Hexenprozesse, Inquisition und die Verantwortung der Kirche

Irene schrieb:
Dann waren diese heidnischen Religionen wahrscheinlich von mehr Verstand und Liebe getragen als das Christentum. Denn Jesus war ein Jude und der Sohn Gottes und nicht nur Hexen und Ketzer sondern auch die Juden wurden auf den Scheiterhaufen verbrannt. Die Verwandten Jesu, auch sie Kinder Gottes, aber weil sie nicht den katholischen und später nicht den protestantischen Glauben annahmen (und es brannten auch die, die zum Christentum wechselten und denen man dann unterstellte, sie wären heimlich bei ihrem Glauben geblieben. wurden gejagd, vertrieben und verbrannt. Rechnet man jetzt noch das Schwert hinzu, die Kreuzzüge, dann ist es bis in die Neuzeit ein wirklich blutiger Weg, um eine Religion, einen Glauben zu schützen oder andere zu diesem Glauben zu bekehren.
Die Schuldfrage spielt gar keine Rolle, diese Vergangenheit kann man nicht auslöschen.

Nach einer wirklich interessanten Diskussion sind wir jetzt bei platter, dumpfer, polemischer Kirchenkritik angekommen. Schade. Gut, spielt halt die Schuldfrage keine Rolle mehr, Kirche war immer böse, Christen haben immer andere gejagt, vertrieben, verbrannt, sogar die, die eigentlich geglaubt haben, fehlen natürlich noch die Kreuzzüge, ein einziger blutiger Weg durch die Geschichte. Gelungenes abschließendes Urteil. So einfach kann es sein...
 
Herold schrieb:
Nach einer wirklich interessanten Diskussion sind wir jetzt bei platter, dumpfer, polemischer Kirchenkritik angekommen. Schade. Gut, spielt halt die Schuldfrage keine Rolle mehr, Kirche war immer böse, Christen haben immer andere gejagt, vertrieben, verbrannt, sogar die, die eigentlich geglaubt haben, fehlen natürlich noch die Kreuzzüge, ein einziger blutiger Weg durch die Geschichte. Gelungenes abschließendes Urteil. So einfach kann es sein...


Und Herold, alles was da oben steht, von dir geschrieben, ist das falsch, ist das für dich polemisch? Ist es die Vergangenheit oder nicht. Es ist nicht meine oder unsere Schuld, wenn dafür das Christentum, einzelne Christen, die Kirchen verantwortlich sind oder machen wir es uns ganz einfach. Das Europa der damaligen Zeit wurde wahrscheinlich von abergläubischen Barbaren bevölkert. Welche Version macht die Sache angenehmer. Wollen wir die Vergangenheit wegdiskutieren? Oder darüber diskutieren?
 
Ja, es ist polemisch. Und zwar vollkommen. Die historische Rolle der Kirche auf einige stereotype Schuldklischees zu reduzieren kann man durchaus als polemisch bezeichnen.
 
Herold schrieb:
Ja, es ist polemisch. Und zwar vollkommen. Die historische Rolle der Kirche auf einige stereotype Schuldklischees zu reduzieren kann man durchaus als polemisch bezeichnen.


Hier gehen wahrscheinlich die Meinungen sehr vieler Menschen auseinander. Und mir fällt im Augenblick keine Institution ein, die auf eine derartige Vergangenheit zurückblicken muss. Aber der eine sieht es als einige Klieschess und ein anderer betrachtet es von der Seite der Menschen und der Jahrhunderte - bis diese Macht beschnitten wurde.
 
Irene schrieb:
Hier gehen wahrscheinlich die Meinungen sehr vieler Menschen auseinander. Und mir fällt im Augenblick keine Institution ein, die auf eine derartige Vergangenheit zurückblicken muss. Aber der eine sieht es als einige Klieschess und ein anderer betrachtet es von der Seite der Menschen und der Jahrhunderte - bis diese Macht beschnitten wurde.

