Karikatur Barras - Talleyrand

excideuil

unvergessen
Hallo,

Die Karikaturen zu Talleyrand sind in aller Regel recht eindeutig.

Die vorliegende gibt mir ein Rätsel auf, auch weil ich nicht weiß, in welchem Zusammenhang sie entstanden ist. Während oder kurz nach dem Directoire ist sicher einleuchtend, aber das war es schon. Wir sehen Talleyrand in der Maske des Unergründlichen, Barras ein wenig blöde dreinschauend dargestellet. Zwischen beiden ein Schachspiel.

Meine Deutung ist, dass Barras das (offene?) Spiel des späteren Fürsten nicht zu durchschauen vermag, was darauf hindeutet, dass die Karikatur auf seinen Sturz am 18. Brumaire anspielt und dann kurz nach dem Sturz des Directoire entstanden ist. Aber sicher bin ich mir nicht.

Vielleicht, hoffentlich weiß ein anderer mehr!

Grüße
excideuil
 

Anhänge

  • barrastalley.jpg
    barrastalley.jpg
    87,5 KB · Aufrufe: 882
Meine Deutung ist, dass Barras das (offene?) Spiel des späteren Fürsten nicht zu durchschauen vermag, was darauf hindeutet, dass die Karikatur auf seinen Sturz am 18. Brumaire anspielt und dann kurz nach dem Sturz des Directoire entstanden ist. Aber sicher bin ich mir nicht.
Sie spielen Schach auf einer Guillotine. Es wird wohl erwartet, dass der Verlierer seinen Kopf verliert.
 
Sie spielen Schach auf einer Guillotine. Es wird wohl erwartet, dass der Verlierer seinen Kopf verliert.

Hmm, meines Wissens gab es keine Situation, die als Zweikampf zwischen beiden gedeutet werden könnte und als Talleyrand nach der XYZ-Affäre und vor allem der Jorry-Affäre sein Amt räumen musste, saß Barras doch noch recht fest im Sattel, oder?

Grüße
excideuil
 
Es ist grundsätzlich eine seltsame Karikatur. Schaue ich mir die Hemdskrägen und die Zeichenweise an, glaube ich kaum, dass es zur Zeit des Directoire entstanden ist.

Ob derjenige, der verliert mit der Guillotine gerichtet werden soll, geht für mich auch nicht so eindeutig daraus hervor. Vielleicht ist sie auch nur als ihr Mittel gemeint, mit welchem sie Paris, das im Hintergrund aber deutlich erkennbar unter ihnen liegt, in Angst und Schrecken und damit beherrschbar halten.
Wobei auch diese Deutung seltsam wäre, da mir keine exzessiven Maßnahmen wie massenhafte Hinrichtungen in Paris aus der Zeit bekannt sind.

Beschreibend könnte man sagen, dass Barras mit Schärpe und Federbusch als Vertreter des Direktoriums gekennzeichnet ist, während Talleyrand nur durch einen Degen, dessen Scheide man hinter ihm links erkennt, als Aristokrat gekennzeichnet ist.
Auffällig ist noch, dass Talleyrand eher geziert dasitzt. Barras hingegen hat rundere Schuhe und eine eher rustikale oder gar bäuerliche Ausdrucksweise.
Möglicherweise geht es auch schlicht darum, wer sich politisch eher durchsetzen kann, der ehemalige Jakobiner oder der berühmte Anhänger einer (gemäßigten) Monarchie und Aristokrat.

Eine Frage noch: Beide sitzen auf etwas. Kann das ein Sarg sein?
Seltsam für eine zeitgenössische Karikatur wäre, dass nichtmal der Sarg beschriftet ist.

