Kaiser, Zar, König und Großherzog in Freiburg

Brissotin

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Für ein paar Tage war Freiburg im wahrsten Sinne des Wortes der Nabel der Welt, denn hier gaben sich einige - oder vielmehr fast alle - der mächtigsten Männer Europas die Klinke in die Hand. Vom Dezember 1813 bis Januar 1814 weilten nicht weniger als 4 Monarchen in Freiburg. Gestern (8. Dez. 2014) hat Herr Prof. Dr. Wolfgang Hug einen Vortrag unter dem Titel "4. Januar 1814 - Zar, Kaiser, König und Großherzog im "badischen" Freiburg" hier in der Uni gehalten.

Die meisten meiner Ausführungen fußen auf meinen Notizen aus dem Vortrag, die ich mit ein paar Anmerkungen anreichern will.

Freiburg lag Ende 1813 auf der Marschroute der alliierten "Südarmee" (eigentlich Böhmischen Armee) unter Schwarzenberg. Als Erster traf Kaiser Franz I. Mitte Dezember 1813 in Freiburg ein. Er wurde wie eine anwesende englische Lady übereinstimmend mit der (eigentlich badischen) Zeitung urteilte enthusiastisch von der Bevölkerung begrüßt, die in ihm den ehemaligen guten Landesvater erkannte.

Mit den Monarchen kamen allerdings auch die Truppen. 644.250 Mann wurden gezählt, die 1813/14 durch das Gebiet marschierten. Viele starben. Die Lazarette in und um Freiburg waren völlig überfüllt und es herrschten unbeschreibliche Zustände. Allein in dem Freiburger Lazarett, welches für 500 Menschen ausgelegt war, wurden über 1.300 untergebracht. Nur in Freiburg starben 1.448 Soldaten in dieser Zeit. Ihnen wurde zeitnah ein 5-Wundenkreuz zum Gedenken errichtet, welches sich heute an der Eschholzstraße im Stühlinger befindet. Bei kaum mehr als 10.000 Einwohnern war die Stadt durch die vielen Truppen zum Bersten gefüllt und wurde mit den gewaltigen Kosten von einigen zigtausend Gulden enorm belastet. Mehrere hundert Einwohner starben wohl im Zuge der eingeschleppten Krankheiten durch die Soldaten. Mit Stadtphysicus, dessen Stellvertreter und den Impfarzt raffte es gleich drei bedeutende Mediziner Freiburgs dahin, die sich offenbar auch um die Kranken kümmerten. Die nach dem Anfall Vorderösterreichs säkularisierten Klöster auch auf dem Schwarzwald wurden als Lazarette verwendet. Zwischen 30 und 40 Toten wurden allein aus Freiburg täglich hinaus getragen.

Die Monarchen tangierte das Sterben in der Gegend scheinbar eher weniger. In ihrem Gefolge kam so ziemlich alles, was Rang und Namen hatte und beschrieb auch die Schönheit Freiburgs insbesondere des Freiburger Münsters. Metternich, dessen Mutter eine geborene Kageneck war, logierte im Hause der Familie. Wilhelm von Humbold, Hardenberg, Herr von Stein, Prinz Wilhelm (der spätere deutsche Kaiser) von Preußen, Prinz Friedrich Wilhelm (der später FW IV.), ein russischer Großfürst, der britische Außenminister - alle weilten in Freiburg und berichteten über die Stadt. Während der Kaiser Franz voller Begeisterung empfangen worden war, kam deutlich später eher unbeachtet der wenig beliebte Großherzog Karl in Freiburg an. Kaiser Franz soll ihm den Rat gegeben haben, dass man sich nunmal die Liebe seiner Untertanen verdienen müsse. Zar Alexander soll auch mit Freiburger Bürgerinnen auf einem Silvesterball getanzt haben. Am 1. Januar besuchte er persönlich den Kaiser und bestellte ihm die Neujahrswünsche, während es ein paar Tage später eine große christlich-orthodoxe Feier der Russen gab.

Doch in Freiburg wurde nicht nur gefeiert, sondern auch Politik gemacht. Zar Alexander I. wollte bspw. verhindern, dass die Armee über die Schweiz marschierte, die er sehr protegierte. Allerdings setzte sich Metternich in der Hinsicht durch. Die Frage, ob Vorderösterreich wieder zu Österreich kommen sollte, wurde freilich auch aufgeworfen. Dazu will ich weiter unten kommen.

