Johann Bückler vulgo Schinderhannes ein Plädoyer für einen ungewöhnlichen Banditen

Scorpio

Aktives Mitglied
Johann Bückler (1779?-1803) alias Schinderhannes ist bis heute der prominenteste deutsche Räuber geblieben. Schon zu seinen Lebzeiten war er ungeheuer bekannt und erfreute sich auch bei erfolgreicheren Kollegen einer großen Berühmtheit. Der Bandit Carl Heckmann sagte bei seiner Hinrichtung in Köln: "Leute seht mich an, ich bin der wahre Schinderhannes!" Der Räuber Brabanter Claus erzählte gerne in seiner Haft in Marburg, "daß er ein enger Freund besagten Schinderhannes sey und jener vor seiner Exekution oft gesagt habe, er wolle gerne sterben, wenn nur seyn (Freund) Claus bey ihm sey."
Allerdings war Schinderhannes eher ein berühmter, als ein bedeutender Bandit. Er beschränkte sich im wesentlichen auf den Hunsrück, während der Räuber Abraham Picard, ein prominentes Mitglied der fast mafiös strukturierten Großen Niederländischen Bande in Deutschland, Nordfrankreich und dem heutigen Belgien aktiv war und innerhalb nur weniger Jahre mehr als 20.000 Rthl. erbeutete.
Diese Banditen reisten zu Pferd und mit leichten Kutschen bis zu 100km zum Zielobjekt, stießen mit einem Rammbock die Türen ein und plünderten die Bewohner aus, wobei sie sich als französische Marodeure tarnten, französische Kommandos verwendeten und die Marseillaise sangen.
Schinderhannes begann seine Karriere recht bescheiden, mit dem Diebstahl einiger Häute, er war Abdecker, konnte aber kein Blut sehen, am wenigsten das eigene. Er wurde erwischt und öffentlich ausgepeitscht. Mit einem spektakulären Einbruch bei der Stadrkasse revanchierte er sich und spezialisierte sich auf Pferdediebstahl und Diebstahl von Heereseigentum bei den Franzosen. Außerdem machte er sich den ländlichen Antisemitismus zunutze und spezialisierte sich auf Juden, wodurch er bei der Landbevölkerung sehr beliebt wurde. Bald darauf widmete er sich der Schutzgelderpressung, indem er Schutzbriefe an Bauern und Händler verkaufte, die er mit seinem Kriegsnamen Johannes durch den Wald unterzeichnete.
Schinderhannes profitierte von der Räuberromantik des frühen 19. Jahrhunderts, vor allem von dem Klassiker der Trivialliteratur "Rinaldo Rinaldini der Räuberhauptmann von Goethes Schwager Christian Vulpius. Dieses Werk war so erfolgreich, daß Vulpius seinen im dritten Band getöteten Helden wie in modernen Soaps wiederauferstehen ließ. Einen Neuaufguss dieses Werks, "Der Räuberhauptmann Johann Bückler, das wahre Gegenstück zu Rinaldo Rinaldini hätte der historische schinderhannes sogar noch selbst lesen können.
Schinderhannes wurde nahe Frankfurt von Werbern erkannt und nach Mainz ausgeliefert, wo er am 21. November 1803 guilliotiniert wurde.
In der jüngsten Forschung ist Schinderhannes sehr kritisch beurteilt worden, vor allem seit Eric Hobsbawms "Sozialbanditentheorien". Man konnte es dem Schinderhannes nicht verzeihen, daß er gegen seine eigenen Leute aussagte und häufig Juden überfiel. Er habe lediglich vorgegeben, ein edler Räuber und "Sozialbandit" zu sein und sei im übrigen ein bescheidener Räuber von nur regionaler Bedeutung gewesen.
Gegen diese Kritik muß man den schinderhannes aber ein wenig verteidigen. Unbedeutend war er sicher nicht, der Überfall auf das Posthaus in Würges, bei dem er mit dem schon erwähnten Picard zusammenarbeitete war einer der bedeutendsten Coups. Es ist auch nicht wahr, daß er ein Judenhasser war, wenn er auch den Antisemitismus ausnutzte und sicher auch selbst teilweise davon infiziert war. Er arbeitete aber mit jüdischen Räubern zusammmen wie Picard.
Er war ein begnadeter PR Agent in eigener Sache und suchte förmlich öffentliche Auftritte. Er war sehr heimatverbunden und schmiß gelegentlich auf der Schmidtburg eine Party für arme ansäßige Bauern. Ein Robin Hood war er deshalb nicht, aber daß er so lange im Hunsrück seinem Unwesen nachgehen konnte, ohne verraten zu werden, war eine Meisterleistung der "Öffentlichkeitsarbeit".
 
