilsfindung Zeugenverhöre u. dgl. zum Tragen.
Vgl. dazu Die Inquisition als Grundlage unseres Rechtssystems? - Beitrag #2 sowie Die Inquisition als Grundlage unseres Rechtssystems? - Beitrag #7
2. Die Inquisition entstand Anfang des 13. Jh., um Häretiker - also Abweichler, Ketzer - aufzuspüren, zu bekehren oder aber zu verurteilen (in ebendieser Reihenfolge - das Töten bzw. Verbrennen von Ketzern war also nicht Hauptziel, sondern kam erst zur Anwendung, wenn der Ketzer seiner Häresie nicht abschwor!).
3. Konrad von Marburg lebte im 13. Jh.; er steht demzufolge in der Anfangszeit der Inquisition und nicht an ihrem Ende.
4. Zwischen Inquisition und Hexenverfolgung muß man differenzieren!
Siehe dazu die kennzeichnenden Stichpunkte in Hexenprozesse, Inquisition und die Verantwortung der Kirche - Beitrag #35 sowie die ausführliche Behandlung in Hexenprozesse, Inquisition und die Verantwortung der Kirche - Beitrag #42
5. Die Inquisition in Spanien ist dabei gesondert zu betrachten: Hexenprozesse, Inquisition und die Verantwortung der Kirche - Beitrag #68
6. Speziell im europäischen Mittelalter ist zwischen dem Weltlichen (Staat) und dem Geistlichen (Religion, Kirche) keine Trennlinie o.ä. zu ziehen: Strafen im Mittelalter - Beitrag #36
7. Um auf die Komplexität der engesprochenen Sachverhalte zu verweisen, sei Hexenprozesse, Inquisition und die Verantwortung der Kirche - Beitrag #114 empfohlen



Aus christlichen Motiven hört sich doch sehr hart an, dass Bedeutet dann doch, dass ich an das Gleiche glaube und die Gleiche Ideologie habe wie die Inquisitoren, als sie andere Menschen verfolgten...
Das würde ja bedeuten, dass sie aus christlichen Motiven heraus handelten. Das sehe ich etwas anders. Wahrhaft christliche Motive sind zutiefst menschliche Motive...

Nur, wenn man es es vom modernen Standpunkt aus betrachtet - siehe die entsprechenden verlinkten Beiträge oben.
Während des Mittelalters und der Frühen Neuzeit waren Christen keine Pazifisten wie heute, und es gab auch noch nicht so etwas wie interreligiösen und interkulturellen Dialog, Ökumenische Initiativen o. dgl.: Den Glauben auch mit Mitteln der Gewalt zu verteidigen - und damit verbunden Unglauben, Ketzerei, Hexerei etc. aktiv und entschieden zu bekämpfen - entsprach durchaus christlicher Motivation.



PS: Und das ist auch noch mein Beitrag #6666...
 
1. Inquisition - oder genauer gesagt: der Inquisitionsprozeß - stellt rechtsgeschichtlich einen der größten Fortschritte dar: zum ersten Mal wurde das Prozedere aus Anklage, Verteidigungsplädoyer und Richterspruch einheitlich und verbindlich festgelegt, und zudem kamen auf dem Weg zur Urteilsfindung Zeugenverhöre u. dgl. zum Tragen.
Vgl. dazu Die Inquisition als Grundlage unseres Rechtssystems? - Beitrag #2 sowie Die Inquisition als Grundlage unseres Rechtssystems? - Beitrag #7
PS: Und das ist auch noch mein Beitrag #6666...

Fortschritt (F.) - dieses Werturteil ist, wie immer, ein weites Feld, und gerade in diesem Fall wüsste ich doch gern, wer den Inquisitionsprozess (IP) als "einen der größten" F. in der Rechtsgeschichte bezeichnet hat. Die beiden Verweise geben das nicht her:
- Rovere schreibt ganz nüchtern, die Inquisition wäre "zu Anfang ein F. in den Bereichen Prozessführung und Rechtsvereinheitlichung" [Hervorh. js] gewesen und erwähnt z. B., dass im IP Richter und Ankläger meist identisch waren - gewiss kein F.!
- Herold entschlägt sich des F.-Begriffs ganz und weist auf den engen Zusammenhang zwischen IP und Folter hin sowie darauf, dass in späteren Hexenprozessen ohnehin "sämtliche rechtlichen Schranken niedergerissen" wurden.