Hug riss den 4. Januar 1814 nur ganz kurz an und bemerkte bloß, dass an diesem Tag Freiburgs größter Dichter Johann Georg Jacobi verstorben sei.
Ich möchte hier eine kleine Geschichte einfügen, welche die Bedeutung Jacobis untermauert, der heute eher durch das Urteil Goethes und Kloppstocks in Vergessenheit geraten ist. Damals erfreute er sich in Süddeutschland großer Beliebtheit. Entsprechend war die Anteilnahme der Bevölkerung bei seinem Tod. Sein Sarg wurde unter einem Balkon vorbei getragen worden sein, auf dem sich die Monarchen befangen, worauf diese allesamt die Hüte vor dem Dichter und Aufklärer zogen.
Noch am 8. Januar erschien auf Intiative des Staatsrechtlers Carl von Rotteck in Herders "Teutschen Blättern" das überaus patriotische Neujahrsgedicht Jacobis auf das Jahr 1814. Rotteck pries in einem Nachruf Jacobi in seiner Rolle als Dichter, Menschenfreund (v.a. seine Haltung gegenüber Frauen ist bemerkenswert) und Patrioten.

Die "Teutschen Blätter" erschienen in Freiburg vom 6. Januar bis in den Juni 1814 und kommentierten das Kriegsgeschehen in Frankreich, vor allem aus einer patriotischen Sicht (eigene Verluste kamen kaum vor, eher die Siege wurden herausgestrichen).

Noch nach dem Abzug der Monarchen machte man sich in Freiburg große Hoffnungen. Auf dem Rückweg des Kaisers im Sommer 1814 wurde eine Delegation unter Führung des Bürgermeisters von Freiburg nach Basel geschickt, die den Kaiser erneut nach Freiburg einlud und ein wenig verblümt darum bat wieder unter den Schutz des Hauses Habsburg zu kommen. Insbesondere der als Armenpater damals renommierte Ferdinand Weiß tat sich in der antihabsburgischen Opposition hervor (amüsanterweise zeichnete er sich 1820 bei einem Lob auf Großherzog Ludwig ebenfalls aus). In Wien soll wohl dann tatsächlich Vorderösterreich zur Disposition gestanden haben. Im Grunde war die Agrumentation Badens mehr als dünn. Denn Baden war erst einen Monat nach der Völkerschlacht auf die alliierte Seite übergegangen, hätte also von daher noch eher als Sachsen seine Ansprüche auf Schonung verwirkt. Außerdem war Baden, ebenso wie Württemberg, in weiten Teilen ein Staat aus Frankreichs (man verhandelte in Person Reizensteins schon insgeheim 1796 mit der frz. Rep. über Entschädigungen für linksrheinische Besitzungen) bzw. Napoleons Gnaden und das ging über den Titel des Landesherrn weit hinaus. Erst durch Frankreichs Portektion war Badens Territorium enorm vergrößert worden. In Wien ebenso wie später in Aachen konnte Österreich mit seinem Vorhaben nicht durchdringen. Maßgeblich sollen sich die verwandschaftlichen Bande Zar Alexanders ausgewirkt haben. Sogar eine Zerschlagung Badens soll befürchtet worden sein. Luise von Baden war 1793 mit dem damaligen Großfürsten Alexander geschickt vermählt worden. In der entscheidenden Phase der Verhandlungen soll sie sozusagen als Retterin Badens agiert haben. Außerdem wurde der Zar auch von badischer Seite bestürmt, Baden beizustehen, ein Gesandter soll ihn unter Tränen angefleht haben, alles für das Großherzogtum zu tun.

