Hatte Hannibal eine Chance?

Und wo steht, dass für dieses Geld die Karthager aufkamen? Syphax hatte sein eigenes Reich, und zeitweise kontrollierte er auch den Großteil von Massinissas Gebiet, das er somit ausplündern konnte.
Damit will ich nicht sagen, dass die Karthager den Syphax nicht bezahlten, sondern nur, dass man das nicht einfach als gegeben annehmen kann.
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Nur weil man etwas nicht als gegeben annehmen kann, ist nicht das Gegenteil automatisch war. Die Söldner Syphax wurden durch Diplomatie, Geld, Landversprechen oder welche Leistung auch immer von Karthago gegen Rom mobilisiert. Das kannst Du nicht einfach wegdiskutieren.
Ich habe von Euch bisher nicht den Funken eines Beweises dafür, dass Karthago in den entscheidenden Jahren 215- 211 nicht mehr Söldner als historisch aufstellen könnte.
Ich habe die Zahlen genommen, welche die Quellen hergaben, so kam ich auf diese ungefähre Zahl. Ich will gar nicht auf diese genauen Zahlen pochen, sondern es als wahrscheinlich ansehen, dass Karthago mehr aufstellen konnte als in den entscheidenden Jahren geschehen, da war Karthago noch voller Kraft, während Rom schwere Niederlagen hinter sich hatte.
 
Nur weil man etwas nicht als gegeben annehmen kann, ist nicht das Gegenteil automatisch war.
Schon richtig. Aber nur weil etwas möglich ist, ist es auch nicht automatisch wahr. Wenn man sich aber seriös mit Geschichte beschäftigen möchte, muss man sich beim Spekulieren in Zurückhaltung üben und kann nur das als gegeben annehmen, wofür es Belege gibt, oder muss zumindest Vermutungen auch als solche kennzeichnen.

Die Söldner Syphax wurden durch Diplomatie, Geld, Landversprechen oder welche Leistung auch immer von Karthago gegen Rom mobilisiert. Das kannst Du nicht einfach wegdiskutieren.
Das tue ich auch nicht, ich sage nur, dass Du Deine Vermutungen nicht als Fakten hinstellen kannst. Immerhin räumst Du ja jetzt schon ein, dass Syphax vielleicht nur durch Diplomatie gewonnen wurde, während Du früher noch behauptet hast, dass er und seine Truppen von den Karthagern besoldet wurden.

Ich habe von Euch bisher nicht den Funken eines Beweises dafür, dass Karthago in den entscheidenden Jahren 215- 211 nicht mehr Söldner als historisch aufstellen könnte.
Und wo ist Dein Beweis, dass es mehr Söldner aufstellen konnte? Außerdem, auch wenn es das konnte, bleibt immer noch die Frage, ob es auch sinnvoll war. Söldner sind teuer, die wirbt man nicht an, bloß weil man es kann. Und auch wenn man sie brauchen würde, wollen Söldner nicht nur Sold, sondern benötigen auch etwas zu beißen. Ich habe schon Quellenstellen gebracht, die zeigen, dass Hannibals Versorgungssituation in Italien ohnehin prekär war.

Ich habe die Zahlen genommen, welche die Quellen hergaben, so kam ich auf diese ungefähre Zahl.
Also: Hasdrubal hatte nach den diversen Werbungen, die er 205 anstellte, knapp 30.000 Mann zusammengebracht. Mago erhielt knapp 14.000 Mann und später noch weitere knapp 7.000. Auch wenn man Syphax' Truppen miteinberechnet und annimmt, dass er tatsächlich 50.000 Mann hatte, kommt man nicht einmal ansatzweise auf 150.000 Mann. Dazu müsste Mago an die 50.000 Ligurer angeworben haben ...

Ich will gar nicht auf diese genauen Zahlen pochen, sondern es als wahrscheinlich ansehen, dass Karthago mehr aufstellen konnte als in den entscheidenden Jahren geschehen, da war Karthago noch voller Kraft, während Rom schwere Niederlagen hinter sich hatte.
Wie gesagt, auch wenn man etwas kann, ist es nicht auch automatisch sinnvoll, es auch zu tun.
Außerdem: Nach Cannae wurde der karthagische Senat von Hannibals Anhängern dominiert, die haben ihn sicher nicht bewusst sabotiert.
 
