Iulius Africanus und die Diskrepanz des Stammbaums Jesu bei Lukas und Matthäus

Dass dem aber nicht so war und dass Africanus den Lukas in Euseb.: hist. ecc. I 7, 10 bewusst falsch zitiert bzw. zwei Namen auslassend zitiert, weil es sonst nicht zur Überlieferung seiner hebräischen Genealogen passt, wissen wir aber von Barhebraeus.

Also noch einmal:
Es ist nicht belegt, dass Africanus den Lukas bewusst falsch zitiert.
Es will mir auch nicht einleuchten, dass "der gute Christ" Africanus den Bibeltext falsch zitiert, nur damit er besser zu den "hebräischen Genealogen" passt.

weil ich überhaupt nicht auf den Gedanken kam, dass sich Africanus 'erdreistet', den Lukas in einem Punkte zu verbessern, der für sein Harmonisierungs-Unterfangen völlig bedeutungslos ist.
Den Gedanken halte ich auch jetzt noch für abwegig.

Dass Africanus die Angaben der "Genealogen" für zuverlässiger gehalten hat als den Bibeltext, gibt der Wortlaut nicht her.
Im Gegenteil!
Und sogar der zeigt sich auffallend reserviert: Beweiskräftige Belege gibt es leider nicht, statt dessen haben sich irgendwelche mehr oder entfernte Verwandte die Erklärung "so gut wie möglich" und teilweise "nach dem Gedächtnis" zusammengereimt. Na ja, besser als gar nichts. Hauptsache, die Autorität der Evangelium ist gerettet:

"Da man keine bessere und verlässigere Erklärung finden kann, wollen wir uns mit der erwähnten zufriedengeben, wenn sie auch nicht mit Beweisen belegt werden kann. Auf jeden Fall sagt das Evangelium die Wahrheit.“

Und Barhebraeus? Eine knappe Bemerkung eines 1000 Jahre jüngeren Schreibers?
Das ist doch keine Grundlage, um im Eusebius-Text herumzudichten.

Korrektur: ... (nur dass er eben Levi und Matthat ausfallen lässt) ...

Ja, so leicht kann es passieren, dass man sich vertut.

Warum soll das dem Africanus nicht auch passiert sein?
 
Also noch einmal:
Es ist nicht belegt, dass Africanus den Lukas bewusst falsch zitiert.
Es will mir auch nicht einleuchten, dass "der gute Christ" Africanus den Bibeltext falsch zitiert, nur damit er besser zu den "hebräischen Genealogen" passt.

Wenn ich das richtig verstehe, müsstest Du dann der Ansicht sein - bitte berichtige mich, wenn ich falsch liege -, dass Africanus in seinem Brief an Aristides unbeabsichtigt die Namen Matthat u. Melchi vertauscht, eigentlich aber ganz die Reihe des Lukas wiedergeben wollte, sich eben nur vertan hat.
Dann müsstest Du im zweiten Schritt annehmen, dass dem Barhebraeus auffiel, dass Africanus' Reihe von der des Lukas abweicht, aber bei Africanus keine Erklärung für diese Abweichung fand. Fälschlicherweise ging Barhebraeus davon aus, dass Africanus bewusst in Widerspruch zu Lukas getreten war. Barhebraeus suchte nach einer Motivation des Africanus und kam auf den Gedanken, dass Africanus Matthat u. Levi als Brüder des Eli aufgefasst haben könnte und nicht als Vertreter eigenständiger Generationen. Abschließend legte Barhebraeus dem Africanus diese Erklärung in den Mund.

Ganz theoretisch wäre auch diese Konstruktion möglich. Dagegen spricht allerdings folgendes:
In der genannten Chronographiae-Fragmentensammlung werden (auf S. 270) Barhebraeus und Dionysius bar Salibi noch mit einer anderen Aussage zitiert: Beide sagen, dass sie selbst bei Lukas von Abraham bis Jesus 56 Personen zählen (die zähle auch ich, einschließl. Abrahams u. Jesu), Africanus hingegen nur 50 zähle.
Also ist auch von dieser Seite her bestätigt, dass Africanus tatsächlich einige Generationen, die bei Lukas stehen, nicht mitgezählt hat. Mit Matthat u. Levi hat er schon mal zwei Generationen eingespart; wo er die anderen eingespart hat, geben die Quellen leider nicht her.

Hingegen kann El Q. die Information der beiden Syrer, dass Africanus nur 50 anstatt 56 Generationen (Abraham bis Jesus) bei Lukas gelten lässt, ziemlich gut zur Unterstützung seiner obigen Überlegung heranziehen:

Sprich: Neben dem Problem der völlig abweichenden Namen bei Lukas und Matthäus ist auch noch die Anzahl der Generationen eine ganz andere.
Wenn man schon ausreichend rabulistisch argumentiert, dass man dass Problem der abweichenden Vaterangaben mit Stiefvätern erklärt (und dabei stillschweigend akzeptiert, dass quasi in jeder Generation eine Verwitwung und Wiederverheiratung der Mütter stattgefunden hat), dann kann man auch, um die Generationenangaben anzugleichen, Leute die als Väter und Söhne angegeben sind, bei Lukas mittels der Konjunktion τοῦ gegenüber der Verbalform ἐγέννησεν bei Matthäus, mal eben zu Brüdern machen, Lukas benutzt die Verbalform ja nicht...

In eine ähnl. Richtung weist ja auch das hier:
Dass Africanus die Angaben der "Genealogen" für zuverlässiger gehalten hat als den Bibeltext, gibt der Wortlaut nicht her.

