Juden- bzw. Christenverfolgung unter Domitian

Caligula war wohl besonders rücksichtslos.
Die Frage ist, ob sich das auch für die Flavier belegen lässt.
Domitian war wohl kein ganz solcher Wüterich wie Caligula aber zeigte im Laufe seiner Regierung, besonders seit der Verschwörung des Saturninus einen ziemlich despotischen Führungsstil.
Im Gegenteil: Apollonius trifft der Reihe nach Nero, Vespasian, Titus, Domitian...
Es ist natürlich denkbar, dass Philostratos seiner Auftraggeberin Julia Domna, die offenbar Gefallen an Apollonius gefunden hatte, ein möglichst übermenschliches Bild des Weisen liefern wollte. Andererseits muss es nicht unmöglich sein, dass sich mehrere Kaiser für diese wahrscheinlich sehr charismatische Magiergestalt, der Wunder wie Toteerweckungen nachgesagt wurden, interessierten und diesen persönlich sehen wollten. Mit Vespasian und Titus soll ihn ,laut Philostratos eine freundschaftliches Verhältnis verbunden haben. Vor Domitian wurde er als Angeklagter geführt. Auch das muß nicht erfunden sein da der Kaiser gern persönlich Recht sprach, besonders wenn er den Angeklagten schon durch Vater und Bruder kannte und von diesem schriftliche Ermahnungen wegen seines Regierungsstils erhalten hatte.
Besonders die severischen Kaiser schienen Gefallen an den Lehren des Apollonius von Tyana gefunden zu haben da Caracalla ,ihm zu Ehren einen Tempel errichten ließ.
 
Vor Domitian wurde er als Angeklagter geführt. Auch das muß nicht erfunden sein da der Kaiser gern persönlich Recht sprach,
Wie Philostratos den Prozessausgang schildert, ist so was von skurril (Thomas Schirren spricht von "nonsense"*). Da bleibt nur ein Schluss: Das ist Fiktion, keine Realität.

... besonders wenn er den Angeklagten schon durch Vater und Bruder kannte

Tja: Wenn...

*Philosophos Bios / Die antike Philosophenbiographie als symbolische Form. Studien zur Vita Apollonii des Philostrat, Heidelberg 2005. S. 245
 
Vor Domitian wurde er als Angeklagter geführt. Auch das muß nicht erfunden sein da der Kaiser gern persönlich Recht sprach, besonders wenn er den Angeklagten schon durch Vater und Bruder kannte und von diesem schriftliche Ermahnungen wegen seines Regierungsstils erhalten hatte.

Die Rechtssprechung des Kaisers bezieht sich aber normalerweise auf römische Bürger im Rahmen seiner proprätorischen Befugnisse. Hatte Apollonius das römische Bürgerrecht?

Wie stehst Du denn zu der Meinung, daß Apollonius Kleinasien wohl niemals verlassen hat?
 
Hatte Apollonius das römische Bürgerrecht?

Christopher Jones* hält das für möglich. Er zieht als Beispiel Plutarch heran, der das römische Bürgerrecht hatte. Er hält es auch für möglich, dass ein "Lucius Pompeius Apollonius" auf einer Epheser Inschrift mit unserem Apollonius identisch ist.


"Some Letters of Apollonius of Tyana" - in: Theios Sophistes / Essays on Flavius Philostratus' Vita Apollonii (ed. Kristoffel Demoen, Danny Praet), Leiden/Boston 2009, S. 259
 
Unmöglich nicht, aber sehr, sehr unplausibel:

Natürlich wird kein Protokoll eines Verhörs wiedergegeben. Und natürlich haben antike Geschichtsschreiber Reden und Dialoge nicht einfach erfunden. Sie haben sie so wiedergegeben, wie sie ihrer Ansicht nach sinnvoll hätten gehalten, bzw. geführt werden können. D.h. wir haben in diesem Dialog die Ansicht des Hegesippus erhalten. Die angegebenen Fakten wird er - mehr oder weniger gut - recherchiert haben. Vielleicht hat er auch z.B. seine Informationen zum Besitz lediglich ausgeschrieben. Bei einer solchen Berichtsweise wird natürlich das ein oder andere Topos einfließen. Hier allerdings wohl eher das Topos des Gläubigen, der einen Herrscher von etwas überzeugt. Hier eben der Aufgabe der Christenverfolgung.

Dem Bericht ist also zu entnehmen:

1 Jesus-Verwandte wurden verhört.
2 Sie wurden freigelassen und gelangten zu angesehenen Positionen in der christlichen Gemeinde.
3 Dies wurde - vielleicht oder wahrscheinlich - mit der Aufgabe der Verfolgung in Zusammenhang gebracht, was spätere Zutat sein kann.
4 Hegesippus geht im Dialog von folgenden Annahmen aus:
4a Die Jesus Verwandten waren nicht gerade sehr begütert.
4b Das Reich Gottes ist nicht von dieser Welt.
4c Die Jesus Verwandten stammten von David ab.

zu 1: Sie mögen bloß denunziert worden sein. Allerdings waren sie nicht einfach jüdische Bauern. Sie waren Verwandte eines Religionsführers, dem vorgeworfen wurde, ein Reich auf Kosten Roms errichten zu wollen. Vielleicht waren sie sogar seine gesetzlichen Erben. Dass da mal nachgehakt wird, dürfte eher selbstverständlich sein. Wohlgemerkt, ich erwähne hier den Kaiser nicht, da man das persönliche Verhör gut dem Topos zu Last legen kann.

zu 2: Das mit den angesehenen Positionen wird anscheinend nicht bezweifelt. Also müssen die Verwandten freigelassen worden sein, wenn das Verhör stattfand. Auch werden sie als Bekenner bezeichnet. Sie haben also ihren Glauben vor der Staatsmacht bekannt. Dies muss natürlich nicht auf das fragliche Verhör zurückgehen, sondern kann andere Gründe haben. Daher habe ich diesen Punkt hier weggelassen. Für den nächsten Punkt mag es aber einen Hinweis geben.