In Vorderöstereich selbst hatte sich die Stimmung mehrfach gewandelt. 1806 nach dem Anfall Vorderösterreichs an Baden wurde vor allem von Intelektuellen eine Beziehung zwischen dem Breisgau und dem Haus Baden gesucht. Carl von Rotteck und andere begrüßten die neuen Landesherren, nicht zuletzt weil Baden als einer der modernsten Staaten, v.a. durch das Landrecht galt. Ein Freiburger Bäcker soll wohl so badisch geworden sein, dass er reklamierte: "wer nicht will gut badisch sein, steck ich in mein Ofen rein". Neben dem Hinweis der Verwandschaft des Hauses Baden mit den aus der Gegend von Freiburg stammenden Zähringern, was schon 1807 mit der Errichtung des damals nach Karlsruhe weisenden Bertoldsdenkmals im Stadtzentrum von Freiburg manifestiert wurde, bemühte man sich den alemannischen Dialekt als ein Bindeglied nutzbar zu machen (man denke an den für Baden so wichtigen Hebel!)[Anm. von mir]. Mit dem Tod des sehr beliebten Großherzogs Karl Friedrich scheint aber die Stimmung umgeschwungen zu sein, was ja die Begeisterung Anno 1814 für Kaiser Franz und die Versuche Freiburger Bürger und des Adels deutlich wird. Natürlich bewegten sich die proösterreichischen Kräfte am Rande zur Legalität. In dem Zusammenhang muss auch erwähnt werden, dass vom Haus Baden die vorderösterreichischen (allerdings schon unter Maria Theresia entmachteten) Landstände aufgelöst worden waren. Die Hoffnungen in Vorderösterreich überschlugen sich offensichtlich 1814/15. Triumphbögen für eine Heimkehr unter das Erzhaus wurden konzipiert und sogar vorsichtshalber schonmal eine Gedenkmünze geprägt. Nicht zu vergessen sind die Freiwilligen von 1809, die nach dem Krieg nicht mehr zurück konnten und von denen 2 in österreichischen Diensten als Offiziere Karriere machten... Es hat wohl auch von Seiten Badens eine Bespitzelung gegeben und etliche Akten künden von der Beunruhigung in Karlsruhe über die regelrecht landesverräterischen Umtriebe der neuen Untertanen, die auch 1815 nochmals in Basel versuchten, den Kaiser zu einer Intervention im Sinne eines österreichischen Vorderösterreichs und einem Besuch in Freiburg zu bewegen. Hierauf sind mehrere Antworten des Kaisers auf das Gesuch überliefert. Gemein haben sie die Aussage, dass er sich nicht noch untröstlicher machen wollte, indem er seine ehemaligen so treuen Untertanen wiedersähe, die er doch nicht wieder in den beglückten Stand zurück versetzen könne; er habe alles getan, um Vorderösterreich zurück zu bekommen, wäre aber, so leid es ihm täte, damit nicht durchgedrungen. Die badische Regierung zeigte sich nachsichtig mit den Abweichlern und über Androhungen einer Verfolgung ging das Vorgehen gegen die proösterreichische Opposition nicht hinaus.

Spannend ist an der ganzen Geschichte des Monarchentreffens dieses Nebeneinander von Diplomatie, Festivitäten und Krieg.
 
Spannend ist an der ganzen Geschichte des Monarchentreffens dieses Nebeneinander von Diplomatie, Festivitäten und Krieg.
Unbestritten wohl, dass durch die einziehenden Monarchen, Diplomaten, Offiziere mit Dienerschaft im Nu jedes Zimmer, jedes Bett vergeben war, was zu enormen Preissteigerungen führte. Und sicher auch, dass es neben der prekären med. Versorgung Engpässe bei der Versorgung gab.

"Die Gymnasiasten - wie etwa Franz von Andlaw, der Sohn des badischen Premierministers - feuerten mit Wonne ihre Lateinbücher in die Ecke, und statt Vokabeln zu büffeln, liefen sie aus dem Haus, um die Truppen zu bewundern, die zu Fuß und zu Pferd stolz durch die Stadt zogen: verwegene ungarische Grenadiere; Husaren mit flatternden Federbüschen auf den hohen Tschakos und die ersten Kosaken, die man in diesen Breiten je zu Gesicht bekommen hatte. Begeistert erkannten die Schulbuben alle Helden der Schlachten aus letzter Zeit - die meiste Bewunderung galt General Fürst Wrede, der auf einem prächtigen Streitroß saß, ganz so, als wäre er nicht vor kaum fünf Wochen als unrettbar aufgegeben gewesen und trüge nicht noch immer eine Gewehrkugel im Bauch, welche die Ärzte nicht zu entfernen wagten." [1]

Daneben "bestaunten die Freiburger Damen den Hauf der Troßweiber, die mit Bündeln und Tornistern beladen waren wie Packpferde; sie hatten bunt zusammengewürfelte Uniformstücke an, und die ungarischen Marketenderinnen saßen hoch zu Roß, sogar im Männersitz wie die Kavalleristen!" [1]

Zu [1] Für dich sicher interessant, dass die Autorin sich auf diese Quelle bezieht: Franz von Andlaw, "Mein Tagebuch, Auszüge aus Aufschreibungen der Jahre 1811 bis 1861, Frankfurt/Main 1862 I, 25 ff
MDZ-Reader | Band | Mein Tagebuch / Andlaw, Franz von