Nein, Herold hat schon Recht - und es tut mir jetzt übrigens leid, das folgende sagen zu müssen: Du überträgst bei allen Deinen Beiträgen nach wie vor die moderne Weltsicht auf andere Zeiten, wo bestimmte Dinge, welche wir heute zutiefst verurteilen, durchaus als legitim galten.
Du berücksichtigst ferner nicht - um das Beispiel der Kreuzzüge aufzugreifen -, daß bspw. im Hochmittelalter beide Seiten machtgierig und grausam waren (der "edle" Saladin ist eine Erfindung der Aufklärung und Romantik!).
Und ähnlich ließe sich dies auch für die anderen Zeiten sagen...

Desweiteren frage ich: Wie sah es denn in den Jahrhunderten nach der Französischen Revolution aus - also gerechnet von dem Zeitpunkt, da die Kirche in ihrer Macht wirklich beschnitten wurde?
Der Terreur während der Französischen Revolution - unblutig gegen Andersdenkende und frühere "Kampfgefährten"?
Napoleon - ein Mensch, der weniger machtgierig und grausam war?
Spätere Regimes, insbesondere die Diktaturen des 20. Jh. - ihre Vergangenheit war strahlend?

Das war jetzt gewiß auch sehr polemisch von meiner Seite, aber wenn wir in der Diskussion schon so weit sind...
Es tut mir wie geschrieben selbst leid, aber es geht wohl nicht mehr anders...

Im übrigen tue ich es Herold gleich und meide vorerst diesen Strang ebenfalls.
 
Irene schrieb:
Dann waren diese heidnischen Religionen wahrscheinlich von mehr Verstand und Liebe getragen als das Christentum. Denn Jesus war ein Jude und der Sohn Gottes und nicht nur Hexen und Ketzer sondern auch die Juden wurden auf den Scheiterhaufen verbrannt. Die Verwandten Jesu, auch sie Kinder Gottes, aber weil sie nicht den katholischen und später nicht den protestantischen Glauben annahmen (und es brannten auch die, die zum Christentum wechselten und denen man dann unterstellte, sie wären heimlich bei ihrem Glauben geblieben. wurden gejagd, vertrieben und verbrannt. Rechnet man jetzt noch das Schwert hinzu, die Kreuzzüge, dann ist es bis in die Neuzeit ein wirklich blutiger Weg, um eine Religion, einen Glauben zu schützen oder andere zu diesem Glauben zu bekehren.
Die Schuldfrage spielt gar keine Rolle, diese Vergangenheit kann man nicht auslöschen.

Dazu möchte ich nur soviel anmerken, daß deine Sicht sehr einseitig ist. Du greifst alle Negativaspekte raus, um das Christentum schlecht zu machen. In vielerlei Hinsicht ist das Christentum anderen Religionen durchaus überlegen, zum Beispiel in der Caritas. In keiner anderen Religion findet man eine so ausgeprägt Fürsorge für Kranke und Schwache. Schon gar nicht in den heidnischen. Wenn Kinder verkrüpppelt waren, wurden sie ausgesetzt. Abtreibung galt zwar im Eid des Hippokrates als verboten, hatte aber praktisch keine Bedeutung. Auch hier steht die christliche Ethik für den Schutz Wehrloser.
Insofern kann man nicht sagen, daß hednische Religionen verständnisvoller waren. Nur wenn man sich auf wenige Aspekte beschränkt.
 
@ Timo, weder die Franzosen während und nach der Revolution haben von sich behauptet, die Träger des Christentums zu sein und in Jesus Namen zu handeln, das gilt auch für alle anderen weltlichen Herrscher oder Regierungen. Sie haben kein Hehl daraus gemacht, worum es ihnen geht.