Zu Schinderhannes gibt es noch eine schöne Anekdote. Nach seiner Hinrichtung wurde Schinderhannes in der Anatomie seziert. Sein Skelett nahm der Arzt und Anatom Ackermann mit nach Heidelberg. 1983 brachte eine Zeitung einen Artikel über Schinderhannes und forderte aus Jux die Rückgabe seiner Gebeine nach Mainz. Es formierte sich eine Bürgeriniative, und aus einer Sommerente entwickelte sich ein handfester Streit, über den fast alle großen deutschen Blätter berichteten.
Mainzs Oberbürgermeister, damals noch Jockel Fuchs, drohte schließlich sogar, "Mainz wie es singt und lacht" abzusagen.Die Heidelberger anatomische Sammlung ließ darufhin die sterblichen Überreste des Schinderhannes in der Asservatenkammer verschwinden und die sache verlief schließlich im Sande.

Dem historischen Schinderhannes dürfte es recht gewesen sein, er hatte sicher nicht die besten Erinnerungen an Mainz.
 
Dieses Glück ist Störtebeker nicht bescholten gewesen. Sein Schädel ist noch immer im Museum für Hamburgische Geschichte, und ihm dürfte der Kopf ziemlich brummen, wenn er nur an Hamburg denkt... Ich halte ihn im Übrigen für den Prominenteren.
 
Bei Banditen habe ich, ehrlich gesagt, an Störtebeker gar nicht gedacht, von seinen Unternehmungen war er sicherlich wesentlich bedeutender, ob er auch prominenter ist, wer will das entscheiden?
 
Eine sicherlich unwissenschaftliche aber wirksame Methode ist die Befrangung von Google. Schinderhannes: 202.000 Ergebnisse - Störtebeker: 652.000 Ergebnisse.

Du könntest natürlich auch eine empirische Befragung auf der Straße starten und die Leute danach fragen, was sie über beide wissen. Oder Du schaust im KVK wieviele Publikationen es über beide gibt (obwohl... findet man auch nichtwissenschaftliche Literatur im KVK?). Bei Amazon finde ich 88 Bücher über Störtebeker, 47 über Schinderhannes.

Hier im Forum findet man vier Threads über Schinderhannes und 14 über Störtebeker.
 
Im Südwesten war es der Hannikel.
Auf der Gegenseite der Amtmann von Sulz (Name derzeit entfallen) und natürlich der berühmte Malefiz-Schenk. Seine Schloßkirche steht noch, kreisrund, eine echte Sehehswürdigkeit. Oberdischingen bei Ulm.

Grüße Repo
 
Eine sicherlich unwissenschaftliche aber wirksame Methode ist die Befrangung von Google. Schinderhannes: 202.000 Ergebnisse - Störtebeker: 652.000 Ergebnisse.

Du könntest natürlich auch eine empirische Befragung auf der Straße starten und die Leute danach fragen, was sie über beide wissen. Oder Du schaust im KVK wieviele Publikationen es über beide gibt (obwohl... findet man auch nichtwissenschaftliche Literatur im KVK?). Bei Amazon finde ich 88 Bücher über Störtebeker, 47 über Schinderhannes.

Hier im Forum findet man vier Threads über Schinderhannes und 14 über Störtebeker.