@ excideuil
Hast Du ein zeitnahes Porträt von Talleyrand zur Hand, was ihn so um 1797 zeigt?
Das wäre vielleicht ganz interessant. Nicht dass unser Talleyrand hier auf dem Bild von einer Vorlage von nach 1800 inspiriert ist.:winke:
 
@ Brissotin

Die Idee mit dem Sarg scheint mir bemerkenswert zu sein. Stellt sich die Frage, wer liegt darin? Die Republik oder das Directoire? Die Darstellung von Paris scheint daraufhin zu deuten, dass es um eine wichtige, die ganze Stadt, besser das ganze Lande betreffende Entscheidung geht. Betrachtet man die plumpe aber dennoch republikanische Darstellung Barras', dann weist es eher auf die Republik. Und das deutet dann auf eine Entstehung nach dem 18. Brumaire.

Ein paar Portraits von Talleyrand habe ich. Aber keines will so richtig auf die Darstellung passen.

Das 1. Portrait zeigt ihn ca. 1794 in England kurz vor seiner Ausweisung.

Das 2. ist eindeutig aus der Zeit des Directoire. Es gibt im Buch von Eberhard Ernst: Talleyrand in Amerika 1794-1796, Frankfurt am Main, 2000, eine ganz ähnliche Darstellung.

Das 3. gibt mir selbst Rätsel auf. Mir erscheint er jünger zu sein als auf dem berühmten Portrait von Gerard, störend wirkt der Orden, der wohl das goldenen Vlies sein könnte, welches er aber erst 1818 verliehen bekam, wenn ich mich richtig erinnere. Ein hübsches Portrait aber allemal, was vielleicht die eine oder Frau dazu verleitet, sich näher mit ihm zu befassen ...

Das 4. ist von 1810 und da war er bereits 56 Jahre alt.

Einen lieben Dank an alle, die sich Gedanken machen, ich freue mich auf ein mehr.

Grüße
excideuil
 

Anhänge

  • talleyrand england 1794.jpg
    talleyrand england 1794.jpg
    26,3 KB · Aufrufe: 599
  • talleyrand minister directoire.jpg
    talleyrand minister directoire.jpg
    44,5 KB · Aufrufe: 688
  • talleyrand 2.jpg
    talleyrand 2.jpg
    31,5 KB · Aufrufe: 961
  • talleyrand 1810 prodhun.jpg
    talleyrand 1810 prodhun.jpg
    34,6 KB · Aufrufe: 638
Anscheinend ist Brissotins Zweifel an der zeitlichen Einordnung der Karikatur wegen fehlender Beschriftung und ihres Zeichenstils berechtigt. Folgendes habe ich im Internet gefunden:

Ein Künstler namens A. Paul Weber zeichnete solche Bilder in den 1970ern, in denen literarische und historische Figuren gegeneinander Schach spielen. Barras und Talleyrand gehören dazu.

Quelle: A. Paul Weber Museum: Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen
das Kapitel: Ein Wunsch blieb - das Schachspielerbuch

Zum Vergleich der Zeichentechnik ein Link zu Webers schachspielenden Don Quixote und Sancho Pansa: http://ajedrezcanarias.com/wp-conte...-Quijote-und-Sancho-Pansa-1976-Paul-Weber.jpg
 
Zuletzt bearbeitet:
Anscheinend ist Brissotins Zweifel an der zeitlichen Einordnung der Karikatur wegen fehlender Beschriftung und ihres Zeichenstils berechtigt. Folgendes habe ich im Internet gefunden:

Ein Künstler namens A. Paul Weber zeichnete solche Bilder in den 1970ern, in denen literarische und historische Figuren gegeneinander Schach spielen. Barras und Talleyrand gehören dazu.

Quelle: A. Paul Weber Museum: Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen
das Kapitel: Ein Wunsch blieb - das Schachspielerbuch

Zum Vergleich der Zeichentechnik ein Link zu Webers schachspielenden Don Quixote und Sancho Pansa: http://ajedrezcanarias.com/wp-conte...-Quijote-und-Sancho-Pansa-1976-Paul-Weber.jpg

Irgendwie schade, dass das Rätsel dieses Ende nimmt.