zu 3: Man suchte nach einer Erklärung für das Nachlassen der Verfolgung. Vielleicht war einfach überliefert, dass die Jesus-Verwandten vor den Behörden standhaft geblieben waren und später Ämter übernahmen. Durch Kombination mag sich die Erklärung schnell gefunden haben. Dabei ist es egal, aus was die Verfolgung bestand und wie real sie war. Es kommt hier auf die Annahmen der Christen 1 bis 2 Generationen danach an. Insoweit ist die genannte "Pointe" tatsächlich verräterisch.

zu 4a: Davon, dass die Familie Jesu nicht sehr begütert war, wird wohl meistens ausgegangen. Mit Morgenzahl und Schwielen mag das ausgeschrieben worden sein. Ein gutes Argument für den Dialog eben.

zu 4b: Wieso ein Christ bei der Schilderung eines Verhörs gern auf diese Aussage Jesu vor Pontius Pilatus zurückgriff, dürfte wohl jedem klar sein. Ich betrachte es als äußerst wahrscheinlich, dass Hegesippus an diese Aussage geglaubt hat.

zu 4c: Hegesippus benutzt die Davidsabstammung als Argument der Gegenseite, welches bejaht wird. Also war in seinen Augen diese Abstammung gegeben. Stellt sich also die Frage, ob überliefert war, dass die Verwandtschaft Jesu auch davon ausging. Ich sehe es als möglich an, da sie doch sicher auch von Christen danach gefragt worden sind. Die soziale und wirtschaftliche Stellung um Christi Geburt verhindert ja nicht die Abstammung von einem König, der nicht ganz 1000 Jahre vorher gelebt haben soll. Sein Reich wurde immerhin später vernichtet. Auch wenn die Abstammung nur konstruiert war, mag die fragliche Sippe sie um 100 n.Chr. als real angesehen haben.
 
zu 1: Sie mögen bloß denunziert worden sein. Allerdings waren sie nicht einfach jüdische Bauern. Sie waren Verwandte eines Religionsführers, dem vorgeworfen wurde, ein Reich auf Kosten Roms errichten zu wollen. Vielleicht waren sie sogar seine gesetzlichen Erben. Dass da mal nachgehakt wird, dürfte eher selbstverständlich sein.
Dass erst 60 Jahre nach der Hinrichtung des Religionsführers nachgehakt wird, ist weniger selbstverständlich.

Hegesippus benutzt die Davidsabstammung als Argument der Gegenseite, welches bejaht wird. Also war in seinen Augen diese Abstammung gegeben. Stellt sich also die Frage, ob überliefert war, dass die Verwandtschaft Jesu auch davon ausging.
Diese Frage wird sich wohl nicht definitiv klären lassen.

Ich sehe es als möglich an, da sie doch sicher auch von Christen danach gefragt worden sind.
Möglich ist viel.
Möglich ist auch, dass ein Teil der Verwandtschaft daran glaubte, ein Teil nicht...
 
zu den 60 Jahren:

Das Christentum verbreitete sich immer noch, war also aktuell und das Nachhaken nach so langer Zeit somit alles andere als unplausibel.

Ansonsten finde ich Möglichkeiten sehr von Nutzen. Denn, wenn man nicht entscheiden kann, wie es war, kann man zum Teil wenigstens die Möglichkeiten klären. Wie man die einzelne Möglichkeit bewertet ist eine andere Sache. Aber ohne andere Möglichkeiten und Bewertungskriterien anzugeben eine bestimmte Bewertung als sicher hinzustellen lehne ich natürlich auch ab.

In Bezug auf die Christenverfolgung läßt sich jedenfalls folgern, dass Hegesippus an diese für tatsächlich geschehen hielt. Sonst machen seine Angaben und sein Dialog wenig Sinn.
 
zu den 60 Jahren:

Das Christentum verbreitete sich immer noch, war also aktuell und das Nachhaken nach so langer Zeit somit alles andere als unplausibel.

Eine Bewegung, die sich schon seit längerer Zeit ausgebreitet hat? Bis einschließlich Rom? Die schon seit längerer Zeit unangenehm aufgefallen war? (Tacitus: "verderblicher Aberglaube")? Denen man schon alles mögliche angehängt hat?
Und erst nach 60 Jahren kommt man auf die Idee, mal nachzuhaken, ob die planen, "ein Reich auf Kosten Roms zu errichten"?
Plausibel?


Ansonsten finde ich Möglichkeiten sehr von Nutzen. Denn, wenn man nicht entscheiden kann, wie es war, kann man zum Teil wenigstens die Möglichkeiten klären.
Grundsätzlich ja. Wenn es allerdings nur zwei Möglichkeiten "Vielleicht - vielleicht auch nicht" gibt? Und keine weiteren Erkenntnisse? Wo ist da der Nutzen?


In Bezug auf die Christenverfolgung läßt sich jedenfalls folgern, dass Hegesippus an diese für tatsächlich geschehen hielt. Sonst machen seine Angaben und sein Dialog wenig Sinn.
Hegesipp schreibt sinngemäß, dass Domitian Angst vor dem Messias hatte und deswegen die Kirche verfolgte. Klar, wir unterstellen ihm, dass er das selber geglaubt hat. Und?
 
Nicht man, sondern jemand ganz bestimmtes hakt nach. Zumindest, wenn keine Denunziation vorliegt. Ein Statthalter z.B., der hört, dass es da noch Verwandte gibt und die Gelegenheit nutzt, um mal zu hören, was dahinter steckt. Tacitus jedenfalls scheint nicht sonderlich viel zu wissen. Warum sollte das bei anderen Amtsträgern anders sein? Oder ein Amtsträger hört, dass da noch Erben eines Usurpators leben und dessen gestifteter Religion treu sind. Ist es dann nicht gar seine Pflicht, zumal die Christen immer wieder "Ärger" zu machen scheinen? <Polemik> Zumal, wenn nach neuesten Gerüchten gerade Angehörige des Kaisers darin verstrickt sind und des Kaisers Meinung in der Sache klar zu sein scheint? </Polemik>
Noch Plinius d.J. muss nach Ausweis seiner Briefe nachhaken, worum es beim Christentum überhaupt geht.

