Inwiefern hat der Vertrag von Versailles die 14 Punkte Wilsons widergespiegelt?

Nein, nicht vor den Gefühlen, sondern vor den möglichen Folgen einer eben solchen Formulierung, insbesondere durch eine medienwirksame "Stimmungmache", wie du sie eben auch beschreibst.
Der VV war der ursprünglichen Konzeption der Siegermächte zufolge ein Kompromiss der Sieger. Deutschland sollte die durchaus harten Bedingungen des VV erfüllen, sich hierdurch bewähren und am Schluss dieses Prozesses in den Kreis der Großmächte wieder aufgenommen werden. Damit dieser Kompromiss zustande kommen konnte, musste Frankreich auf die Realisierung übermäßig harter Bedingungen verzichten. Dafür bekam es von den USA und von GB das Versprechen, dass diese Staaten mit Frankreich ein festes Bündnis eingehen. Mit diesem Bündnis sollte Frankreich psychologisch gestärkt werden, damit es sich aus einer Rolle der Stärke heraus, mit der allmählichen Wiedererstehung der deutschen Großmacht abfinden kann. Das Bündnis sollte aber zugleich Deutschland unmissverständlich signalisieren, dass eine Revision des Vertrages aufgrund der Einigkeit von USA, F und GB keinen Erfolg haben wird und dass sich Deutschland an diese Staaten annähern muss, wenn es Milderungen erreichen will. Der Versailler Vertrag hatte also eine sehr komplexe Entstehungsgeschichte. Dass diese Konzeption bereits 1919 scheiterte, als sich der US-Senat weigerte den VV und den Bündnisvertrag zu ratifizieren, steht auf einem anderen Blatt und war für die Beteiligten nicht vorhersehbar.

Wenn die Siegermächte jedoch bereits 1919 erkannt hätten, dass Deutschland einige Klauseln des „Kompromissvertrages“ zur Stimmungsmache ausnutzen werden, um hierdurch erfolgreich die Revision dieses Vertrages zu betreiben, hätten sich die Franzosen wohl mit ihrer Forderung nach (noch) härteren Friedensbedingungen durchgesetzt. Du schreibst von sprachlich klügeren Klauseln, deutlich härtere Klauseln wären ja auch möglich gewesen.
 
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