Kaiserliches Anspruchswappen des Schwarzen Prinzen in BL Stowe MS 594?

muck

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Hallo,

das Ordensbuch des Hosenbandordens des Wilhelm von Brügge (Stowe MS 594 c. 1440) reiht unter die Anspruchswappen (Annotation der British Library) des "Schwarzen Prinzen" – des Sohnes Eduards III. von England – den römisch-deutschen Doppeladler. Ist die Annotation falsch, oder erhoben die Plantagenets tatsächlich Anspruch auf die Kaiserkrone? Freilich gab es in seinem Haus mit Richard von Cornwall einen römisch-deutschen (Gegen-)König, aber natürlich war die Krone de jure nicht erblich, außerdem zeigt die Darstellung gerade nicht den einfachen Adler des deutschen Königtums, sondern den Doppeladler des gekrönten Kaisers. Seltsam!

Freue mich auf Informationen und Denkanstöße.
 
Eine Überlegung dazu:

Der Doppeladler war das Wappen des Kaisers und nicht ursprünglich das Wappen des Heiligen Römischen Reich. Im Heiligen Römischen Reich ist der Doppeladler (in Schwarz auf Gold, wie ihn das Bild zeigt) nach derzeitigen Forschungsstand erstmals unter Kaiser Sigismund um 1433 nachgewiesen.

Der "schwarze Prinz" starb 1376 - das Ordensbuch ist, wenn ich den Beitrag von Muck richtig gelesen habe, um 1440 entstanden und somit keine zeitgenössische Quelle, was vielleicht den Doppeladler in der Zeichnung erklären könnte. Wilhelm von Brügge wird da, was den "schwarzen Prinzen" betrifft, doch eher die Vorstellung seiner Zeit über diesen wiedergegeben haben.

Hier wäre sicher interessant zu prüfen, wie sich das englische Königreich um 1440 selbst inszeniert hat. Mit dem "Vertrag von Arras" (1435) zwischen dem französischen König und dem Herzog von Burgund hatte die englische Politik eine, vielleicht sogar die entscheidende Niederlage im Hundertjährigen Krieg hinnehmen müssen, auch wenn dann noch ca. zwei Jahrzehnte (bis 1453) gekämpft wurde.

Vielleicht spielt der Doppeladler auch auf eine Legende an, die zu dieser Zeit bereits für Fakt gehalten wurde. Dieser Legende nach soll Prinz Edward nach der Schlacht von Crécy (1346) über das Schlachtfeld gestreift und dort die Leiche des böhmischen Königs Johann "des Blinden" entdeckt haben. Teile von Edwards Wappen, wie der Helmschmuck, die Straußenfedern und seinen Wahlspruch "Ich dien an sich" soll er von König Johann übernommen haben, dessen Teilnahme trotz Blindheit an dieser Schlacht in der zeitgenössischen Überlieferung, und übrigens noch bis ins 19. Jahrhundert, jedenfalls äußerst positiv gewertet wurde. (Dass das im 20. Jahrhundert dann anders gesehen wurde, ist hier unwichtig.)

Johann von Böhmen war zwar weder Kaiser noch römischer König, aber der Sohn von Kaiser Heinrich VII., der Vater von Kaiser Karl IV. und der Großvater von König Wenzel und Kaiser Sigismund. Sigismund wiederum war es nach dem aktuellen Forschungsstand, der erstmals den Doppeladler verwendet hat.

Die Darstellung bei Wilhelm von Brügge könnte durchaus dessen Vorstellung von Edward als "Erbe von König Johann" wiedergeben.
 
Denkbar wäre es natürlich, dann handelte es sich um ein sog. Gedächtniswappen, historische Querverweise, auf die der Wappenträger aufmerksam machen möchte, weil sie ihn aufwerten. Ich weiß nicht, ob im Englischen ein eigener Ausdruck dafür existiert, an die Möglichkeit hatte ich aufgrund der Annotation ("claim") nicht gedacht.

Einen Pferdefuß hat die Theorie natürlich; wenn der Autor des Buches auf Johanns Tod verweisen wollte, hätte es eher Sinn ergeben, Eduard den böhmischen oder den luxemburgischen Löwen beizugeben.

@El Quijote

Danke für den Link, ich hatte den Verweis zum Original-Manuskript aus Frustration nicht eingebaut – die BL-Server antworten andauernd nicht. Da klickst du zwanzigmal und kommst vielleicht einmal durch.
 
Ich kann mir vorstellen, dass sich das Reichswappen nur indirekt auf den Schwarzen Prinzen, als Erben von Eduard III, bezieht. Zu Beginn des Hundertjährigen Krieges hatte Ludwig IV der Bayer Eduard III zum Reichsvikar des HRR ernannt (Koblenz, 1338). Vielleicht wollte man dieses Amt zu Prestige-Zwecken ebenfalls im Wappenbuch des Hosenbandordens aufgeführt haben, obwohl das Amt nur gelegentlich verliehen wurde und schon gar kein Erblehen war - und bei Eduard fehlte bei seinen vielen Ansprüchen im Wappenbuch einfach der Platz für ein zusätzliches Wappen.
 
