Kampf der Arbeiter um Rechte und ihre ökonomischen Interessen

Hallo ich würde interessieren ob es Arbeitskämpfe in Deutschland gab mit blutigen Ausgang?
Und kann man mit Literatur nennen zum Thema Arbeiterkampf, Gewerkschaftsbildung, Flächentarifvertag, Arbeitsnehmerrechte.... .

DAS Standardwerk ist ohne jede Frage: Gerhard A. Ritter / Klaus Tenfelde: Arbeiter im deutschen Kaiserreich, Bonn 1992

Ist sehr umfangreich und behandelt sowohl sozial-, als auch wirtschafts- und mentalitätsgeschichtliche Aspekte. Umfasst ungefähr den Zeitraum zwischen 1815 und 1914. Reich an Quellen und auch die ein oder andere unterhaltsame Anekdote findet sich.

Hoffe ich konnte helfen.
 
Müssen wir das wissen? Ist Rosa Luxemburg mit dem Kreuz vor den Arbeitern hermarschiert? Hatte Marx eine Bibel unter dem Kopfkissen ?

Immerhin gab es auch eine bzw. mehrere christliche Versuche, die Soziale Frage zu lösen, angefangen mit Kolping hin zu Franz Hitze mit der Christlichen Soziallehre. Als Franz Hitze, der mitten im Kulturkampf zum Priester geweiht wurde, vor der preußischen Polizei nach Rom floh, soll er der Anekdote nach nicht die Bibel als Reiselektüre eingepackt haben, sondern Das Kapital. Die Christliche Soziallehre ist natürlich ganz anders aufgebaut als die konkurrierenden Versuche zur Lösung der Sozialen Frage. Sie setzt den christlichen, die Nächstenliebe als soziale Verantwortung ernst nehmenden Unternehmer voraus, der ein quasifamiliäres Verhältnis zu seinen Arbeitnehmern pflegt.

das Jesus-Wort "Gebt des kaisers, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist", wird von eigentlich allen mir bekannten christlichen Richtungen als Grund herangezogen, sich in sozialen Fragen der weltlichen Macht unterzuordnen.

Eigentlich geht es dabei vordergründig um Steuerzahlerdisziplin, hintergründig aber um das Problem, dass es im Judentum das Verbot gab, Gott oder den Menschen bildlich darzustellen (was auch im Judentum, was den Menschen angeht nicht immmer eingehalten wurde, wenn man an einige antike Synagogen denkt). Auf den Münzen war das Abbild des Kaisers, sie waren also aus jüdischer Perspektive nicht koscher.
 
Vielleicht führt die philosophische Betrachtung der verschiedenen Rechtsgrundsätze in eine theoretische Diskussion, die ich ursprünglich nicht hinter der Threadfrage vermutet hätte.
Bis zur Aufklärungsphase und der franz. Revolution lebten die Menschen in einer ständischen Gesellschaftsform. Ob es davor schon kühne Zweifel daran gab, ist hier nicht Thema.
Was bedeutete ständische Gesellschaft ganz praktisch für den Einzelnen? Er erbte den Stand seiner Eltern und hatte idR nur die Möglichkeit innerhalb seines Standes das beste aus seinem Leben zu machen.
Das Christentum, der Islam und wahrscheinlich alle Religionen wirken doch eher konservierend oder sie gleichen Auswüchse dieser Standesunterschiede durch Nächstenliebe und Mildtätigkeit aus.

Die Menschenrechte mit ihrem Grundsatz:
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ ist doch selbst heute ein theoretisches Ideal.

Am Beginn der Industriealisierung ergaben sich für Bürger, also Händler, Handwerker, vielleicht auch reiche Bauern ganz neue Möglichkeiten.
Sie konnten ihren ererbten Besitzstand anders nutzen und so vervielfältigen.
Der besitzlos Geborene konnte jedoch nur seine Arbeitskraft verkaufen und da das Angebot an Arbeitskräften groß war oder die Fabriken dort gebaut wurden, wo es viele billige Arbeiter gab, kam es zur Ausprägung des Kapitalismus in Reinform.
Könnte die Konzentration der Industriebetriebe auf den Süden und Westen Deutschlands vielleicht auch mit dem Angebot an billigen Arbeitskräften dort zusammenhängen. Im Norden gab es teilweise eine andere Erbkultur.
 
