Ist die Verwendung des Begriffs "Russen" ein abwertendes Klischee?

Da das ein Laienforum ist, erwarte ich mit Sicherheit keinen wissenschaftlichen Disput. Aber ich erwarte schon, daß man nicht im Straßenjargon miteinander kommuniziert bzw., daß man bereit ist zu lernen und zu differenzieren.

Wie soll man denn deiner Meinung nach schreiben?
Immer schön brav sein und das schreiben, was die anderen gerne lesen möchten?
 
Die Polen nannte man noch Polen, obwohl auch zum Zarenreich gehörig, weil sie an Preußen grenzten und man sie noch kannte. Die anderen Völkerschaften waren zu weit weg und darum waren für das ungebildete Volk "alles Russen".
Und diese Ungebildetheit findet man noch heute, obwohl man es besser wissen könnte, wenn man denn wollte.

Das Land unter den Zaren hiess nun mal Russland. Dafür können die Abendland-Europäer herzlich wenig.
Mit der Gründung einer Sowjetunion hat man faktisch im Staatsnamen keine Möglichkeit geschaffen, diesen vielen Völkern eine gemeinsame Identität in einem gemeinsamen Staat zu geben (siehe als Beispiel Jugoslawien).
Übersetzt dir mal den Begriff Sowjet ins Deutsche. Räterunion würde ich platt übersetzen. Wahrscheinlich war es gewollt, dass man im Staatsnamen keine gemeinsame Identität schaffen wollte, weil der Kommunismus alle Grenzen in Kultur, Politik, Kunst und dem privaten Miteinander sprengen wollte. Andererseits gab es keine Gemeinsamkeiten zwischen Slawen, Kaukasiern und Mittelasiaten, dass man anders hätte diese "Union" (administrativ stand sie nur auf dem Papier) nennen können. Vielleicht hätte eine Namensbezeichnung auf die zwei Kontinente Europa und Asien bezogen dies lösen können.
 
Das Land unter den Zaren hiess nun mal Russland.

Nein, das Land hieß unter dem Zaren Russisches Reich, oder in anderen Ländern Russisches Imperium. Rußland war der Teil, wo die hauptsächlich Russen lebten, Polen war der Teil, wo hauptsächlich die Polen lebten, in Finnland die Finnen und der Ukraine die Ukrainer.
Und alle gehörten Sie wie andere Landstriche auch zum Russischen Reich.

Im Übrigen würde es mich jetzt stark wundern wenn du für die Zeit des 1. Weltkrieges und davor nun alle Einwohner von Österreich- Ungarn als Österrreicher- Ungarn benennen würdest. Da schaffst du die Unterscheidung in Österreicher, Tschechen, Slowaken, Kroaten und Slowenen doch auch!
 
Was daran liegt, dass jede einzelne Nationalität ihre Vertretung im Wiener Parlament hatte. Das zaristische Polen war teilautonom vom Zarenreich. Alles andere wurde subsumiert.
 
Nein, das Land hieß unter dem Zaren Russisches Reich, oder in anderen Ländern Russisches Imperium. Rußland war der Teil, wo die hauptsächlich Russen lebten, Polen war der Teil, wo hauptsächlich die Polen lebten, in Finnland die Finnen und der Ukraine die Ukrainer.
Und alle gehörten Sie wie andere Landstriche auch zum Russischen Reich.

Die Teile, die einmal Polen waren, hiessen unter den russischen Zaren Generalgouvernement Weichselland. Und das nicht, weil die Weichsel ein schöner Fluss sei, sondern um das Wort Polen auszulöschen und die Russifizierung dieser Gebiete zu forcieren.
Finnland war unter der zaristischen Zeit autonomes Großfürstentum.
http://oeg.geschichte.hu-berlin.de/site/lang__de/4918/default.aspx
 
Die Teile, die einmal Polen waren, hiessen unter den russischen Zaren Generalgouvernement Weichselland. Und das nicht, weil die Weichsel ein schöner Fluss sei, sondern um das Wort Polen auszulöschen und die Russifizierung dieser Gebiete zu forcieren.



Wieder etwas gelernt, ich dachte Generalgouvernement wäre eine deutsche Erfindung von 1939ff gewesen..
 
Wobei die Bedeutung des Begriffs Generalgouvernement in Rußland eine normale Verwaltungseinheit darstellt und im preußischen Beamtentum ein militärisch unterworfenes Gebiet bezeichnet, das noch nicht eingegliedert ist.