Black Prince - Ausschnitt Wappentafel.png

Ich frage mich ja, ob William Bruges diese Seite nicht fertig gestaltet hat. Drei der eingezeichneten Wappen sind völlig leer, und das links oberhalb des mumaßlichen imperialen Reichsadlers scheint mir doch unvollständig. Klar gab es Wappen die in vier Feldern bloß zwei Farben hatten, aber es drängt sich der Eindruck auf, dass hier ein fünftes Mal das Wappen mit den kapetingischen fleur de lis und den drei Leoarden dargesetellt werden sollte, die Zeichnung aber dann liegen gelassen und vergessen(?) wurde.

Edit: Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch auf anderen Wappentafeln viele Leerstellen, wie etwa hier beim Conte du Salisbury, William (dessen Wappenrock man beachte, auch hier der - allerdings einköpfige - schwarze Adler auf goldenem Grund):
William Conte du Salisbury - Wappenrock beachten.png


Die Reyes Católicos (RRCC) in Spanien verwendeten den Adler wegen ihrer Neigung zum Evangelisten Johannes --> Juan (dessentwegen sie ihre beiden Erstgeborenen ja auch Juan und Juana (späterer Beiname die Wahnsinnige) nannten).

Escudo_Reyes_Catolicos.png


Die Wand im Chorbereich von San Juan de los Reyes in Toledo - diese Kirche hatten sich die RRCC als Grablege errichtet - zeigt eine ganze Wand voller Adler, hier ein Ausschnitt.

San Juan de los Reyes - Wand Chorbereich.png


Man beachte den Unterschied zum obigen Wappen: Der Granatapfel fehlt noch. Die Kirche wurde 1476 bis 1495 errichtet. Der Krieg von Granada 1482 - 1491/2 (de facto nur bis 1491, nur war eben mit Boabdil vertraglich ausgehandelt worden, dass er die Schlüssel zur Alhmabra am 2. Januar 1492 übergäbe, weshlab immer das Jahr 1492 genannt wird) war also bei den Planungen und ersten Bauten der Kirche noch nicht absehbar. Letztlich wurde die Grablege der RRCC die Capilla Real, ein Anbau der Kathedrale von Granada. Dort liegen die RRCC und die Eltern von Karl V., Juana la Loca (Johanna die Wahnsinnige) und Phillip der Schöne von Habsburg. Alle späteren Könige Spaniens liegen im Escorial bestattet, wobei die Königskapelle jetzt voll ist, seitdem die Eltern von Juan Carlos (die ja eigentlich nie Könige Spaniens waren) dort liegen.

Aber ich lenke ab (und kann mir nicht verkneifen, dass Juan Carlos und Sofia, sowie Felipe und Leticia nicht sterben können, weil es ja keine Urnen mehr für sie in der Königsgruft gibt).
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich kann mir vorstellen, dass sich das Reichswappen nur indirekt auf den Schwarzen Prinzen, als Erben von Eduard III, bezieht. Zu Beginn des Hundertjährigen Krieges hatte Ludwig IV der Bayer Eduard III zum Reichsvikar des HRR ernannt (Koblenz, 1338). Vielleicht wollte man dieses Amt zu Prestige-Zwecken ebenfalls im Wappenbuch des Hosenbandordens aufgeführt haben, obwohl das Amt nur gelegentlich verliehen wurde und schon gar kein Erblehen war - und bei Eduard fehlte bei seinen vielen Ansprüchen im Wappenbuch einfach der Platz für ein zusätzliches Wappen.
Das ist ein interessanter Hinweis, Danke!
Anhang anzeigen 22712
Ich frage mich ja, ob William Bruges diese Seite nicht fertig gestaltet hat. Drei der eingezeichneten Wappen sind völlig leer, und das links oberhalb des mumaßlichen imperialen Reichsadlers scheint mir doch unvollständig. Klar gab es Wappen die in vier Feldern bloß zwei Farben hatten, aber es drängt sich der Eindruck auf, dass hier ein fünftes Mal das Wappen mit den kapetingischen fleur de lis und den drei Leoarden dargesetellt werden sollte, die Zeichnung aber dann liegen gelassen und vergessen(?) wurde.
Das wäre natürlich denkbar. Leider kann ich den Text überhaupt nicht lesen.
Edit: Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch auf anderen Wappentafeln viele Leerstellen, wie etwa hier beim Conte du Salisbury, William (dessen Wappenrock man beachte, auch hier der - allerdings einköpfige - schwarze Adler auf goldenem Grund): Anhang anzeigen 22713
Das ist der grüne Adler auf goldenem Grund von Monthermer, Wilhelm war auch Baron Monthermer.
 
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Nachtrag:

Die Wikipedia konnte tatsächlich zur Lösung des Rätsels beitragen, die Annotation der British Library war schlichtweg falsch. Bei den abgebildeten Wappen auf der stehenden Tafel handelt es sich nicht um Wappen von Eduards (dynastischen) Vorgängern, sondern sozusagen um seine räumlichen Verwandten: Es wird dargestellt, wie sein Wappenschild in der Hauskapelle des Hosenbandordens aufgehängt war.

Die Schilde befinden sich dort in Wandnischen und an Säulen, überraschend ungeordnet. Allerdings ließ Wilhelm die Schilde zweier Ritter aus, die damals dort schon gehangen haben müssen, und mindestens ein Schild ist unvollkommen (oder er wurde umgehängt, was offenbar auch vorkam). Die anderen abgebildeten Schilde sind die von Richard von Bordeaux (später Richard II.), Johann von Gent, Heinrich von Monmouth (später Heinrich V.), und König Sigismund. Der Doppeladler ist der Seine.
 
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