"Die pittoresken Kosaken, deren Einrücken die Freiburger bejubelt hatten, erwiesen sich als schwierige Kantonisten. Truppen des Großfürsten Konstatin plünderten Bauernhöfe, steckte Dörfer in Brand und äscherten sogar Wirtschaftsgebäude auf dem Gut des Barons Andlaw ein, der als Gastgeber des Zaren fungierte." [1]
Zum Typhus, den die Truppen einschleppten, hast du bereits ausgeführt.
Doch in Freiburg wurde nicht nur gefeiert, sondern auch Politik gemacht. Zar Alexander I. wollte bspw. verhindern, dass die Armee über die Schweiz marschierte, die er sehr protegierte. Allerdings setzte sich Metternich in der Hinsicht durch.
Ja, wohl eine Nummer, die das schwierige Verhältnis zwischen Rußland und Österreich offenlegte. Metternich hatte alles in die Wege geleitet, Lebzeltern teilte ihm mit, dass der Durchmarsch erfolgen könne, "wenn die Armeen strenge Disziplin hielten und den Schweizern Versorgungsgütern bar in harter Währung bezahlten." [1]
Dieses Mal konnte der Fürst den Zaren überspielen, der "den Übertritt in die Schweiz als Kriegserklärung an ihn selbst auffassen würde."
"Ich allein", schrieb Metternich an Wilhelmine [von Sagan], " gegen den Rat meines lieben Kaisers A. Ich, der ich einen Zwist mit ihm riskierte und im Fall eines Fehlschlages einen Zwist mit Europa - dennoch wagte ich es, alles auf mich zu nehmen. Jede Stunde, jede Minute zählt - die Welt knirschte in ihren Angeln." [1]
Militärisch wurde die Aktion ein voller Erfolg, das Verhältnis von Metternich und Alexander I. blieb beschädigt und schon wenig später musste Metternich wütend erleben, dass Alexander Norwegen an Schweden gab, oder völlig widerrechtlich Elba an Napoleon. Der Eklat folgte auf dem Wiener Kongress als der Zar Franz I. die Entlassung des Fürsten nahelegte, gar Clemens zum Duell forderte.

Grüße
excideuil

[1] Gies Mc Guigan, Dorothy: „Metternich, Napoleon und die Herzogin von Sagan, Verlag Fritz Molden, Wien-München-Zürich-Innsbruck, 1979, Seiten 202 ff
 
Mit den Monarchen kamen allerdings auch die Truppen. 644.250 Mann wurden gezählt, die 1813/14 durch das Gebiet marschierten. Viele starben. Die Lazarette in und um Freiburg waren völlig überfüllt und es herrschten unbeschreibliche Zustände.
644.250 ist eine gewaltige Zahl!
Aber mit Sicherheit sind alle diese 644.250 nicht in die Stadt und eingepfercht worden.

Eine schöne Gelegenheit, über Relationen nachzudenken. 1812 hatte die Stadt Freiburg ca. 10.100 Einwohner. Einwohnerentwicklung von Freiburg im Breisgau ? Wikipedia Das wird 1813/14 kaum anders gewesen sein, denn für 1818 liegt keine wesentlich höhere Einwohnerzahl vor.

Interessanterweise war Freiburg 1813/14 nicht mehr durch gewaltige Festungsanlagen eingeengt, die Festungsanlagen waren ein halbes Jahrhundert zuvor gesprengt worden - damit fehlte also zur Einquartierung die frühere militärische Infrastruktur*). Verblüffenderweise waren zu der Zeit, da Freiburg noch Festung war, die Militärgrundstücke umfangreicher als das Stadtgelände selber. (Ein Phänomen, das auf viele Festungsstädte zutrifft) - diese Kapazitäten fehlten also.

Was also blieb zusätzlich zur mit der Einquartierung massiv überforderten Stadt? Das geräumige Dreisamtal, die flache Gegend bis hin zum Tuniberg. Heute leben in diesem Gebiet weniger als 600.000 Menschen.

Kurzum ist zu konstatieren: mit dieser Truppenzahl, egal ob noch militärische Infrastruktur vorhanden oder nicht, war die Region um Freiburg absolut total überfordert. Kein Wunder, dass die Zustände als katastrophal überliefert sind.
_________
*) so umfangreich die Vaubansche Festung auch war, sie hätte inklusive der Schloßbergzitadellen und Anschlußschanzen maximal ca. 50.000 Leuten kurzfristig beengte aber trockene Unterkunft bieten können
 
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644.250 ist eine gewaltige Zahl!
Aber mit Sicherheit sind alle diese 644.250 nicht in die Stadt und eingepfercht worden.