Auch fehlt mir in Bezug auf Polen und die wiederholt als negativ dargestellte vorgetragene Russifizierung die Erwähnung der Tatsache, daß die polnische Teilung durch Rußland, Österreich- Ungarn und Preußen erfolgte, die allesamt ihren ponischen Anteil eingliederten und den Provinzen andere Namen gaben.

Mit der Verallgmeinerung Russen hat die polnische Teilung aber überhaupt nichts zu tun.
 
Nein, das Land hieß unter dem Zaren Russisches Reich, oder in anderen Ländern Russisches Imperium. Rußland war der Teil, wo die hauptsächlich Russen lebten, Polen war der Teil, wo hauptsächlich die Polen lebten, in Finnland die Finnen und der Ukraine die Ukrainer.
Und alle gehörten Sie wie andere Landstriche auch zum Russischen Reich.

Wobei die Bedeutung des Begriffs Generalgouvernement in Rußland eine normale Verwaltungseinheit darstellt ...
Mit der Verallgmeinerung Russen hat die polnische Teilung aber überhaupt nichts zu tun.

Du hast es doch selbst hier reingeworfen. Dem habe ich widersprochen, dass der annektierte russische Teil Polens als polnisch (oder dergleichen) bezeichnet oder von Polen bewohnt sei.
 
Wo ist der Unterschied zu Preußen, Österreich- Ungarns Vorgehen in den polnischen Teilungen zu dem von Rußland?
Und was hat die polnische Teilung mit Vorurteilen gegenüber Rußlands zu tun?


El Quijote
Was daran liegt, dass jede einzelne Nationalität ihre Vertretung im Wiener Parlament hatte. Das zaristische Polen war teilautonom vom Zarenreich. Alles andere wurde subsumiert.


Ist das nicht ein bißchen zu akademisch? Ich meine, daß es Hans Müller aus Hinterbotschen, für den schon die Reise in die nächstgelegene Stadt eine kleine Weltreise darstellte, Parlamentsfragen nicht wirklich interessiert haben. Für ihn war die Nachricht vom Umfallen eines Baumes im Nachbardorf schon die Nachricht schlechthin, die vom tristen Alltag ablenkte.Und die Landbevölkerung stellte im 18./19. Jahrhundert die Masse der Bevökerung.
 
Das 19. Jahrhundert ist nicht mehr Mittelalter. Du hast Russland und Österreich-Ungarn vor dem ersten Weltkrieg miteinander verglichen.
Russland: kein Wahlrecht, bäuerlicher Staat, keine Nationalitätenvertretung, im Prinzip eine klassisch-absolutistische Macht.
Ö-U: Zensuswahlrecht (ähnlich dem preuß. Klassenwahlrecht, aber nicht identisch), infrastrukturell ausgebauter Staat mit Industrie, Schulpflicht, Nationalitätenvertretungen in Wien, konstitutionelle Monarchie.
 
Österreich-Ungarn wurde 1867 konstitionelle Monarche. Die Verwendung der Verallgemeinerung "Russen" wurde aber schon zu Napoleons Zeiten belegt.

Und auch im 19. Jahrhundert.... Frag mal die Groß- oder Urgroßeltern, wenn sie denn vom Dorfe kamen und noch leben, wie deren Jugend war. Da war nix mit groß aus dem Dorf rauskommen- es sei denn, daß man mal in den Ferien zu Verwandten reisen konnte.
Das andere aufgeführte: wie schon geschrieben akademisch richtig, aber für den Ottonormalbürger war Wien und Berlin so weit weg wie fast aus einem fremden Land.
 
Back to topic: Der Spruch: "Die Russen kommen" war sogar mal positiv belegt. Nämlich 1813. Blüchers Schlesische Armee, die Napoleon mächtig einheizte, hatte mehr "Russen" als ""Preußen" in ihren Reihen. Ich rede gar nicht von der ethnischen Zusammensetzung der Soldaten, sondern von der offiziellen Zugehörigkeit der Regimenter zum Zaren oder zu Friedrich Wilhelm.
 