@Kassia, Caritas ist kein so gutes Beispiel, Caritas wird von denen, die es in Anspruch nehmen bezahlt, mit der Geschichte kirchlicher Waisenhäuser beschäftigen wir uns in diesem Thema nicht, da gibt es auch sehr umfangreiche Dokumente. Alle anderen kirchlichen Einrichtungen dieser Art - Krankenhäuser, Pflegeheime stehen zwar voll unter kirchlicher Regie und sind auch deren Eigentum, aber 80 % aller Kosten werden vom Steuerzahler bezahlt.
Auch in anderen Religionen ist die Hilfe für Kranke, Arme und Schwache den Gläubigen zur Pflicht gemacht.
Aber ich würde gerne noch ein paar positive Beispiele hören, denn mir liegt wirklich nichts daran, etwas einseitig zu betrachten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das die Lehre Jesu eine wundervolle und inspiriende Religion ist steht für mich außer Frage. Wie wir Menschen allerdings diese mit Leben und Sinn ausgestalten steht auf einem anderen Blatt. Wie ein Vorposter schon bemerkte, ist das kirchliche Tun auch ein Spiegelbild der jeweiligen Gesellschaft, die ja gerade in der Vergangenheit das Leben jedes einzelnen stark beeinflußte. Die Fehler/Verbrechen die begangen worden sind beschreiben ja nicht die christliche Lehre, sondern nur, wie die damaligen Menschen jene Lehre mit "Sinn" erfüllt haben. Das Problem ist auch wenn man sagt, die Kirche, wer soll das sein, wer steht dahinter? Die Verantwortung hier in der Kirche zu sehen, bzw. den Menschen die dahinter stehen, mag nur scheinbar gelingen, sie ist viel mehr, sie ist die Verantwortung der Lebensgegebenheiten der jeweiligen Epochen. Wenn man sich dem anschließt, ist die Frage " Verantwortung der Kirche " eher müßig.
 
Herold schrieb:
Was heißt das jetzt im Hinblick auf die Hexenverfolgung und eine vermeintliche Schuld der Kirche? Natürlich wurzelte die Hexenverfolgung in der Religion. Und genauso natürlich wurde ihre Ablehnung von der Kirche betrieben. Kirchliche Amtsträger verbrannten Hexen. Kirchliche Amtsträger verweigerten sich der Hexenverfolgung. Kirche glaubte an Magie. Kirche bezweifelte die Funktionsweise von Magie. Kirchliche Gelehrte schrieben wissenschaftliche Traktate über die teuflische Verschwörung der Hexen. Kirchliche Gelehrte schrieben wissenschaftliche Traktate über die Unschuld verbrannter Frauen. Die Kirche war letztlich ein Teil der Gesellschaft, vielleicht ihr Spiegelbild. Sie beeinflusste die Gesellschaft und wurde selber von ihr beeinflusst. Mit dem Finger auf bestimmte Aspekte der Kirche zu zeigen und dort eine Schuld festzustellen ist schwer. Hexenverfolgung war ein soziales Phänomen, kein kirchliches.

Dabei sollte man aber den Individulisten nicht mit der Institution verwechseln.
Die Inquisition wurde nicht nur gegründet um christliche Dogemen zu verteidigen, sondern auch Dogmen zu definieren, aufzustellen und damit für Allegemeingültig zu erklären.
Damit hatte die Kirche großen Einfluss auf die Sozialisation der Gesellschaft, und somit ist die Hexenverfolgung auch ein kirchlichen Phänomän.

Als Kirchenmitglied konnte man zwar dagegen sein, hatte aber in der Gesamtheit nur eine individuelle, und damit geringe Bedeutung.

Gruß
Cassandra
 
Cassandra schrieb:
Dabei sollte man aber den Individulisten nicht mit der Institution verwechseln.
Die Inquisition wurde nicht nur gegründet um christliche Dogmen zu verteidigen, sondern auch Dogmen zu definieren, aufzustellen und damit für allgemeingültig zu erklären.
Damit hatte die Kirche großen Einfluss auf die Sozialisation der Gesellschaft, und somit ist die Hexenverfolgung auch ein kirchlichen Phänomän.

Als Kirchenmitglied konnte man zwar dagegen sein, hatte aber in der Gesamtheit nur eine individuelle, und damit geringe Bedeutung.

Gruß
Cassandra

das kann ich ohne Bedenken mit unterschreiben.


@Kalle, so ist es, nicht die Religion/en sind schlecht, sondern allein der Mensch ist für die Definition, Auslegung und für seine daraus resultierenden Taten verantwortlich.
 
Ohne mich jetzt groß in die Diskussion einklinken zu wollen fand ich den Beitrag Samsons über das oberflächliche Christentum im 16. Jahrhundert und die noch vorhandenen und dem Christentum gegensätzlichen abergläubischen Handlungen weiter Teile der Bevölkerung nicht schlecht.

