Ist Lateinamerika Teil des Westens?

Gegenkaiser

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Samual Huntington zählt Lateinamerika als eine eigenständige Zivilisation. Was spricht dafür und was dagegen?


Civilization identity will be increasingly important in the future, and the world will be shaped in large measure by the interactions among seven or eight major civilizations. These include Western, Confucian, Japanese, Islamic, Hindu, Slavic-Orthodox, Latin American and possibly African civilization. The most important conflicts of the future will occur along the cultural fault lines separating these civilizations from one another.

Quelle: [FONT=&quot]Samuel P. Huntington, The Clash of Civilizations?, Foreign Affairs, 72:3 [/FONT][FONT=&quot](1993 Summer) p.22[/FONT]
 
für eine eigenständige kultur spricht:

- die gemeinsame historische erfahrung als kolonie spaniens/portugals bzw. die selbstbefreiung daraus
- die ökonomische situation, keines der länder zählte zur "ersten welt"
- die gemeinsame religion, kein anderer "erdteil" ist so katholisch wie lateinamerika
- die indianischen wurzeln eines grossteils der bevölkerung

dagegen:

- die europäische herkunft der eliten und deren ausrichtung nach nordamerika und europa
- kein widerspruch zu oben: die katholische kirche, ist halt immer noch eine europäisch geprägte institution
- die uneinigkeit, die "natürliche" führungsmacht brasilien spricht portugiesisch, die spanisch-sprechenden länder sind untereinander nicht grün, oder mit mexiko zu weit vom eigentlichen zentrum dieses kulturkreises (ausserdem zu stark auf die usa ausgerichtet)
 
Das mit der Ersten Welt würde ich nicht so eng sehen. Nach dem HDI sieht man mehrere lateinamerikanische und karibische Staaten auf hohem Entwicklungsniveau.

Ich würde Lateinamerika - auch wenn man schwer eine Definition finden wird, die allen amerikanischen Staaten südlich der USA gerecht wird - in jedem Fall als geschlossenen Kulturraum betrachten. Ein großes Entwicklungshemmnis in der Vergangenheit war ja stets die Ausrichtung auf den Überseehandel aufgrund postkolonialer Strukturen und nachbarschaftlichen Feindseligkeiten. Diese Hindernisse bröckelt mit jedem Jahr: die inneramerikanischen Verflechtungen wachsen zunehmend.

Und mit den Verflechtungen steigt auch das Gefühl der Zusammengehörigkeit.

Das wird Huntingtons These aber nur scheinbar stützen, denn mit der Zusammengehörigkeit wächst auch die regional-politische Ausrichtung der Länder. So wie die Aussenpolitik der EU eher unbedeutend ist, werden auch gemeinsame globalpolitische Aspirationen der Lateinamerikaner lange unbedeutend sein. Ein gemeinsamer Kultur-, Sozial- und Wirtschaftsraum bildet noch lange keine politische Machtbasis, von der aus gemeinschaftliche Interessen durchgesetzt werden können. So wie in der EU wird sich Lateinamerika auch die nächsten Jahrzehnte weitestgehend mit sich selbst beschäftigen und nur in wenigen Bereichen aussenpolitisch Auftreten.

Für Asien brauchen wir das garnicht erst anfangen. Es ist schon bezeichnend, dass Huntington dort 4 oder 5 verschiedene Kulturen lokalisieren will:

Western, Confucian, Japanese, Islamic, Hindu, Slavic-Orthodox

Was sagt uns das? Dass in Asien - wo nahezu sämtliche Kulturen aufeinander treffen - die großen Konflikte des 21. Jhdts. ausgetragen werden?
 
Wie definiert Huntington denn überhaupt den Westen?
Als hochindustrialisierte Staaten mit vorwiegend europäisch-us-amerikanischer Lebensart?
Das gibt es in Lateinamerika auch.
 
Samual Huntington zählt Lateinamerika als eine eigenständige Zivilisation. Was spricht dafür und was dagegen?

...ist zwar eine ganze Weile her, dass ich den Huntington gelesen habe, aber wenn ich recht erinnere, räumt er zwar eine eigene Kultur ein, schränkt dies jedoch auch gleichzeitig wieder ein...

- kein widerspruch zu oben: die katholische kirche, ist halt immer noch eine europäisch geprägte institution

....die aber in Lateinamerika durchaus auch mal in der Lage sein kann, eigene Wege zu gehen, siehe Befreiungstheologie...

Was sagt uns das? Dass in Asien - wo nahezu sämtliche Kulturen aufeinander treffen - die großen Konflikte des 21. Jhdts. ausgetragen werden?

So sagts zumindest Huntington: An den Grenzen der Kulturen....so meint er....
und da vorwiegend die islamische Welt und China/Japan
 
Wie definiert Huntington denn überhaupt den Westen?
Als hochindustrialisierte Staaten mit vorwiegend europäisch-us-amerikanischer Lebensart?
Das gibt es in Lateinamerika auch.


hochindustrialisiert sind nordamerika und westeuropa (dazu zählen dann auch australien und neuseeland) bestimmt nicht mehr, ich würde es eher am pro kopf einkommen festmachen und da waren argentinien, uruguay mal so was wie erste welt, zwischen den weltkriegen, aber heute, welches lateinamerikanische land ist vom bsp/kopf mit europa/nordamerika vergleichbar?
 
hochindustrialisiert sind nordamerika und westeuropa (dazu zählen dann auch australien und neuseeland) bestimmt nicht mehr, ich würde es eher am pro kopf einkommen festmachen und da waren argentinien, uruguay mal so was wie erste welt, zwischen den weltkriegen, aber heute, welches lateinamerikanische land ist vom bsp/kopf mit europa/nordamerika vergleichbar?

https://www.cia.gov/cia/publications/factbook/rankorder/2004rank.html

Wenn Du nur die Musterschüler Europas vergleichst, dann liegen Argentinien, Costa Rica, Chile und Uruguay fern ab. Die unteren (osteuropäischen) Ränge hingegen ...

Annäherungsweise (BIP/p.K.):
Argentinien = Polen
Chile = Kroatien
Costa Rica = Russland
Uruguay = Bulgarien

Dann wären da noch die mondänen Inselchen Trinidad, Aruba, die Caymans, die Bahamas, usw.
 
"Das" Lateinamerika gibt es genauso wenig wie "das" Europa oder "das" Asien.

Jedes Land ist unterschiedlich, da ändert auch die gemeinsame Sprache nichts. Der Unterschied z.B. zwischen dem "europäischen" Uruguay und dem indigenen Guatemala ist etwa so wie zwischen Finnland und Portugal.

Eine gemeinsame Kultur, Identität oder Denkungsart gibt es nur rudimentär. Gemeinsame Sprache (fast ausschließlich Spanisch), die Religion (obwohl der Katholizismus schon lange nicht mehr die tragende Rolle spielt wie früher und sich daneben mit ernsthaften Konkurrenten auseinandersetzen muss). Und die Abneigung gegen die USA, die ja immer noch die Monroe-Doktrin haben.


Lateinamerika ist vielleicht auf dem Weg dazu, etwas eigenständiges zu werden. Bislang ist es aber ein Bestandteil des westlichen Kulturkreises.

Gruß

Jacobum
 
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