Indogermanen, Konstrukt oder Wirklichkeit?

Ich bin auf einen Artikel zu dem neuen Buch von dem hier schon häufiger erwähnten Haarmann aufmerksam geworden:

Indoeuropäer: Dies ist die Heimat der meisten Sprachen der Welt - DIE WELT

Ich habe Harald Haarmanns neues Buch über die Ursprünge der Indoeuropäer in den letzten Tagen gelesen. Er setzt dort linguistische Befunde mit archäologischen Erkenntnissen und neuesten humangenetischen und klimageschichtlichen Forschungen in Beziehung. Wirtschaftsweisen, Gesellschaftsformen und religiöse Vorstellunegen der frühen Sprecher indoeuropäischer Sprachen werden ausführlich dargelegt. Das Buch ist anschaulich geschrieben und gibt einen guten Überblick auch über die Entstehung der aktuellen indoeuropäischen Sprachen und Sprachzweige.

Klar ist, dass vieles davon hypothetisch bleiben muss, und manche Aussagen Haarmanns zur Verortung und Ausbreitung indoeuropäischer Sprachträger sind in der aktuellen Forschung durchaus umstritten. Das wird leider in der Darstellung nicht immer deutlich sichtbar.

Wer also keine Lust hat oder nicht in der Lage ist, sich durch englischsprachige Fachliteratur hindurchzuarbeiten, ist mit dieser Publikation gut bedient (368 S., Verlag C.H. Beck).
 
Sprachgeschichte: Sprechen Sie Nostratisch?

Diesen Artikel habe ich gerade entdeckt. Ich weiß nicht, ob über die Theorie bereits hier diskutiert worden ist. Da ich die Diskussion immer wieder mit Interesse verfolge, bin ich gespannt, was dazu gesagt wird. Da ich keine Expertenmeinung habe, ziehe ich mich wieder in die Position des stillen Mitlesers zurück. :)
 
Oben ist der Kontext der Yamnaja-Welle beschrieben, der die Verbindung zu der von Carolus verlinkten Studie aufweist.

Archäologisch nachgewiesen gibt es davor eine Welle etwa 4200/3900 bzw. 3800 BC, Migrationen aus der pontisch-kaspischen Steppe, die zeitlich für Donau-Balkan mit der Aufgabe zahlreicher Besiedlungen zusammenfällt. Der Rückgang der Besiedlung ist zunächst eine Frage gravierender klimatischer Veränderungen, da der Siedlungsrückgang bis nach Nord-Griechenland reicht (was von diesen Steppe-Kontakten nicht betroffen war). Andererseits dehnten sich die Tripolje-Bereiche auch - gegenläufig der Migrationsbeengungen! - nach Osten aus, zT unter erheblicher Ausdehnung der Siedlungsgrößen, und "überlebten" weitere - kleinere, flexiblere - Siedlungsbereiche des "Old-Europe" bis 3500 BC, ...

... so dass zusammenfassend aus diesen Faktoren zB Anthony, Bailey und andere die Meinung vertreten, dass klimatische Änderungen die primäre Ursache waren. Diese wurden von einer Umwälzung der Wirtschaft, kriegerischen Auseinandersetzungen wie auch "geplanten", organisierten und vollständigen Räumungen alter Siedlungen, und einer Migration besser angepasster, weil auf Herdenhaltung ausgerichteter "Steppenbewohner" begleitet.

Der Beitrag oben bezog sich nur auf die "Welle" des genannten Zeitraumes, unter Bezug auf den Yamnaja-Horizont.