Vielleicht kann man trotz aller persönlichen Animositäten diesen Beitrag ja wieder reinstellen. Fachlich war der top! :weinen:
 
Irene schrieb:
@ Timo, weder die Franzosen während und nach der Revolution haben von sich behauptet, die Träger des Christentums zu sein und in Jesus Namen zu handeln, das gilt auch für alle anderen weltlichen Herrscher oder Regierungen. Sie haben kein Hehl daraus gemacht, worum es ihnen geht.

Da begehst du jetzt einen Denkfehler. Timo hat nicht behauptet, dass die französischen Revolutionäre Träger des Christentums sein wollten. Sie standen ein für die Ideale der Revolutin, ihre Bibel war der Gesellschaftsvertrag, für dessen Durchsetzung in den 1790er Jahren Gräueltaten begangen wurden.

Weiter möchte ich noch auf wichtiges etwas erinnern, das Timo gesagt hat: Man darf mit heutigen moralischen Vorstellungen nicht an die Vergangenheit herangehen und einfach so hoppladihopp ein paar Werturteile fällen!
 
Lukrezia Borgia schrieb:
Da begehst du jetzt einen Denkfehler. Timo hat nicht behauptet, dass die französischen Revolutionäre Träger des Christentums sein wollten. Sie standen ein für die Ideale der Revolutin, ihre Bibel war der Gesellschaftsvertrag, für dessen Durchsetzung in den 1790er Jahren Gräueltaten begangen wurden.

Weiter möchte ich noch auf wichtiges etwas erinnern, das Timo gesagt hat: Man darf mit heutigen moralischen Vorstellungen nicht an die Vergangenheit herangehen und einfach so hoppladihopp ein paar Werturteile fällen!


Dann habe ich mich mißverständlich ausgedrückt. Ich wollte lediglich Timo darauf aufmerksam machen, dass man die franz. Revolutionäre und auch die weltlichen Herrscher - sei es Okzident oder Orient - mit den Trägern des Christentums und auch nicht ihre Taten miteinander in Vergleich setzen kann.
Und du schreibst es ja auch, ihre Ideale waren ganz andere.

Was die Moral anbelangt, sehe ich keine zeitlichen Verschiebungen. Erst die Bibel gab den heidnischen Menschen eine neue Sichtweise und ein neues Moralverständnis. Diese hat sich bis heute in den Grundpfosten nicht verändert. Auch im Mittelalter gab es Menschen, die sich streng an die moralischen Vorgaben der Bibel hielten. Die 10 Gebote waren ein Baustein zur Zivilisierung der menschlichen Gesellschaft. Und für die Armen und Ärmsten, die Machtlosen der damaligen Zeit wurden sehr wohl den unseren gleiche und strenge Maßstäbe angelegt. Cassandra hat es oben sehr gut ausgedrückt. Erst durch die Inquisition kam es zu neuen Definitionen und Festschreibungen, auf deren Grundlage die Massen mobilisiert werden konnten. Die einfachen Menschen aber waren gefangen in der Vorstellung, dass die Bibel verbindlich sei und die Kirche als Nachfolger Jesus Christus befugt ist, diese allein zu interpretieren und Regeln und Forderungen aufzustellen.
 
Irene schrieb:
Und mir fällt im Augenblick keine Institution ein, die auf eine derartige Vergangenheit zurückblicken muss. Aber der eine sieht es als einige Klieschess und ein anderer betrachtet es von der Seite der Menschen und der Jahrhunderte