Noch mehr Statistik:

Über "Schinderhannes" gibt es nur einen Eintrag in wiki deutsch.
Über "Störtebecker" gibt es Wiki-Artikel in deutscher, englischer, dänischer, französischer, holländischer, norwegischer und französischer Sprache.

Ich kann mir vorstellen, dass viele Menschen den Schinderhannes auch nur aufgrund der Verfilmung 1958 mit Curd Jürgens in der Titelrolle kennen.
 
Noch mehr Statistik:

Über "Schinderhannes" gibt es nur einen Eintrag in wiki deutsch.
Über "Störtebecker" gibt es Wiki-Artikel in deutscher, englischer, dänischer, französischer, holländischer, norwegischer und französischer Sprache.

Ich kann mir vorstellen, dass viele Menschen den Schinderhannes auch nur aufgrund der Verfilmung 1958 mit Curd Jürgens in der Titelrolle kennen.

Jetzt wollte ich es wissen:
Einträge über Hannikel 539
Malefiz-Schenk 470
immerhin
Oh sorry, einträge in Google

Grüße Repo
 
Zuletzt bearbeitet:
Hannikel war vielleicht rein beruflich noch erfolgreicher, er war fast 20 Jahre aktiv. Auch war er der erste, der seine Leute als französische Marodeure tarnte, was dann die große Niederländische Bande perfektionierte.
Auch er spezialisierte sich auf die Juden.Er sagte, "das könne doch nichts Schlechtes sein, da er sich des Beifalls des Publikums sicher sei."
Er war aber weit brutaler als Schinderhannes. Aber der Bericht über Hannikel "eine wahrhafte Zigeunergeschichte" ist auch eine sehr interessante Quelle, da der Verfasser, ein Freund des Sulzer Amtmanns Schäffer nicht rassistisch argumentiert.
Wenn Du aus dem Südwesten kommst, kennst du vielleicht auch den Scharzen Veri. Der saß im Siechenturm von Bieberach, an die Wand gekettet, als der Blitz einschlug und ihn grillte.
 
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Über "Schinderhannes" gibt es nur einen Eintrag in wiki deutsch.
Über "Störtebecker" gibt es Wiki-Artikel in deutscher, englischer, dänischer, französischer, holländischer, norwegischer und französischer Sprache.

Ich kann mir vorstellen, dass viele Menschen den Schinderhannes auch nur aufgrund der Verfilmung 1958 mit Curd Jürgens in der Titelrolle kennen.
Das kommt sicherlich ganz stark auf die Gegend an.

Dr. Scheibe hatte in einem Vortrag in Mainz, den ich hören durfte, erwähnt, dass viele Menschen bei seinen Vorträgen noch sehr emotional mit der Figur umgingen. Eine Entlarvung des Räubers als brutaler Verbrecher und garnicht so einflussreicher Anführer, steht in manchen Regionen nach wie vor scheinbar einer Verklärung und einem ganz anderen Bild gegenüber. Neben dem Film nannte Scheibe v.a. die Groschenliteratur der Vergangenheit als Ursache des falschen Bildes vom Schinderhannes. Herr Scheibe meinte auch, dass aber gerade die Vorträge in Gebieten der Tätigkeit des Räubers interessant sind, weil er eben auch über dasjenige Informationen sammelt, was heute im gemeinschaftlichen Gedächtnis der Menschen über den Schinderhannes haften geblieben ist.

In meiner eigenen Heimat (Brandenburg) kannte man ihn aber kaum, bzw. auch nur durch den Film mit Curd Jürgens und vielleicht das Stück von Zuckmayer.
 
