keltische Kampfesweise zur Zeit der Invasion in Italien

Die Hoplitenphalangen bestanden aus Bürgern, die normalerweise verschiedensten zivilen Tätigkeiten nachgingen, nicht aus einem Kriegeradel mit einem entwickelten Kriegerethos.
Die große Ausnahme waren natürlich die Spartiaten, aber die kannten wieder keine Subordination wie bspw die Römer (spätestens seit Marius). Genug Disziplin, um in der Phalanx zu fechten, langjährige Erfahrung und der hohe persönliche Ethos als absolute Elite reichten da aus.
 
Weitere Kämpfe nach der Schlacht an der Allia zwischen Römern und Galliern in den folgenden Jahrzehnten des 4. Jhdts. fanden gemäß der Überlieferung 367, 361-360, 358, 352 und 349 statt.
Mir ging es ähnlich wie Ravenik, ich bin Livius noch einmal durchgegangen nach militärischen Auseinandersetzungen zwischen gallischen und römischen Heeren vor den Samnitenkriegen, jedoch bleiben alle Schilderungen (bis Sentinum 295 BC) sehr vage oder legendenhaft wie die herausgehobenen Zweikämpfe, die Ravenik oben beschreibt. Zu bedenken gebe ich, dass keltische Heere offensichtlich mehrfach etruskische Heere geschlagen haben, und Norditalien bis zum Appenin "erobert" haben. Eine Anpassung an mediterrane Kampftaktiken kann daher schon viel früher erfolgt sein. Wie schwierig es ist, den realen zeitlichen und historisch-praktischen Ablauf der Eroberung heute wissenschaftlich zu belegen oder einzuordnen, zeigt folgendes Resumee eines DFG-Projekts
Nebringen, Münsingen und Monte Bibele - Zum archäologischen und bioarchäometrischen Nachweis von Mobilität im 4./3. Jahrhundert v. Chr. | Maya Hauschild - Academia.edu
Zu beachten ist dort die Untersuchung des Flachgräberfelds von Monte Bibele, im Siedlungsgebiet der Boier 30 km südlich von Bologna.
Zur Kampfweise: von den Waffenfunden in Gräbern und Horten lassen sich die Einflüsse der hellenistisch-mediterranen Kriegstaktiken verfolgen. Besonders interessant sind die (wenigen) Funde in Mitteleuropa von Lanzenschuhen (griechisch Saurotere) ab Latene A. Lanzenschuhe dienten einmal in der Phalanx die Lanze mit der hinteren Spitze in den Boden zu rammen, und den Schwerpunkt der Lanze nach hinten zu verlagern, ausserdem bildet sie eine Ersatzwaffe, falls das Lanzenblatt oder die Tülle verbogen oder zersplittert ist. Dieser stärker werdende kulturelle Rückfluss ist auch aus der Zeit des Söldnertums und Beutezüge in Latene B zu erklären, und beweist noch nicht, dass keltische Heere in Italien in der Phalanx gekämpft haben.
Auch das Situlenbild von Bologna, dass Schönfelder in Zurück aus Griechenland! Spuren keltischer Söldner in Mitteleuropa, Germania 85 zitiert, auf dem fünf Krieger mit antiquierten (hallstattzeitlichen) Schüsselhelmen auf der Situla gesenkt getragene Lanzen tragen, mit am hinteren Ende breite, fast blattförmige Lanzenschuhen, ist eine Ausnahme, zeigt aber auch (die Situla wird inzwischen auf das 6 Jahrhundert BC datiert) den kulturellen Einfluss und Kontakt in die transalpine Welt vor der Wanderungszeit auf.
Das lange Hiebschwert keltischer Krieger wäre, so eine These, nicht zum Nahkampf in der Phalanx geeignet, sondern wäre zum Einzelkampf gedacht,
weil es anders als das Gladius und seine iberischen Vorbilder keine Stoßwaffe gewesen wäre. Daher stellte man sich (analog zum angenommenen Kriegerethos) die keltische Infanterietaktik eher als eine Summe von Zweikämpfen heroischer Adelskämpfer vor, und nicht als Kampf in einer geschlossenen Formation. Ich bin mir da jedoch nicht sicher, möglich ist auch, dass das Lateneschwert wirksam gegen Unbehelmte und schwach gerüstete Gegner war, die man versuchte durch wuchtige, massive Schläge von oben zu treffen. Auch das römische Gladius wurde erst im 3.Jahrhundert BC aus keltiberischen Vorbildern entwickelt (merkwürdig ist, dass das keltische Wort für Kurzschwert kladijo - nach B.Maier - heisst - Vorbild für Gladius?)
Wir stellen in der Umbruchphase von Hallstatt- zur Latenezeit gesellschaftliche Umbrüche fest, die sich wahrscheinlich auch auf die Kriegsverfassung ausgewirkt haben - möglicherweise von einer Kriegselite mit bewaffneten Gefolge hin zu einem breiteren, gut bewaffneten Kriegerstand, für den die schwere Infanterie zur bevorzugten Kampfweise wurde, in Abgrenzung zum berittenen Adel.
Noch ein Text zum Einsatz von Lanzen:
Bemerkungen zu Vorkommen, Verbreitung und Bedeutung überdimensionierter Lanzen der europäischen Eisenzeit. Eine Überdimensionierte Lanzenspitze aus Angermünde (Lkr. Uckermark) | Florian Klimscha - Academia.edu

