Bzgl. der Populationsgrößen sieht sich Mann seit seinen Arbeiten 1992/2005 durch die seitdem stark gewachsenen Erkenntnisse bestätigt, wie dem Vorwort seiner deutschen Ausgabe zu entnehmen ist. Da liegt er richtig, in der Forschung kann man inzwischen von einer ganz herrschenden Fachmeinung ausgehen, a.g.A. sind in den letzten Jahrzehnten irrelevant. Welche Eindruck die Mathematikerfreunde von der Fach-Literatur haben, weiß ich natürlich nicht. Oben hatte ich mal ergebnislos nach empirischen Grundlagen und verwendeten Modellen als Grundlage der Meinungen gefragt. Macht nichts, für den Forschungsstand ist das auch eher unwichtig. Dann stattdessen hier eine Liste einiger interessanter und auch differenzierter Fachmeinungen zur Sache (bemerkenswerte deutsche Darstellungen zu dieser (Forschungs-)Thematik auf den entsprechenden Plattformen kenne ich nicht): - einige wichtige und aktuelle Darstellungen sind auch digital verfügbar - Drake/Oxenham: Disease, climate and the peopling of the Americas Historical Biology, 2013, 565–597 Ramenofsky: Native American disease history: past, present and future directions, World Archaeology, 2010, 241-257 Becker: Health Consequences of Contact on Two Seventeenth-Century Native Groups from the Mid-Atlantic Region of Maryland, IJHA (2013) 713–730 Newson: Highland-Lowland contrasts in the impact of Old World diseases in early Colonial Ecuador, SocSciMed 1993, 1187-1195. Trawick Ward/Davies, The Impact of Old World diseases on the native inhabitants of the North Carolina Piedmont, Archaeology of Eastern North America, 1991, S. 171-181 Jones, Spatiotemporal Analysis of Old World Diseases in Nirth America 1519-1807, American Antiquity, 2014, pp. 487–506 Liebman et. al., Native American depopulation, reforestation, and fire regimes in the Southwest United States, 1492–1900 CE, PNAS 2016, E696-E704. Fallen/Fehren-Schmitz, Native Americans experienced a strong population bottleneck coincident with European contact, PNAS 2011, 20444-20448 Wolfe/Dunavan/Diamond, Origins of major human infectious diseases, Nature 2007, 279-283 Lindo et. al, Demographic and immune-based selection shifts before and after European contact inferred from 50 ancient and modern exomes from the Northwest Coast of North America, bioRxiv 2016, 1-16 Lindo et. al, A time transect of exomes from a Native American population before and after European contact, Nature Comms 7/2016, 13715 Carlos/Lewis, Smallpox and Native American mortality: The 1780s epidemic in the Hudson Bay region, ExplEcoHist 2012, 277-290 Offenbecker/Case, Health Consequences of European Contact in the Great Plains: A Comparison of Systemic Stress Levels in Pre- and Post-Contact Arikara Populations, IJoOsteo 2015, DOI: 10.1002/oa.2439 Mailer/Hale, Decolonizing the Diet: synthesizing Native-American history, immunology, and nutritional science, JoEH 2015/1/1.
Und aktuell angefügt: Bericht in der Nature: Collapse of Aztec society linked to catastrophic salmonella outbreak : Nature News & Comment Aufsatz aus der bioRxiv Vagene et. al.: Salmonella enterica genomes recovered from victims of a major 16th century epidemic in Mexico Salmonella enterica genomes recovered from victims of a major 16th century epidemic in Mexico | bioRxiv
Eine aktuelle Studie über die frühkolonialen Siedlungsfolgen für South Carolina: Influences of Native American land use on the Colonial Euro-American settlement of the South Carolina Piedmont Aus der Zusammenfassung ~ DeepL Wir demonstrieren empirisch greifbare historische Zusammenhänge zwischen der tausendjährigen prähistorischen Landnutzung der Ureinwohner Amerikas und dem euro-amerikanischen Siedlungsprozess für den Sumter National Forest im Süd-Carolina-Piedmont. Obwohl wir nicht behaupten können, dass die Vermächtnisse der Ureinwohner Amerikas die Wahl des Siedlungsstandortes der Euro-Amerikaner direkt verursacht haben, zeigten die ersten Euro-Amerikaner, die das Piedmont von South Carolina besiedelten, eine Vorliebe für langfristige und späte prähistorische Stätten der Ureinwohner Amerikas gegenüber Umweltmerkmalen wie topographische Lage, Neigung, Aspekt, Bodenfeuchte und Sonneneinstrahlung. Siedler wurden von weiten Überschwemmungsgebieten angezogen, die von Canebrakes (A. giganteana) dominiert wurden, die höchstwahrscheinlich ein Erbe der indianischen Landnutzungspraktiken waren. Wir gehen davon aus, dass die Euro-Amerikaner von den prähistorischen Stätten der Ureinwohner Amerikas angezogen wurden, weil sie Land enthielten, das leichter zu bereisen war, zweckmäßiger zu räumen und zu pflanzen war und weil sie produktiver waren. Wir führen diese Qualitäten auf lokalisierte ökologische Ingenieurstätigkeiten der Ureinwohner Amerikas zurück. Die Ureinwohner Amerikas haben nicht nur die ressourcenreichsten Gebiete besiedelt, sie haben sie auch an die landwirtschaftliche Nutzung angepasst; ein Prozess, der mehrere Generationen in Anspruch genommen hat. Die Euro-Amerikaner, die auf Mais und Rinder angewiesen waren, nutzten diese zuvor geschaffenen Rahmenbedingungen und konnten ihre Agrarwirtschaft schneller aufbauen.
Eine neue Studie in der Science untersucht einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Massensterben in Amerika in den Jahrzehnten nach Ankunft der Europäer ("Great Dying") und globalen Klimaveränderungen: Earth system impacts of the European arrival and Great Dying in the Americas after 1492 (freier download) Die Aussage ist weitreichend: "Berücksichtigt man die Rückkopplungen aus dem Kohlenstoffkreislauf und LUC außerhalb Amerikas, ergibt sich eine zusätzliche Aufnahme von 5 ppm CO2 in die Landoberfläche im Jahr 1500 im Vergleich zu den 1400er Jahren, 47-67% des atmosphärischen CO2-Rückgangs. Darüber hinaus zeigen wir, dass der globale Kohlenstoffhaushalt des 19. Jahrhunderts erst dann ausgeglichen werden kann, wenn die großflächige Vegetationsregeneration in Amerika einbezogen wird. Das große Sterben der indigenen Völker Amerikas führte in den zwei Jahrhunderten vor der industriellen Revolution zu einer menschengetriebenen globalen Auswirkung auf das Erdsystem." Ganz neu ist das nicht: "Kleine Eiszeit" durch Bevölkerungsschwund in Amerika?