Möglichkeiten sind interessant, wenn sie einen Gegensatz bilden. Hier haben wir sogar einen kontradiktorischen Gegensatz: Entweder glaubt jemand an seine Abstammung von David ab, oder nicht. Nur eine der Möglichkeiten ist wahr, die andere falsch. Dies ist ein wichtiger Zwischenschritt, um dann anhand einer Fallunterscheidung Argumente für die Unterschiedlichen Aussagen zu finden. Nach der heutigen Quellenlage mag sich kein klares Übergewicht für eine Ansicht ergeben. Arbeitet man aber die Möglichkeiten oder Probleme nicht heraus, müssen sie z.B. beim Fund neuer Quellen erst neu gewonnen werden.
Abgesehen davon könnte beim absehen von den Möglichkeiten der Eine dies und der Andere das erzählen. Wem soll man glauben?
Schließlich besteht der größte Teil der Wissenschaft darin, nach Problemen oder Fragen zu suchen. Ohne Möglichkeiten ist das nicht möglich.
Deutlicher wird dies bei der Frage der Örtlichkeit der Varusschlacht. Meist wird heute nur gefragt, war sie bei Kalkriese oder nicht. Dabei wird oft einfach davon ausgegangen, dass der komplette Verlauf der Schlacht bei Kalkriese stattfand. Oder nur das Ende? Oder begann sie nur dort? u.s.w. Schon wird alles viel komplexer (und interessanter). Aus der Widerlegung des Einen können wir hier z.B. nicht das andere Annehmen. Ob die Fallunterscheidung nützt, hängt von den Quellen ab, die aber erst richtig zur Lösung benutzt werden können, wenn man die Möglichkeiten herausgearbeitet hat. (Das soll keine Aussage zur Örtlichkeit der Varusschlacht sein, nur ein Beispiel.)

So habe ich mich in meinem obigen Post auch für einen anderen Topos entschieden. Die Folge: Im Gegensatz zum Herodes/Kindermord-Topos kann man davon ausgehen, dass Hegesippus, der seinem Alter nach noch Zeitzeugen gekannt haben muss, eine besondere Christenverfolgung unter Domitian als real betrachtete. Das ist durchaus ein wichtiger Hinweis (natürlich nicht Beweis), da ja die Besonderheit der Christenverfolgung in Frage gestellt wurde. (Wohlgemerkt: erst habe ich mich gefragt, kenne ich da einen Topos, der besser auf die geschilderte Vernehmung passt? Die Folge ward erst später bemerkt.)
 
Noch Plinius d.J. muss nach Ausweis seiner Briefe nachhaken, worum es beim Christentum überhaupt geht.
Er war sich schon vor dem Nachhaken sicher, dass es um einen scheußlichen Aberglauben geht, der die Leute davon abhält, die Götter zu verehren, Fleisch von Opfertieren zu kaufen und die Tempel zu besuchen. Sein Nachhaken hat ihm das nur bestätigt.
Auch bei Plinius nicht der Hauch eines Verdachts, diese Leute wollten ein Reich in Konkurrenz zum römischen Weltreich errichten.

Parallelen für Hegesipps Darstellung finden wir bisher nur
1. bei Matthäus (Herodes hört vom Messias und erschrickt / Domitian fürchtet sich "gleich Herodes" vor dem Messias)
2. bei Johannes (Pilatus verhört Jesus, der antwortet "Mein Reich ist nicht von dieser Welt", darauf hält Pilatus ihn für unschuldig und will ihn freilassen / Domitian verhört die beiden Judas-Enkel, die erklären, das Reich des Messias sei "nicht von dieser Welt", darauf hält Domitian sie für harmlos und lässt sie frei)

Dass Hegesipp Matthäus und Johannes als Vorlagen nutzte, steht wohl außer Zweifel.
Nun wäre es theoretisch denkbar, dass es
darüber hinaus unter Domitian ein reales Ereignis gab. Ein Ereignis, das mit einem "Messiasreich"-Vorwurf in Verbindung steht.
Meine Frage: Gibt es Indizien für so ein Ereignis?

Möglichkeiten sind interessant, wenn sie einen Gegensatz bilden. Hier haben wir sogar einen kontradiktorischen Gegensatz: Entweder glaubt jemand an seine Abstammung von David ab, oder nicht. Nur eine der Möglichkeiten ist wahr, die andere falsch. Dies ist ein wichtiger Zwischenschritt, um dann anhand einer Fallunterscheidung Argumente für die Unterschiedlichen Aussagen zu finden.
Wie oben gesagt: Grundsätzlich ja.
Entscheidend sind Argumente.
Haben wir welche?
Meine Frage: Gibt es Indizien...?

Wer ist in diesem Fall "jemand"?
Die ganze Verwandtschaft? Ein bestimmter Teil der Verwandtschaft?
Nur die zwei Judas-Enkel? Zu denen Hegesipp auffallenderweise noch nicht einmal die Namen überliefert?




kann man davon ausgehen, dass Hegesippus, der seinem Alter nach noch Zeitzeugen gekannt haben muss...
Gekannt haben könnte oder gekannt haben muss?
Da bin ich nicht ganz sicher.
Wir wissen nicht, wann Hegesipp Christ geworden ist.
Zur Zeit des römischen Bischofs Anicet war er sicher Christ. Also irgendwann zwischen 153 und 168.
Wenn er erst um oder nach 160 zur christlichen Gemeinde gestoßen ist, wären eventuelle Zeitzeugen schon um die Achtzig gewesen.
Zeitzeugen aus der Zeit Trajans muss es jedenfalls gegeben haben. Die könnten Hegesipp erzählt haben, dass damals noch "Bekenner und Verwandte des Herrn" angesehene Stellungen in der Kirche hatten. Das würde doch passen:
Welche Informationen hatte Hegesipp oder seine Informanten wirklich? Plausibel erscheinen nur die Informationen, die die "Pointe" bilden: Die Enkel des Judas erhielten "... da sie Bekenner und Verwandte des Herrn waren, führende Stellungen in der Kirche. Nachdem Frieden geworden war, lebten sie noch bis Trajan."