Für eine rechtshistorische Würdigung müsste man schon etwas genauer hinschauen; Inquisition ? Wikipedia ist ein guter Einstieg, kommt übrigens auch ohne das F.-Wort aus. Nach Schwerhoff (Die Inquisition) bestand der Kern der IP-Verfahrensnormen "in der Tradierung eines professionellen Know-hows" (S. 48); schon im Ordo von 1244 werde freilich "das enorme Ungleichgewicht zwischen der Position der Beklagten und den Anklägern, die zugleichen Richter waren", deutlich, und die Stellung der ersteren "sollte sich in der Folgezeit noch weiter verschlechtern" (S. 50). Henry Kamen erwähnt in seinem Beitrag für die TRE (Bd. 16, S. 189-196) die Schaffung einer einheitlichen Rechtspraxis, macht aber vor allem (bes. S. 192), die verfahrensmäßigen Schattenseiten dieser Praxis deutlich. Auch das Standardwerk von Eberhard Schmidt (Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 194 ff.) enthält keinen "F.", sondern vor allem den Hinweis, dass der IP mit der Entwicklung hin zum absolutistischen Obrigkeitsstaat korrespondiere; das Handwörterbuch der Kriminologie (Bd. 1, S. 323) konstatiert den "Siegeszug des IP und der Folter als seines bezeichnendsten 'Wahrheits'-Erforschungsmittels" und zeigt zugleich dessen Fragwürdigkeit auf. Usw. usw. - ein weites Feld, wie gesagt.

PS: Die Zahlenfolge 666 ist wirklich ein merkwürdiger Zufall... :devil::pfeif::winke:
 
Fortschritt (F.) - dieses Werturteil ist, wie immer, ein weites Feld, und gerade in diesem Fall wüsste ich doch gern, wer den Inquisitionsprozess (IP) als "einen der größten" F. in der Rechtsgeschichte bezeichnet hat...

Das war meine eigene Formulierung, und ich wüßte nicht, daß ich sie jemand anderem untergeschoben hätte.
Mit "Fortschritt" ging es mir überdies übrigens um kein Werturteil, sondern um den Begriff für die Weiterentwicklung eines Zustandes - im Gegensatz zum Rückschritt oder Stillstand. Da dies zugegebenermaßen nicht ganz unmißverständlich ist, weil eben oftmals mit dem Begriff "Fortschritt" ein positives Werturteil assoziiert wird, hoffe ich, daß ich das mit dieser Erklärung ausräumen konnte.

Anm.: Ganz wie Rovere es schrieb, ging es mir dabei übrigens um den Inquisitionsprozeß in seiner Anfangszeit (und ich dachte eigentlich auch, daß der Sinn des Satzes diesbezüglich verständlich genug sei). Für spätere Jahrhunderte von einem Fortschritt zu sprechen, wäre im Sinne obiger Definition (Fortschritt als Bezeichnung der Weiterentwicklung eines Zustandes) auch gar nicht opportun...



Die beiden Verweise geben das nicht her:
- Rovere schreibt ganz nüchtern, die Inquisition wäre "zu Anfang ein F. in den Bereichen Prozessführung und Rechtsvereinheitlichung" [Hervorh. js] gewesen und erwähnt z. B., dass im IP Richter und Ankläger meist identisch waren - gewiss kein F.!
- Herold entschlägt sich des F.-Begriffs ganz und weist auf den engen Zusammenhang zwischen IP und Folter hin sowie darauf, dass in späteren Hexenprozessen ohnehin "sämtliche rechtlichen Schranken niedergerissen" wurden.

Die beiden Verweise sollten dazu dienen, den Hintergrund in halbwegs kurzer Form zu verdeutlichen :fs:



Für eine rechtshistorische Würdigung müsste man schon etwas genauer hinschauen... ein weites Feld, wie gesagt.