Dir gilt mein Dank und interessant waren die Links allemal.

Grüße
excideuil
 
Ich hätte mich auch über ein historisch spannenderes Ergebnis gefreut; ich habe immerhin etwas über Talleyrand gelernt, von dem ich vorher nur den Namen kannte.

Auf einer Seite über Talleyrand habe ich übrigens die Karikatur gefunden und die Site-Betreiberin hat nur darunter stehen: Talleyrand verhandelt mit Barras. (oder umgekehrt)
 
Ich hätte mich auch über ein historisch spannenderes Ergebnis gefreut; ich habe immerhin etwas über Talleyrand gelernt, von dem ich vorher nur den Namen kannte.

Auf einer Seite über Talleyrand habe ich übrigens die Karikatur gefunden und die Site-Betreiberin hat nur darunter stehen: Talleyrand verhandelt mit Barras. (oder umgekehrt)

Dann will ich hoffen, dass er einen guten Eindruck hinterlassen hat ...

Vor der Site- Betreiberin ziehe ich den Hut: sie weiß so viel mehr über ihn als ich es je vermögen werde.

Grüße
excideuil
 
Anscheinend ist Brissotins Zweifel an der zeitlichen Einordnung der Karikatur wegen fehlender Beschriftung und ihres Zeichenstils berechtigt. Folgendes habe ich im Internet gefunden:
Danke, danke, danke.
Nee, im Ernst, die Vergleichsporträts von excideuil hätten meinen Eindruck nur verstärkt. Denn auf der Karikatur sieht der Talleyrand eher nach dem von deutlich nach 1800 aus.
Vielen Dank für Deine Recherche! :)
 
Das 2. ist eindeutig aus der Zeit des Directoire. Es gibt im Buch von Eberhard Ernst: Talleyrand in Amerika 1794-1796, Frankfurt am Main, 2000, eine ganz ähnliche Darstellung.

Das 3. gibt mir selbst Rätsel auf. Mir erscheint er jünger zu sein als auf dem berühmten Portrait von Gerard, störend wirkt der Orden, der wohl das goldenen Vlies sein könnte, welches er aber erst 1818 verliehen bekam, wenn ich mich richtig erinnere. Ein hübsches Portrait aber allemal, was vielleicht die eine oder Frau dazu verleitet, sich näher mit ihm zu befassen ...
2.
Sehr schön ist hier die Frisur erkennbar, die sich bei ihm später wandelte. Wie mir scheint.
Gut erkennbar ist der Cardogan im Nacken.

3.
Wirkt für mich auch erstaunlich. Ich meine ebenfalls den goldenen Vlies zu erkennen. Von den Haaren aber auch der Kleidung her sieht es aber andererseits eher nach um 1800 aus. Auffällig ist auch, dass die Haare nicht so gelockt wie auf dem Bildnis von 1810 sind.
Für mich wäre es eine gute Frage, ob Talleyrand denn dafür überhaupt Modell saß. Das Bild ist zweifellos zeitgenössisch, also zu Lebzeiten von Talleyrand entstanden. Es könnte aber sein, dass es sich einer früheren Vorlage bediente und den Orden hinzufügte. Das würde es dann schon möglich machen, dass es von nach 1818 ist und ihn dennoch jünger zeigt.
 
Dann will ich hoffen, dass er einen guten Eindruck hinterlassen hat ...

Vor der Site- Betreiberin ziehe ich den Hut: sie weiß so viel mehr über ihn als ich es je vermögen werde.

Grüße
excideuil

Auf jeden Fall scheint Talleyrand eine schillernde und intelligente Persönlichkeit gewesen zu sein; doch passe ich immer etwas auf, wenn jemand eine solche Persönlichkeit überhöht. So zum Beispiel musste ich etwas schmunzeln, als ich das persönliche und pathetische Statement zu Talleyrand von der Sitebetreiberin gelesen habe. :)

Brissotin schrieb:
Vielen Dank für Deine Recherche!