Riothamus schrieb:
... eine besondere Christenverfolgung unter Domitian als real betrachtete.
Kommt die "Realität" einer besonderen Christenverfolgung unabhängig vom Herodes-Motiv zum Ausdruck?
Nicht unbedingt.
Das Zitat bei Eusebius beginnt mit einer Anzeige der Judas-Enkel "als Nachkommen Davids". Das könnte im Rahmen einer antijüdischen Maßnahme zu deuten sein. Nachdem sich herausstellt, dass diese zwei Enkel harmlos sind, endet die Verfolgung der Kirche. Ob die Verfolgung nichtchristlicher Davidnachkommen eingestellt wurde, sagt Hegesipp nicht.
Davidnachkommen und Christen sind ja nicht dasselbe. Oder sollte Hegesipp geglaubt haben, dass die einzigen Nachkommen Davids in Jesu Verwandtschaft zu finden seien? (Wo doch schon Davids Sohn Salomo 1000 Frauen gehabt haben soll...)
 
Dass Hegesipp Matthäus und Johannes als Vorlagen nutzte, steht wohl außer Zweifel.
Nun wäre es theoretisch denkbar, dass es [/COLOR]darüber hinaus unter Domitian ein reales Ereignis gab. Ein Ereignis, das mit einem "Messiasreich"-Vorwurf in Verbindung steht.
Meine Frage: Gibt es Indizien für so ein Ereignis?


Die Frage kannst Du Dir doch selbst beantworten, indem Du Dich fragst, wie Du überhaupt darauf kommst, dass es ein "Ereignis, das mit einem 'Messiasreich'-Vorwurf in Verbindung steht" gegeben haben könnte. Offensichtlich kommst Du doch nur deshalb darauf, weil es ein Indiz gibt. Und welches das ist, weißt Du auch.
 
Die Frage kannst Du Dir doch selbst beantworten, indem Du Dich fragst, wie Du überhaupt darauf kommst, dass es ein "Ereignis, das mit einem 'Messiasreich'-Vorwurf in Verbindung steht" gegeben haben könnte. Offensichtlich kommst Du doch nur deshalb darauf, weil es ein Indiz gibt. Und welches das ist, weißt Du auch.

:confused:
Tut mir leid, worauf willst Du hinaus?
 
:confused:
Tut mir leid, worauf willst Du hinaus?

Entschuldigung, Sepiola, das sollte gar nicht so geheimnisvoll klingen, wie's geklungen hat. Ich wollte folgendes. Du hattest geschrieben:
Dass Hegesipp Matthäus und Johannes als Vorlagen nutzte, steht wohl außer Zweifel.
Nun wäre es theoretisch denkbar, dass es darüber hinaus unter Domitian ein reales Ereignis gab. Ein Ereignis, das mit einem "Messiasreich"-Vorwurf in Verbindung steht.
Meine Frage: Gibt es Indizien für so ein Ereignis?
Ich habe mir gedacht: Natürlich gibt es ein quellenmäßiges Indiz für ein Ereignis unter Domitian, das mit einem 'Messiasreich'-Vorwurf in Verbindung steht, sonst würdest Du ja gar nicht fragen, nämlich Hegesipps Story selbst.
 
Ich habe mir gedacht: Natürlich gibt es ein quellenmäßiges Indiz für ein Ereignis unter Domitian, das mit einem 'Messiasreich'-Vorwurf in Verbindung steht, sonst würdest Du ja gar nicht fragen, nämlich Hegesipps Story selbst.
Ach so... Ich hatte doch Hegesipp Darstellung und seine offensichtlichen Vorlagen benannt und nach einem Indiz darüber hinaus gefragt.
 
Ach so... Ich hatte doch Hegesipp Darstellung und seine offensichtlichen Vorlagen benannt und nach einem Indiz darüber hinaus gefragt.

Nochmals Entschuldigung, dann habe ich das "darüber hinaus" falsch zugeordnet. Ich dachte, gemeint seien Indizien für ein "reales Ereignis", welches unter Domitian stattgefunden hat, im Gegensatz zur Bezugnahme Hegesipps auf die beiden Evangelisten (bzw. über die Bezugnahme Hegesipps auf die beiden Evangelisten hinaus), eine Bezugnahme, die ja kein reales Ereignis unter Domitian wiederspiegeln kann.
Meines Wissens gibt es keine weiteren Indizien oder Quellen, die Hegesipps Geschichte von einer röm. "Razzia" unter Davididen bestätigen würden - was aber nicht gegen Hegesipps Darstellung spricht.
 
Meines Wissens gibt es keine weiteren Indizien oder Quellen, die Hegesipps Geschichte von einer röm. "Razzia" unter Davididen bestätigen würden - was aber nicht gegen Hegesipps Darstellung spricht.
Das nicht.
Warum Hegesipps Darstellung in weiten Teilen als fiktiv anzusehen ist, hat andere Gründe. Die habe ich schon angeführt. Widerlegt sind sie bis jetzt nicht.
 
Warum Hegesipps Darstellung in weiten Teilen als fiktiv anzusehen ist, hat andere Gründe. Die habe ich schon angeführt. Widerlegt sind sie bis jetzt nicht.

Meinst Du das hier?