Wir kommen so kaum weiter. Können wir uns erstmal darauf einigen, dass Karthago gemäß den Quellen in den Jahren 206- 204 150 000+ Söldner und andere Hilfstruppen aufstellte inklusive Deiner eigenen Aufstellung für Ilpia, welche du jetzt plötzlich wegläßt?
Es ist nach wie vor wahrscheinlich, dass die Söldner des Syphax direkt oder indirekt von Karthago bezahlt wurden. Dieser Punkt ist aber nicht entscheidend. Entscheidend ist nur dass Karthago in der Lage war soviele Truppen aufzustellen als es sich selbst existenziell bedroht sah.
 
Wie gesagt, auch wenn man etwas kann, ist es nicht auch automatisch sinnvoll, es auch zu tun.
Außerdem: Nach Cannae wurde der karthagische Senat von Hannibals Anhängern dominiert, die haben ihn sicher nicht bewusst sabotiert.

Sag ich auch nicht.Ich glaube nur dass es 215 bessere strategische Optionen gab als die historischen
Welche Söldnerdispositionen hälst Du denn 215 für sinnvoll?
Etwa Mago UND Hasdrubal den Kahlen nach Sardienien?
 
Wir kommen so kaum weiter. Können wir uns erstmal darauf einigen, dass Karthago gemäß den Quellen in den Jahren 206- 204 150 000+ Söldner und andere Hilfstruppen aufstellte inklusive Deiner eigenen Aufstellung für Ilpia, welche du jetzt plötzlich wegläßt?
Jetzt sind es sogar schon mehr als 150.000?
Wir kommen nicht weiter, wenn Du Truppen doppelt zählst, unklare Begrifflichkeiten verwendest und Truppen verschiedener Zeiträume zusammenrechnest. Du hast behauptet und behauptest noch, dass Karthago in den Jahren 206-204 mindestens 150.000 Söldner aufstellte (wobei Du mittlerweile einräumst, dass da neben den bezahlten Söldnern auch andere Hilfstruppen enthalten waren).
Die Schlacht von Ilipa fand 206 statt. Hasdrubal hatte den Quellen zufolge 50.000-70.000 Fußsoldaten, 4.000-5.000 Reiter und 32-36 Elefanten (wobei man realistischerweise jeweils eher von der geringeren Zahl ausgehen sollte). Diese Truppen hat er aber natürlich nicht erst 206 aufgestellt, da er schon seit Jahren in Spanien operierte. Außerdem werden es nicht durchgehend Söldner (die bezahlt werden mussten) gewesen sein, sondern zu einem nicht näher bestimmbaren Teil Kontingente der unterworfenen spanischen Stämme, die diese zu stellen hatten. Mit dem Verlust Spaniens als Folge der Niederlage bei Ilipa ging die Möglichkeit, dort die Stellung von Truppenkontingenten durchzusetzen, den Karthagern natürlich verloren. Somit wurde die Ilipa-Armee erstens nicht erst 206-204 aufgestellt und konnte zweitens in den Jahren 206-204 wegen des Verlustes Spaniens in dieser Form auch nicht mehr aufgestellt werden.
In der Schlacht von Ilipa verlor Hasdrubal den Großteil seiner Truppen durch Tod, Flucht oder Kapitulation, sodass ihm letztlich laut Livius und Appian nur ca. 6.000 Mann blieben, die, nachdem der Feldherr geflohen war, schließlich auch noch kapitulierten.
Als Hasdrubal nach Afrika heimkehrte, brachte er es bis 204 gerade einmal auf 20.000 Fußsoldaten, 7.000 Reiter und 140 Elefanten. Dazu kamen dann noch Magos Truppen von insgesamt 18.000 Fußsoldaten, 2.800 Reitern und 7 Elefanten plus einer nicht näher bezifferten Zahl von Ligurern und Galliern. Unter Magos Truppen können sich aber auch noch Spanienveteranen befunden haben, die ihm aus der Schlacht von Ilipa, an der Mago auch teilgenommen hatte, zu seinem Rückzugspunkt Gades gefolgt waren.
Hasdrubal stellte also in den Jahren 206-204 etwa 27.000 Mann auf, Mago etwa 21.000 (von denen aber Teile eventuell noch von vor 206 aus Spanien stammten) plus Ligurer und Gallier. Wenn man noch die 50.000 Mann des Syphax von der Anzahl her für glaubwürdig erachtet (was ich nicht tue) und sie mitrechnet, kommt man auf maximal knapp 100.000 Mann plus Ligurer und Gallier. Letztere werden aber wohl kaum 50.000 Mann ausgemacht haben, denn sonst wäre kaum nachvollziehbar, wie Mago mit ca. 70.000 Mann in Norditalien in der Schlacht gegen 4 römische Legionen verlieren konnte.
Also nein, wir können uns nicht darauf einigen, dass Karthago in den Jahren 206-204 150.000+ Söldner und andere Hilfstruppen aufstellte. An echten punischen Truppen waren es nur etwas über 50.000, mit der Armee des Syphax maximal etwas über 100.000.