Eine schöne Gelegenheit, über Relationen nachzudenken. 1812 hatte die Stadt Freiburg ca. 10.100 Einwohner. Einwohnerentwicklung von Freiburg im Breisgau ? Wikipedia Das wird 1813/14 kaum anders gewesen sein, denn für 1818 liegt keine wesentlich höhere Einwohnerzahl vor.

Interessanterweise war Freiburg 1813/14 nicht mehr durch gewaltige Festungsanlagen eingeengt, die Festungsanlagen waren ein halbes Jahrhundert zuvor gesprengt worden - damit fehlte also zur Einquartierung die frühere militärische Infrastruktur*). Verblüffenderweise waren zu der Zeit, da Freiburg noch Festung war, die Militärgrundstücke umfangreicher als das Stadtgelände selber. (Ein Phänomen, das auf viele Festungsstädte zutrifft) - diese Kapazitäten fehlten also.
Prof. Dr. Hug gab etwa 10.100 Einwohner an, von denen in der Zeit etwa 200 starben. Das ist vergleichbar mit einer Ruhrepedemie in den 1760ern in Schwäbisch Hall, wo auch innerhalb eines Monats pro Jahr jeweils 100 bis 200 Menschen mehr als in einem normalen Jahr starben.

Statt der Befestigungsanlagen wurden allerdings Kasernenbauten in den 1770ern angelegt. Es gab eine Artilleriekaserne von der meines Wissens nur noch ein Fragment (ich glaube ein Torbogen oder sowas mit dem Wappen der vorderösterr. Stände) erhalten ist. Außerdem steht heute noch ein entkernter, weil im 2. Weltkrieg ausgebrannter Abschnitt der Karlskaserne. Ob diese Bauten evtl. schon mit badischen Einheiten ausgelastet waren, vermag ich nicht zu sagen. Anders als noch in der Festungszeit waren auch viele Klöster in und um die Stadt "frei geworden". Das Schicksal der berühmten Bibliothek in St. Peter im Zuge des Anfalls an das Haus Baden und der damit verbundene Vandalismus ist recht gut bekannt.

Was mich erstaunte, war das zahlreiche Sterben der Soldaten in der Region, wo es ja zumindest 1814 keine nennenswerten Kampfhandlungen gab (die Zeit der umfangreichen Kämpfe war eher in den 1790ern). Erklärt wird das nur durch den Aspekt der Zwischenetappe für scheinbar viele Einheiten. Wo viele Truppen an einem Ort längere Zeit liegen, wird eben auch oft gestorben.
 
Ja, wohl eine Nummer, die das schwierige Verhältnis zwischen Rußland und Österreich offenlegte. Metternich hatte alles in die Wege geleitet, Lebzeltern teilte ihm mit, dass der Durchmarsch erfolgen könne, "wenn die Armeen strenge Disziplin hielten und den Schweizern Versorgungsgütern bar in harter Währung bezahlten." [1]
Dieses Mal konnte der Fürst den Zaren überspielen, der "den Übertritt in die Schweiz als Kriegserklärung an ihn selbst auffassen würde."
"Ich allein", schrieb Metternich an Wilhelmine [von Sagan], " gegen den Rat meines lieben Kaisers A. Ich, der ich einen Zwist mit ihm riskierte und im Fall eines Fehlschlages einen Zwist mit Europa - dennoch wagte ich es, alles auf mich zu nehmen. Jede Stunde, jede Minute zählt - die Welt knirschte in ihren Angeln." [1]
Militärisch wurde die Aktion ein voller Erfolg, das Verhältnis von Metternich und Alexander I. blieb beschädigt und schon wenig später musste Metternich wütend erleben, dass Alexander Norwegen an Schweden gab, oder völlig widerrechtlich Elba an Napoleon. Der Eklat folgte auf dem Wiener Kongress als der Zar Franz I. die Entlassung des Fürsten nahelegte, gar Clemens zum Duell forderte.
Militärisch gesehen fragt sich auch nach einer Alternative. Gegenüber von Freiburg, auf der gewöhnlichen Strecke über Breisach, lag Festung Neuf Brisach. Das wurde auf jeden Fall 1814 mit einer Blockade belegt. In wiefern es den Vorstoß von Schwarzenbergs Armee wirklich aufhalten konnte, wäre die andere Frage.