Unmöglich nicht, aber sehr, sehr unplausibel:
Hegesipp macht seine Angaben in der Art eines Verhörprotokolls. Sogar präzise Zahlen kann er liefern ("39 Morgen"). Dass ihm tatsächlich ein Verhörprotokoll vorlag, ist absolut unwahrscheinlich. Es wird sich um einen erfundenen Dialog handeln. (Wie bei antiken Schriftstellern üblich.)
Auch der Inhalt des Verhörs ist unplausibel:
1. Dass die beiden Bauern Schwielen an den Händen haben, können die lokalen Beamten feststellen. Es ist unsinnig, die zwei nach Rom zu überführen, um die Schwielen vom Kaiser persönlich untersuchen zu lassen.
2. Die Vermögensverhältnisse der beiden Bauern lassen sich durch die lokalen Behörden zuverlässiger klären als durch ein Interview, das in Rom geführt wird.
3. Wie gesagt: Um herauszubekommen, was die Jesus-Anhänger glauben, hätte man nicht zwei judäische Bauern nach Rom bringen müssen.

Welche Informationen hatte Hegesipp oder seine Informanten wirklich? Plausibel erscheinen nur die Informationen, die die "Pointe" bilden: Die Enkel des Judas erhielten "... da sie Bekenner und Verwandte des Herrn waren, führende Stellungen in der Kirche. Nachdem Frieden geworden war, lebten sie noch bis Trajan."
"Bekenner und Verwandte des Herrn" - das ist der Stoff, aus dem die Story gestrickt ist. Mit einer kleinen Anleihe beim Herodes-Motiv. Das wäre jedenfalls der plausiblere Ansatz
 
Ja.
Auch zum Rest des Beitrags hast Du bisher nichts geschrieben.

@ Sepiola: Ich setze mich hier mit Deinem Beitrag #20 auseinander:

Wobei es schon ein großer Unterschied ist, ob man einen historischen Kern annimmt - oder die Story, wie sie Eusebius überliefert, für bare Münze nimmt. Da bin ich eigentlich davon ausgegangen, dass das niemand tut.

Jahaha! Der buschhons ist halt immer für eine Überraschung gut. Aber ich habe verstanden, dass Du ursprünglich nach etwas anderem gefragt hattest (historischer Kern) als nach dem, worauf ich geantwortet hatte (Historizität von Hegesipps Herrenverwandten-Geschichte). Mein Fehler.


Die Anzeige setzt aber eine öffentliche Fahndung "Gesucht wird..." voraus. Wonach wurde denn Deiner Meinung nach gefahndet? Wenn ich Dich richtig verstanden habe: Nach einer speziellen "Bewegung, die sich auf einen bestimmten Davididen als Messias beruft, der wiederkommen soll und das Reich Gottes errichtet." Da hätten die Behörden ja schnell auf die Christen stoßen müssen. Es gab ja schon eine Menge von ihnen. Auch in Rom.

Angenommen wir hätten so eine reichsweite Fahndung, was passiert dann? Die lokalen Behörden verhören einige tausend Christen verhören und melden übereinstimmend, die Jesus-Anhänger seien politisch völlig harmlos. Wozu hätte Domitian überhaupt "einen bestimmten Christen herbeizitieren" sollen?

Wenn er das wirklich vorgehabt hätte, hätte er sich z. B. an einen gewissen Clemens ("Bischof von Rom") halten können. Der hätte kompetent Auskunft geben können. Vielleicht noch bevor man eine Schiffsreise für die zwei judäischen Bauern organisiert hatte...

Ja, die Anzeige der beiden Davididen setzt eine von der röm. Obrigkeit betriebene Fahndung voraus.
Nein, ich habe nicht gemeint, dass die beiden Enkel des Judas geschnappt wurden, weil speziell nach Christen im Reich gefahndet wurde, sondern weil nach potentiellen jüdischen Unruhestiftern in Judäa gefahndet wurde („Judäa“ gebrauche ich der Einfachheit halber für die Bezeichnung der jüdischen Gebiete). Aufstände und Unruhen waren von den Juden in ihrem Heimatland zu erwarten, nicht von Diaspora-Juden oder von Christengemeinden zu Rom (letztere mögen von den Römern vielleicht hin und wieder mit jüdischen Gemeinden in einen Topf geschmissen worden sein, vielleicht auch unterschieden worden sein).
Was die von Hegesipp ausgesagte (und z. B. von Tertullianus und Clemens Romanus halbwegs und indirekt bestätigte) „Verfolgung der Kirche“ unter Domitian anbelangt, so fällt mir die Vorstellung nicht schwer, dass der Kaiser, der alle Philosophien und „Ideologien“, die seinem Herrschaftsanspruch in die Quere kommen konnten, versuchte aus dem Zentrum des Reichs zu verbannen, dass dieser Kaiser auch Juden und Christen in Rom und anderen Reichszentren auf die Pelle rückte (ein Zeugnis in diese Richtung ist vermutl. 1. Celmensbrief 1, 1). Aber ich denke nicht, dass diese „Verfolgung der Kirche“ durch den „halben Nero“ der Grund war, warum die beiden am anderen Ende des Reiches lebenden Enkel des Judas verhört wurden.
Hegesipp sagt, die beiden seien als Nachkommen Davids angezeigt worden. Das setzt für mich eine auf die judäische Provinz begrenzte Fahndung nach potentiellen davididischen Unruhestiftern durch die Römer voraus, z. B. nach solchen Messias-Prätendenten vom Typ eines Bar Kochbas (auch wenn der selbst erst 40-30 Jahre später auftrat).
Nun kann die Kombination aus Davididen und aus Verwandten jenes Messias, dem schon viel zu viele sogenannte Christen nachliefen, schon zu einem gesteigerten Interesse des Kaisers an diesen beiden Personen geführt haben.
Klar, wir Heutigen denken immer: Ein röm. Kaiser hat sich davor gehütet, mit jedem x-beliebigen Bauer aus seinem riesigen Reich ein Gespräch zu führen. Warum sollte er dann ausgerechnet jene beiden judäischen Bauern angehört haben? Aber ist das ein Argument gegen diese Begegnung? Ich denke nicht. Denn wenn einen röm. Kaiser irgendein Sachverhalt aus irgendeinem Grunde interessiert hat, konnte er halt mit dem Finger schnipsen und man brachte ihm die Gegenstände seines Interesses vor die Haustür.
Wenn ich als Domitian im Zusammenhang mit Rebellions-Potential in Judäa an Jesu Rolle als jüdischem Messias interessiert gewesen wäre, so hätte ich doch auch eher die judäischen Christen aus Jesu Verwandtschaft ausgefragt als einen Clemens von Rom oder so.