"Schinderhannes ist der einzige rheinische Räuber, von dem man merkwürdigerweise heute noch an vielen Orten mit wahrer Begeisterung spricht", schrieb Rauchhaupt 1891.
Es ist nicht allgemein bekannt, daß Johannes Bückler (1779-1803), zuerst Schöner Hans, später
Schinderhannes genannt, ein Serienstraftäter war, auf dessen Konto heute nachweislich 130 Delikte gehen, zumeist Diebstähle, Raubtaten und räuberische Erpressungen. Bemerkenswert ist, daß seine Brutalität selbst seine Richter schockierte, die ihn als "allerämsigsten" bezeichneten, wenn es darum ging, seinen Opfern Schmerzen zuzufügen. Das Wirkungsgebiet des bekannten Verbrechers lag zwischen Lahn, Main und Neckar im Rechtsrheinischen, Mosel und Pfalz links des Rheins. Heimgesucht von Schinderhannes, gaben hier viele Menschen (meist jüdischen Glaubens) ihre Heimat auf und zogen in die Neue Welt.
Heute wird gerne verkannt, daß er keinesfalls ein Robin Hood war, für den viele Menschen ihn halten. So sind
Schinderhannes keine "guten" Taten zuzuschreiben, die einen Vergleich rechtfertigen. Ebenso ist meist unbekannt, daß er nur einer von vielen Verbrechern dieser Zeit war. Ihn gar als Bandenchef zu bezeichnen, ist nach den historischen Dokumenten nicht haltbar. Auch war er kein Freiheitskämpfer, der sich für die Befreiung der linksrheinischen Gebiete von den Franzosen einsetzte......."
Weiter im von Dr. Max Scheibe betreuten Forschungsportal Schinderhannes Lesenswert ist darüber hinaus der bei Droste 2009 erschienene gut recherchierte Historische Roman von Frank Littek "Schinderhannes", ISBN 978-2-7700-1274-9
 
Zuletzt bearbeitet:
Dem historischen Schinderhannes dürfte es recht gewesen sein, er hatte sicher nicht die besten Erinnerungen an Mainz.
Dabei "wohnte" er in Mainz an prominenter Stelle.Den Holzturm,in dem er vor seiner Hinrichtung einsass ,gibt es jedenfalls heute noch


Wie dem auch sei, im Hunsrück ,seiner Hauptwirkungsstätte ,ist er heut noch so populär, daß ihm der große Carl Zuckmayer ein Theaterstück gewidmet hat.

"Das war der Schinderhannes
der lumpenhund,der Galgenstrick
der Schrecken jedes Mannes
und auch der Weiber Stück."
 
Zuletzt bearbeitet:
Salut,
wie weit den Leuten der Schinderhannes heute noch ans Herz geht, merke ich an gelegentlichen Drohbriefen, die mich erreichen, da ich mich wissenschaftlich mit den historischen Dokumenten zu dem bekannten Räuber auseinandergesetzt habe :)))))
SeF,
Mark
Schinderhannes
 
Nur eine Anmerkung zu Kommentar Nr.1 und Scorpios Einschätzung zu Schinderhannes' Antisemitismus: Erst mit dem kürzlich erfolgten Fund bzw. Rekonstruktion von Teilen der Hauptverhandlung Okt./Nov. 1803 konnte Schinderhannes' Haltung gegenüber Juden geklärt werden. Der Gerichtspräsident Rebmann (selbst kein Freund der Juden mit oft beißend-abwertenden Kommentaren) bescheinigt Schinderhannes einen bodenlosen Haß gegen die jüdische Bevölkerung, dazu auch einige Beispiele. Mehrfach wird Schinderhannes dazu in Schutz genommen, ich zitiere frei: "Wenn selbst die Pfarrer es von den Kanzeln predigen, daß das Bestehlen von Juden nur halbe Sünde sei, wie sollen die Jugendlichen auch anderes denken ?" Schinderhannes' Antisemitismus muß aber auch differenzierter betrachtet werden: Zum einen überfiel er verschiedene Juden des Geldes wegen, einmal auch aus Rache, weil einer kein Schutzgeld zahlen wollte, andererseits arbeitete er auch mit Mitgliedern der Niederländer (Neuwieder) Bande zusammen, die zu einem großen Teil aus Menschen jüdischer Herkunft bestand.

Letztendlich ist auch der Antisemitismus des 20. Jahrhunderts etwas anderes als der zur Zeit des beginnenden 19. Jahrhunderts. Hier sollte man nicht über einen Kamm scheren...

SeF
Mark
Schinderhannes
 
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