Generell konnten ja die Alliierten auch nicht ahnen, dass es so rasch mit Napoleons Kräften aus sein würde. Man wollte gewiss Napoleon zuvor kommen, dass er nicht 1814 neue Truppen ausheben konnte. Jedes Stückchen besetzes Frankreich (egal ob das erst nach 92 erworbene oder das Kernland) musste ihm schaden, weil dann dort keine Aushebungen möglich und auch überhaupt keine Ressourcen abgeschöpft werden konnten (Steuern, Fourage etc.). Das wird dazu beigetragen haben, dass keine Armee in die Winterquartiere ging, sondern der Feldzug, v.a. gemessen an den Erschöpfungen der eigenen Truppen durch und nach Leipzig, recht unerbittlich fortgesetzt wurde.

Im Grunde hatte ja Napoléon 1814 nicht mehr die Truppen, um ernsthaft etwas den Alliierten entgegen zu setzen. Klar ging manche Schlacht verloren, wenn er nicht energisch mit gebündelten Kräften attackiert wurde. Doch letztlich gingen ihm eben schon soviele Verbände durch den Zusammenbruch des Rheinbundes und dann auch der norddeutschen französischen Departements ab, dass die Übermacht der Verbündeten bedeutete, dass die Zeit eindeutig gegen ihn lief. Selbst wenn die Verbündeten im Vormarsch öfter inne gehalten hätten, wäre ja auch Wellington von den Pyrenäen her noch weiter nach Innerfrankreich vorgestoßen.

Wenn man sich die Auswirkungen eines solchen Bandwurms von Armee mit den Krankheiten in Freiburg anschaut, ist es fast verständlich, dass man diese Bürde lieber dem Feind auferlegen wollte. Auf gegnerischem Gebiet zu opperieren schonte das eigene. Die Schweiz war ja eigentlich auch nur ein Vasallenstaat Napoleons.
 
Militärisch gesehen fragt sich auch nach einer Alternative. Gegenüber von Freiburg, auf der gewöhnlichen Strecke über Breisach, lag Festung Neuf Brisach. Das wurde auf jeden Fall 1814 mit einer Blockade belegt. In wiefern es den Vorstoß von Schwarzenbergs Armee wirklich aufhalten konnte, wäre die andere Frage.
Folgt man Zamoyski, dann war die Absicht, über die Schweiz zu marschieren, Teil des alliierten Planes: "Metternich sah nicht ein, warum der gesamte strategische Plan der Alliierten konterkariert werden sollte, nur um auf Alexanders Gefühle Rücksicht zu nehmen." [1] Damit scheint mir auch die Frage nach einer mögl. Alternative beantwortet.
Was nun die große Zahl von Soldaten - von Prof. Hug - angeht, die in #1 genannt wurde, bin ich skeptisch, Metternich sprach in einem Brief an seine Frau von 180000 Mann, die über die Schweiz in Frankreich einmarschierten. Zudem überquerte die Schlesische Armee unter Blücher bei Kaub den Rhein und die Nordarmee kam über Belgien. Wie die hohe Zahl daher zustande kommt: :grübel:kann ich mir nicht erklären.
Generell konnten ja die Alliierten auch nicht ahnen, dass es so rasch mit Napoleons Kräften aus sein würde. Man wollte gewiss Napoleon zuvor kommen, dass er nicht 1814 neue Truppen ausheben konnte. Jedes Stückchen besetzes Frankreich (egal ob das erst nach 92 erworbene oder das Kernland) musste ihm schaden, weil dann dort keine Aushebungen möglich und auch überhaupt keine Ressourcen abgeschöpft werden konnten (Steuern, Fourage etc.). Das wird dazu beigetragen haben, dass keine Armee in die Winterquartiere ging, sondern der Feldzug, v.a. gemessen an den Erschöpfungen der eigenen Truppen durch und nach Leipzig, recht unerbittlich fortgesetzt wurde.
So unerbittlich war das gar nicht. Mit der Zurückdrängung der Franzosen hinter den Rhein war das primäre Kriegsziel, Deutschland zu befreien erreicht und der - bisherige - Feldzugsplan endete am Rhein. Die Idee, den Krieg nach Frankreich zu tragen, hatten nur wenige. Alexander, der unbedingt als Sieger in Paris einmarschieren wollte oder Blücher, der Rache für Jena nehmen wollte oder Stein, der Frankreich etliche Gebiete abtrennen wollte ... Die russische Generalität sah das Ziel erreicht, die Truppen wollten in die Heimat ... Auch die Österreicher hatten mächtigen Respekt vor Napoleons Feldherrentalent. Viele sahen als große Gefahr, dass sich das franz. Volk um seinen Kaiser scharen könnte.
Und, nicht unwichtig, der bisherige Verteidigungskrieg würde in einen Eroberungskrieg münden!
Nicht zuletzt hatte es diplomatische Gründe. Metternich unterbreitete immer wieder Angebote an Napoleon, ihm war ein starkes Frankreich als Gegengewicht gegen Rußland wichtig. So einig waren die Alliierten gar nicht.