Sehr gerne! :winke:
 
Guten Tag,

hier meldet sich mal die pathetische Talleyrand-Site-Betreiberin zu Wort, denn zumindest einen Teil des Rätsels um das Bild, auf dem Talleyrand viel zu jung aussieht, um Orden zu tragen, der ihm erst 1818 verliehen wurde, kann ich aufklären: Der Maler des Bildes heißt Louis Marie Sicard (auch Sicardy oder Sicardi genannt) und lebte von 1746 bis 1825. Er scheint so unbekannt zu sein, dass er noch nicht einmal einen Wikipedia-Eintrag hat - wann das Bild genau gemalt wurde, weiss ich nicht (auch nicht, wo es sich eigentlich befindet), aber offensichtlich wurde es zumindest noch zu Talleyrands Lebzeiten gemalt. Zum ersten Mal abgebildet wurde das Portrait anscheinend in einer Spezialausgabe des Magazins vom "Figaro" von 2008, "Bonaparte in Egypten".

Die Karrikatur, auf der Talleyrand und Barras Schach spielen ist meines Wissens nach 1989 als Postkarte gedruckt worden (Anlass war natürlich 200 Jahre Französische Revolution).

Viele Grüße,

Gnlwth


P.S. Hallo excideuil! Und Brissotin, ich glaube, Dich kenne ich auch noch von früher, kann das sein?
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Karikatur scheint die Umstände der Vorbereitung und das gegenseitige Mißtrauen bei der Vorbereitung des Umsturzes vom 18. Brumaire zu beschreiben, mit dem das korrupte Direktorium gestürzt werden sollte.

Talleyrand aber vergaß über der Erfüllung seiner Ministerpflichten auch weiterhin nicht, den Sturz der Regierung vorzubereiten, der er diente, und sich selbst einen Posten in der Regierung zu sichern, die ihr nach seinen Absichten folgen sollte. *1
Cooper beschreibt die Zusammenhänge entsprechend der Karikatur wie folgt weiter:
Während der beiden nun folgenden fieberischen Wochen geheimer Vorbereitung wurden die Schwierigkeiten der Verschwörer vermehrt durch die Tatsache, dass alle fünf Direktoren unter einem Dache wohnten: sie hatten getrennte Zimmerfluchten im Palais Luxembourg inne.
Es erschien schwierig, mit Sieyès geheime Verhandlungen zu führen, ohne dass Barras, vor dessen Nase das alles geschehen musste, Verdacht schöpfte.
Schließlich kamen die Verschwörer auf den glücklichen Einfall, Barras glauben zu machen, dass er selber mit im Bunde sei.
Barras träger und vergnügungssüchtiger denn je, glaubte bis zum letzten Augenblick, dass er im geheimsten Rat der Männer sitze, die seinen Sturz beschlossen hatten.
Aber es hieß auch an die anderen Direktoren denken, und alles musste in großer Heimlichkeit betrieben werden. Mit der Vorbereitung der erforderlichen Druckschriften und Anschlagszettel, Flugblätter, Verordnungen wurde Roederer betraut, der eine flinke und geschickte Feder besaß.
Sie hatten ihn nach dem Fructidor um ein Haar nach Cayenne gebracht. Sein Name stand schon auf der Liste der zukünftigen Strafverschickten und er verdankte es nur dem Eingreifen Talleyrands, dass er gerettet wurde. Während dieser zwei Wochen war es zweimal nötig, dass Roederer zu Sieyès kam. Talleyrand brachte ihn in seiner Kutsche nach Dunkelwerden hin und ließ ihn drunten im Wagen, während er selbst allein die Treppe hinanstieg, um sich erstmal davon zu überzeugen, dass die Luft rein und der Direktor allein war.
Es ist bezeichnend für Talleyrand, dass er auf diesem wie auf jedem anderen geheimen Pfade im riesigen Irrgarten des Ränkespiels keine festumrissene Aufgabe hatte, sondern nur der Vermittler war, der alle kannte, alles wußte und das Ende jeden Fadens in der Hand hielt.*2
Insofern dokumentiert sich damit, dass Talleyrand nicht nur eine Regierung durch Ränke stürzte, jedes Vertrauen irgendwann mißbrauchte, weil er ein Mann war, der nur seinen eigenen Interessen und Vorstellungen diente.
Ein Charakterzug, den er in seinen Äußerungen, Aufzeichnungen und Korrespondenzen und in später davon abgeschriebene Biographien über ihn, ausschließlich dem Ersten Konsul und späteren Kaiser zum Vorwurf macht, und noch zu Lebzeiten nachfolgend rechtfertigend, mit seiner "Friedens - und Ausgleichsidee" verbrämt.