Unmöglich nicht, aber sehr, sehr unplausibel:
Hegesipp macht seine Angaben in der Art eines Verhörprotokolls. Sogar präzise Zahlen kann er liefern ("39 Morgen"). Dass ihm tatsächlich ein Verhörprotokoll vorlag, ist absolut unwahrscheinlich. Es wird sich um einen erfundenen Dialog handeln. (Wie bei antiken Schriftstellern üblich.)
Ob die Geschichte ein behördliches Verhörprotokoll nachahmen will, weiß ich nicht. Falls ja, dann pflichte ich Dir bei, dass Hegesipp solch ein Dokument von Seiten der Römer sehr wahrscheinlich nicht vorliegen hatte. Ich muss mal zwei Zitat-Vorgriffe machen:
Welche Informationen hatte Hegesipp oder seine Informanten wirklich? Plausibel erscheinen nur die Informationen, die die "Pointe" bilden: Die Enkel des Judas erhielten "... da sie Bekenner und Verwandte des Herrn waren, führende Stellungen in der Kirche. Nachdem Frieden geworden war, lebten sie noch bis Trajan."
Wenn wir das plausibel finden und einmal davon ausgehen, dass unter Domitian, Nerva u. Trajan zwei Enkel des Judas führende Stellungen i. d. Kirche innehatten, dann ist es ja bestens möglich, dass diese beiden Herrenverwandten ihre Begegnung mit Domitian weitererzählten und die Story in ihren Gemeinden bekannt war.
Die Angabe, ihr Besitz habe 39 Morgen (im Griechischen: 39 Plethren) bzw. umgerechnet 9000 Denare ausgemacht, kann ebenso gut auf präzises Detailwissen hindeuten. Gerade diese Zahlen müssen überhaupt nicht auf eine Erfindung hindeuten. Dem Verhör-Ereignis hinzu gemogelt scheinen mir ganz andere Dinge zu sein – und da bin ich auch ganz auf Deiner Seite: z. B. die Deutung, dass sich Domitian wie einst Herodes vor dem Messias fürchtete, oder der kausale Zusammenhang zwischen diesem Verhör und der umgehenden Einstellung der „Verfolgung der Kirche“ durch Domitian. Vor allem die Domitian-Herodes-Parelelle ist zweifelsfrei eine christliche Deutung oder man kann auch sagen: Erfindung. Ausgerechnet die 39 Plethren aber sind doch völlig unverdächtig.
Die Verhör-Episode könnte sogar zu Lebzeiten der beiden Judas-Enkel von ihnen selbst oder von einem Gemeinde-Bruder, der sich eventuell besser auf's Schreiben verstand, in eine schriftliche Form gebracht worden sein, um den Herrn zu ehren und die Gemeinde zu ermutigen und den beiden Judas-Enkeln ein „Denkmal“ zu setzen. Man kann es mit Dir zusammen auch so formulieren:
"Bekenner und Verwandte des Herrn" - das ist der Stoff, aus dem die Story gestrickt ist.


Auch der Inhalt des Verhörs ist unplausibel:
1. Dass die beiden Bauern Schwielen an den Händen haben, können die lokalen Beamten feststellen. Es ist unsinnig, die zwei nach Rom zu überführen, um die Schwielen vom Kaiser persönlich untersuchen zu lassen.
Richtig. Die beiden sind laut Hegesipp auch überhaupt nicht vor Domitian geführt worden, weil dieser ihre Hände begutachten wollte oder sollte, sondern deshalb, weil sie Davididen waren, und – wie sich aus dem weiteren Verhör ergibt – deshalb, weil sie darüber hinaus Verwandte u. Anhänger eines jüdischen Messias waren, dessen Reich womöglich in Konkurrenz zur römischen Oberherrschaft aufgebaut werden sollte.

2. Die Vermögensverhältnisse der beiden Bauern lassen sich durch die lokalen Behörden zuverlässiger klären als durch ein Interview, das in Rom geführt wird.
Ich gebe Dir Recht, dass die Vermögensverhältnisse den Römern bekannt gewesen sein müssen. Ich kann mir sogar vorstellen, dass, so sich Domitian bzw. seine Mitarbeiter auf das Verhör vorbereitet haben, auch in Rom ein Blick in die Provinzialzensus-Akten getätigt werden konnte, um sich solche Infos zu beschaffen.
Domitian stellte den beiden Judäern laut Hegesipp drei Fragen: erstens, ob sie Davididen seien, zweitens, wie es um ihre Besitzverhältnisse stünde, drittens, was es mit diesem ominösen Christus-Reich auf sich hätte. Die Frage nach den wirtschaftl. Verhältnissen kann zur genauen Identifizierung der beiden beigetragen haben, genauso wie ihre Personalien (Name, Wohnort etc.) mit Sicherheit festgestellt worden sind (Juden mit gleichem Namen und gleichem Wohnort mag es mehrere gegeben haben, weshalb eine genauere Identifizierung über den Besitz vonstatten gegangen sein mag und dann auch gesichert überprüft werden konnte, ob die beiden ihrer Steuerpflicht nachkamen). Man klärte ab, mit wem man es zu tun hatte. Generell mögen die Vermögensverhältnisse für die Römer viel über ihr Gegenüber ausgesagt haben. Die Bewohner der fernen Provinz waren in Rom eben ausschließlich als Steuerpflichtige und -zahler gelistet. Sonst bestand ja keine wesentliche Verbindung zwischen Kaiser u. diesen Provinzialen.
Dass sich die beiden Judas-Enkel mit dem Hinweis, sie seien nur kleine, ehrliche Bauern, von jedem Konspirations-Vorwurf zu befreien gedachten, ist eine andere Sache.