Eine neue Studie schätzt nun den "männlichen Anteil" dieser Migration etwa um den Faktor 5 höher ein als beim frühen neolithischen "spread" der Landwirtschaft von Anatolien durch Europa (5:1 zu vermutlich 1:1):

Goldberg et. al., Familial migration of the Neolithic contrasts massive male migration during Bronze Age in Europe inferred from ancient X chromosomes
Familial migration of the Neolithic contrasts massive male migration during Bronze Age in Europe inferred from ancient X chromosomes | bioRxiv
 
Eine neue Studie schätzt nun den "männlichen Anteil" dieser Migration etwa um den Faktor 5 höher ein als beim frühen neolithischen "spread" der Landwirtschaft von Anatolien durch Europa (5:1 zu vermutlich 1:1):

Das stützt die Theorie von Gimbutas, Haarmann und anderen über eine kriegerische Unterwerfung der indigenen Kulturen (Alt-)Europas, denen ein ihnen fremdes maskulin-dominiertes und hochgradig hierarchisches System aufgezwungen wurde. Welchen anderen Sinn konnte der ca. 10 (bzw. 5-14) mal höhere Anteil von Männern gegenüber Frauen bei den ´einwandernden´ Gruppen haben als den, ihre polygamen Interessen in den eroberten Gebieten auf eine Weise ausleben zu können, die ihnen in den heimatlichen Steppen nicht möglich war?

Ein indoeuropäischer Chief verfügte in den Steppen über einen Harem von bis zu 10 Frauen, während die polygamen Gelüste niedriger Situierter schnell an statistische Grenzen stießen (bei einer 1zu1-Verteilung der Geschlechter kann nicht jeder Mann mehrere Frauen haben). Was lag daher näher, als in geographische Zonen zu expandieren, wo für die IE-Männer jede Menge indigener Frauen zur Verfügung standen? Also zogen sie - begleitet von gerade mal ca. 10 % IE-Frauen und bis an die Zähne bewaffnet - in diese Gebiete und nahmen sich, was sie begehrten, nämlich pro IE-Mann mehrere indigene Frauen, und zeugten Kinder mit ihnen. Das mag zunächst in Form von Überfällen und Kidnapping geschehen sein und später in der Folge einer militärischen Unterwerfung der indigenen Population.

Der wichtigste IE-Gott, Zeus, zeichnet sich bekanntlich durch seine Neigung zur Gewaltigung aus, was der mythologische Reflex einer historischen Realität sein dürfte. Bezeichnend ist das Verhalten von Zeus zu Hera, einer der wichtigsten indigenen Muttergöttinnen. Im Mythos wirbt Zeus um die schöne Göttin, wird aber zurückgewiesen, woraufhin er sich in einen Vogel verwandelt, den die gutherzige Hera aufnimmt. Da nimmt Zeus seine eigene Gestalt an und vergewaltigt Hera. Aus Scham ist sie bereit, ihn zu heiraten. Aus dieser Zwangsehe gehen drei Kinder hervor.
 
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Der wichtigste IE-Gott, Zeus, zeichnet sich bekanntlich durch seine Neigung zur Gewaltigung aus, was der mythologische Reflex einer historischen Realität sein dürfte. Bezeichnend ist das Verhalten von Zeus zu Hera, einer der wichtigsten indigenen Muttergöttinnen. Im Mythos wirbt Zeus um die schöne Göttin, wird aber zurückgewiesen, woraufhin er sich in einen Vogel verwandelt, den die gutherzige Hera aufnimmt. Da nimmt Zeus seine eigene Gestalt an und vergewaltigt Hera. Aus Scham ist sie bereit, ihn zu heiraten. Aus dieser Zwangsehe gehen drei Kinder hervor.
Dabei scheint es sich aber um einen erst spät entstandenen Mythos zu handeln und keineswegs um eine "Erinnerung" an die von Dir fingierten Ereignisse.
Bei Homer (Ilias 14, 294 ff.) ist nachzulesen, wie sich Zeus und Hera noch zu Zeiten ihrer Eltern heimlich trafen und erstmals miteinander schliefen - also allem Anschein nach höchst einvernehmlich.
Bei Hesiod (Theogonie 914) steht auch nichts davon, dass die Ehe mit einer Vergewaltigung begonnen hätte.
Den von Dir geschilderten Mythos finde ich erst in hellenistischer Zeit.
 