Keine Institution, die auf eine derartige Vergangenheit zurückblicken muss? Wie wäre es denn ganz einfach mit dem Staat? Vielleicht auch dem Justizwesen? Nur weil die Kirche den Anspruch hegt, eine seit Jahrhunderten ungebrochene Tradition zu pflegen, stimmt das nicht unbedingt. Bei Staaten sind für jeden die Brüche offensichtlich, weil das neue System Legitimität aus der Abgrenzung zum als negativ wahrgenommenen Vorgänger zieht. Bei der Kirche ist das etwas anders, aber solche Dinge wie das erste und das zweite Vatikanum oder auch - um etwas weiter zurückzugehen - das Tridentinum sind Ereignisse, die die Kirche umgekrempelt haben. Die Kirche vor dem zweiten Vatikanum etwa ist doch etwas ziemlich anderes als die Kirche danach. Und nicht nur die Kirche hat ein Grundgerüst an Dogmen, Fundamentalgesetzen, verpflichtenden Ideen o.ä., die sie über die Zeit mit sich trägt und an denen sie festhält - das hat der Staat nämlich mit Friedenssicherung, Ordnungsstiftung, Herrschaftslegitimation u.a. durchaus auch. Würdest du deshalb auf die Idee kommen, den Staat zu kritisieren, weil um 1600 beispielsweise in Mecklenburg Hexen verbrannt wurden? Wohl eher nein, aber die Kirche scheint wegen so etwas durchaus Ziel der Kritik zu werden.

Und ja, ich sehe es durchaus als Klischee an, wenn in puncto Vergangenheit der Kirche das Bild einer skrupellosen machtgierigen Institution gezeichnet wird, die die Gedanken aller Menschen kontrollierte, Abweichler sofort grausamst hinrichtete, sich bisweilen in einen kriegerischen Blutrausch hineinsteigerte und überhaupt alles tat, nur nicht dem Wohl der Menschen zu dienen. Davon ist nämlich wirklich nichts wahr bzw. die Wahrheit ist deutlich komplexer. Und wenn dann mal eben übersehen wird, was für umfassenden kulturelle und soziale Leistungen mit der Kirche verbunden sind (Kassia hat die Caritas erwähnt, ich möchte als einziges Beispiel, gerade vor dem Kontext der hier mal wieder verfemten Kreuzzüge, die hochmittelalterliche Gottesfriedensbewegung (Treuga Dei) nennen), dann wird das Bild der Kirche in der Geschichte bis zur Unkenntlichkeit verzerrt.


Irene schrieb:
Caritas ist kein so gutes Beispiel, Caritas wird von denen, die es in Anspruch nehmen bezahlt, mit der Geschichte kirchlicher Waisenhäuser beschäftigen wir uns in diesem Thema nicht, da gibt es auch sehr umfangreiche Dokumente. Alle anderen kirchlichen Einrichtungen dieser Art - Krankenhäuser, Pflegeheime stehen zwar voll unter kirchlicher Regie und sind auch deren Eigentum, aber 80 % aller Kosten werden vom Steuerzahler bezahlt.
Auch in anderen Religionen ist die Hilfe für Kranke, Arme und Schwache den Gläubigen zur Pflicht gemacht.

Ich denke, Kassia hat nicht die Caritas im Sinne der modernen kirchlichen Hilfsorganisation, den Caritasverband, gemeint, sondern die Idee der Caritas, der tätigen Nächstenliebe. Und diese Idee ist dem Christentum tatsächlich, im Vergleich zu vielen heidnischen Religionen, ganz zentral zu eigen. Vielleicht lohnt an dieser Stelle der Hinweis, dass alles, was wir heute als Sozialfürsorge bezeichnen, in der Vormoderne von der Kirche übernommen wurde.


Cassandra schrieb:
Dabei sollte man aber den Individulisten nicht mit der Institution verwechseln.
Die Inquisition wurde nicht nur gegründet um christliche Dogemen zu verteidigen, sondern auch Dogmen zu definieren, aufzustellen und damit für Allegemeingültig zu erklären.
Damit hatte die Kirche großen Einfluss auf die Sozialisation der Gesellschaft, und somit ist die Hexenverfolgung auch ein kirchlichen Phänomän.

Als Kirchenmitglied konnte man zwar dagegen sein, hatte aber in der Gesamtheit nur eine individuelle, und damit geringe Bedeutung.