3. Wie gesagt: Um herauszubekommen, was die Jesus-Anhänger glauben, hätte man nicht zwei judäische Bauern nach Rom bringen müssen.
Ja, aber wenn man sich für die potentiell gefährlichen Bewegungen in Judäa interessierte (Anzeige wegen davididischer Abstammung), nutzten einem irgendwelche Christen zu Rom oder in Italien viel weniger als unsere beiden Judäer.

Welche Informationen hatte Hegesipp oder seine Informanten wirklich?
Das wissen wir wohl alle nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Nur Rätseln und Abwägen kann man.

Plausibel erscheinen nur die Informationen, die die "Pointe" bilden: Die Enkel des Judas erhielten "... da sie Bekenner und Verwandte des Herrn waren, führende Stellungen in der Kirche. Nachdem Frieden geworden war, lebten sie noch bis Trajan."
"Bekenner und Verwandte des Herrn" - das ist der Stoff, aus dem die Story gestrickt ist. Mit einer kleinen Anleihe beim Herodes-Motiv. Das wäre jedenfalls der plausiblere Ansatz
Zusätzliche heilsgeschichtliche Ausdeutungen sind auch für eine Geschichte, die auf historischen Tatsachen basiert und in christlichen Kreisen erzählt wird, unbedingt anzunehmen. Das geschilderte Verhör brauchte keine reine Fiktion sein, um von damaligen Christen in einen heilsgeschichtlichen und einen das Christentum glorifizierenden Zusammenhang gestellt zu werden. Das ist doch ein Trugschluss.
 
@Sepiola: Fortsetzung:

Die Frage ist, ob der Hintergrund der Geschichte einen historischen Kern hat. Gab es außer der Judensteuer antijüdische Maßnahmen, von denen die Christen mitbetroffen oder sogar besonders betroffen waren? Maßnahmen, die eventuell vom Kaiser selber ausgingen?

Die paganen Quellen machen ersichtlich, dass Domitian einige hochgestellte Persönlichkeiten, durch die er potentiell seine Herrschaft bedroht sah, ausschalten ließ. Ob der „belanglose Grund“, aus welchem mehrere Senatoren laut Suet.: Dom. 10, 2 verbannt wurden, oder ob die „sehr arrogant wirkende Gleichgültigkeit“ des Flavius Clemens und der „ganz fadenscheinige Verdacht“ gegen ihn, der ihm den Tod bescherte – wie Suet.: Dom. 15, 1 schreibt –, irgendwie auf Zugehörigkeit zum jüdischen oder christlichen Glauben zeugen, ist kaum zu beantworten. Zumindest von Flavius Clemens und seiner Frau Flavia Domitilla sagt Cass. Dio: hist. 67, 14, 1f dass sie wegen Atheismus/ Gottlosigkeit angeklagt waren, und Dio setzt ebd. hinzu: „wegen Gottlosigkeit wurden auch viele andere, die jüdische Sitten angenommen hatten, verurteilt“. Das alles weist erst einmal nur darauf hin, dass Domitian politische und gesellschaftliche Größen, die ihm vllt. zu einflussreich waren, unter anderem mit dem Argument ausschaltete, sie hätten Gottlosigkeit und jüdische Sitte angenommen. Ob das im Einzelfall zutraf und Domitian wirklich auf die Palme brachte, oder ob Domitian diesen Vorwurf nur als Scheinargument vorschob, weiß ich nicht.
Ersichtlich wird daraus zumindest, dass unter Domitian die jüdische (und damit im Verbund wohl auch die christliche) Religion in ziemlichem Verruf stand. Dass Domitian laut Suet.: Dom. 12, 2 die Judensteuer mit Härte eintreiben ließ, scheint dazu zu passen. Allerdings können m. E. bei Domitian in dieser Hinsicht auch einfach wirtschaftliche Motive u. Staatshaushalts-Überlegungen ausschlaggebend gewesen sein. Wenigstens beweist die Judensteuer-Eintreibung, dass es nicht verboten war, Jude zu sein. Man musste als Jude halt nur korrekt seine Steuern zahlen. Ob Domitian an die Senatoren da tatsächlich andere Maßstäbe anlegte, weil diese gewissermaßen ihrer röm. Vorbildfunktion genügen sollten, oder ob, wie gesagt, Domitian einfach nur irgendwelche Gründe brauchte, um unliebsame Senatoren in den Tod oder die Verbannung zu schicken, weiß ich nicht.
Jedenfalls sind das die einzigen mir bekannten Quellen, die etwas über Domitians Umgang mit den Juden aussagen. Ich persönlich zähle allerdings noch den Bericht des Hegesipp dazu, den ich im Hinblick auf die Frage „Domitian und die Juden?“ so deute: In Judäa bestand für die Römer langfristig die Gefahr von Aufruhr und Aufstandsbewegungen unter den Juden. Der worst case würde es sein, wenn sich ein Messias-Prätendent erhob, dem große Teile des jüdischen Volks vermutlich blindlings und fanatisch folgen würden. Also wies der Kaiser seine Amtsträger an, diese Szene in Judäa ganz besonders im Auge zu behalten und es wurden Anzeigen gegen verdächtige Davididen entgegengenommen. Allerdings hat das in meinen Augen wenig bis gar nichts mit der Frage zu tun, wie Domitian mit den jüdischen Diasporagemeinden in Italien, Kleinasien oder sonst wo umging.
Generell wissen wir also wenig über Domitians Maßnahmen gegen Juden im Reich und über die Tragweite solcher Maßnahmen.