Der wichtigste IE-Gott, Zeus, zeichnet sich bekanntlich durch seine Neigung zur Gewaltigung aus, was der mythologische Reflex einer historischen Realität sein dürfte. Bezeichnend ist das Verhalten von Zeus zu Hera, einer der wichtigsten indigenen Muttergöttinnen.

Ob diese olympische Götterfamilie schon zur Zeit der frühen Indoeuropäer vorhanden war, ist zweifelhaft. Einigermaßén gesichert ist hier nur Zeus, der in nahezu allen indoeuropäischen Sprachen mit unterschiedlichen Schreibweisen auftaucht. Zeus war ursprünglich Himmels- und Lichtgott.

Welche Muttergöttinnen die Proto-Indoeuropäer verehrten, ist ungewiss. Göttinnen wie Demeter, Hera, Rhea, Nerthus, Jörd oder Brighid tauchen erst sehr viel später auf und sind teilweise vorderasiatischen Ursprungs.
 
Die männliche Haplogruppe R geht auf sibirische Sammler-Jäger-Kulturen vor ca. 25000 Jahren zurück und ist die Basis der heute häufigsten Haplogruppen in Europa (R1b in Westeuropa und R1a in Osteuropa). R1b hat in Westeuropa einen durchschnittlichen Anteil von 70 % und Höchstwerte von über 80 % u.a. in Irland, Schottland, Wales und Nordfrankreich. Die aktuell dominierende Auffassung ist, dass R1b nicht in Europa entstanden ist, sondern von außerhalb eingeführt wurde. Beispiele für durch die R1-Gruppen weitgehend ersetzte ur-europäische männliche Haplogruppen sind I1 sowie I2a und I2b. Die Frage ist also, durch wen und auf welche Weise die Ersetzung der indigenen Y-DNA-Linien stattgefunden hat.

Eine Studie von 2015 durch Haak et al. hat ergeben, dass R1b sowie R1a ab 3000 BCE aus dem Gebiet der pontisch-kaspischen Steppen nach Westeuropa verbreitet wurden. Vor dieser Zeit weist nur 1 von 70 westeuropäischen Individuen eine R1-Gruppe auf. Von den männlichen Proben aus der indoeuropäischen, in den kaukasischen Steppen heimischen Yamna-Kultur dagegen verfügen alle über R1b. Der Schluss auf eine Verteilung von R1b in Westeuropa durch Angehörige der kriegerischen Yamna-Kultur liegt also mehr als nahe.

Zur Ausbildung von R1 scheint es ursprünglich in Zentralasien gekommen zu sein, von wo aus sich die Untergruppe R1b nach Mesopotamien (wo möglicherweise R1b-Leute um ca. 8000 BCE die Viehzucht einführten) und dann nach Anatolien und von dort aus in die Kaukasus-Region verbreitete. Dort verteilen sich die R1-Gruppen auf die südliche Steppenkultur (vorwiegend R1b) und die nördliche Wald-Steppen-Kultur (vorwiegend R1a), beides Zweige der Yamna-Kultur.

R1b und R1a schwappten in unterschiedlichen Yamna-Wellen nach Westeuropa über.

Die erste Yamna-Welle brachte R1b um 4200 BCE in die Donau-Region und von dort aus in die Balkangebiete und nach Ungarn. Wahrscheinlich wurden die R1b-Krieger von einer Minderheit von R1a-Kriegern begleitet. Sie setzten der Glockenbecher-Kultur um 2200 BCE ein Ende und installierten die Unitece-Kultur (ab 2300 BCE), die Quelle der späteren germanischen, keltischen und italischen Kulturen.