"Der Feldzug in Frankreich 1814 war so brilliant wie nur irgendeiner, den Napoleon je geführt hat." [2] Aber es war nur eine Frage Zeit, bis er der Überlegenheit der Alliierten unterliegen musste.

Grüße
excideuil

[1] Zamoyski, Adam: 1815 - Napoleons Sturz und der Wiener Kongress, C.H. Beck, München, 2015 (2007), Seite 164
[2]
Rothenberg, Gunther: „Die Napoleonischen Kriege“, Brandenburgisches Verlagshaus in der Dornier Medienholding GmbH, Berlin, 2000, Seite 182
 
Zuletzt bearbeitet:
1.
Was nun die große Zahl von Soldaten - von Prof. Hug - angeht, die in #1 genannt wurde, bin ich skeptisch, Metternich sprach in einem Brief an seine Frau von 180000 Mann, die über die Schweiz in Frankreich einmarschierten. Zudem überquerte die Schlesische Armee unter Blücher bei Kaub den Rhein und die Nordarmee kam über Belgien.

2.
So unerbittlich war das gar nicht. Mit der Zurückdrängung der Franzosen hinter den Rhein war das primäre Kriegsziel, Deutschland zu befreien erreicht und der - bisherige - Feldzugsplan endete am Rhein.
1.
Ja, das sehe ich ebenfalls so. Selbst wenn die selbe Armee auf dem Rückweg wieder im Ganzen durch Freiburg marschiert wäre, wofür ich keine Hinweise kennen würde, käme man nicht auf diese extrem hohe Zahl. Das Seltsame war für mich auch, dass nicht von "etwa 600.000" die Rede war, sondern diese exakte Zahl nochmal am Ende des Vortrags an die Wand geworfen wurde.

2.
Mit unerbittlich meine ich, dass man nicht nach Leipzig irgendwo rechtsrheinisch erstmal ein paar Monate einen Halt eingelegt hat. Es ist ja keine Neuigkeit, dass Truppen, die im Winter kämpfen müssen, noch größere Strapazen zu bewältigen haben, als es im "Sommer" der Fall wäre. Viele Feldzüge (1805 im Dezember mit Austerlitz, 1809 im Herbst nach Wagram) endeten auch damals noch mit Jahresende und begannen im Frühjahr. Andererseits gab es schon im 17. Jh. (die Überquerung des Haffs mit Schlitten durch den Gr. Kurfürst bspw.) Beispiele einer Fortsetzung des Krieges im Winter. Napoléon scheint sich daran selber nicht mehr gestört zu haben, wenn man sich den Polenfeldzug 1807 bis zur Schlacht bei Preußisch-Eylau anschaut, allerdings auch mit den Konsequenzen (Schneestürme etc.). Natürlich hatte auch der Gegner mit den selben Konsequenzen zu kämpfen, den man durch die Angriffe auf Trab hielt. Wenn man aber unbedingt auf Schonung der eigenen Truppen aus ist, dann versuchte man den Feldzug im Winter wenigstens für ein paar Monate pausieren zu lassen.
 
Mit unerbittlich meine ich, dass man nicht nach Leipzig irgendwo rechtsrheinisch erstmal ein paar Monate einen Halt eingelegt hat. Es ist ja keine Neuigkeit, dass Truppen, die im Winter kämpfen müssen, noch größere Strapazen zu bewältigen haben, als es im "Sommer" der Fall wäre. Viele Feldzüge (1805 im Dezember mit Austerlitz, 1809 im Herbst nach Wagram) endeten auch damals noch mit Jahresende und begannen im Frühjahr. Andererseits gab es schon im 17. Jh. (die Überquerung des Haffs mit Schlitten durch den Gr. Kurfürst bspw.) Beispiele einer Fortsetzung des Krieges im Winter. Napoléon scheint sich daran selber nicht mehr gestört zu haben, wenn man sich den Polenfeldzug 1807 bis zur Schlacht bei Preußisch-Eylau anschaut, allerdings auch mit den Konsequenzen (Schneestürme etc.). Natürlich hatte auch der Gegner mit den selben Konsequenzen zu kämpfen, den man durch die Angriffe auf Trab hielt. Wenn man aber unbedingt auf Schonung der eigenen Truppen aus ist, dann versuchte man den Feldzug im Winter wenigstens für ein paar Monate pausieren zu lassen.
Unter diesem Aspekt habe ich damaligen Verhältnisse noch gar nicht betrachtet.
Zwischen der Völkerschlacht von Leipzig und dem Einmarsch in Frankreich lagen dann doch rund 8 Wochen, wohl genug Zeit, um die Truppe zu erholen, zu verpflegen etc. Auch kann man die verkehrstechn., logistischen etc. Möglichkeiten im Westen Deutschlands kaum mit denen in Austerlitz oder Pr. Eylau vergleichen.