Entscheidend ist nur dass Karthago in der Lage war soviele Truppen aufzustellen als es sich selbst existenziell bedroht sah.
Entscheidend ist, wie viele Truppen Karthago aus eigener Kraft aufstellen konnte, also unter seinen Untertanen ausheben und gegen Bezahlung anwerben. Ein Staat, der auf einen so unsicheren Verbündeten wie Syphax angewiesen ist, hat ein Problem. Schließlich werden Verbündete umso unzuverlässiger, je bedrängter man ist, d. h. dann wenn man die Verbündeten am dringendsten braucht, muss man am ehesten mit ihrem Abfall rechnen. Sehr schön zeigte sich das im 3. Punischen Krieg, als sogar Utica von Karthago abfiel. Siehe aber auch Napoleons Verbündete oder die europäischen Verbündeten Deutschlands im 2. WK.

Sag ich auch nicht.Ich glaube nur dass es 215 bessere strategische Optionen gab als die historischen
Welche Söldnerdispositionen hälst Du denn 215 für sinnvoll?
Etwa Mago UND Hasdrubal den Kahlen nach Sardienien?
Wie ich, glaube ich, schon hinreichend zu erkennen gegeben habe, halte ich nichts davon, heute aus 2.200-jährigem zeitlichem Abstand und mit höchst mangelhaftem Wissen über den 2. Punischen Krieg mitsamt seinen Rahmenbedingungen (vor allem Logistik) am Schreibtisch darüber zu urteilen, was die Karthager besser machen sollen hätten. Ich beschränke mich im Rahmen meiner Beschäftigung mit Geschichte darauf zu erforschen, was war, nicht was hätte sein können.
 
Zahlenangaben

Wir beide werden in diesen Punkten wohl nie Einigkeit erzielen.

Ich habe aber noch etwas anderes, was vielleicht von allgemeinem Interesse ist. Bei der Schlacht vom Trasimerischen See wird Hannibals Stärke mit 35 000 angegeben. Bei der Schlacht von Cannae ca. 1 Jahr später sind es 50 000, also 15 000 mehr. Wie ist das zu erklären?
Laut den Antiken Autoren verlor Hannibal bei seiner Alpenüberquerung fast die Hälfte seiner Armee, Pedro Barcelo schätzt nun, dass die Verluste geringer ausfielen? Hat Hannibal seine Armee geteilt und die antiken Quellen berichten nur von dem Zug den Hannibal persönlich anführte? Wer weiß hier was?
 
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Sehen wir uns einmal die Quellenangaben an:

Bei Appian hat Hannibal bei seinem Aufbruch aus Spanien 90.000 Fußsoldaten, 12.000 Reiter und 37 Elefanten. Für die Folgezeit macht er leider keine Angaben zu Verlusten und Heeresstärken.