R1a (die Haplogruppe der nördlichen Yamnas) erschien in Westeuropa erstmals ab ca. 3000 BCE und brachte durch die Ausbreitung der Schnurkeramik-Kultur (auf die nördliche Yamna-Kultur zurückgehend) R1a-Untergruppen nach Deutschland, in die Niederlande und nach Skandinavien.

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Da somit klar ist, dass die häufigsten männlichen Haplogruppen in Europa (R1b und R1a) auf die kriegerische Steppenkultur des prähistorischen Südrussland zurückgeht und dass gemäß dem im Thread aktuell diskutierten neuen Befund über die Geschlechter-Verteilung der maskulin-kriegerische Aspekt dieser Migration noch stärker betont werden sollte, als dies den Kritikern der ´Kurgan-Theorie´ lieb ist, will ich im folgenden hypothetisch darlegen, wie sich das vermutliche Hauptmotiv der Migration, der Wunsch nach uneingeschränkter Polygamie (bzw. Polygynie), in der Praxis ausgewirkt haben könnte:

Nach dem typisch indoeuropäischen Polygamie- bzw. Polygynie-Prinzip zeugten IE-Männer jeweils mit mehreren indigenen Frauen Kinder. Dass bronzezeitliche (wie später auch eisenzeitliche, antike usw.) Kriegerkulturen die Frauen eroberter Stämme oder Städte gewohnheitsmäßig als sexuelles Freiwild behandelten, das auch versklavt und verkauft werden durfte, sollte jedem User eines geschichtlichen Forums eigentlich klar sein. Man kann also mit Fug und Recht annehmen, dass IE-Männer unterworfene Frauen mit dem doppelten Zweck sexueller Befriedigung und der Erzeugung von Nachkommen systematisch in Besitz nahmen. Um ihre R1-Gene effektiv zu multiplizieren, bedurfte nur einer relativ geringen Zahl von IE-Männern. Eine hypothetische Rechnung zeigt, wie die Nachkommenschaft dieser Männer die Nachkommenschaft von indigenen Männern schnell um den Faktor 4 und mehr übertrifft:

100 IE-Männer erobern einen 1200-köpfigen indigenen Stamm. Unter den Überlebenden des Stammes sind 600 Frauen und 400 Männer, da die restlichen 200 Männer im Kampf gegen die übermächtigen Aggressoren ums Leben kamen. Das ist ein realistisches bronzezeitliches Szenario. In der Folge haben die Söhne der sozial deutlich höherstehenden IE-Männer eine schätzungsweise doppelte so hohe Aussicht, das Erwachsenenalter zu erreichen, wie die Söhne indigener Männer (mehr Wohlstand, deshalb bessere Ernährung). Legt man also zugrunde, dass IE-Männer (mindestens) doppelt so viele Söhne zeugten wie indigene Männer und dass diese Söhne die doppelte Überlebenswahrscheinlichkeit hatten, ergibt das pro Generation einen 4-fachen Zuwachs an erwachsenen IE-Nachkommen gegenüber erwachsenen indigenen Nachkommen. Im beschriebenen Szenario wären die indigenen Männer damit bereits nach zwei Generation genetisch übertrumpft und ihre Y-Gene nach weiteren Generationen statistisch an den Rand gedrängt. Auch wenn man die genannten Faktoren moderater ansetzt, ergibt sich nach einigen hundert Jahren ein klares statistisches Übergewicht der indoeuropäischen R1-Gene. Die weiblichen Gene (mtDNA) bleiben davon unberührt, weshalb europäische Frauen heute weit mehr westeuropäisch indigene mtDNA enthalten als indoeuropäische mtDNA.
 