Hexenverfolgung war kein kirchliches Dogma! Vielmehr fanden dort, wo die Inquisition eine nennenswerte Rolle spielte, nämlich in Spanien und Italien, kaum Verfolgungswellen statt. Wie oben bereits gesagt spielte die Kirche durchaus ihre Rolle bei der Konstruktion der fatalen Vorstellung einer Hexenverschwörung als teuflischer Sekte und diese Ideen hatten maßgeblichen Anteil an den späteren Verfolgungen, aber die Entwicklung dieser Ideen war ein Wechselspiel verschiedenster gesellschaftlicher Akteure, die sich gegenseitig beeinflussten und befruchteten. Aber das Konzept der Hexe als teuflischer Verschwörerin war nur eines in dem breiten Angebot von Weltdeutung, das die Kirche ihren Gläubigen zur Verfügung stellte. Eine dogmatische Verpflichtung zur Hexenverfolgung gab es nicht. Das soll aber keinesfalls negieren, dass verbreitete kirchliche Meinung nicht auch ohne Dogma Einfluss auf die Gesellschaft ausübte, aber hier hing es letztlich wirklich am Individuum, welchem klerikalen Einfluss der Gläubige ausgesetzt war, eher skeptisch-zurückhaltendem oder eher rigoros-eiferndem.


Die Inquisition wurde nicht nur gegründet um christliche Dogemen zu verteidigen, sondern auch Dogmen zu definieren, aufzustellen und damit für Allegemeingültig zu erklären.

Erst durch die Inquisition kam es zu neuen Definitionen und Festschreibungen, auf deren Grundlage die Massen mobilisiert werden konnten.

Das stimmt so nicht. Die Inquisition war ausführendes Organ, hatte exekutive bzw. judikative Funktionen wahrzunehmen. Sie definierte und dogmatisierte nichts. Allerhöchstens schrieb sie bestimmte Verfahrensnormen ihrer Arbeit fest. Für Festlegungen in puncto Glaubenslehre waren andere kirchliche Institutionen zuständig. Und dass die Inquisition die Massen mobilisieren konnte, bezweifele ich auch.
 
Zuletzt bearbeitet:
Herold hat ganz richtig erfaßt, daß ich nicht von der modernen Caritas sprach, sondern von der Armenfürsorge vergangener Zeiten.

Bezüglich der Dogmen scheint die Ansicht vorzuherrschen, der Papst würde würfeln, oder sich mit seinen Kardinälen was Hübsches ausdenken, wenn ihm langweilig ist?! Dem ist nicht so. Dogmen sind keine Lehrmeinung der Kirche, sie sichern die Theologie Christi, sind insofern eine Vergegenwärtigung des Christusmysteriums. Sie verkünden Offenbarungswahrheiten des alten und neuen Bundes, sie interpretieren die Schrift und werden durch diese interpretiert. Da sie aber Äußerungen von Menschen sind, sind sie auch menschlichen Unzulänglichkeiten unterworfen, deshalb müssen sie immer wieder neu interpretiert werden.
Dogmen sind nicht nur Aussagen über das Heil sondern auch Vergegenwärtigung des Heils, eine Antizipation der eschatologischen Vollendung.
Im MA allerdings fehlte die formelle Verkündigung durch das Lehramt und es gab keine "Glaubenssätze", für Thomas (von Aquin) gehörten drei Momente zum Dogma: 1) unmittelbar und formell geoffenbarte Offenbarungswahrheiten, 2) nur solche Offenbarungswahrheiten, die für den Glauben und das Leben fundamental sind, 3) Zugehörigkeit zum Symbolum (Glaubensbek.). Damit ist der Begriff des Dogmas sehr viel enger als der des Katholischen Glaubens allgemein.
Der moderne Dogmenbegriff hat sich aber erst danach langsam herausgebildet. Er setzte sich erst im 18. und 19. Jh. allgemein durch. Insofern kann man nicht den modernen Dogmenbegriff und erst recht nicht die allgemein-verzerrte Vorstellung davon auf das MA (wg. Inquisition) und die frühe Neuzeit (hexenverf.) beziehen. Auf diese Epochen beziehe ich mich hier aber nach wie vor.
 
Kassia schrieb:
Herold hat ganz richtig erfaßt, daß ich nicht von der modernen Caritas sprach, sondern von der Armenfürsorge vergangener Zeiten.