Bei Livius brach Hannibal aus Spanien mit 90.000 Fußsoldaten, 12.000 Reitern und einer unbezifferten Anzahl von Elefanten auf. Unterwegs ließ er den Hanno mit 10.000 Fußsoldaten und 1.000 Reitern zurück, 3.000 Fußsoldaten desertierten und 7.000 unzuverlässige Fußsoldaten wurden von Hannibal nach Spanien zurückgeschickt. Bei der Frage, wie viele Truppen Hannibal bei seiner Ankunft in Italien hatte, nennt Livius verschiedene Quellen: Der höchsten Angabe zufolge waren es 100.000 Fußsoldaten und 20.000 Reiter, der niedrigsten zufolge 20.000 Fußsoldaten und 6.000 Reiter. Livius selbst hält die Angabe von Lucius Cincius Alimentus (der Hannibals Kriegsgefangener war) für am glaubwürdigsten, demzufolge Hannibal unterwegs 36.000 Mann verloren hat und zu Beginn seines Feldzugs in Italien 80.000 Fußsoldaten und 10.000 Reiter hatte, wobei in dieser Zahl aber auch schon die Ligurer und Gallier, die zu Hannibal stießen, enthalten sind.
Zur Schlacht an der Trebia macht Livius leider keine präzisen Angaben zum punischen Heer: Er nennt zwar 8.000 Leichtbewaffnete und 10.000 Reiter, beziffert aber die Schwerbewaffneten und die Elefanten nicht. Zu den Verlusten macht er keine Angaben. Im Winter 218/217 verlor Hannibal aber auch viele Soldaten und Teile seiner Elefanten.
Zur Schlacht am Trasimenischen See macht Livius leider keine Angaben zum punischen Heer, sondern schreibt nur, dass es 1.500 Soldaten verlor und viele noch später ihren Wunden erlagen.
Bei der Schlacht von Cannae beziffert Livius die Stärke des punischen Heeres mit 40.000 Fußsoldaten und 10.000 Reitern.

Bei Polybios brach Hannibal aus Spanien mit 90.000 Fußsoldaten, 12.000 Reitern und 37 Elefanten auf. Unterwegs ließ er den Hanno mit 10.000 Fußsoldaten und 1.000 Reitern zurück und entließ eine etwa gleich große Truppenzahl in ihre Heimat. Bei der Rhoneüberquerung hatte er noch 50.000 Fußsoldaten, 9.000 Reiter und 37 Elefanten. Die Zahl der Truppen, die die Poebene erreichten, beziffert Polybios mit 12.000 afrikanischen und 8.000 iberischen Fußsoldaten sowie 6.000 Reitern. Dabei beruft sich Polybios auf Hannibals eigene Angaben auf der Lacinischen Säule.
Bei der Schlacht an der Trebia beziffert Polybios die punische Armee mit 8.000 Leichtbewaffneten, 20.000 Fußsoldaten (Spanier, Kelten, Afrikaner), über 10.000 Reitern (inkl. Kelten) sowie Elefanten.
Zur Schlacht am Trasimenischen See macht Polybios keine Angaben.
Bei Cannae nennt er 40.000 Fußsoldaten und 10.000 Reiter.

Dass Hannibal bei der Alpenüberquerung fast die Hälfte seiner Armee verloren haben soll, ist eine Simplifizierung. Einen Teil seiner Truppen ließ Hannibal unterwegs selbst zurück oder schickte sie heim, außerdem hatte er auch unterwegs Verluste durch Kämpfe.
Unklar ist außerdem, wie viele Truppen Hannibal bei seiner Ankunft in der Poebene hatte. Polybios stützt sich auf Hannibals eigene Angaben, doch scheint die Auflistung unvollständig zu sein, da sich anscheinend auch Balearen und Mauren in Hannibals Armee befanden, die nicht unbedingt in den Afrikanern und Iberern inbegriffen waren. Vielleicht hat Polybios der lacinischen Säule also nur die Schwerbewaffneten entnommen (oder Hannibal nur die Schwerbewaffneten angegeben), wozu dann noch Balearen und Mauren als Leichtbewaffnete kamen.
Bei der Schlacht von Cannae stimmen die Quellen überein, hingegen habe ich zur Schlacht am Trasimenischen See keine Angaben gefunden. Dass das punische Heer zwischen der Schlacht an der Trebia und der bei Cannae gewachsen ist, lässt sich durch den Zuzug der cisalpinen Gallier erklären.
 
Bei der Schlacht von Cannae stimmen die Quellen überein, hingegen habe ich zur Schlacht am Trasimenischen See keine Angaben gefunden. Dass das punische Heer zwischen der Schlacht an der Trebia und der bei Cannae gewachsen ist, lässt sich durch den Zuzug der cisalpinen Gallier erklären.

Dazu noch einige links:

Mosig/Belhassen: Revision and Reconstruction of the Battles of Cannae (216 BCE) and Zama (202 BCE)
http://www.unk.edu/uploadedFiles/academics/psychology/mosigy/REVISION AND REC.pdf

Michael Fronda (inzwischen auch in Buchform): The Italians in the Second Punic War - Local Conditions and the Failure of the Hannibalic Strategy in Italy
http://etd.ohiolink.edu/send-pdf.cgi/Fronda Michael P.pdf?osu1046890420

http://www.maajournal.com/Mahaney_8-2.pdf

Dazu eine Nachfrage: gibt es irgendeine - nicht nur gedanklich naheliegende - Querverbindung zu dem vorausgehenden Keltenkrieg in Oberitalien 225/222 und den neuen römischen Kolonien, abseits von bekannten Bündniskonstellationen im Punischen Krieg?
 