Dieser Komplex hat auch noch andere Facetten:

Mit Beginn der Industrialisierung traten Probleme auf, die heute meist übersehen werden.
Die Arbeiterschaft ist ja zu einem erheblichen Teil aus der Landarbeiterschaft entstanden.
Wo man seit Jahrtausenden zeitweilig sehr viel, und zu anderen Zeiten fast nichts gearbeitet hat.

Die ersten Industriebetriebe hatten ein Riesenproblem mit der Fluktuation, Arbeitsplätze bei Krupp zB wurden pro Jahr oft 3mal neu besetzt. Das regelmäßige tagtägliche Arbeiten hielten die Menschen einfach nicht aus.

Von dem her denke ich, dass der "rechtlose geknechtete Arbeiter" auch zu einem Teil Mythos ist.
Wenn es ihm nicht gepasst hat, hat er den Bettel hingeschmissen. Und der "Fabrikherr" saß auf den Kosten für die Einarbeitung.

OT: und regional:
Der "Fabrikherr" eines der ersten Industriebetriebe bei Repos Domizil wurde in den 1830er Jahren vor den Kirchenkonvent zitiert und bekam eine Kirchenstrafe, bei ihm wurde bei hoher Auftragslage auch Sonntags gearbeitet. Wenigstens bis dahin.
 
Was bedeutete ständische Gesellschaft ganz praktisch für den Einzelnen? Er erbte den Stand seiner Eltern und hatte idR nur die Möglichkeit innerhalb seines Standes das beste aus seinem Leben zu machen.

Hierzu nur eine Anmerkung, so statisch waren auch ständische Gesellschaften nicht, es gab durchaus die Möglichkeit sozialer Mobilität, wie Nobilitierung, "Reislaufen", "Kutte nehmen" etc.

M. :winke:
 
Hierzu nur eine Anmerkung, so statisch waren auch ständische Gesellschaften nicht, es gab durchaus die Möglichkeit sozialer Mobilität, wie Nobilitierung, "Reislaufen", "Kutte nehmen" etc.

M. :winke:

Das ist mir schon klar, ich habe idR geschrieben. :winke:

Vielleicht ist es doch nötig, auf die fließenden Übergänge hinzuweisen, denn so wie die ständische Gesellschaft nicht komplett statisch war, wurde die aufgeklärte Gesellschaft trotz franz. Revolution, amer. Unabhängikeit und Deklarierung der Menschenrechte nicht völlig klassendurchlässig.
Selbst heute haben wir keine Chancengleichheit.
Das liegt mE auch an den gegensätzlichen Prinzipien, theoretisch sind alle Menschen gleich geboren und praktisch haben wir ein Besitzstandserbrecht, was bedeutet, dass ein neugeborener Mensch eben nicht bei Null anfängt.
Das ist in meinen Augen ein unlösbarer Konflikt.
 
Weil es vielleicht tatsächlich vom Thema wegführt, nur kurz:
Die Grundrechte werden üblicherweise eingeteilt einerseits in die Menschenrechte, die auf das Naturrecht zurückgeführt werden und die deshalb auch ohne gesetzliche Kodifizierung gelten.
Grundrechte, die keine Menschenrechte sind, insbesondere die Bürgerrechte, werden erst durch ihre Kodifizierung konstituiert.
Bei ersteren musste (streng genommen) “nur” die Möglichkeit zu ihrer Inanspruchnahme erkämpft werden, letztere mussten überhaupt erst als Rechte erkämpft werden.
Als Recht im Zusammenhang mit diesem Thread wäre das Streikrecht zu nennen, Noch vor wenig mehr als 100 Jahren galt Streik als Nötigung oder Erpressung und zumindest die “Rädelsführer” konnten ins Zuchthaus wandern. Ganz ausgestanden ist das immer noch nicht: Streik ? Wikipedia.

Was den Standort- oder komparativen Vorteil angeht, spielte er in Bezug auf die Arbeitsbedingungen während der Frühphase der Industrialisierung keine nennenswerte Rolle. Die führende Rolle Großbritanniens beruhte hauptsächlich auf den technischen Erfindungen und Innovationen (und der Rohstoffbasis des Kolonialreiches). Der Wettbewerb der anderen Volkswirtschaften hatte viel mit dem zu tun, was man heutzutage Industriespionage und Raubkopie nennt.
 