Bezüglich der Dogmen scheint die Ansicht vorzuherrschen, der Papst würde würfeln, oder sich mit seinen Kardinälen was Hübsches ausdenken, wenn ihm langweilig ist?! Dem ist nicht so. Dogmen sind keine Lehrmeinung der Kirche, sie sichern die Theologie Christi, sind insofern eine Vergegenwärtigung des Christusmysteriums. Sie verkünden Offenbarungswahrheiten des alten und neuen Bundes, sie interpretieren die Schrift und werden durch diese interpretiert. Da sie aber Äußerungen von Menschen sind, sind sie auch menschlichen Unzulänglichkeiten unterworfen, deshalb müssen sie immer wieder neu interpretiert werden.
Dogmen sind nicht nur Aussagen über das Heil sondern auch Vergegenwärtigung des Heils, eine Antizipation der eschatologischen Vollendung.
Im MA allerdings fehlte die formelle Verkündigung durch das Lehramt und es gab keine "Glaubenssätze", für Thomas (von Aquin) gehörten drei Momente zum Dogma: 1) unmittelbar und formell geoffenbarte Offenbarungswahrheiten, 2) nur solche Offenbarungswahrheiten, die für den Glauben und das Leben fundamental sind, 3) Zugehörigkeit zum Symbolum (Glaubensbek.). Damit ist der Begriff des Dogmas sehr viel enger als der des Katholischen Glaubens allgemein.
Der moderne Dogmenbegriff hat sich aber erst danach langsam herausgebildet. Er setzte sich erst im 18. und 19. Jh. allgemein durch. Insofern kann man nicht den modernen Dogmenbegriff und erst recht nicht die allgemein-verzerrte Vorstellung davon auf das MA (wg. Inquisition) und die frühe Neuzeit (hexenverf.) beziehen. Auf diese Epochen beziehe ich mich hier aber nach wie vor.

Das sind jetzt spezielle Ausführungen zum Glauben. Hexenprozesse/Inquisition werden aber nicht nur von Gläubigen betrachtet und bewertet. Dogmen der römisch-katholischen Kirche können auch nur von Mitgliedern dieser Konfession verstanden und akzeptiert werden. Und sind auch nur für diese Mitglieder verbindlich.
 
Herold schrieb:
Hexenverfolgung war kein kirchliches Dogma!

Hat ja auch niemand behauptet! Unter Dogmen verstand ich bspw. die Lehren/Theologie des Thomas von Aquin, und Augustinus von Hippo

Ich zitiere mich selber:
Nicht nur das es einfach war, Schuld einem Sündenbock in die Schuhe zu schieben, die Angst "verhext" zu werden, war real. Wer an Gott glaubte, glaubte auch am Teufel und damit an den Teufelspakt. Und diese Lehre ging nun mal von den Kirchen aus. Oder liege ich hier falsch?
Ich sehe es gleich einer Massenhysterie

Thomas von Aquin (1225-1274), bedeutendster und einflussreicher Philosoph und Theologe des Mittelalters, bestätigte die Existenz von Hexen und erklärte, daß es die Magie gebe und daß sie nicht das Werk der Hexen, sondern des Teufels sei. Später folgten wissenschaftliche Begründungen für den Hexen- und Dämonenglauben.

Wie oben bereits gesagt spielte die Kirche durchaus ihre Rolle bei der Konstruktion der fatalen Vorstellung einer Hexenverschwörung als teuflischer Sekte und diese Ideen hatten maßgeblichen Anteil an den späteren Verfolgungen, aber die Entwicklung dieser Ideen war ein Wechselspiel verschiedenster gesellschaftlicher Akteure, die sich gegenseitig beeinflussten und befruchteten. Aber das Konzept der Hexe als teuflischer Verschwörerin war nur eines in dem breiten Angebot von Weltdeutung, das die Kirche ihren Gläubigen zur Verfügung stellte. Eine dogmatische Verpflichtung zur Hexenverfolgung gab es nicht. Das soll aber keinesfalls negieren, dass verbreitete kirchliche Meinung nicht auch ohne Dogma Einfluss auf die Gesellschaft ausübte, aber hier hing es letztlich wirklich am Individuum, welchem klerikalen Einfluss der Gläubige ausgesetzt war, eher skeptisch-zurückhaltendem oder eher rigoros-eiferndem.