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Dazu eine Nachfrage: gibt es irgendeine - nicht nur gedanklich naheliegende - Querverbindung zu dem vorausgehenden Keltenkrieg in Oberitalien 225/222 und den neuen römischen Kolonien, abseits von bekannten Bündniskonstellationen im Punischen Krieg?

Ich beziehe mich auf moderne Autoren wie Huß, Barcelo und Dodge. Ich weiß nicht mehr genau wo ich das las, aber es scheint, dass der Keltenkrieg begann 225/222 als die Römer in der Poebene Kolonien gründeten. Das war wohl für die Gallier der Casus Belli. Die Römer mögen das als Revanche für zahlreiche Kelteneinfälle besonders für die Niederlage an der Alalia 398, welche zur Eroberung Roms durch Brennus führte gesehen haben. Im zweiten punischen Krieg war die nächste Etappe, wo Gallische Stammesführer von Hannibal im Jahre 218 die Vernichtung römischer Kolonien forderten. Dieser Krieg dauerte über den zweiten Punischen Krieg hinaus an. Selbst als Rom und Karthago Frieden schlossen ging der Krieg in den Gebieten der cisalpinischen Gallier weiter. Auf gallischer Seite kämpften sogar versprengte karthagische Restruppen unter einem General namens Hamilkar. Der Gedanke an einen direkten Zusammenhang zwischen römischer Kolonisation und dem "Freiheitskampf" der Gallier drängt sich also auf. Vielleicht können unsere Quellenexperten etwas beitragen.
 
Der Aufstand der Gallier in Gallia Cisalpina hatte nicht erst mit der Ankunft Hannibals begonnen, sondern war bereits seit Frühling 218 im Gang. Von einem Zusammenhang mit der 218 erfolgenden Gründung von Placentia und Cremona kann man daher wohl ausgehen. Der Aufstand begann damit, dass die Boier und Insubrer die römischen Kolonisten in Mutina überfielen. Zwei Praetoren mit zwei Legionen konnten den Aufstand jedoch vorübergehend niederschlagen.
 
Die Gallier waren nach der Schlacht an der Allia und der darauffolgenden Eroberung Roms für die Römer jahrhundertelang der Angstgegner schlechthin, es bestanden sogar Sondergesetze für den Fall eines neuerlichen Galliervorstoßes nach Rom. Die Kampfhandlungen zwischen den Römern und den cisalpinen Galliern dauerten vom 4. bis ins 2. Jhdt. v. Chr. Der Krieg von 225-222 war dabei nur Teil eines längerwährenden Prozesses, aber die Unterwerfung der Gallier durch die Römer hatte schon früher begonnen. Die Römer sahen in den freien Galliern Norditaliens stets eine latente Bedrohung, während sich die Gallier wiederum durch das römische Vordringen bedroht fühlten.

Nach der Schlacht an der Allia und der Eroberung Roms (390 oder 387) soll es bis Mitte des 4. Jhdts. immer wieder zu Vorstößen der Gallier nach Mittelitalien gekommen sein. Dann herrschte für ein halbes Jahrhundert Ruhe, aber im frühen 3. Jhdt. mischten sich die Gallier mitunter in die Kriege der Römer gegen die Etrusker und Samniten ein. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang vor allem die Schlacht von Sentinum 295, in der die Römer die Samniten und Senonen schlugen. 284 griffen die Gallier die etruskische Stadt Arretium an und schlugen die zu Hilfe kommenden Römer. 283 folgte dann der römische Gegenschlag: Sie unterwarfen das Gebiet der Senonen, vertrieben sie und gründeten die Kolonie Sena Gallica. 282 schlugen sie die Boier, die sich bedroht fühlten und daher in den Krieg eingriffen, in der Schlacht am Vadimonischen See. 238 kam es wieder zu Vorstößen der Gallier. 232 kam es zur Krise, als Teile des unterworfenen Senonengebiets an Plebejer verteilt wurden, was die benachbarten Boier arg beunruhigte. 225 kam es dann zum offenen Krieg durch einen Einfall mehrerer gallischer Stämme nach Etrurien. In der Schlacht bei Telamon wurden sie geschlagen, und bis 222 wurde der Großteil von Gallia Cisalpina unterworfen.
 
