Indien als Kolonie

Hosenbatz

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Was machte Indien als Kolonie im 19. Jahrhundert so wertvoll für England ? Bodenschätze wohl eher nicht, als landwirtschaftliches Exportprodukt kann ich mir dann nur Tee vorstellen. Indien hatte als Absatzmarkt und Prestigeobjekt wohl auch einen Wert, aber war das schon alles ?
 
Ein wertvolles Exportgut war, wie Apvar schon richtig bemerkt hat, Opium, das vor allem in Bengalen in großer Menge produziert wurde.

Es war vor allem dieses Produkt, mit dem die Briten im Chinahandel eine positive Handelsbilanz erzielen konnten. Bis Ende des 18. Jahrhunderts war viel Geld für Tee, Porzellan und Seide von Europa nach China abgeflossen. Das änderte sich aber recht bald, nachdem die East India Company in großem Stil in Indien Opium produzieren ließ. Die East India Company verschaffte sich ein Monopol im Opiumhandel. Die indischen Bauern durften ihr Opium nur an die Company zu deren festgesetzten Preisen verkaufen, und die East India Company überschwemmte regelrecht den chinesischen Markt mit Opium, das sie zu Dumpingpreisen erzeugen konnte.

Das hatte zur Folge, das sich in China die Opiumsucht so massiv verbreitete, das sie zu einem ernsten sozialen Problem wurde. Dazu muss man allerdings sagen, dass im 19. Jahrhundert das Bewusstsein der Suchtgefahr nur gering ausgeprägt war. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts verteilten die Jesuiten gratis Morphinpillen an Chinesen, um sie vom Beschaffungsdruck zu entlasten, die von den Chinesen "Jesusopium" genannt wurden. Als dann der Kaiser 20.000 Kisten Opium ins Meer werfen ließ, begannen die Briten den 1. Opiumkrieg.
 
Jute, ein wichtiger Rohstoff für u.a. Säcke, gibt es wohl nur in Indien und Bangladesh.
Das dürfte auch schon damals ein wichtiges Exportprodukt gewesen sein.

Gruss, muheijo
 
Jute, ein wichtiger Rohstoff für u.a. Säcke, gibt es wohl nur in Indien und Bangladesh.
Das dürfte auch schon damals ein wichtiges Exportprodukt gewesen sein.

Gruss, muheijo
Textilien insgesamt. Großbritannien überschwemmte damals den europäischen Markt mit Baumwolle. Marie Antoinette wurde ja auch deswegen angegangen, als ihr Porträt mit Chemise à la Reine ausgestellt wurde, weil Baumwolle als unpatriotisch galt (obwohl es eine bedeutende Baumwolldruckerei in Südfrankreich gab, aber wahrscheinlich spielte Baumwolle anders als Seide als Exportschlager Frankreichs nicht so die Rolle und die Musselins kamen aus Indien). Seide wurde damals auch schon in Indien produziert.
 
Der "Absatzmarkt" Indien (=Importe) reichte nie aus, die hohen Exportüberschüsse Indiens (nach Gb und sonstwo) auszugleichen. So blieb die Handelsbilanz von Großbritannien mit Indien über Jahrzehnte stets defizitär.

Einige Rohstoffe Indiens waren interessant, sind aber gleichfalls nicht der Hauptfaktor eines Erklärungsmodells der Bedeutung Indiens für das Empire.

Dieser lag vielmehr in der Wertschöpfung ggü. den aus Indien bezogenen Rohwaren, somit in Produktions- (Weiterverarbeitungs-) und Handelsspannen. Szsg. "Billigeinkauf" mit Weiterverarbeitung/Weiterhandeln.

Was daneben wenig beachtet wird, ist die Bedeutung der britischen Handelsflotte, Ausfluss des gesamten Empires (eben darunter mit erheblichen Transportvolumina auch Indien). Der jährliche britische Überschuss in der "Dienstleistungsbilanz", mit den wesentlichen Faktor Marine, war 1871/1914 nur unwesentlich kleiner als der deutsche Staatshaushalt (zuletzt etwa 300 Mio. GBP ~ 6 Mrd Mark).
 