*1 "Talleyrand" von Duff Cooper, Inselverlag zu Leipzig, Ausgabejahr unbekannt,
*2 ebenda.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Guten Tag,

ah - ich glaube, wir kennen uns auch schon.

Talleyrand aber vergaß über der Erfüllung seiner Ministerpflichten auch weiterhin nicht, den Sturz der Regierung vorzubereiten, der er diente, und sich selbst einen Posten in der Regierung zu sichern, die ihr nach seinen Absichten folgen sollte. *1

Ja, natürlich bereitete nicht nur den Sturz des korrupten Regimes, sondern auch sich selbst auf selbigen lange vor. Allerdings ist das obige Zitat ein wenig irreführend, denn Talleyrand trat bereits am 20. Juli 1799 von seinem Ministeramt zurück, so dass er am 18. Brumaire (9. November) bereits einige Monate lang nicht mehr der Regierung angehörte, die er mithalf zu stürzen.


Grüße,
Gnlwth
 
Der Autor (Cooper) hat, wenn er sich auf den Zeitraum Talleyrands als Minister bezieht, dann wohl auch auf die Zeit lange vor dem 18. Brumaire abgestellt. Schließlich beschreibt Cooper, dass Napoleon Bonaparte zwar die erste Wahl als "Schwert" einen Umsturzes war, sich aber in der ersten Planung dessen noch in Ägypten befand.
So zog man zunächst den jungen Joubert in die engere Wahl, welcher durch seine Erfolge, ein ebensolches Renomée in der Armee und dem Volk hatte.

Aber der Plan schlug fehl, denn es fügte sich, dass in der Schlacht von Novi die Feinde Frankreichs siegten; und unter den ersten Toten war der tapfere junge General, um dessen Stirn Sieyès den Lorbeer hatte legen wollen, der vom Schicksal einem anderen zugedacht worden war.*1

Nachdem man mangels eines "Schwertes" nun auch an McDonald, Moreau und Bernadotte dachte und mit allen dreien verhandelte, landete General Bonaparte in Fréjus.

"Da haben Sie Ihren Mann", rief Moreau und Sieyès, der schon immer gefürchtet hatte, dass Bonaparte sich nicht ganz damit begnügen würde, "sein Mann" zu sein, mußte ihm nun wohl - widerstrebend - beipflichten." *2

Also liefen die Planungen zum 18. Brumaire schon weit vor dem 20 Juli 1799.:fs:

*1, 2
"Talleyrand" von Duff Cooper, Seite 132
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Guten Tag,

hier meldet sich mal die pathetische Talleyrand-Site-Betreiberin zu Wort, denn zumindest einen Teil des Rätsels um das Bild, auf dem Talleyrand viel zu jung aussieht, um Orden zu tragen, der ihm erst 1818 verliehen wurde, kann ich aufklären: Der Maler des Bildes heißt Louis Marie Sicard (auch Sicardy oder Sicardi genannt) und lebte von 1746 bis 1825. Er scheint so unbekannt zu sein, dass er noch nicht einmal einen Wikipedia-Eintrag hat - wann das Bild genau gemalt wurde, weiss ich nicht (auch nicht, wo es sich eigentlich befindet), aber offensichtlich wurde es zumindest noch zu Talleyrands Lebzeiten gemalt. Zum ersten Mal abgebildet wurde das Portrait anscheinend in einer Spezialausgabe des Magazins vom "Figaro" von 2008, "Bonaparte in Egypten".