Besten Dank für die interessanten Erläuterungen :winke:

Wenn Rom die Lage an der Nordgrenze unter Kontrolle zu bekommen schien: gab es dazu irgendwelche Reaktionen Karthagos? Das war doch eine bedeutende Beschäftigung für den Rivalen, verschoben sich dort "Gewichte"?
 
Was hätten sie schon groß tun sollen? Sie hatten mWn in Norditalien keine eigene Kolonien. Die praktischen Probleme jedweden Eingreifens in Italien zeigen sich doch durch den Hannibal-Zug: Erst als die Karthager mit Macht in Italien auftraten konnten sie die dortigen Völker effektiv dazu beeinflussen, sich gegen Rom zu stellen.

ME interessant dabei: die keltischen Völker jenseits und in den Alpen traten Hannibal nach allem, was die antiken Quellen berichten, in vielen Fällen feindlich gegenüber. Man muss die enormen Verlustziffern nicht ernst nehmen, aber ein Zuckerschlecken wars scheinbar nicht immer. In Italien verstärkte der Zuzug von Kelten sein Heer erheblich. Ich weiß nicht mehr, wie das um das römische Massilia herum war, aber in Italien spricht das dafür, dass der direkte Kontakt mit Rom dazu führte, dass man eher gewillt war, Feinde der Römer zu unterstützen. Gereicht hats für Hannibal allerdings nicht...
 
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Als "römisch" würde ich Massalia zu dieser Zeit noch nicht bezeichnen. Die Stadt war zwar mit Rom verbündet, aber trotzdem noch eigenständig. Sie konnte ihre Unabhängigkeit sogar nach Errichtung der Provinz Gallia Narbonnensis noch wahren und verfügte weiterhin über eine eigene Streitmacht und Kriegsflotte. Erst als sie sich im Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius auf des Letzteren Seite stellte, verlor sie ihre Freiheit und wurde ins Reich eingegliedert.

Die Gallier um Massalia herum waren zwar oft mit der Stadt verfeindet, aber zu Beginn des 2. Punischen Krieges standen sie unter dem Einfluss der Stadt und hielten es somit mit den Römern. Diese Gallier waren es auch, die Hannibal den Übergang über die Rhone verwehren wollten und den mit einem stattlichen Heer in Massalia stehenden Scipio herbeiriefen. Scipio verhielt sich anfangs allerdings eher untätig, und als er endlich aufbrach, war Hannibal schon hinüber.
 
Was hätten sie schon groß tun sollen?

Alles Denkbare, an die Lokalität würde ich das nicht binden: Rüsten, Kontakte, Kriegsplanungen, Finanzen, Prioritäten, Budgets.

Über die unmittelbaren Reaktionen auf den Grenzkrieg und ihre strategische Bewertung der weiteren römische Expansion ist demnach nichts bekannt?
 
Über die unmittelbaren Reaktionen auf den Grenzkrieg und ihre strategische Bewertung der weiteren römische Expansion ist demnach nichts bekannt?
Norditalien hatte zwar mindestens seit dem frühen 5. Jhdt. als Rekrutierungsreservoir für Karthago fungiert, und auch im 1. Punischen Krieg hatten die Karthager Ligurer und Kelten angeworben, aber von karthagischen Aktivitäten, die auf eine Instrumentalisierung und aktive Unterstützung der cisalpinen Gallier gegen Rom hinausliefen, ist mir für die Zeit vor Hannibal nichts bekannt.

Alles Denkbare, an die Lokalität würde ich das nicht binden: Rüsten, Kontakte, Kriegsplanungen, Finanzen, Prioritäten, Budgets.
Das ist wohl einfacher gesagt als getan. Schließlich gab es unter den cisalpinen Galliern keinen festen Ansprechpartner, mit dem man irgendwelche Pläne schmieden können hätte, sondern verschiedene (auch untereinander rivalisierende) Stämme, wobei nicht einmal alle gallischen Stämme von Königen regiert wurden. Man hätte also einem ganzen Haufen wichtiger Leute, die alle ihr eigenes Süppchen kochten, einen Haufen Geld zukommen lassen müssen und sie irgendwie dazu bringen, koordiniert und in Einklang mit den karthagischen Interessen zu agieren. Vermutlich hätten die meisten regionalen Machthaber einfach das Geld genommen und sich nicht weiter um die Karthager gekümmert.
 