Dieser Komplex hat auch noch andere Facetten:

Mit Beginn der Industrialisierung traten Probleme auf, die heute meist übersehen werden.
Die Arbeiterschaft ist ja zu einem erheblichen Teil aus der Landarbeiterschaft entstanden.
Wo man seit Jahrtausenden zeitweilig sehr viel, und zu anderen Zeiten fast nichts gearbeitet hat.

Die ersten Industriebetriebe hatten ein Riesenproblem mit der Fluktuation, Arbeitsplätze bei Krupp zB wurden pro Jahr oft 3mal neu besetzt. Das regelmäßige tagtägliche Arbeiten hielten die Menschen einfach nicht aus.

Von dem her denke ich, dass der "rechtlose geknechtete Arbeiter" auch zu einem Teil Mythos ist.
Wenn es ihm nicht gepasst hat, hat er den Bettel hingeschmissen. Und der "Fabrikherr" saß auf den Kosten für die Einarbeitung.

OT: und regional:
Der "Fabrikherr" eines der ersten Industriebetriebe bei Repos Domizil wurde in den 1830er Jahren vor den Kirchenkonvent zitiert und bekam eine Kirchenstrafe, bei ihm wurde bei hoher Auftragslage auch Sonntags gearbeitet. Wenigstens bis dahin.


Ich kann nicht beurteilen, in wieweit das stimmt, was Repo hier berichtet. Ich bin mir aber sicher, dass derartiges in den meisten gewerkschaftlichen Publikationen nicht zu finden sein wird. Das meinte ich mit meinem Hinweis oben im Thread. Man kann von einer Institution, deren Zweck es ist, eine bestimmte Sichtweise zu vertreten, schlechterdings nicht erwarten, dass sie die Argumente für die Gegenposition liefert (das passiert dann allenfalls versehentlich). Natürlich sind gewerkschaftliche Publikationen für Historiker hoch interessant. Dem historisch weniger beschlagenen Laien wird man aber den Rat auf den Weg mitgeben dürfen, dass er besser nicht alles glaubt, was er dort liest und insbesondere, dass er gut daran tut, zu unterstellen, dass weniger dienliche Teile der Wahrheit womöglich fehlen. Das nehme ich den Gewerkschaften auch gar nicht übel. Es wohnt ihrem Betriebszweck inne.
 
Mit Beginn der Industrialisierung traten Probleme auf, die heute meist übersehen werden.
Die Arbeiterschaft ist ja zu einem erheblichen Teil aus der Landarbeiterschaft entstanden.
Wo man seit Jahrtausenden zeitweilig sehr viel, und zu anderen Zeiten fast nichts gearbeitet hat.

Die obige Formulierung ist missverständlich:
Es muss richtig heißen:

Wo man seit Jahrtausenden entsprechend den Jahreszeiten zeitweilig sehr viel, und zu anderen Zeiten im Jahr fast nichts gearbeitet hat.
 
Einwurf in die Diskussion:

Vllt. ist das Wort "Disziplinierung" der potentiellen Arbeitnehmerschaft im Verlauf der industriellen Revolution resp. Industrialisierung hilfreich ("Sozialdisziplinierung" und/oder "Disziplinargesellschaft").

M.
 
Immerhin gab es auch eine bzw. mehrere christliche Versuche, die Soziale Frage zu lösen, angefangen mit Kolping hin zu Franz Hitze mit der Christlichen Soziallehre. Als Franz Hitze, der mitten im Kulturkampf zum Priester geweiht

Ein interessanter Ansatz.
Gelesen habe ich mal, dass einer der Gründe, dass sich der Kommunismus im Osten Europas durchsetzen konnte, eben die fehlende soziale Komponente der Ostkirche wäre.
Und die umgekehrte Wirkung dann natürlich in Mittel- und Westeuropa.

Ein Gedanke der ja durchaus was für sich hat.
 
Wie das aussah, als die katholische Kirche versuchte, auf den fahrenden Zug aufzuspringen: Rerum Novarum ? Wikipedia
.


OT: (Das wird zur Theologie, ein mir recht fremdes Gebiet.)