Zweifellos; nur ist es eben auch nicht so, daß Inquisition ein Synonym für - ich überzeichne bewußt - "Myriaden von brennenden Scheiterhaufen" ist. Darum war es mir dabei gegangen...
 
Schade, dass Kaito uns nicht weiter informieren möchte...

Da die Debatte über den Inquisitionsprozess als Fortschritt hier ein schnelles Ende gefunden hat, würde ich gerne auf diesen Thread verweisen, in dem vor allem Hideyoshi, Herold und ich versuchen den Fortschrittsgedanken mit Blick auf den Inquisitionsprozess zu formulieren:
http://www.geschichtsforum.de/f52/d...ndlage-unseres-rechtssystems-4573/#post396307

P.S. : Es ist aber zu unterscheiden zwischen dem Inquisitionsprozess als solchen, der in geistlicher wie auch weltlicher Rechtsprechung Verwendung fand, und der Heiligen Inquisition, die diese Prozessart oftmals nutzte Geständnisse zu erlangen - für Verbrechen, die es nicht gibt.
 
Zuletzt bearbeitet:
..., die diese Prozessart oftmals nutzte Geständnisse zu erlangen - für Verbrechen, die es nicht gibt.

Das finde ich schlecht formuliert. Laut unserem Kenntnisstand gibt es diese Verbrechen nicht, aber laut den damals allgmein herrschenden Vorstellungen gab es diese Verbrechen sehr wohl. Und damit waren sie eine Tatsache.
 
Jein. ;)

Einerseits hast Du Recht und ich postuliere ja selbst, dass man versuchen sollte nicht mit heutigen Werten und Vorstellungen an Geschichte heranzugehen - (obwohl das unmöglich ist, doch das ist ein weites Feld) - und andererseits ist meine Formulierung für diesen Punkt meiner Meinung nach genau richtig. Denn die Folter wurde deshalb so rigoros in den Fällen der Hl. Inquisition angewendet, da es sonst keine großartige Möglichkeit gab Hexerei und ähnliches nachzuweisen. In den meisten Fällen dürfen wir wohl annehmen, dass die von der Hl. Inquisition vorgeworfenen Delikte in dieser Form nicht begangen wurden.
Bei Ketzerei und Häresie kann man von ›echten‹ Delikten sprechen, doch ich denke nicht, dass jemals eine Frau oder ein Mann mit dem Teufel in einen Bund getreten ist oder jemand anders verflucht oder verzaubert hat. Das mögen Verbrechen sein, die für den damaligen Menschen möglich waren, die drum dennoch keine sind, da der/die Angeklagte sie nicht begangen haben konnte. Für die Hl. Inquisition und abergläubisches Volk gab es diese Verbrechen, für die Angeklagte, die doch sicherlich wusste, dass sie (zum Beispiel) nicht zaubern kann, nicht.
Ich habe irgendwie Schwierigkeiten auf den Punkt zu kommen; was ich sagen wollte: Ich finde meine Formulierung deshalb richtig gewählt, da es mir darum ging aufzuzeigen, welchen qualitativen Unterschied es bei der Anklage und damit bei der Anwendung der Folter gab und begründen, weshalb die Hl. Inquisition die Folter so nötig hatte.
 
Jein. ;)

Einerseits hast Du Recht und ich postuliere ja selbst, dass man versuchen sollte nicht mit heutigen Werten und Vorstellungen an Geschichte heranzugehen - (obwohl das unmöglich ist, doch das ist ein weites Feld) - und andererseits ist meine Formulierung für diesen Punkt meiner Meinung nach genau richtig. Denn die Folter wurde deshalb so rigoros in den Fällen der Hl. Inquisition angewendet, da es sonst keine großartige Möglichkeit gab Hexerei und ähnliches nachzuweisen. In den meisten Fällen dürfen wir wohl annehmen, dass die von der Hl. Inquisition vorgeworfenen Delikte in dieser Form nicht begangen wurden.