Situla von Bologna/
Certosa

 

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@Biturigos, du hast recht, viele die ich kenne nehmen an ,daß sich der römische Gladius aus dem keltischen Cladio entwickelt hat... sie sehen auch ähnlich aus, nur ,daß der Gladius IMHO sowohl als Stich. als auch als kurze Hiebwaffe konzipiert ist, was der Cledio so wohl noch nicht war, der war ein verlängerter Dolch/kurzes Stichschwert.
 
Es hat im Laufe der Geschichte öfters Heere gegeben, einige davon gewaltigen Ausmasses, die nicht durch "Disziplin, Hierarchien und Befehlsstrukturen" zusammengehalten wurden, sondern durch ein Geflecht an persönlichen Gefolgschafts- und Treueverhältnissen, seien es die erwähnten mittelalterlichen Ritterheere, die Mongolen, die Osmanischen Heere (mit Ausnahme der janitscharentruppe) etc. ..
Große Heere dürften sich obendrein auch selbst beisammen gehalten haben. Wo der Heerhaufen durchgezogen war, wollte wohl niemand allein oder in Kleingruppen zurückbleiben und sich mit den zurückkehrenden Einheimischen auseinandersetzen ...
 
Ich stieß im Buch von Raimund Schulz Krieg in der Antike auf folgende Beschreibung der von ihm Protophalanx genannten Kampfweise von Gefolgschaftsverbänden. ich würde gerne eure Meinung wissen, ob diese Kampfweise auf die keltische Kampfweise in der frühen Eisenzeit hypothetisch übertragbar wäre.