Der Grund, warum der Einmarsch nach Frankreich dann doch erfolgte war, dass man zwar am Rhein stand, es aber kein Ergebnis mit Frankreich gab. Es gab keine Kapitulation, keinen Waffenstillstand, nichts, was Grundlage gewesen wäre, den Feldzug zu beenden oder auf das Frühjahr zu verschieben - mal von der Frage abgesehen, wie das denn hätte aussehen sollen.
Nein, es musste ein Ergebnis her, da alle Beteiligten Interessen hatten, die erledigt werden wollten: Rußland wollte Polen, Preußen eine Vergrößerung auf 10 Millionen Einwohner, England Belgien mit Holland vereinigen, Österreich hatte Interessen z.B. in Italien ... Im November in Frankfurt hatte sich gezeigt, dass es noch viele anderer Interessen von Königen, Fürsten und und gab. Das ließ sich doch aber erst regeln, wenn es klare Verhältnisse mit Frankreich gab, sprich Frankreich auf die Gebiete vertraglich verzichtet hatte, die neu verteilt werden sollten.

Grüße
excideuil
 
644.250... Geschichte bewirft sich gern mit Zahlen
Grade diese zu definieren dürfte entsprechend schwer fallen.

Unbestritten bewegten sich in diesem Zeitraum neben regulären Truppenkörpern immer noch Ströme zerschlagener Menschen jeglicher Nation
aus vorangegangenen Konfrontationen. Das Chaos zu übersehen hatte man schon damals aufgegeben. (Siehe z. B. Planert)

Anhand der Standesbücher der vielen Orte an den gängigen West-Ost Routen kann man ersehen welche Siechen diese Heerwürmer im Handgepäck mitschleppten. Intressant auch die steigende Zahl unehelicher Geburten...

Süddeutschland war längst kahlgefressen, die Gemeinden de facto pleite.
Missernten und Hochwasser dazu.

Doch das nur am Rande.

Strategisch:

Kaum gab es 20 Jahre levee en masse, hatte sich wohl auch bei den ebenfalls dazu genötigten Kriegsgegnern Frankreichs die Aufteilung in Divisionen durchgesetzt.
Schnell erkennt auch der militärich unversierte das solche Menschenmassen nicht geballt ziehen können.
So teilte man eigenständige Truppenkörper, eben Divisionen, verschiedene Routen zum gedachten Zielort.

Schon 1812 wurden wieder Trains, also Versorgungseinheiten, und Depots in französischen und Rheinbundtruppen aufgestellt.
Denn die Versorgung der Truppe aus dem jeweiligen Gebiet in dem sie operierte stieß selbst in dichtbesiedelten Gegenden schnell an logistische Grenzen, in dünnbesiedelten ,siehe Rußlandfeldzug, unmöglich.
Neben diesen Schwierigkeiten bedenken wir die enormen Kosten für die Bevölkerung in den entsprechenden Gebieten, von deren Entbehrungen mal ganz abgesehen. Der Unmut der Bauern war einem also gewiss.

Es blieb schon dem revolutionärem Frankreich, das mit der Pleite rang, nichts übrig als seine Truppen zum Futtern ins Ausland zu senden. Aus eben diesem Grunde dürften auch die Alliierten 1813/14 keinen Moment gezögert haben ihre Truppen nach Frankreich hineinzuschicken.

Kurz und bündig: Die neue Art der Kriegführung macht stehende Heere
teuer, zwingt zur Bewegung und fordert den Angriffskrieg.
Mal eben im Winter ne Pause einlegen is nicht...

Grüsse Geschichteleser
 
Nicht zu unterschätzen ist sicherlich der schnelle Rheinübergang der schlesischen Armee Blüchers bei Kaub ,also eigentlich an einer denkbar ungeeigneten Stelle.
Hätte es diesen Übergag nicht gegeben,hätte Frankreich ,das sich noch im Besitz der linksrheinischen Festungen befand sicherlich die Rheinlinie bis zu einem möglichen Friedensschluss halten können.
 
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