Hm, da stellen sich mir wiederum ein paar Fragen. Erstens, wurde die Folter überhaupt so rigoros angewandt? Meines Wissens nach versuchte man bei der Inquisition Folter zu vermeiden, da man wusste dass diese nicht zur Wahrheitsfindung geeignet war. Zweitens, was war denn damals Folter? Der Folterbegriff war durchaus ein anderer, z.B. galt bereits das zeigen der Folterwerkzeuge als Folter.

Bei Ketzerei und Häresie kann man von ›echten‹ Delikten sprechen, doch ich denke nicht, dass jemals eine Frau oder ein Mann mit dem Teufel in einen Bund getreten ist oder jemand anders verflucht oder verzaubert hat. Das mögen Verbrechen sein, die für den damaligen Menschen möglich waren, die drum dennoch keine sind, da der/die Angeklagte sie nicht begangen haben konnte. Für die Hl. Inquisition und abergläubisches Volk gab es diese Verbrechen, für die Angeklagte, die doch sicherlich wusste, dass sie (zum Beispiel) nicht zaubern kann, nicht.

Also ich hab schon öfter Menschen und Dinge verflucht. =)

Natürlich können wir davon ausgehen, dass tatsächlich niemand einen Bund mit dem Teufel eingegangen ist oder andere verzaubert hat. Aber ob das tatsächlich passiert ist oder nicht ist nur nebensächlich. Wichtig ist, was die Menschen damals glaubten was passiert ist. Und wenn sie überzeugt waren dass diese Dinge existieren und passieren, dann gab es sie auch. Und wenn der Meinung eines I. nach diese Dinge in einem Fall bewiesen wurden, dann sind die auch für die Menschen damals passiert. Für die waren das Tatsachen so wie für uns die Evolution eine Tatsache ist.
Wenn nun jemand angeklagt wurde, wusste derjenige zwar, dass er diese Dinge nicht getan hatte, aber er glaubte auch dass es diese Dinge gab. Natürlich waren die dafür verurteilten Personen unserem Wissenstand nach unschuldig. Dem der Menschen damals nach aber nicht. Nein, die haben sogar bewiesen, dass es so war wie es angeklagt wurde. Ich denke das ist einfach eine Sache der Warnehmung.

Ich habe irgendwie Schwierigkeiten auf den Punkt zu kommen; was ich sagen wollte: Ich finde meine Formulierung deshalb richtig gewählt, da es mir darum ging aufzuzeigen, welchen qualitativen Unterschied es bei der Anklage und damit bei der Anwendung der Folter gab und begründen, weshalb die Hl. Inquisition die Folter so nötig hatte.

So formuliert, kann ich das nachvollziehen. Aber die Frage ob sie die Folter dafür wirklich nötig hatten bleibt.
 
Hm, da stellen sich mir wiederum ein paar Fragen. Erstens, wurde die Folter überhaupt so rigoros angewandt? Meines Wissens nach versuchte man bei der Inquisition Folter zu vermeiden, da man wusste dass diese nicht zur Wahrheitsfindung geeignet war. Zweitens, was war denn damals Folter? Der Folterbegriff war durchaus ein anderer, z.B. galt bereits das zeigen der Folterwerkzeuge als Folter.

Ja, das stimmt, das Androhen der Gewalt und Zeigen der Folterwerkzeuge galt als erste Stufe der Folterung. Das habe ich auch nachlesen können, als ich mich mit der Bedeutung der Folter im Inquisitionsprozeß beschäftigt habe.
Deine Frage jedoch bringt mich einwenig aus dem Konzept. ;)
Hier habe ich nämlich ein anderes Bild vor Augen, wenn es um die Folter und die Hl. Inquisition geht, als Du es schilderst. Dieses Bild ist bei mir durch die landläufigen Meinungen und knappe Nebensätze, die ich bei der Bearbeitung meiner Seminararbeit aufgeschnappt habe, geprägt.
Man sollte also vielleicht der Frage nachgehen, wie die Hl. Inquisition die Folter einsetzte, wie oft und welche Meinungen es innerhalb der Hl. Inquisition gab? Denn dazu kann ich nichts fundiertes sagen.
Hast Du vielleicht schon Quellen oder Literatur parat?


