Hunnen und die kimbrische Halbinsel

Wird er schon, wenn er von anderen aufgrund seines gesellschaftlichen Ansehens reich beschenkt wird. Schon die Vorstellung, jede Gesellschaft koenne nur aufgebaut sein wie die der europaeischen Raffkes ist eine gefaehrliche eurozentristische Projektion.
Erstens: Hast Du eigentlich irgendwelche Belege für Deine "beschenkt"-Theorie oder ist das Deine eigene Vermutung?
Zweitens: Worauf gründete sich in den verschiedenen Kulturen denn normalerweise "gesellschaftliches Ansehen"? In der Regel doch entweder auf Reichtum (wobei Reichtum in Form von Landbesitz meist angesehener war als durch Handel erworbener Reichtum) oder auf eine "vornehme Geburt", also die Zugehörigkeit zu einer bestimmten, in der Gesellschaftsordnung hochgestellten Klasse. Ob man diese Klasse nun als Adel bezeichnen mag, ist dann eher eine Geschmacksfrage.

Der Begriff Oberherrschaft legt eine Hierarchie wie in spaeteren Epochen nahe. Ebenso die Vermutung einer straffen Organisation. Und Deine Ausfuehrung bestaetigt, dass gebildete Roemer sich eine Kontrolle des Kaisers durch Beigeordnete wuenschten, aber unter einem Kaiser oder Koenig sich einen Alleinherrscher in den Zeiten des Friedens und des Krieges vorzustellen gewohnt waren. Da andererseits die Regierungsform der Barbaren nicht fortschrittlicher als die Roms sein konnte, indem die germanischen Herrscher sich die Macht mit den Thingversammlungen ihrer nichtverschuldeten und nicht versklavten freien Krieger in der Regel teilen mussten, musste dieser Aspekt der Herrschaft in den gotischen Gauen geradezu unterschlagen werden, um die Vorstellung roemischer Ueberlegenheit zu retten.
Hmm, was? Dir ist schon klar, dass unser gesamtes Wissen über die politische Ordnung bei den Germanenstämmen zu römischer Zeit von Autoren des römischen Reiches stammt? Es war immerhin Tacitus, der in seiner "Germania" in Kap. 11-12 über die Mitwirkung der Volksversammlungen bei den Germanen geschrieben hat. Die Römer unterschlugen die Mitwirkung der freien Männer an der Willensbildung also nicht, sondern nur durch sie wissen wir überhaupt, dass es sie in früher Zeit gab. Andernfalls wären wir auf spekulative Rückprojektionen der skandinavischen Verhältnisse späterer Jahrhunderte angewiesen.

Ich kann mich dieser Einschaetzung des Wahlkoenigtum nicht anschliessen. Die Tasache, dass das gesamte Mittelalter hindurch in Skandinavien und in Schleswig und Holstein die Koenige von ihrer Bestaetigung durch die Thingversammlungen abhaengig waren, macht es wenig wahrscheinlich, dass das Wahlkoenigtum in allen Reichen Germaniens zur Zeit der Voelkerwanderung bereits abgeschafft oder auf eine bedeutungslose Formalie reduziert war.
Das ändert aber nichts daran, dass auch in den skandinavischen Staaten meist über längere Zeit immer wieder Männer aus denselben Familien regierten, wobei häufig der Sohn auf den Vater folgte: In Dänemark regierten nach den Jellingern jahrhundertelang die Estriden und in Norwegen die Ynglinge. Lediglich in Schweden gab es mit der Stenkil-Dynastie, der Eriksdynastie, der Sverkerdynastie und den Folkungern häufigere Wechsel. Ob es in der Theorie eine freie Königswahl gab, weiß ich nicht, aber in der Praxis hatten die Thingversammlungen wohl nur ein Bestätigungsrecht bzw. entschieden bei Nachfolgekämpfen innerhalb der Dynastie. Kein Vergleich mit dem Wahlkönigtum im Deutschen Reich vom 13. bis 15. Jhdt., als tatsächlich ständig Männer aus verschiedenen Dynastien gewählt wurden!
Natürlich muss man mit Rückprojektionen vorsichtig sein. Über die Könige der germanischen Stämme, sofern sie überhaupt schon Könige hatten, der frühen Jahrhunderte n. Chr. wissen wir schlichtweg viel zu wenig. Genauere Kenntnisse haben wir großteils nur über die Könige von den Römern benachbarten Stämmen (vor allem den Quaden), und da hatten bei der Einsetzung von Königen oft die Römer ihre Hand im Spiel. Aber bei den Westgoten z. B. war es später so, dass zwar grundsätzlich ein Wahlkönigtum bestand, es aber in seiner Ausprägung immer wieder zwischen reiner Formalität und (mehr oder weniger) echtem Wahlrecht schwankte.
 
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