Die Karrikatur, auf der Talleyrand und Barras Schach spielen ist meines Wissens nach 1989 als Postkarte gedruckt worden (Anlass war natürlich 200 Jahre Französische Revolution).

Viele Grüße,

Gnlwth


P.S. Hallo excideuil! Und Brissotin, ich glaube, Dich kenne ich auch noch von früher, kann das sein?

Hallo Gnlwth,

herzlich willkommen hier im Forum!

vielen Dank für deine Ausführungen zu der Karikatur. Schien doch nach den Ausführungen von Rafael alles geklärt.

Grüße
excideuil
 
Guten Abend,

Schien doch nach den Ausführungen von Rafael alles geklärt.

Ah, Verzeihung - dass bereits gesagt wurde, dass es sich um "Jubiläumspostkarten" handelte, muss ich dann wohl überlesen haben. Fairerweise sollte ich auch noch sagen, wo ich diese Postkarte zum ersten Mal gesehen habe, nämlich auf den unglaublichen Webseiten des Herrn Pierre Combaluzier, und zwar hier. Auf diesen Seiten findet der interessierte Sucher noch so allerhand Dokumente, Transkriptionen und überhaupt eine Menge zu Talleyrand (und Napleon).

Der Autor (Cooper) hat, wenn er sich auf den Zeitraum Talleyrands als Minister bezieht, dann wohl auch auf die Zeit lange vor dem 18. Brumaire abgestellt. Schließlich beschreibt Cooper, dass Napoleon Bonaparte zwar die erste Wahl als "Schwert" einen Umsturzes war, sich aber in der ersten Planung dessen noch in Ägypten befand.

Das ist selbstverständlich richtig, einen Staatsstreich kann man natürlich nicht in drei Monaten vorbereiten, damit muss man sehr viel früher beginnen. Talleyrand trat im Juli nicht nur zurück, weil er mit der Regierungsführung des Direktoriums nicht einverstanden war, sondern auch, weil er sich rechtzeitig davon lossagen musste, um es später guten Gewissens stürzen zu können (schließlich kann man wirklich schlecht eine Regierung stürzen, der man selbst angehört). Ich dachte nur, dass das Zitat aus dem Buch von Duff Cooper so klingt, als sei Talleyrand bis zum Ende bei der von ihm selbst gestürzten Regierung geblieben, und dass das natürlich wirklich eigenartig gewesen wäre. Aber so war es eben nicht - er verließ die Regierung und wandte sich damit offen gegen sie, bevor er einen Schritt weiter ging. Und tatsächlich hatten erste Gespräche zwischen Talleyrand und Napoleon über einen Staatsstreich wohl schon lange vor Ägypten stattgefunden; Talleyrand befürwortete den Ägyptenfeldzug vor allem, um den jungen General Bonaparte in seinem Aktionismus ein bisschen auszubremsen und aus den Füßen zu haben, während er in aller Ruhe die Sache ordentlich vorbereitete. Damals glaubte er anscheinend wirklich ernsthaft, Napoleon sei die beste Alternative und könne Gutes für Frankreich und Europa bewirken. Darüber kann man sich natürlich aus mehreren Gründen wundern.