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Hallo Chan, eigentlich nicht mein Gebiet, nur stieß ich beim Lesen über verschiedene Migrationsmodelle auch auf die "Vaskonische Hypothese" Theo Vennemanns, der einen genau umgekehrten Standpunkt zu deinem einnimmt: eher ist die rezente alteuropäische Bevölkerung Träger der Haplogruppe R1b (Y-DNA).
Für die alteuropäische Landnahme nach der letzten Eiszeit geht er von einem Ursprungsraum in Aquitanien aus - (südwesteuropäischer Raum des Magdalénien - um 12.000 v. Chr. einen Übergang zum Azilien?) - aus wikipedia zitiert:
Der Münchner Germanist und Erforscher der sprachlichen Vorgeschichte Europas Theo Vennemann schlägt vor, die Hypothese Hans Krahes (Alteuropäisch ist Indogermanisch) wegen zu großer logischer Schwierigkeiten zu verwerfen, und bietet eine Alternative an, die die oben genannten Kritikpunkte besser erklärt: Alteuropäisch ist Vaskonisch.
Die riesige Verbreitung des Alteuropäischen wird durch die initiale Landnahme einer Bevölkerung aus einem sprachlich einheitlichen und damit kleinen Gebiet erklärt. Diese Landnahme startete am Ende der letzten Eiszeit im Gebiet des heutigen Aquitaniens, wo eine europäische Restbevölkerung durch die klimatischen Verhältnisse der letzten Kaltzeit zusammengedrängt worden war. Beim Schmelzen der Gletscher befand sich diese Bevölkerung gewissermaßen für die Besiedlung in einer bevorzugten Position und war durch die noch lange Zeit vergletscherten Alpen gegen Zugriffe von Süden her abgeriegelt. Mit der Erwärmung haben sich die Bewohner dieses Refugialstandortes wieder über Europa ausgebreitet und ihre einheitliche Sprache in die besiedelbar werdenden Räume getragen. Als Erstbesiedler haben sie alle Landmarken - Berge, Seen, Flüsse, Täler, Ebenen usw. - initial mit Wortmaterial aus ihrer Sprache benannt. Europa hatte bis zur Ankunft der Indogermanen, also für einige tausend Jahre, eine einheitliche Sprache. Die Reste dieser Sprache sind unsere heutigen Toponyme, wie die Flussnamen....
Am Ende des Artikels in wikipedia folgen dann begleitend Ergebnisse genetischer Untersuchungen:
Die Haplogruppe R1b (Y-DNA) findet die größte Verbreitung in der rezenten Bevölkerung Westeuropas: Im Süden Englands bei etwa 70 %, im nördlichen und westlichen England, , Wales, Schattoland und Irlandbei über 90 %, in Spanien bei 70 %, in Frankreichbei 60 %, in Portugal sind bei über 50 %. und bei den Basken schließlich bei 88,1 % der untersuchten Bevölkerung. Letzterer Wert wird dahingehend interpretiert, dass schon die verschiedenen alteuropäischen Stämme, die vor der Ankunft der Kelten in Westeuropa lebten, Träger von R1b waren. Die europäischen Varianten deuten auf einen Gründereffekt hin. In Europa sind mehrere Ereignisse einer Genkonversion aufgetreten.
Zumindestens ist es naheliegend, wenn die Haplogruppe aus Steppengebieten mit einer indoeuropäischen Einwanderung gekommen wäre, eine genau umgekehrte Reihenfolge bzw. Verbreitung von Ost nach West (abnehmend) anzunehmen. Aber wie gesagt, nicht mein Fach,vielleicht hast du neuere Forschungsergebnisse, die die vaskonische Hypothese widerlegen.
ich habe die von dir als argumentative Begründung herangezogene Studie hier verlinkt, werde es auch noch lesen. http://www.nature.com/nature/journal/v522/n7555/full/nature14317.html

Unten eine Verbeitungskarte der Rb1-Haplogruppe in der rezenten, ansässigen Bevölkerung Westeuropas
 