So würde ich das aber nicht sehen. Der soziale Aspekt ist bei den westlichen Kirchen, nach meinen bescheidenen Kenntnissen, seit dem frühen Mittelalter oder noch länger vorhanden.

Was den ganz entscheidenden Unterschied zur Ostkirche darstellt, die interessiert der Mensch hier und jetzt einen feuchten Staub, die Kümmern sich lediglich ums Jenseits.
 
Was den ganz entscheidenden Unterschied zur Ostkirche darstellt, die interessiert der Mensch hier und jetzt einen feuchten Staub, die Kümmern sich lediglich ums Jenseits.

Nö, erstens gibt es "die" Ostkirche nicht, zweitens kennen alle orthodoxen Kirchen den Dienst der Diakonie. Ex cathedra wie die "Papstkirche" können die sich allerdings nicht äußern.
 
Nö, erstens gibt es "die" Ostkirche nicht, zweitens kennen alle orthodoxen Kirchen den Dienst der Diakonie. Ex cathedra wie die "Papstkirche" können die sich allerdings nicht äußern.


Meinswejen, ich komm mir bei dem Thema eh vor, wie der Teufel der einen Maßkrug Weihwasser saufen soll.:D

Und zum die Quelle raussuchen hab ich auch keine Lust.:pfeif:
 
Wie das aussah, als die katholische Kirche versuchte, auf den fahrenden Zug aufzuspringen: Rerum Novarum ? Wikipedia
Da bist du beim Aufspringen aber etwas zu kurz gesprungen. "Rerum novarum" ist der Endpunkt einer Entwicklung an deren Wiege wohl Ketteler stand.
Das 1864 erschienene Buch "Die Arbeiterfrage und das Christentum", in dem Ketteler die Arbeiterfrage als "Arbeiterernährungsfrage" bezeichnete und die Schaffung humaner und gesunder Arbeitsbedingungen forderte, legt von solchen Ideen Zeugnis ab.
Ketteler

Kolping beschäftigte sich mit Handwerksgesellen, nicht mit Industriearbeitern.
Anfangs. Er konnte zunächst nur die ansprechen, die er erreichen konnte. Ketteler unterstützte ihn bei der Hinwendung zu den Industriearbeitern, die dann auch erreicht wurden.
 
Da bist du beim Aufspringen aber etwas zu kurz gesprungen. "Rerum novarum" ist der Endpunkt einer Entwicklung an deren Wiege wohl Ketteler stand.
Oder ist vielleicht eher Leo (auch angesichts dieser von einzelnen betriebenen "Entwicklung") zu kurz gesprungen, wenn er noch 1891 seine Enzyklika "rerum novarum"* betitelt und so etwas schreibt?:
Es werden immerdar in der Menschheit die größten und tiefgreifendsten Ungleichheiten bestehen. Ungleich sind Anlagen, Fleiß, Gesundheit und Kräfte, und hiervon ist als Folge unzertrennlich die Ungleichheit in der Lebensstellung, im Besitze. Dieser Zustand ist aber ein sehr zweckmäßiger sowohl für den einzelnen wie für die Gesellschaft. Das gesellschaftliche Dasein erfordert nämlich eine Verschiedenheit von Kräften und eine gewisse Mannigfaltigkeit von Leistungen; und zu diesen verschiedenen Leistungen werden die Menschen hauptsächlich durch jene Ungleichheit in der Lebensstellung angetrieben.
Die körperliche Arbeit anlangend, würde der Mensch im Stand der Unschuld freilich nicht untätig gewesen sein. Die Arbeit, nach welcher er damals wie nach einem Genusse freiwillig verlangt hätte, sie wurde ihm nach dem Sündenfalle als eine notwendige Buße auferlegt, deren Last er spüren muß
:grübel:

* o.t.: Es war, glaube ich, der Kabarettist Urban Priol, der gesagt hat, die "Rehabilitierung" Galileis nach einem halben Jahrtausend sei für katholische Verhältnisse geradezu eine Affekthandlung gewesen.:friends:
 
Die etwas teilweise realitätsferne, teilweise den Staus quo verteidigende päpstliche Enzyklika Rerum Novarum als Höhepunkt christlicher Soziallehre anzunehmen, ist natürlich verfehlt.
 
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