Das ist ein Missverständnis. Die Frage war nicht unmittelbar auf die Stämme gerichtet, sondern auf Karthago.
 
Hannibal Biographie von Karl Seibert

Das ist jetzt meine 9. Hannibal Biographie, wurde auch Zeit! Keine Ahnung wie ich es solange mit nur 8 ausgehalten habe! :nono:

Ich bin noch am Anfang: Seibert hat das ausführlichste Quellenverzeichnis, dass ich bisher gesehen habe, übt aber auch gleichzeitig Quellenkritik.
Er macht u.a. zwei bemerkenswerte Aussagen:
1) Der Keltenaufstand im Frühjahr 218, bevor Hannibal los marschierte, im Cisalpinischen Gallien gegen Rom, wurde durch Hannibal ausgelöst und in Absprache mit diesem durchgeführt. Ziel war es, die Römer von Ihrem Angriff auf Spanien abzuhalten.
2) Seibert widerspricht den antiken Darstellungen über die gewaltigen Verluste, die Hannibal laut antiken Quellen bei der Alpenüberquerung gehabt haben soll. Laut Seibert waren die Verluste nur gering und die antiken Quellen wollten Hannibal als Hasadeur diskreditieren, der leichtfertig die Hälfte seiner Männer opfert.
Seibert benennt konkret den "König" der Boier Magilus, welcher in Hannibals Lager an der Rhone eintraf und diesen führte. Seibert berichtet, dass Hannibals Alpenzug keineswegs der erste war, sondern dass auch die Kelten vor Hannibal schon oft Heereszüge über die Alpen führten. Außerdem berichtet er über regelmäßigen Handelsverkehr über die Alpen. Seibert spricht von gezielten Einfluss der Scipionen Familie auf die römische Geschichtsschreibung. Diese wollten ihre gravierende strategische Fehleinschätzung von Hannibals Absichten in positiverem Licht erscheinen lassen.
Als Grund für die geringere Mannschaftsstärke Hannibals nach Überquerung der Alpen nennt Seibert Kontingente, die Hannibal unterwegs zur Deckung der Nachschublinien zurück liess.

Klingt alles plausibel, aber lässt sich das beweisen?
 
Zumindest ein Heerzug über die Alpen steht fest. Brennus wird kaum geflogen sein und mit dem Schiff haben die Gallier Rom auch nicht angegriffen, also wars wohl über die Alpen
 
Zumindest ein Heerzug über die Alpen steht fest. Brennus wird kaum geflogen sein und mit dem Schiff haben die Gallier Rom auch nicht angegriffen, also wars wohl über die Alpen
Allerdings zog Brennus nicht selbst über die Alpen, sondern seine Senonen wohnten - ebenso wie andere gallische Stämme - bereits in Norditalien.
Aber im Grunde genommen hast Du natürlich recht: Als die Gallier im 5. Jhdt. v. Chr. nach Norditalien expandierten, werden sie wohl über die Alpen gekommen sein.

Klingt alles plausibel, aber lässt sich das beweisen?
Nein.

