Heinrich IV. vor Canossa

Paukerin

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Ende der 70er Jahre heftete ich eine Comic-Kopie weg, die ich nun wiederentdeckte. Der Text ... na, ja ... aber die Zeichnungen sind professionell. Leider steht kein Autor dabei. Kennt jemand das Werk? Zu jeder Zeile gehört eine Zeichnung.

Heinrich IV. vor Canossa
Der König steht in Schnee und Eis.
Der Papst verzehrt ein Huhn mit Reis.
Der König zittert vor der Pforte.
Der Papst isst ein Stück Linzer Torte.
Am König bilden sich zwei Zapfen.
Der Papst mag jetzt noch einen Krapfen.
Herr Heinrich hat ganz blaue Backen.
Der Papst lässt seine Bettstatt knacken.
Der König wird vom Frost gebissen.
Der Papst genießt es hingerissen.
Herr Heinrich ist fast zugeschneit,
da sagt der Papst: Es ist so weit!
Ganz langsam schmelzen Eis und Schnee.
Da singt der Papst: Absolvo te!
 
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Heinrich IV
Auf dem Schloßhof zu Canossa
Stand der deutsche Kaiser Heinrich,
In dem Büßerhemd und barfuß,
Und die Nacht war kalt und regnigt.

Aus dem Fensterlein herab schaun
Zwei Gestalten, und das Mondlicht
Überflimmert Gregors Kahlkopf
Und die Brüste der Mathildis.

Heinrich singt ein lautes Bußlied,
Doch im Geiste singt er heimlich:
Komm ich jetzt nach Hause, Pfäfflein,
Unterschreib ich dir den Laufpaß!

Kenn nur das von Heine
 
Vielleicht kannst du eine der Zeichnungen hier mit einstellen, dann könnte man evtl. den Zeichner ausfindig machen. Wenns von Wilhelm Busch wäre, würde man das ja recht gut an Hand der Zeichnungen bestimmen können.
 
Also Busch ist es nicht, ich hab gerade das Inhaltsverzeichnis seines Gesamtwerks durchgeschaut, dort ist nichts entsprechendes zu finden.
 
Hier sind nun die Bilder:
 

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Hallo,

ich habe im Internet nachgesehen und nichts gefunden, daher kann ich hier nur eine Theorie anbieten, die man nachprüfen könnte:

Grundsätzliche Tendenzen zu Canossa:
Das Gedicht trifft vom Stil her eine Zeit, die einer Polarisierung zwischen Kaisertum und Papsttum nahekommt. Das Ereignis Canossa war im Mittelalter weit weniger ein Thema als dann im 19. Jahrhundert und v.a Ende des 19. Jahrhunderts. Es wurde hier für die eigenen politischen Zielsetzungen instrumentalisiert und daher kann man zwei grundsätzliche Richtungen unterscheiden: Tendenzen, die papstfreundlich und kaiserfeindlich sind, was man beispielsweise sehr häufig in Italien fand und ich glaube auch im süddeutschen Raum. Die andere - heute wohl mehr geläufigere - Tendenz war pastfeindlich und kaiserfreundlich und fand sich v.a. in jenen Gebieten, die protestantisch waren.
Besonders heftig wurde das Thema zur Zeit Bismarcks instrumentalisiert und dann auch in zahlreichen Variationen behandelt. Einen schönen Überblick findet man im Ausstellungsband zu Canossa. Da gibt es ein paar interessante Beiträge dazu.

Indizien im Text:
Die Tendenz des Gedichts ist eindeutig papstfeindlich und kaiserfreundlich.
Wenn man sich das so anhört, was der Papst so alles verzehrt, dann gibt es hier ein paar interessante Anhaltspunkte:
Der Papst ißt Linzer Torte. Die Linzer Torte gilt zwar als die älteste Torte der Welt, aber sie kam wohl erst im 17. Jh. auf und ist eine typisch österreichische Spezialität. Das heißt sie steht eigentlich für Österreich.
Ähnlich ist es auch mit dem Krapfen, der stammt gleichfalls aus Österreich. In Norddeutschland wären hier eher Berliner zum Einsatz gekommen. Für Österreich könnte auch die Kombination Huhn und Reis sprechen, wenn man beispielsweise an das Reisfleisch denkt, das auch eine österreichische Spezialität ist.