Darin sind wir uns fast einig.
Nur hing es bei der Hexenverfolgung nicht an Individien, sondern an der kollektiven Angst (Massenhysterie). Wie ich oben schon schrieb, die Angst "verhext" zu werden war real.

Das stimmt so nicht. Die Inquisition war ausführendes Organ, hatte exekutive bzw. judikative Funktionen wahrzunehmen. Sie definierte und dogmatisierte nichts.

Das stimmt so nicht: Die Inquisition unterlag einem theoretischen Grundstein, sie bezogen sich auf Schriften von Augustinus von Hippo und Thomas von Aquin. Kirchenlehrer die definiert und Dogmen aufgestellt haben.

Gruß
Cassandra
 
Irene schrieb:
Das sind jetzt spezielle Ausführungen zum Glauben. Hexenprozesse/Inquisition werden aber nicht nur von Gläubigen betrachtet und bewertet. Dogmen der römisch-katholischen Kirche können auch nur von Mitgliedern dieser Konfession verstanden und akzeptiert werden. Und sind auch nur für diese Mitglieder verbindlich.

Stimmt. War auch nur als Hintergrundinformation gedacht, um nicht eines mit dem anderen zu vermischen und dem Bedienen weiterer Klischees Einhalt zu gebieten.
Umsomehr sieht man doch, daß es gar nicht primär um Dogmen ging, bzw. selbige nur am Rande mit den strittigen Phänomenen zutun haben. Insofern können wir das Thema "Dogmen" wohl getrost wieder in die Schublade packen.
 
Cassandra schrieb:
Nur hing es bei der Hexenverfolgung nicht an Individien, sondern an der kollektiven Angst (Massenhysterie). Wie ich oben schon schrieb, die Angst "verhext" zu werden war real.

Richtig, die Angst, verhext zu werden, war für die Zeitgenossen tatsächlich real. Das war sie praktisch zu allen Zeiten der Vormoderne, nicht nur zur Zeit der großen Verfolgungswellen. Der Unterschied zwischen Hexerei um 1000 und Hexerei um 1500 lag allerdings darin, dass im Hochmittelalter Magie ein normales Phänomen zur Bewältigung alltäglicher Probleme darstellte (Heilzauber, Schadenszauber), deren Wirkung von jedermann genutzt oder abgewehrt werden konnte (auch die Kirche bot quasi-magische Abwehrhandlungen an wie etwa das Wetterläuten oder Flurprozessionen) und deren Praxis von der Kirche lediglich relativ milde mit Bußstrafen geahndet wurde, während Hexerei in der frühen Neuzeit unmittelbar mit dem Teufelspakt verbunden war, jegliche Ausübung von Magie kirchlicherseits also als schwerstes Verbrechen einzustufen war. Somit konnte natürlich erst mit der Magievorstellung der Frühneuzeit eine bedrohliche Gefährdungskulisse entstehen, die über den lokalen Raum hinausreichte. Gegenüber dem Begriff der Massenhysterie bin ich allerdings angesichts verfolgsarmer Gegenden oder Zeiten geringer Verfolgungspraxis (auch im 16./17. Jhd.) eher skeptisch.


Cassandra schrieb:
Das stimmt so nicht: Die Inquisition unterlag einem theoretischen Grundstein, sie bezogen sich auf Schriften von Augustinus von Hippo und Thomas von Aquin. Kirchenlehrer die definiert und Dogmen aufgestellt haben.

Selbstverständlich unterlag die Inquisition kirchlicher Lehrmeinung, aber sie hat niemals, wie oben behauptet, selber Dogmen aufgestellt, definiert oder für allgemein gültig erklärt. Weder war das ihre Aufgabe, noch konnte sie so etwas. Ansonsten schließe ich mich hier Kassia an, die (sicherlich hoch interessante) Problematik "Dogmen" berührt das Thema "Hexenverfolgung" nur am Rande, so dass wir dieses auch meiner Meinung nach getrost auslaufen lassen können.


Robert_Lee schrieb:
Es gibt Beispiele, daß ehrbare Nonnen als Hexen verbrannt wurden, weil sie zu oft beteten.

Hast du auch ein paar Belege für uns?
 
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