Was jetzt Domitian und die Christen anbelangt: In welchem Maße die Römer zwischen jüdischer und christlicher Religion unterscheiden konnten und wollten, oder ob sie die Christen lediglich als spezielle jüdische Messias-Sekte wahrnahmen, ist nicht eindeutig zu beantworten. Immerhin nahmen Tacitus (ann. 15, 44, 2ff), Plinius und Trajan (epist. X 96 u. 97) sowie Sueton (Nero 16, 2) die Christen offensichtlich schon als eigenständige Religionsgemeinschaft wahr. Da alle vier nicht lange nach Domitian schrieben und da ja auch Tacitus u. Sueton bereits dem Nero die Unterscheidung zwischen Juden und Christen attestieren, dürfte dieser Unterschied zumindest dem Grundsatz nach auch Domitian und seine Behörden bekannt gewesen sein (im Einzelfall und Arbeitsalltag mag die Unterscheidung freilich manchmal vernachlässigt worden sein).
Klar ist, dass, wenn alle Juden unter Domitian eine besondere Steuer zu bezahlen hatten und die Pflichtigkeit letztendlich an jüdischer Abstammung und der Beschneidung festgemacht wurde (siehe Suet.: Dom. 12, 2), zumindest die Heidenchristen nicht unter die Juden gezählt werden konnten. Etwas schwerer muss die Differenzierung den Römern in Judäa gefallen sein, denn welche beschnittenen Juden waren da Juden, welche Judenchristen usw.? In Judäa verschwammen die Kategorien. Ein Zeugnis von dieser unübersichtlichen Situation für die Römer mag der Bericht des Hegesipp sein.

Wie steht es nun mit Maßnahmen speziell gegen Christen unter Domitian? Was gibt es da für Hinweise in den Quellen?
1) Der Name Flavia Domitilla ist oben bereits gefallen, weshalb ich hieran als erstes anknüpfe: Euseb.: hist. ecc. III 18, 4 beruft sich auf pagane Geschichtsschreiber, wenn er behauptet, Flavia Domitilla sei die Nichte des Flavius Clemens und Christin gewesen und deshalb von Domitian auf die Insel Pontia verbannt worden.
Aber Cass. Dio: hist. 67, 14, 1f hatte geschrieben, Flavia Domitilla sei die Ehefrau des Flavius Clemens und jüdische Proselytin gewesen und deshalb auf die Insel Pandateria verbannt worden.
Falls man nicht zwei verwandte Frauen gleichen Namens annehmen will, weicht Eusebius also in drei Details von Dio ab und wird folglich einen anderen paganen Schriftsteller zur Hand gehabt haben. Eines dieser Details ist die Religionszugehörigkeit der Domitilla. Ob die Römerin Domitilla sich dem Judentum oder dem Christentum angenähert hatte, will ich nicht beurteilen. Tendenziell würde ich dem Dio eher recht geben wollen, nicht nur weil er etwas früher als Eusebius schrieb, sondern vor allem, weil er anders als Eusebius als Heide nicht in der Versuchung stand, eine hochgestellte röm. Persönlichkeit zur Vertreterin seiner eigenen Religionsgemeinschaft zu machen. Nur weiß ich nicht, ob der von Dio genannte Vorwurf gegen Domitilla „Gottlosigkeit“ und „Annahme jüdischer Sitten“ bei Dio zwangsläufig die Zugehörigkeit zum Judentum aussagen muss oder ob es nicht auch die Zugehörigkeit zum Christentum meinen kann. Wir wissen nicht, ob und in welchem Maße Dio da differenziert hat. Ich will also offen lassen, ob diese Eusebius-Stelle überhaupt etwas Brauchbares zum Thema „Domitians Maßnahmen gegen Christen“ beitragen kann. Eusebius sagt zwar an gleicher stelle auch genereller, dass jene paganen Schriftsteller von einer Verfolgung des christl. Glaubens und von Martyrien der Christen berichten würden, aber er gibt keine nähere Auskunft.
2) Der „Brief an die Korinther“, den nach allgemeiner Annahme (gestützt auf die Überlieferung) ein Vorsteher der röm. Gemeinde namens Clemens in den 90er Jahren (vermutl. um 96 n. Chr.) verfasst hat, gibt in 1.Clem. 1, 1 u. 7, 1 deutliche Hinweise auf eine Bedrückung/ Verfolgung der christl. Kirche zu Rom unter Domitian. Genaueres erfahren wir aber nicht. Die Stellen sind gewiss zu undeutlich, um hieraus auf eine planmäßige Verfolgung der Christen unter Domitian zu schließen, aber wenigstens sind sie ein Indiz für Bedrückungen der Christen unter Domitian.
3) Tertullian schreibt in seinem Apologeticum 5, 4 davon, dass Domitian angefangen hatte, die Christen ähnlich wie einst Nero zu verfolgen, dass er einige verbannte usw., dann aber diese Verfolgung wieder einstellte (wie ja auch Hegesipp von einer Einstellung der Verfolgung der Kirche durch Domitian spricht).
4) Dann ist da noch Euseb.: hist. III 17-18, 1 u. 20, 8f, wo die „Grausamkeiten“ Domitians, seine Verfolgung der Christen (Eusebius zitiert hier auch den Tertullian) und die Verbannung des Evangelisten Johannes genannt werden.
5) Hegesipps Bericht haben wir schon gehabt.
6) Laktanz (mort. Pers. 3, 1-5) lasse ich mal außen vor. Bei ihm wird eigentlich nur deutlich, dass Domitian in der christlichen Überlieferung als Christenverfolger galt.

Schaut man sich das alles i. d. Summe an, so kann man, denke ich, sagen, dass die Christen (zumindest die in Rom, vielleicht aber auch reichsweit) unter Domitian Bedrückung erfuhren und sich dies in der christlichen Überlieferung festgesetzt hat.
 
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