Das bedeutet nun für mich: Ich akzeptiere, dass die Tatsache, dass Africanus dem Lukas in puncto 'Matthat/ Levi' widerspricht, nicht beweist, dass dem Africanus irgendeine andere, ihm in diesem Punkt glaubwürdig erscheinende Überlieferung vorgelegen haben muss. Sondern Africanus könnte den Lukas-Stammbaum auch lediglich deshalb "korrigiert" haben, um im Zuge seiner Harmonisierungs-Bestrebungen die Generationen-Anzahl bei Lukas der Generationen-Anzahl bei Matthäus anzunähern (wie er es ja auch umgekehrt praktizierte).

Das heißt: Wenn Africanus sich hinsichtlich seiner Erklärungen zu den beiden ntl. Stammbäumen auf Überlieferungen der Herrenverwandten beruft, dann fehlen mir die Mittel, das anhand seiner gegebenen Stammbaumerklärungen zu überprüfen.
Zwar stammt die Überlieferung von der Herkunft des Herodes aus Askalon (die Africanus ja ebenso nach eigener Aussage von den Herrenverwandten hat) wahrscheinlich aus älterer jüdischer polemischer Überlieferung zu Herodes, da auch Justin d. Märtyrer (in dial. 52, 3) die Juden argumentieren lässt, Herodes habe aus Askalon gestammt; aber das beweist eben noch nicht, dass Africanus sie von den Herrenverwandten hatte.
Für die weitere Überlieferung von der Verbrennung der jüdischen Geschlechtsregister durch Herodes (auch diese Überlieferung hat Aricanus laut eigener Aussage von den Herrenverwandten) fehlen uns Vergleichsquellen, so dass man die Herkunft dieser Überlieferung schlecht unabhängig beurteilen kann.

Es bleibt also letztlich eine Frage der Einschätzung, ob man dem Africanus abnimmt, dass ihm Überlieferungen von Herrenverwandten vorlagen oder ob man annimmt, er habe den Aristides in diesem Punkte belogen (vllt. aus taktischen Gründen, z. B. um seine Stammbaumerklärungen zu legitimieren).


Ich möchte niemandem auf den Keks gehen oder unverbesserlich penetrant erscheinen, wenn ich voraussichtlich in Folge-Beiträgen noch mal einige Gründe für meine Einschätzung erläutern und mich auch noch mal mit den Gründen für die gegenteilige Einschätzung auseinandersetzen werde. Sondern die Diskussion mit Euch, El Q. und Sepiola, macht mir einfach Spaß und ist für mich fruchtbar (nicht furchtbar:winke:).
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ich das richtig verstehe, müsstest Du dann der Ansicht sein - bitte berichtige mich, wenn ich falsch liege -, dass Africanus in seinem Brief an Aristides unbeabsichtigt die Namen Matthat u. Melchi vertauscht, eigentlich aber ganz die Reihe des Lukas wiedergeben wollte, sich eben nur vertan hat.
Wo der Grund für das Vertun liegt, weiß ich nicht und will auch nicht groß darüber spekulieren.

Dann müsstest Du im zweiten Schritt annehmen, dass dem Barhebraeus auffiel, dass Africanus' Reihe von der des Lukas abweicht,
Das muss Barhebraeus aufgefallen sein.
aber bei Africanus keine Erklärung für diese Abweichung fand. Fälschlicherweise ging Barhebraeus davon aus, dass Africanus bewusst in Widerspruch zu Lukas getreten war. Barhebraeus suchte nach einer Motivation des Africanus und kam auf den Gedanken, dass Africanus Matthat u. Levi als Brüder des Eli aufgefasst haben könnte und nicht als Vertreter eigenständiger Generationen. Abschließend legte Barhebraeus dem Africanus diese Erklärung in den Mund.
So kompliziert muss es gar nicht sein. Ich dachte eher an die Möglichkeit, dass Barhebraeus in dem Moment nur den Lukas vor sich gehabt und den Africanus aus dem Gedächtnis zitiert hat.

In der genannten Chronographiae-Fragmentensammlung werden (auf S. 270) Barhebraeus und Dionysius bar Salibi noch mit einer anderen Aussage zitiert: Beide sagen, dass sie selbst bei Lukas von Abraham bis Jesus 56 Personen zählen (die zähle auch ich, einschließl. Abrahams u. Jesu), Africanus hingegen nur 50 zähle.
Also ist auch von dieser Seite her bestätigt, dass Africanus tatsächlich einige Generationen, die bei Lukas stehen, nicht mitgezählt hat. Mit Matthat u. Levi hat er schon mal zwei Generationen eingespart; wo er die anderen eingespart hat, geben die Quellen leider nicht her.
Das ist ein Argument. Dann ist der Gedanke also nicht abwegig, dass Africanus den Stammbaum bei Lukas manipuliert hat.

Es bleibt also letztlich eine Frage der Einschätzung, ob man dem Africanus abnimmt, dass ihm Überlieferungen von Herrenverwandten vorlagen oder ob man annimmt, er habe den Aristides in diesem Punkte belogen (vllt. aus taktischen Gründen, z. B. um seine Stammbaumerklärungen zu legitimieren).
Die Wahrheit könnte auch in der Mitte liegen. Africanus hat vielleicht ein paar Informationen aufgetrieben, die aber auch nicht richtig passend waren. Und dann hat er sich daraus etwas zusammengereimt.
 
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