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Hallo Chan, eigentlich nicht mein Gebiet, nur stieß ich beim Lesen über verschiedene Migrationsmodelle auch auf die "Vaskonische Hypothese" Theo Vennemanns, der einen genau umgekehrten Standpunkt zu deinem einnimmt: eher ist die rezente alteuropäische Bevölkerung Träger der Haplogruppe R1b (Y-DNA).
Für die alteuropäische Landnahme nach der letzten Eiszeit geht er von einem Ursprungsraum in Aquitanien aus - (südwesteuropäischer Raum des Magdalénien - um 12.000 v. Chr. einen Übergang zum Azilien?) - aus wikipedia zitiert:

Vennemann ist ja Sprachwissenschaftler, genauer Germanist, und kein Genetiker. Seine historiolinguistischen Hypothesen - gerade in Bezug auf seine baskologischen und semitistischen Überlegungen, wo ihm von der Fachwelt geradezu Ahnunglosigkeit bescheinigt wird - sind mindestens umstritten; unabhängig davon kann die Auffassung, dass die Haplogruppe R1 aus Spanien oder Südfrankreich käme, seit 2015 wohl als veraltet gelten. Zur waskonischen Hypothese: http://www.geschichtsforum.de/f22/pro-et-contra-der-waskonischen-hypothese-theo-vennemanns-36459/
 
Hallo Biturigos, ich weiß nicht, wo du die Karte her hast, aber sie scheint mir etwas undifferenziert und beschränkt sich auf Europa. Schau dir im Vergleich die Karte auf Wikipedia an. Allein aus der heutigen Verteilung von Haplogruppen auf Migrationen in weit zurückliegender Vergangenheit zu schließen, ist spekulativ. Daher ist die Untersuchung und Einbeziehung von aDNA (alter/ancient DNA), die man aus prähistorischen Skelettresten gewinnt, unerlässlich.

P.S. Die von dir verlinkte Studie gibt es hier und hier als PDF ohne Paywall.
 
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Ob diese olympische Götterfamilie schon zur Zeit der frühen Indoeuropäer vorhanden war, ist zweifelhaft. Einigermaßén gesichert ist hier nur Zeus, der in nahezu allen indoeuropäischen Sprachen mit unterschiedlichen Schreibweisen auftaucht. Zeus war ursprünglich Himmels- und Lichtgott.

Welche Muttergöttinnen die Proto-Indoeuropäer verehrten, ist ungewiss. Göttinnen wie Demeter, Hera, Rhea, Nerthus, Jörd oder Brighid tauchen erst sehr viel später auf und sind teilweise vorderasiatischen Ursprungs.

Ich will nur verdeutlichen, dass IE-Gott Zeus ein notorischer Vergewaltiger ist (von mindestens 6 Göttinnen) und auf diese Weise ein - wie ich schrieb - späterer "mythologischer Reflex" der (bronzezeitüblichen) Vergewaltigungspraxis der IE-Eroberer, denn dass ein Herrschergott weitgehend die Projektion der Eigenschaften eines Königs/Chieftains ist, dürfte ein kaum zu widerlegendes Feature der Genese theistischer Systeme sein. Die einschlägige Praxis des Kriegergottes Zeus reflektiert also die Praxis der IE-Kriegerschicht.

In diesem Fall spiegeln die Vergewaltigungsmytheme also historische Realitäten aus der archaischen Zeit wieder, als IE-Stämme die indigene Population in Griechenland unterwarfen und dabei - wovon man leider ausgehen muss - besagte Vergewaltigungspraxis ausübten, wahrscheinlich auch bei Priesterinnen der indigenen Muttergöttinkulte. Das sieht - wie ich nachträglich feststellte - der bekannte Mythenforscher Ranke-Graves ganz genauso (er war kein Profi, wird von Profis aber rezipiert und zitiert). Zeus´ Vergewaltigung der Hera ist ein düsteres Beispiel dafür. Hera geht auf eine archaische indigene Muttergöttin zurück, die ihre Söhne Hephaistos und Ares ursprünglich parthenogenetisch zur Welt bringt, also ohne sexuelle Kooperation eines männlichen Gottes. Das belegt die Entstehung dieser Göttin in einen matrilinearen Gesellschaft, wogegen die IE patrilinear organisiert waren. Erst in einer späteren Mythosversion wird Zeus zum Vater von Heras Kindern (= Vermischung des Zeus-Kultes mit dem Hera-Kult). Überhaupt ist der Hera-Kult in Griechenland älter als der Zeus-Kult.