Seibert spricht von gezielten Einfluss der Scipionen Familie auf die römische Geschichtsschreibung. Diese wollten ihre gravierende strategische Fehleinschätzung von Hannibals Absichten in positiverem Licht erscheinen lassen.
Was für eine gravierende Fehleinschätzung? Die Scipionen-Brüder haben nicht wirklich etwas falsch gemacht. Es war ja nicht so, dass sie nach Spanien gesegelt wären, und plötzlich wäre Hannibal völlig überraschend im (durch die Schuld der Scipionen) unverteidigten Norditalien aufgetaucht.
Die Römer waren sich durchaus darüber im Klaren, dass Hannibal auf dem Landweg kommen würde. Wenn schon, dann könnte man den Römern vorwerfen, dass sie nicht früher in Spanien intervenierten, nicht schon zu der Zeit, als Hannibal noch vor Saguntum festsaß. Aber das war nicht die Schuld der Scipionen, denn 219 v. Chr., als Saguntum belagert wurde, war keiner von ihnen Konsul und daher nicht in der Position, solche Entscheidungen zu treffen. Außerdem wurden die Zuständigkeiten der Magistrate verlost, Publius Cornelius Scipio konnte also nicht einmal im Voraus wissen, dass er im Fall seiner Wahl zum Konsul den nördlichen Kriegsschauplatz erhalten würde.
Anfang 218 wurden dann die entsprechenden Maßregeln getroffen: Nachdem Scipio durch Los den nördlichen Kriegsschauplatz erhalten hatte, gab man ihm vier Legionen sowie zahlreiche Bundesgenossentruppen, der Praetor Lucius Manlius wurde mit einem Heer nach Gallien vorausgeschickt, und zwei Legionen mitsamt zahlreichen Bundesgenossen wurden in Norditalien stationiert. Man war sich also römischerseits vollkommen darüber im Klaren, dass Hannibal, falls er einen Vorstoß nach Italien plante, auf dem Landweg kommen würde, und traf entsprechende Vorbereitungen. Auch damit, dass Hannibal die Alpen überqueren und in Norditalien auftauchen könnte, rechnete man. All diese Maßregeln wurden nach dem Fall von Saguntum getroffen, aber noch ehe sich Hannibal überhaupt Richtung Italien in Bewegung gesetzt hatte. Da man aber vermutlich nicht sicher wusste, dass er nach Italien ziehen würde, war es auch durchaus vernünftig, dass die Scipionen eine Invasion in Spanien vorbereiteten.
Auch später, als Hannibal dann tatsächlich in Norditalien eintraf, traf er die Römer keineswegs unvorbereitet. In der Schlacht an der Trebia waren sie den Karthagern zahlenmäßig überlegen. Dass Hannibal eine zahlenmäßig überlegene römische Armee nach der anderen schlagen würde, konnten und mussten die Scipionen nun wirklich nicht voraussehen.
Es war also keineswegs so, dass die Scipionen etwa darauf vertraut hätten, dass Hannibal schon an den Alpen scheitern würde, und dann völlig überrascht waren, dass er doch nach Italien durchkam.

Der Keltenaufstand im Frühjahr 218, bevor Hannibal los marschierte, im Cisalpinischen Gallien gegen Rom, wurde durch Hannibal ausgelöst und in Absprache mit diesem durchgeführt. Ziel war es, die Römer von Ihrem Angriff auf Spanien abzuhalten.
Natürlich wäre das möglich, aber man muss nicht zwangsläufig gleich einen weitgespannten Plan Hannibals vermuten. Es ist auch gar nicht gesagt, dass Hannibal wirklich unbedingt eine römische Landung in Spanien verhindern wollte. Darauf vorbereitet war er, indem er seinen Bruder Hasdrubal mit einem Heer zurückließ, und eine römische Landung hätte auch bedeutet, dass die Römer ihre Kräfte verzetteln und er es in Italien mit weniger Gegnern zu tun bekommt.
Dass die norditalischen Gallier nicht gerade glücklich darüber waren, dass ihnen die Römer soeben mit Placentia und Cremona zwei Kolonien vor die Nase gesetzt hatten, dürfte auf der Hand liegen. Dass sich zwischen Römern und Karthagern etwas zusammenbraute, muss ihnen auch nicht entgangen sein.

Seibert widerspricht den antiken Darstellungen über die gewaltigen Verluste, die Hannibal laut antiken Quellen bei der Alpenüberquerung gehabt haben soll. Laut Seibert waren die Verluste nur gering und die antiken Quellen wollten Hannibal als Hasadeur diskreditieren, der leichtfertig die Hälfte seiner Männer opfert.
Dazu passt aber nicht so recht die Bewunderung, die Hannibal für seine Leistung gezollt wurde. Cornelius Nepos verglich Hannibal anlässlich der Alpenquerung gar mit Hercules.

Seibert berichtet, dass Hannibals Alpenzug keineswegs der erste war, sondern dass auch die Kelten vor Hannibal schon oft Heereszüge über die Alpen führten. Außerdem berichtet er über regelmäßigen Handelsverkehr über die Alpen.
Das ist alles richtig. Aber erstens wissen wir nichts darüber, wie groß eigentlich die Verluste früherer keltischer Alpenquerer waren, und zweitens macht es natürlich einen Unterschied, ob eine Handelskarawane oder ein ganzes Heer die Alpen überquert. Hannibals afrikanischen Truppen dürften die Alpen auch mehr zu schaffen gemacht haben als etwa den Kelten. Außerdem musste er sich den Weg teilweise freikämpfen, und das in höchst ungünstigem Gelände.
 
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