"Die Helden der Ilias zogen mit Kampfverbänden von rund 50 Mann in den Krieg. Sie setzten sich aus Gefährten(hetairoi)und Gefolgsleuten (therapontes) zusammen. Um einen inneren Kern engster Freunde und Verwandte gruppierte sich ein weiterer Kreis ergebener Kampfgefährten. Der bekannteste dieser Verbände waren die Myrmidonen des Achilles.Sie repräsentieren eine reale Erfahrung der homerischen Zeit. Alle archäologischen und etwas späteren literarischen Zeugnisse deuten darauf hin, dass in der frühen Archaik tatsächlich eine Führungsschicht »adliger« Grundbesitzer (basileis) ihre Gefährten zu unterschiedlichen Gelegenheiten zum Kampf versammelte.Kaum der Realität der griechischen Welt entspricht dagegen die große Zahl von Helden, die Agamemnon, der König von Mykene, mit den jeweiligen Hetairoi-Verbänden gegen Troia führte; ferner die Größe des Heeres, das auf der Ebene vor Troia von den nebeneinander postierten Kampfverbänden und dem Rest der einfachen Kämpfer (laoi) gebildet wurde.Solche großen, in Formation geordneten Heere konnten nur die Territorialreiche des Vorderen Orients aufbauen, vor allem die Ägypter und die Assyrer, und es mag sein, dass der Dichter von dort Anregungen bezog und zur epischen Übertreibung viel einfacherer Verhältnisse einsetzte. Abgesehen von diesen Überzeichnungen beschreibt Homer die Kampfesweise der Einzelgruppen in sich konsistent und funktional stimmig: Die Gruppen der Hetairoi sind mobil, sie greifen »wie eine dicht gefügte Mauer« und »Helm and Helm« in die Schlacht ein, lösen sich vor dem Kampfkontakt auf, können sich in Krisensituation aber wieder geordnet zurückziehen und zur Verteidigung (allerdings selten) eine dichte Formation bilden.In der Ilias tragen sie einen geschlossenen Bronzehelm, metallene Brustpanzer, teilweise Beinschienen, den runden Schild (aspis)mit Doppelgriff, dazu Lanze und Schwert als Wurf- und Stichwaffen. Berücksichtigt man auch hier die epische Überzeichnung und Archaisierung in Hinblick auf Größe, Schwere und Material – Bronze war wertvoller als Eisen, wurde aber in homerischer Zeit nicht mehr verwendet, man kannte sie aus den Heroengräbern –, so entsprechen diese Waffen mit Ausnahme des Wurfspeers der archäologisch seit 725 v. Chr. nachgewiesenen Rüstung (panoplos) eines Soldatentyps, den die Quellen als Hopliten bezeichnen.Die bei Homer beschriebenen Waffen passen ferner gut zu einer Kampfformation, bei der die einzelnen Krieger der Hetairien eng zusammenrücken, um sich in Bedrängnis gegnerischer Angriffe besser erwehren zu können. Viele Forscher sehen deshalb in dieser Formation eine noch sehr fluide Frühform des Kämpfens in Schlachtreihen, die später als »Phalanx« berühmt wurde; allerdings rückten bei Homer die Kämpfer nur zur Verteidigung in einer besonderen Krisensituation zusammen, während die klassische Phalanx des 5. Jahrhunderts v. Chr. auf die Wucht des Angriffs setzt. Dementsprechend haben die homerischen Hoplitenreihen noch eine sehr geringe Tiefe und die Kämpfer setzen die Lanze als Wurfwaffe ein.Die Krieger der Troianer und Achaier rücken zwar geschlossen »wie eine Felswand« oder »dunkle Sturmwolken« auf das Schlachtfeld, lösen aber die Formation auf, wenn es zum Kampf kommt. Immerhin agieren die Helden und ihre hetairoi keineswegs isoliert vor der Masse der einfachen, leicht bewaffneten Kämpfer (laoi). Nach Homer schleudern diese ihre Wurfgeschosse über die Köpfe der prómachoi(»Vorkämpfer«) hinweg und führen mitunter sogar die Entscheidung herbei.Wie flexibel und fluide die Formationen zur Zeit Homers noch waren , zeigt sich auch daran, dass in der Ilias die Schwerbewaffneten als prómachoi immer wieder vorpreschen, um mit ihren hetairoioder in Einzelgefechten (Aristien) ihre Tapferkeit zu beweisen. Danach ziehen sie sich in den Schutz ihrer Kampfgruppe zurück oder verlassen zur Regeneration und zur Versorgung von Wunden das Kampfgeschehen, um sich dann wieder gekräftigt in die schier un-endliche Abfolge von Gruppen- und Einzelkampf einzureihen."
(voller Text: https://www.klett-cotta.de/media/14/9783608947687.pdf )