Kennt sich vielleicht jemand mit der Geschichte der indischen Textilindustrie aus? Die war doch eigentlich bis Ende des 18. Jahrhunderts sehr gut entwickelt. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts war davon nicht mehr viel übrig und es dominierten Textilien den indischen Markt, die in Manchester oder Birmingham produziert oder veredelt wurden. Und was geschah mit teuren, hochwertigen indischen Produkten für einen gehobenen Markt, die auf dem Subkontinent hergestellt wurden?
 
Hier kommt wohl wieder die Navigations Act ins Spiel, mit der Großbritannien die Kolonien im Zaum hielt. Die Kolonien dürften nur mit dem Mutterland handel treiben, mit sonst niemandem. 1813 verlor laut Tante Wiki die HEIC ihre Privilegien, damit waren dann auch die Faktoreien nicht mehr so mächtig und konnten nicht mehr denn Daumen auf dem Baumwollmarkt halten. Zum anderen war in Manchester die Textilherstellung schon stark Industrialisiert. So das die Baumwollprodukte wie Garn und Gewebe in England günstig produziert wurden. Und mit den Produkten aus England wurde dann die Indische Textillherstellung in die Knie gezwungen. Kann mir vorstellen das auf den nun freien Feldern nun der Mohn angebaut wurde um das Handelsdefizit mit China auszugleichen. Und nach den Opiumkriegen kam der Tee nach Indien.
Baumwolle wurde im Süden der USA auch angebaut, unter Menschenunwürdigen Bedingungen. Stichwort Sklaverei.
 
Gewürze könnten im Handel des 19.Jh auch noch ein Rolle gespielt haben, wahrscheinlich aber eine weniger große als in den Jahrhunderten zuvor. Die ersten Kautschukplantagen außerhalb Südamerikas entstanden in Ceylon, heute Sri Lanka. Britisch-Indien dürfte zumindest ab dem frühen 20.Jh ebenfalls Kautschuk produziert haben.
 
Kennt sich vielleicht jemand mit der Geschichte der indischen Textilindustrie aus? Die war doch eigentlich bis Ende des 18. Jahrhunderts sehr gut entwickelt. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts war davon nicht mehr viel übrig und es dominierten Textilien den indischen Markt, die in Manchester oder Birmingham produziert oder veredelt wurden. Und was geschah mit teuren, hochwertigen indischen Produkten für einen gehobenen Markt, die auf dem Subkontinent hergestellt wurden?

Es gibt dazu eine wirtschaftshistorische Kontroverse, die reicht von der früher breit vertretenen "De-Industrialisierung" bis hin zur Relativierung der Auswirkungen. Dazu später mehr.

Hier für einige Jahrzehnte im britischen Jahrhundert die Struktur der indischen Exporte:
(Quelle: CambridgeEcHistoIndia.II)
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Und mit den Produkten aus England wurde dann die Indische Textillherstellung in die Knie gezwungen.

Das ist höchst umstritten und müsste erstmal am output belegt werden. Zudem überlagern sich hier, wenn man den Rückgang von "handmade" anführt, die Mechanisierungseffekte in Indien selbst plus die Ausdehnung der "mills" inkl. der durch sie in Indien erhöhten Beschäftigung.

Den größten "Knick" sieht man in 130 Jahren im Ersten Weltkrieg:

ZB Twomey, Employment in nineteenth century Indian textiles, in: EiEcHist 1983, S. 37ff.
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Vielen Dank für den Input! Da erkennt man schön den Stellenwert von Baumwolle.

Ich hatte mich gestern noch gefragt, warum die Abolitionisten nur Zucker nicht aber Baumwolle boykottierten, wo doch die Baumwolle auch vielmals aus Sklavenhalterbetrieben stammte. Der Grund ist wohl dann wirklich, dass die Baumwolle eben nicht ausschließlich auf Sklavenhaltung fußte.
 
Vielen Dank für den Input! Da erkennt man schön den Stellenwert von Baumwolle.

