Ich habe lange gezögert zu antworten. Dies liegt daran, dass wir dir (Hannes, barcas) seit Herbst 2016 alle möglichen Szenarien von der frühen Eisenzeit bis zum späten Mittelalter vorgeschlagen haben, und schon dort irgendwann der Zeitpunkt kam, an dem man das Gefühl hatte, sich im Kreis zu drehen.
Vielleicht liegt ein Grundfehler vor, dass der Held, ein verwegener Draufgänger, frei und unabhängig, schon feststeht, und nur eine passende historische Kulisse gesucht wird.
Ein Zitat aus "Schreibkunst, ein Buch für Schriftsteller, Redakteure und angehende Autoren":
Wie es scheint, ist Poe aus dem einen "Gesicht" ( bezieht sich auf Der Mann in der Menge) , aus diesem Charakter dann das eigentliche Geschehen zugewachsen. Der seines Könnens sichere Schriftsteller mag so verfahren. Dem Beginnenden - wir werden mehrmals davon zu sprechen haben - ist dringend anzuraten, zunächst die Geschichte zu ersinnen und zu planen und dann erst die geeigneten Charaktere einzubauen....es ist nicht nur leichter, sondern auch selbstverständlicher, das Geschehen zuerst vorzunehmen; denn das Wort Geschichte kommt von geschehen. Um Charaktere entsprechend sinnvolle Vorgänge zu bauen, erfordert bereits ein hohes Maß von Können.
Du hast eingangs eine Verortung deines Interesses vorgenommen, Mittellatène im Ostalpenraum. Bis auf die wenigen Nachrichten, die Markus Handy im von mir weiter oben eingefügten Text zusammenfasst, gibt es keine schriftlichen Quellen aus dieser Zeitphase - und die archäologische eisenzeitliche Forschung in Österreich ist lange nicht so strukturiert möglich, wie vergleichbar in der ehemaligen Gallia comata, dem heutigen Frankreich, Belgien, linksrheinisches Deutschland - dies liegt nicht nur an reicherer schriftlicher Überlieferung, sondern auch am "Fortleben" "keltischer" Traditionen in der gallorömischen kaiserzeitlichen Epoche - alleine an Stammesnamen ergeben sich in Gallien reichlich siebzig, ein Forscher versuchte jede Grenze der einzelnen Civitas zu identifizieren (Fichtl, 2004), konnte sich zum Teil dabei auf mittelalterliche Diozösenstrukturen stützen, "weitergelebt" haben zahlreiche Gentes in Stadt- und Regionalnamen (Paris-Parisier, Amiens - Ambianer, Auvergne - Averner usw.) - so ist es heute möglich relativ genau eine politische Organisation (Gentes-Pagi, Hierarchie der Siedlungen, Verkehrswege) in Gallien und der Belgica darzustellen. Vergleiche dies mit Österreich, "uns" stehen eine handvoll Stammesnamen zur Verfügung, über deren Bedeutung, Struktur und Chronologie wissenschaftlich gestritten wird, es gibt nur relativ wenige vorzeigbare ergrabene Oppida (Roselsdorf, Bratislava) und andere archäologische Fundstätten wie Verhüttungsbezirke (Magdalenenberg). Von keinem hat man einen sicheren Namen, zu den wenigen epigraphischen Funden (Münzlegenden, Schriftstücke, Besitzmarken, Inschriften, usw.) siehe auch oben den Text von David Stifter.
Quellen für Ortsnamen sind
Ptolemaios’ Weltbeschreibung, das Itinerarium Antoninum und ähnliche Texte, die Tabula Peutingeriana: wo liegt Noreia (ein wahrscheinlich vorkeltischer Name)? War Bratislawa das vorrömische Carnuntum? Wir wissen es nicht, Noreia beschäftigt die österreichische Forschungs - und Hobbydiskussion ähnlich stark wie die deutsche die Verortung der clades variana (des Varusschlachtfelds), so dass Karl Strobel sich veranlasst sah spöttisch von Noreia – Atlantis der Berge? zu titeln([FONT=Arial, Helvetica]Forum Archaeologiae 63/VI/2012).