Zum olympischen Kontext schreibt Harald Haarmann ("Auf den Spuren der Indoeuropäer"):

Der Hera-Tempel in Olympia (...) ist älter als der spätere Zeus-Tempel. Bevor die Männer die Olympischen Spiele usurpierten und Frauen ausgeschlossen blieben, wurden sportliche Wettkämpfe zu Ehren der Göttin Hera, veranstaltet, und in der Anfangszeit waren diejenigen, die in Olympia um die Wette liefen, junge Frauen.
Die sitzende Figur der Hera im Hera-Tempel von Olympia wurde durch die kriegerische Zeus-Figur erst nachträglich ergänzt. Schon dass Hera sitzend, also thronend gezeigt wird, und das ursprünglich ohne Gatten, lässt jeden Versuch, ihren Ursprung bei den IE zu sehen, scheitern, da die IE einen solchen Göttinnentyp unmöglich hätten ersinnen können.
 
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Ich will nur verdeutlichen, dass IE-Gott Zeus ein notorischer Vergewaltiger ist (von mindestens 6 Göttinnen)
Namen? Und in welchen möglichst alten Quellen steht, dass sie vergewaltigt wurden?

Zeus´ Vergewaltigung der Hera ist ein düsteres Beispiel dafür.
Hast Du Beitrag #613 eigentlich gelesen?

Hera geht auf eine archaische indigene Muttergöttin zurück, die ihre Söhne Hephaistos und Ares ursprünglich parthenogenetisch zur Welt bringt, also ohne sexuelle Kooperation eines männlichen Gottes. Das belegt die Entstehung dieser Göttin in einen matrilinearen Gesellschaft, wogegen die IE patrilinear organisiert waren. Erst in einer späteren Mythosversion wird Zeus zum Vater von Heras Kindern (= Vermischung des Zeus-Kultes mit dem Hera-Kult).
Welche Mythenversion? Bei Homer (Ilias) und Hesiod (Theogonie) ist Ares der Sohn von Zeus und Hera. Welchen älteren Beleg soll es geben, dass er ursprünglich keinen Vater hatte? Soweit ersichtlich, findet sich erst (und nur!) bei Ovid (in den Fasti) die Version, dass Mars keinen Vater habe. Es ist also genau anders herum als von Dir behauptet.

Überhaupt ist der Hera-Kult in Griechenland älter als der Zeus-Kult.
Welche Belege gibt es dafür?

Der Hera-Tempel in Olympia (...) ist älter als der spätere Zeus-Tempel. Bevor die Männer die Olympischen Spiele usurpierten und Frauen ausgeschlossen blieben, wurden sportliche Wettkämpfe zu Ehren der Göttin Hera, veranstaltet, und in der Anfangszeit waren diejenigen, die in Olympia um die Wette liefen, junge Frauen.
Welche Belege gibt es dafür? (Nicht dafür, dass es Spiele für Hera gab, an denen Frauen teilnahmen, sondern dafür, dass sie älter sind als die Spiele für Zeus.)

Die sitzende Figur der Hera im Hera-Tempel von Olympia wurde durch die kriegerische Zeus-Figur erst nachträglich ergänzt. Schon dass Hera sitzend, also thronend gezeigt wird, und das ursprünglich ohne Gatten, lässt jeden Versuch, ihren Ursprung bei den IE zu sehen, scheitern, da die IE einen solchen Göttinnentyp unmöglich hätten ersinnen können.
Warum nicht?
 
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