Ich hatte mich gestern noch gefragt, warum die Abolitionisten nur Zucker nicht aber Baumwolle boykottierten, wo doch die Baumwolle auch vielmals aus Sklavenhalterbetrieben stammte. Der Grund ist wohl dann wirklich, dass die Baumwolle eben nicht ausschließlich auf Sklavenhaltung fußte.

Vielleicht lag es aber auch einfach daran, dass die britischen Spinnereien auf Baumwolle aus Nordamerika angewiesen waren. Die Baumwolle aus Nordamerika war von höherer Qualität, als Erzeugnisse, die in Indien oder Ägypten produziert wurde. Sicher gab es in den Südstaaten auch kleinere Familienbetriebe, die von freien Arbeitskräften oder angemieteten schwarzen Sklaven produziert wurde, aber die überwiegende Mehrheit auf dem Markt wurde mit unfreien Arbeitskräften produziert.

Man könnte durchaus sagen, dass der Baumwollboom in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts die Abschaffung der Sklaverei um mehrere Jahrzehnte verzögerte. In der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung fällt auf, dass das Wort "Sklaverei" wie eine gefährliche Klippe gemieden wird. Manche Gründerväter wie Thomas Jefferson erkannten durchaus den Widerspruch der Unabhängigkeitserklärung mit der Institution der Sklaverei, und Jefferson hatte die Hoffnung, dass sie sich von selbst erledigen würde. Der große Tabakboom neigte sich Ende des 18. Jahrhunderts dem Ende zu. Die Böden in Virginia und Maryland waren durch Monokulturen erschöpft. Durch den Louisiana Purchase wurden dann aber Louisiana, Arkansas und Alabama Mitglieder der Union und durch die Erfindung der Cotton Gin durch einen Yankee namens Eli Whitney, eine Baumwollentkernungsmaschine konnte die Arbeitskraft eines Sklaven um das 50-Fache gesteigert werden. Damit begann der Siegeszug von "King Cotton", und die dadurch erzielten Gewinne wurden häufig in den Kauf von mehr Land und noch mehr Sklaven investiert. Die Konföderierten wussten, dass die Spinnereien in Manchester und Birmingham auf Baumwolle aus Nordamerika angewiesen waren und hegten die Hoffnung, dass GB sie im Bürgerkrieg unterstützen würde. Das hätte sich aber GB, der Vorreiter in der Abolitionsbewegung dann aber doch nicht leisten können, ohne seine Glaubwürdigkeit einzubüßen.
 
Der Austausch der Produzenten erfolgte rasch, mit dem notwendigen Startkapital:

The value of Indian cotton jumped fourfold during the first two years of the war. As a result, Indian cultivators began planting cotton on new land as well as on land once devoted to food crops. This unprecedented dedication to export agriculture paid off handsomely for them during the war years and decisively helped European cotton manufacturers secure some of the raw material they needed to keep their factories running:

whereas India had only contributed 16 percent of Britain's supply of raw cotton in 1860, and 1.1 percent of France's in 1857, it contributed 75 percent in 1862 in Britain and as much as 70 percent in France.

Some of this cotton had been diverted from domestic use and competing foreign markets (especially China), while the rest was the result of a 50 percent increase in production. Rural producers in western India in general and Berar in particular were most responsible for this increase in output. The explosive growth of Bombay can indeed be traced to the Civil War years, as Indian cotton left its old channels of trade into Bengal and moved toward the great European entrepot. European merchants and manufactur- ers complained aboul the poor quality of Indian cotton — it was less clean, of shorter staple, and required the adjustment of machines — but Indian cotton prevented the total collapse of the European cotton industries.


Sven Beckert, Emancipation and empire: Reconstructing in worldwide web of cotton production in the age of the American Civil War. AHR 2004, S. 1405ff.
 
In Indien gab es reichhaltige Salpetervorkommen.
Auf diese hatten die Briten im Gegensatz zu ihren kontinentalen Gegnern exklusiven Zugriff. Konsequenz waren hohe Menge und Güte des britisken Schießpulvers - ein unschätzbarer Vorteil insbesondere während der Auseinandersetzungen mit Frankreich. Dort musste Salpeter nach wie vor mühsam von Kellerwänden gekratzt oder aus Abbruchhalden gewonnen werden.
 
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