Ausdeutungsversuch:
Wenn man das jetzt auf die Personen überträgt, zeigen sich zwei Seiten:
Einmal der deutsche Kaiser Heinrich IV., einen aus der katholischen Kirche Ausgeschlossenen (wie auch die Protestanten), der sehr früh von den Nationalstaatsverfechtern und den Anhängern einer kleindeutschen Lösung mit Preußen an der Spitze instrumentalisiert wurde.
Auf der anderen Seite haben wird den katholischen Papst, der über das Essen österreichische Attribute angenommen hat.
Diese Gegnerschaft - Deutschland einerseits, Papst und Österreich andererseits - entspricht Parteiungen, die man im Vorfeld der Bildung des Deutschen Reiches 1871 in den 1860-er Jahren und speziell im Zusammenhang mit dem Deutschen Krieg 1866 feststellen kann, als sich Preußen und Österreich jeweils mit Verbündeten bekriegten und der Papst aufgrund religöser und kirchengeschichtlicher Tradition (Haus Habsburg war das letzte Kaisergeschlecht) den Österreichern nahestand. In dieser Zeit und auch im Kulturkampf 1876 wurden von preussischer Seite die Fronten gegen die Katholiken gerade auch mit Heinrich IV.-Hetzpropagandas hochgefahren.

Ich würde daher vermuten, dass das Gedicht nicht aus den 1970-ern sondern ein gutes Jahrhundert älter ist. Ähnliches würde ich auch bei den Karikaturen annehmen. Diese können zwar zeitgenössisch, also aus den 1970-ern stammen, könnten sich aber in der Motivik an Karikaturen aus der Zeit des Gedichtes anlehnen, weil man hier auch ähnlich verzerrende Darstellungen unter die Leute gebracht hatte. Es wäre also ganz interessant hier weiter zu recherchieren.

LG
Amalaswintha
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn man sich das Gedicht durchliest, mit dem Wissen über den geschichtlichen Hintergrund zum Ende des 19. Jahrhunderts, liegt die Vermutung wirklich sehr nahe, dass das Gedicht und die Zeichnungen wirklich während dieser Zeit in Preußen entstanden sind. Wer allerdings der Erschaffer dieses "Machtwerks" ist... keine Ahnung.

Mich beschäftigt jetzt eher noch die Frage, warum dem Canossagang zu dieser Zeit so große Aufmerksamkeit geschenkt wurde?
Und auch: warum stand der Papst (der meines Wissens nach Italiener war) Pate für Österreich? Wo besteht hier der Zusammenhang?
Warum Heinrich für Deutschland steht, leuchtet mir noch ein, aber der Papst als Österreich...

... jetzt entlarve ich mich als total Unwissende, was den Canossagang angeht...*g*
 
Wenn man sich das Gedicht durchliest, mit dem Wissen über den geschichtlichen Hintergrund zum Ende des 19. Jahrhunderts, liegt die Vermutung wirklich sehr nahe, dass das Gedicht und die Zeichnungen wirklich während dieser Zeit in Preußen entstanden sind. Wer allerdings der Erschaffer dieses "Machtwerks" ist... keine Ahnung.

Dafür erscheinen mir Schrift, Wortwahl und Art der Zeichnung doch zu modern, als dass sie aus der Zeit des Kulturkampfs stammen sollten.
 
Was die Wortwahl angeht, das kann ich nicht sagen. Aber bezüglich Art der Zeichnung und besonders der Schrift muss ich dir nach nochmaligem Betrachten der Bilder zustimmen.
Besonders die Schrift ist doch sehr modern. Aber vielleicht liegt das daran, dass dies eine Kopie aus den 70ern ist (natürlich nur, was die Schrift angeht, nicht die Bilder)?
 
Bezüglich der Wortwahl war's auch ein Fehler von mir: Ich hatte knacken als 'schlafen' interpretiert: Aber es ist ja nicht der Papst der knackt, sondern das Bett.
 
Aber das ist doch ein Klassiker!

Hans Traxler: "Leute von gestern". War in den 80ern regelmässig in der Zeit abgedruckt, gibt's antiquarisch auch in Buchform. "Leute von heute" ist die entsprechend aktuellere Serie. Nähe zu Busch natürlich unverkennbar.

Ein paar Zeilen, die mir spontan einfallen:

"Die Dichterin Colette, die lag bis eens im Bette. Dort warse schwer am machen, mit ihre zwee Apachen."

"Herr Wagner wühlt im Pianoforte, Frau Cosima backt eine Torte."

"Der Feldmarschall von Blücher besaß genau drei Bücher: eins zum Lachen, eins zum Denken, und das dritte zum Verschenken. Sprach er zu Marschall von Grieben: mehr fänd' ich übertrieben!"

"Mein König! Mein König" Wie stehr die Schlacht?" - "Der Keegan hat ein Tor gemacht." - "Er tat es sicher mit einem Köpfer? Dann tret ich ruhig vor meinen Schöpfer!" :rofl:
 
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