Also ich hab schon öfter Menschen und Dinge verflucht. =)

Und hats gewirkt? :p

Natürlich können wir davon ausgehen, dass tatsächlich niemand einen Bund mit dem Teufel eingegangen ist oder andere verzaubert hat. Aber ob das tatsächlich passiert ist oder nicht ist nur nebensächlich.

Es ist bei den meisten historischen Fragestellungen nebensächlich [bzw. sogar falsch so vorzugehen]. Da du meiner Abschlussformulierung wenigstens bei ihrem logischen Zusammenhang zustimmen konntest - auch wenn wir schlußendlich anderer Meinung sind, weil wir teilweise unterschiedliche Grundlagen nutzen -, scheint es, dass dieser Umstand gar nicht so nebensächlich ist, wenn ich zeigen möchte, dass (vielleicht) die Hl. Inquisition die Folter nötiger hatte, als ein anderes geistliches oder weltliches Gericht, da sie Verbrechen behandelte, die man nicht so leicht beweisen konnte.

Wichtig ist, was die Menschen damals glaubten was passiert ist. Und wenn sie überzeugt waren dass diese Dinge existieren und passieren, dann gab es sie auch. Und wenn der Meinung eines I. nach diese Dinge in einem Fall bewiesen wurden, dann sind die auch für die Menschen damals passiert. Für die waren das Tatsachen so wie für uns die Evolution eine Tatsache ist.
Wenn nun jemand angeklagt wurde, wusste derjenige zwar, dass er diese Dinge nicht getan hatte, aber er glaubte auch dass es diese Dinge gab. Natürlich waren die dafür verurteilten Personen unserem Wissenstand nach unschuldig. Dem der Menschen damals nach aber nicht. Nein, die haben sogar bewiesen, dass es so war wie es angeklagt wurde. Ich denke das ist einfach eine Sache der Warnehmung.

Dem stimme ich voll und ganz zu.


So formuliert, kann ich das nachvollziehen. Aber die Frage ob sie die Folter dafür wirklich nötig hatten bleibt.

Stimmt. Das ist das noch strittige Feld.

Meinst Du nicht, wir sollten dafür vielleicht einen neuen Thread aufmachen, so dass an diesem Thema interessierte schneller diese Diskussion finden und sich einbringen können?
 
Ja, das stimmt, das Androhen der Gewalt und Zeigen der Folterwerkzeuge galt als erste Stufe der Folterung. Das habe ich auch nachlesen können, als ich mich mit der Bedeutung der Folter im Inquisitionsprozeß beschäftigt habe.
Deine Frage jedoch bringt mich einwenig aus dem Konzept. ;)
Hier habe ich nämlich ein anderes Bild vor Augen, wenn es um die Folter und die Hl. Inquisition geht, als Du es schilderst. Dieses Bild ist bei mir durch die landläufigen Meinungen und knappe Nebensätze, die ich bei der Bearbeitung meiner Seminararbeit aufgeschnappt habe, geprägt.
Man sollte also vielleicht der Frage nachgehen, wie die Hl. Inquisition die Folter einsetzte, wie oft und welche Meinungen es innerhalb der Hl. Inquisition gab? Denn dazu kann ich nichts fundiertes sagen.
Hast Du vielleicht schon Quellen oder Literatur parat?

Denke das hilft hier zumindest teilweise weiter: historicum.net: Folter

Ich zitier das meiner Meinung nach hier relevante:

... Zulässig war die Anwendung der Folter nur bei Verbrechen, die mit einer Todes- oder schweren Leibesstrafe bedroht waren, also etwa bei Mord, Kindsmord, schwerem Diebstahl, Falschmünzerei oder Hexerei. Die Anordnung der Folter war in der Theorie an strenge Beweisregeln gebunden, die nach Möglichkeit ausschließen sollten, dass ein Unschuldiger der Tortur unterworfen wurde. Wer die Folter ohne Geständnis überstand, galt als unschuldig. Eine Wiederholung war nur beim Auftauchen neuer Indizien zulässig. Damit es überhaupt möglich war, die Folter zu überstehen, sollten Art und Dauer ihrer Anwendung ein bestimmtes Maß nicht überschreiten. ...