Wenn du also fragst, wer denn gegen wen gekämpft hätte, bleibt vieles spekulativ, angewiesen auf Rückschlüsse, die jedoch wissenschaftlich umstritten sind.
Wanderten die Boier nach ihrer Niederlage 193 BC bei Mutina erst ins [/FONT]
[FONT=Arial, Helvetica]Boiohaemum aus, oder war dieser Begriff eine germanische Fremdbezeichnung ("Gebiete, in denen die Boier leben") des Ursprungsraums der Boier, von dem aus sie im 5./4.Jahrhundert BC erst nach Norditalien auswanderten? Bezeichnet der Name Boier ("Kämpfer, Schläger") ein wanderndes Ethnonym, oder die beliebte Bezeichnung verschiedener Gentes?
Wie war ihr Verhältnis zu den Tauriskern? Zu den Norikern?
Welche Taurisker erwähnt Polybios in der Schlacht von Telamanon [/FONT]
[FONT=Arial, Helvetica]225 BC [/FONT]
[FONT=Arial, Helvetica]in der Schlachtaufstellung an der Seite der Boier? Polybios und Cato der Ältere verorten sie in den westlichen Alpen - *taur - *tauru ist die indoeuropäische Bezeichnung für Gebirgszug (heute noch in Tauern enthalten) - Taurisker könnte daher gar keine Stammesbezeichnung sein, sondern ein kollektiver Begriff für "Gebirgsbewohner", der immer dann auftaucht, wenn der Autor ein genaueres Ethnonym nicht kennt, und verschwindet, wenn es bekannt ist - wie z.B. die Noriker, oder sich dann manifestiert, wenn überhaupt ein größere politische Gemeinschaft mit der römischen Republik in (vertragliche) Beziehung tritt, oder sich dadurch erst strukturiert und hierarchisiert (für stabile Vertragsverhältnisse und Handelsbeziehungen war Rom auf einen Verhandlungspartner, eine politische Elite angewiesen). [/FONT]
Wenn Cäsar erwähnt, dass Boier und Taurisker das Regnum Noricum belagert und bestürmt hätten (b.G. 1,5,4), und daran gescheitert sind, dann wissen wir nicht, ob Julius Cäsar auch hier auf den Kimbernzug anspielt (seinen Onkel Marius als Alter Ego reinszeniert) (so K.Strobel,2013), oder ist es ein Hinweis auf eine Konkurrenz/Feindschaft die schon länger existiert (und für die manche die Heirat Ariovist als "germanischer" Heerkönig mit einer norischen Prinzessin als Beweis nehmen - waren nicht auch die Sueben Feinde der Boier?). Auch diese Nachricht über Julius Cäsar bleibt zeitlich (relativ) spekulativ und unbestimmt, wie viele "Nachrichten" aus dem Raum nördlich der Alpen, der bis in die zweite Hälfte des 1.Jahrhunderts BC kein militärischer und politischer Interessenraum Roms gewesen ist.
An deiner Frage nach historischen Gegnern "der Kelten", die erst im 1. Jahrhundert BC in den Schriftquellen auftauchen, "die Daker" und "die Germanen", bemerkt man, dass dein Vorwissen begrenzt ist, daher rate ich dir bei einem so unsicheren Terrain davon ab, einen historischen Roman in dieser Epoche (Mittellatene) anzusiedeln - natürlich hast du künstlerische Freiheiten, es kann jedoch ein fürchterlicher Unfug herauskommen, in dem sich brittanische Haartrachten, Kampfweisen des Frühlatene und politische Verhältnisse des Spätlatene im Ostalpenraum in einem großen Tohuwabohu mixen.
Trotzdem dann: zur Ausgrabung in Roselsdorf, eine Flachlandsiedlung:
http://www.nhm-wien.ac.at/jart/prj3/nhm/data/uploads/mitarbeiter_dokumente/Holzer/Holzer%202008c%20-%20Tagung%20Straubing%202006.pdf
und zu Bratislava:
http://www.academia.edu/22173744/Ča...ischen_Realität_und_Fiktion_Bonn_2015_225-242
und ein neuerer übergreifender Text von Peter Trebsche, 2012
http://www.academia.edu/3583875/Grö...rodného_Múzea_106_Archeológia_22_2012_131_167