Viele Grüße,
Gnlwth
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Zeit drängte. Wenn Sieyès nicht bald zuschlug, so konnten die Jakobiner zuerst zuschlagen. Jeden Morgen konnte man die Guillotine abermals auf dem Place de la Révolution errichtet sehen und der erste Kopf, der unter ihr fiel, würde dann der des ehemaligen Abbé Sieyès sein.*1

Das klingt nicht danach, als ob man sich damals "offen" gegen das Direktorium stellen konnte, wenn jene, die die Macht haben und jene, die die Macht anstrebten, gleichermaßen von der Guillotine bedroht waren. (Siehe dazu auch die Karrikatur)

Im selben Moment erfährt Reinhard, dass er französischer Außenminister geworden ist. Hinter der Berufung steckt niemand anderes als Talleyrand selbst. 1796 nach Frankreich zurückgekehrt, hatte er gleich das Auswärtige Amt übernommen. Doch die Lage erschien ihm ungewiss, er witterte den Umsturz. Im Sommer 1799 tritt er zurück und macht Reinhard gewissermaßen zu seinem Platzhalter. Es dauert denn auch nur wenige Monate, bis zum Staatsstreich des aus Ägypten heimgekehrten Napoleon am 9. November 1799, dass der Meisterintrigant das Amt wieder an sich zieht. *2

Talleyrand wusste also ganz genau, warum er sich aus der Regierung zurückzog und einen "Platzhalter" benötigte. Die Furcht, in der unübersichtlichen Lage seinen Kopf zu verlieren, scheint mir dann eher der dringendere Grund gewesen zu sein, als die "Unzufriedenheit mit der Regierung" des Direktoriums.
Dafür war dann der deutschstämmige Karl Friedrich Reinhard, offenbar gerade gut genug.

*1 "Talleyrand" von Duff Cooper, Seite 130
*2 Europa: Der deutsch-französische Minister ? Seite 3 | Wissen | ZEIT ONLINE
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
1.
denn zumindest einen Teil des Rätsels um das Bild, auf dem Talleyrand viel zu jung aussieht, um Orden zu tragen, der ihm erst 1818 verliehen wurde, kann ich aufklären: Der Maler des Bildes heißt Louis Marie Sicard (auch Sicardy oder Sicardi genannt) und lebte von 1746 bis 1825. Er scheint so unbekannt zu sein, dass er noch nicht einmal einen Wikipedia-Eintrag hat - wann das Bild genau gemalt wurde, weiss ich nicht (auch nicht, wo es sich eigentlich befindet), aber offensichtlich wurde es zumindest noch zu Talleyrands Lebzeiten gemalt. Zum ersten Mal abgebildet wurde das Portrait anscheinend in einer Spezialausgabe des Magazins vom "Figaro" von 2008, "Bonaparte in Egypten".


2.
P.S. Hallo excideuil! Und Brissotin, ich glaube, Dich kenne ich auch noch von früher, kann das sein?
1.
Sicard sagt mir auch nichts. Wenn Du mehrere Formen seines Namens kennst, dürfte es aber nicht sooo schwer sein, den Maler ausfindig zu machen. Wie bist Du denn auf die verschiedenen Versionen des Namens des Malers gekommen?
Ich denke mal, wenn er an der Académie aufgenommen worden wäre, so wäre mir der Name wohl mal in irgendeinem Ausstellungskatalog untergekommen. Und dann wäre auch die Biographie etwas leichter zu recherchieren.
Denkbar wäre ja, dass der Maler den Dargestellten kaum oder garnicht gesehen hatte und ihn nach einer älteren Vorlage malte, die wir heute nicht mehr kennen, und ganz einfach den Orden hinzugefügt hat. Andererseits sind Porträts eher Auftragsarbeiten der Dargestellten und diese wollen sich ja eigentlich in der Regel so malen lassen wie sie auch ausschauen.
Die malerische Qualität spricht jedenfalls gegen einen völlig unakademischen oder qualitätlosen Maler aus der 2. oder 3. Reihe.

2.
Ja, man kennt sich.

Willkommen hier im Forum. Schön, dass Du hergefunden hast. :yes: Es gibt sicherlich ein paar für Dich interessante Threads hier - besonders in diesem Unterforum.:winke:
 
Zurück
Oben