...Gefoltert werden sollte nur, wenn einerseits keine zwei Tatzeugen vorhanden waren, andererseits die Täterschaft des leugnenden Verdächtigen so gut wie bewiesen war (Halbbeweis). Bereits die Carolina wies auf die Unmöglichkeit hin, feste Regeln dafür aufzustellen, wann der zur Folterverhängung nötige Halbbeweis vorlag (Carolina Artikel 24). Grundsätzlich sollte die Folter zulässig sein, wenn ein Gegenstand aus dem Besitz des Verdächtigen am Tatort gefunden wurde, wenn ein einzelner glaubwürdiger Zeuge die Tat beobachtet hatte, wenn ein verurteilter Verbrecher einen anderen glaubwürdig als Komplizen angab ("Besagung"), wenn der Verdächtige ein außergerichtliches Geständnis ablegte oder wenn er das fragliche Verbrechen kurz vor seiner Ausführung angedroht hatte (Carolina Artikel 29-32). ... Trotz allem blieb den Richtern in der Praxis ein breiter Ermessensspielraum, der - gerade auch in Hexenprozessen - eine ausufernde Folterpraxis ermöglichte.

Das beantwortet zwar nicht alle Fragen, aber gibt zumindest ein paar Hinweise darauf, wann und unter welchen Umständen gefoltert wurde - wenn auch nciht auf die Inquisition alleine beschränkt.

Und hats gewirkt? :p

Schwer nachzuweisen, manchmal hatte ich da schon den Verdacht es hätte gewirkt :grübel:

Es ist bei den meisten historischen Fragestellungen nebensächlich [bzw. sogar falsch so vorzugehen]. Da du meiner Abschlussformulierung wenigstens bei ihrem logischen Zusammenhang zustimmen konntest - auch wenn wir schlußendlich anderer Meinung sind, weil wir teilweise unterschiedliche Grundlagen nutzen -, scheint es, dass dieser Umstand gar nicht so nebensächlich ist, wenn ich zeigen möchte, dass (vielleicht) die Hl. Inquisition die Folter nötiger hatte, als ein anderes geistliches oder weltliches Gericht, da sie Verbrechen behandelte, die man nicht so leicht beweisen konnte.

Hm, ich denke nicht, dass sie es mehr nötig hatte als andere Gerichte, abgesehen davon, dass den Part eh die weltliche Macht übernahm. Ganz einfach, weil auch, siehe Zitate oben, die gleiche Beweisführung notwendig war wie bei "weltlichen" Verbrechen. Und zwei Tatzeugen, ein außergerichtliches Geständnis und ähnliches wird es auch bei diesen Verbrechen nicht allzuoft gegeben haben. Wobei das alles nur Vermutungen sind.

Meinst Du nicht, wir sollten dafür vielleicht einen neuen Thread aufmachen, so dass an diesem Thema interessierte schneller diese Diskussion finden und sich einbringen können?

Yop. Die Frage ist wo und unter welchem Titel?
 
Das würde ja bedeuten, dass sie aus christlichen Motiven heraus handelten. Das sehe ich etwas anders.

Ist ja immer eine Interpretationsfrage; hier: Wenn der Inquisitor die Ketze nicht zur Umkehr gebracht hätte, wären im Zustand der Sünde gestorben und im Fegefeuer/Hölle gelandet. Das ist schlimmer als alles, was Menschen anderen menschen antun können, also war die ganze Folterei total selbstlos, und der Inquisitor ein reiner Menschenfreund, der das mit der Nächstenliebe echt ernst nimmt...

Ich unterschreibe sofort, dass viele Christen (zumal heutzutage) das anders sehen, aber so manches Mitglied der Inquisition mag tatsächlich daran geglaubt haben, die Ideen des Christentums umzusetzen, inkl der Nächstenliebe.
 
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