Zuletzt bearbeitet:
Einmal ganz frisch aus dem Nähkästchen geplaudert:
Gestern mal wieder mit einer Bekannten in Rußland telefoniert. Das Ereignis des Tages war der Besuch einer 10. Klasse aus Seelow an ihrer Universität, wo Studenten für Deutsch/Englisch Lehramt Rede und Antwort stehen durften (mußten? ).
Das Fazit war, daß von der ganzen Klasse ersteinmal rund 1/3 der Schüler in Rußland ankam, obwohl die ganze Klasse an diesem Projekt teilnehmen sollte. Die anderen 2/3 fuhren in der großen Masse nicht aufgrund fehlender finanzieller Mittel, sondern sinngemäß aus Angst vor Gewalt während der Reise, "zur Mafia und Alkoholikern laß ich mein Kind doch nicht fahren" usw. usf. .
Interessante Einblicke in das verhaftete Denken boten dann auch die Fragen der 10. Klässler wie:
Stimmt das, das hier soviel getrunken wird? Wieviele Menschen werden hier jedes Jahr ermordet? Warum sind die Menschen hier nicht so dick wie in Deutschland?
Positiv war, daß die russischen Studenten schon Erfahrungen mit Deutschen und ihrer Sicht hatten und die Deutschen feststellten: Das sozialle Gefälle ist zwar wesentlich größer als in zu Hause und auch das Problem Armut allerorten ersichtlich, aber im Grunde genommen hat man doch dieselben Vorlieben für Musik, Lebenstil und Pizza.

Das 2. Beispiel: Vor einigen Tagen nach längerer Zeit mal wieder eine Bekannte getroffen (hab halt beruflich viel mit Frauen zu tun :D ) Nach kurzem wie gehts, wie stehts die Frage, wo ich zur Zeit in der Welt herumfahre. Ich antworte: Zur Zeit viel in Rußland. War da letztes Jahr allein fast 2 Monate. Sie darauf: Um Himmels willen. Und da fährst du allein hin? Da würde ich nie hinfahren, viel zu gefährlich... .
Typisches Vorurteilsdenken eben.

@Silesia: Schön, daß du auch hier mitliest. Ich möchte einmal vorwegnehmen, daß ich deine sachlich und fachlich fundierte Art sehr schätze. Muß sein, damit meine Frage, die ich dir jetzt stellen möchte, keinen negativen Zungenschlag bekommt, denn so ist sie nicht gemeint.
Zur Recherche über die MIG 15 stolperte ich unlängst über das Hamburger Abendblatt aus dem Jahre 1953. (eher nebensächlich- jetzt wirds hauptsächlich. ;))
Dort schrieb man den von Nationalisten geprägten und später von den Nationalsozialisten übernommenen Begriff "Sowjetrußland", wie es damals bei vielen Menschen im Denken und Bewußtsein noch verwurzelt war.
Soweit, sogut. Nun zur Frage:
Du als sehr gebildeter Mensch verwendest bei deinen Postings zum Thema WK2 auch die Bezeichnung "Russe". Wie du in deinem Posting oben angemerkt hast, können Verallgemeinerungen mal positiver Natur oder negativer sein. Aber warum gebrauchst auch du die alte Bezeichnung "Russe, welche für die Zeit der UDSSR oder auch Sowjetunion zweifelsfrei politisch gefärbt ist?
 
Dass Problem ist, dass sich die Sowjet-Union nicht als Nationalstaat im herkömmlichen Sinne verstand. Sie selbst verstand sich als ein internationales Gebilde, ein Vorposten der Weltrevolution. Bis 1944 war die "Internationale" Nationalhymne. [...]
Tatsächlich finden sich unter den führenden Bolschwisten in den 20er und 30er Jahren verhältismäßig viele Nichtrussen. Vor allem Juden und Kaukasier saßen an Schlüsselstellen. Daneben gab es auch Polen und Balten an führender Stelle, das ist umso verwunderlicher, wenn man bedenkt, dass Polen und das Baltikum außerhalb des damaligen, bolschewistischen Machtbereichs lagen. [...]

Die Revolution war eine Idee des Bürgertums. Keine Wunder das Letten, Juden, Polen überrepräsentiert waren.
 
Die Revolution war eine Idee des Bürgertums. Keine Wunder das Letten, Juden, Polen überrepräsentiert waren.

Sind alle Letten, Juden und Polen Bürgertum? :grübel:
Erfolgreiche Revolutionen werden immer von Personen oberhalb des 3. Standes geführt und abgeschlossen.
 
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