Ich empfinde die Beschreibung eine gelungene Synthese der verschiedenen archäologischen Funde, der Quellen (wie die Schlachtbeschreibung von Sentinium) und logischer Überlegungen:
die keltischen Krieger kämpfen in Formation, greifen bei der Unordnung der römischen Reihen in Keilform an, vielleicht mit den schwerbewaffneten behelmten, mit Langschwertern ausgestatteten Kriegern vorweg, um die gegnerische Formation zu brechen - und ziehen sich hinter eine Schildwand zurück, die von den Speerträgern gebildet wird, um sich zu regenerieren und neu zu sammeln (Sentinium) - die Leichtbewaffneten agierten eventuell über die Vorkämpfer hinweg. Unvorstellbar ist für mich eine völlige Auflösung der Formation,sondern
eher kurze Vorstöße / Angriffe, um sich dann wieder abzusichern. Ohne Gliederung zu kämpfen, oder nur auf den ersten Massenangriff zu setzen (Furor celtica) war nur möglich bei einem Gegner, der die gleiche Kampfweise pflegte, beim Kampf mit einer römischen "Phalanx", einer tief gestaffelten, auch defensiv starken Angriffsformation,
wäre meiner Ansicht nach ein "formationsloser" Kampf chancenlos, selbst wenn ausgebildete und trainierte Elitekämpfer auf eine Bürgermiliz gestoßen wären - nur bei psychologisch angeschlagenen, verängstigten Gegnern kann dann der Einzelkämpfer die Formation aufbrechen und in die Fluchtbewegung bringen.
 
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Ich bin eher skeptisch, ob man aus Homer so weitreichende Schlüsse auf tatsächliche Kampfpraktiken ziehen kann. Man darf nicht vergessen, dass Homer ein Epos schrieb und kein Geschichtswerk. Ihm ging es in seinen Kampfschilderungen in erster Linie darum zu erzählen, wie im Laufe der Schlacht verschiedene Helden aufeinandertreffen und sich duellieren, was er dann in epischer Breite ausführlichst schildert. Alles Taktische ist zweitrangig, die einfachen Krieger bleiben weitgehend anonym. (Zum Vergleich: Der römische Dichter Silius Italicus schilderte in seinem Epos "Punica" die Schlachten des 2. Punischen Kriegs ähnlich wie sein Vorbild Homer, nämlich im Wesentlichen als gehäufte Einzelkämpfe: Auch bei ihm streifen Hannibal und die römischen Feldherrn auf der Suche nach passenden Gegnern übers Schlachtfeld und duellieren sich dann. Mit dem realen Verlauf der Schlachten des 2. Punischen Kriegs hat das natürlich nichts zu tun.) Außerdem vermengte Homer seine Zeit mit der mythischen Vergangenheit. Weiters muss man bedenken, dass die Sänger seiner Zeit vor einem adligen Publikum vortrugen, das natürlich in erster Linie von Heldentaten Adliger hören wollte und in dessen Idealvorstellungen die restlichen Krieger loyale und willfährige Gefolgsleute waren.
Wie im 8. Jhdt. v. Chr. in Griechenland tatsächlich gekämpft wurde, lässt sich mE kaum sagen; die ersten vagen Hinweise haben wir erst aus dem 7. Jhdt. dank des (auch als Krieger aktiven) zeitgenössischen Dichters Archilochos und des großen Krieges zwischen Chalkidike und Eretria. In der ersten Hälfte des 7. Jhdts. scheinen Archilochos zufolge eher Schwertkämpfer, daneben Bogenschützen und Schleuderer, dominiert zu haben. Auch die Kavallerie könnte damals noch eine größere Rolle als später gespielt haben. Die Hoplitenphalanx begann sich wohl erst in der 2. Hälfte des 7. Jhdts. durchzusetzen.

Schlüsse von den archaischen Griechen auf die frühen Kelten zu ziehen halte ich erst recht für gewagt.
 
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