Kleinasien vor den Seldschuken

Außerdem haben sich Reiterspiele, die auf das Training der byzantinischen Reiter zurück gehen, bis heute erhalten. (Quelle: "Byzantine Cavalryman" von Timothy Dawson), also haben die Türken nicht wirklich zerstört, sondern sich das sogar zusätzlich zu Eigen gemacht.
 
Den Einfall der Seldschuken in Anatolien kann man sich nicht vorstellen, wie einen Vernichtungsfeldzug, wie man ihn im 20. Jahrhundert gesehen hat. Im Gegenteil: Sie haben das Land erobert, und sich dort angesiedelt ... Sie hatten ja gar kein Interesse daran, sich die Ansässigen zu vergrämen ...

Diese Darstellung halte ich für etwas euphemistisch. Natürlich hat das Byzantinische Reich die Besetzung Kleinasiens nicht kampflos hingenommen und sich kräftig - wenn auch vergeblich - militärisch dagegen gewehrt. Und ob die christliche Bevölkerung der Errichtung islamischer Herrschaften mit völlig anders gearteter Kultur und Religion, denen sie sich unterwefen musste, freudig zustimmte, sei dahingestellt!

Auf jeden Fall bedeutete die Schlacht bei Manzikert zwischen Byzantinern und Seldschuken im Jahr 1071 die Wende, wonach seldschukische Heere und hinter ihnen einsickernde nomadische Turkstämme Anatolien überfluteten und die Byzantiner zunächst an die Küsten zurückdrängten und im 12./13. Jh. zwei drittel Kleinasiens eroberten.
 
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Diese Darstellung halte ich für etwas euphemistisch. Natürlich hat das Byzantinische Reich die Besetzung Kleinasiens nicht kampflos hingenommen und sich kräftig - wenn auch vergeblich - militärisch dagegen gewehrt. Und ob die christliche Bevölkerung der Errichtung islamischer Herrschaften mit völlig anders gearteter Kultur und Religion, denen sie sich unterwefen musste, freudig zustimmte, sei dahingestellt!

Hast du natürlich recht. Aber grundsätzlich haben die Seldschuken die Byzantinische Kultur bewundert, und wollten sie nicht in dem Sinne zerstören, sondern sie ihr Eigen nennen.
 
Hast du natürlich recht. Aber grundsätzlich haben die Seldschuken die Byzantinische Kultur bewundert, und wollten sie nicht in dem Sinne zerstören, sondern sie ihr Eigen nennen.

Es kam in Kleinasien zu einer Machtbalance zwischen Byzantinern und Rum-Seldschuken, die nach ihrer Ansiedlung in Anatolien einiges von ihrem anfänglichen militärischen Schwung verloren, aber kulturell einiges leisteten. Das blieb etwa 200 Jahre so - vom 11.-13. Jh. - bis nach Zerfall des seldschukischen Sultanats Rum die Osmanen mit unglaublicher Geschwindigkeit und Aggressivität expandierten.
 
Diese sooo "unglaubliche Geschwindigkeit und Aggressivität" verblasst IMHO gegenüber der Ausbreitung anderer Reiche, wie dem Röm. Reich in einigen Phasen, Frankreich unter Napoleon, usw. usw.
Kalojan, eine "Bewunderung der byzantinischen Kultur"? Kannst du mal ein Beispiel nennen, damit ich weiß, was du meinst?

Ansonsten, Vorsicht! Ich verfasse mal meinen "Monster-Post" zuende, den ich schon vor Wochen hierfür verfasst habe und der auf der HD schlummerte... ;)
 
Diese sooo "unglaubliche Geschwindigkeit und Aggressivität" verblasst IMHO gegenüber der Ausbreitung anderer Reiche, wie dem Röm. Reich in einigen Phasen

Von seinen kleinen territorialen Anfängen in Latium um 500 v. Chr. brauchte der römische Staat etwa 250 Jahre, bis er um 250 v. Chr. gerade mal die Apenninhalbinsel erobert hatte. Es steht wirklich außer Frage, dass das Osmanische Reich in relativ kurzer Zeit gewaltige Gebiete erobern konnte: von seinen Anfängen um 1300 bis zum Jahr 1566 (Tod von Sultan Suleiman) konnte ein Territorium erworben werden, das von Ungan im Westen bis nach Bagdad, den Persischen Golf, Aden in Südarabien und Nordafrika reichte.

Ansonsten, Vorsicht! Ich verfasse mal meinen "Monster-Post" zuende, den ich schon vor Wochen hierfür verfasst habe und der auf der HD schlummerte...

:help:
 
Ich habe mal bis zum 17. Post auf der ersten Seite gelesen, und dann vor Wochen eine halbfertige Antwort offline geschrieben. Bevor der Thread nun weiter anwächst, stelle ich ihn mal fertig und poste ihn. Nach dem 17. Post erfolgte Postings sind nicht berücksichtigt, vielleicht lese ich nochmal weiter und gebe meinen Senf dazu, wenn nicht schon durch diesen Post erledigt:

Als Überschrift könnte man für diesen Post folgendes nehmen:

Anatolien wird türkisch und islamisch




Herrlich, wie man sich immer wieder durch solchen Bullshit im Geschichtsforum köstlich amüsieren kann. :rofl:

Christen und Moslems vermischen sich nicht, das ist heute noch so und wurde früher noch strenger gehandhabt. Sonst währen Griechen, Serben , Ungarn, Bulgaren usw. ausgestorben....
Die Völker sind nicht ausgestorben, weil sie auf eroberten Grund weiter leben durften, statt vertrieben, versklavt, vernichtet, usw. zu werden. Das hinderte die Völker nicht daran, eine allmähliche Assimilation zu durchlaufen, je länger sie unter islamischen Einfluss waren, desto mehr assimilierten sich. In Anatolien finden sich z.B. folglich weniger Christen im Laufe der Jahrhunderte, als auf der Morea. In Bulgarien, Makedonien, usw. finden sich mehr Turkophone vor den Unabhängigkeitskriegen, als in Ungarn oder Herzegowina, wo z.B. Ungarn nur 175 Jahre beherrscht wurde, im Gegensatz zu Makedonien, wo die Assimilation 500 Jahre Zeit hatte, oder gar Zentralanatolien, wo die Assimilation 1000 Jahre Zeit hatte.

Die Türken wahren früher ein Nomadenvolk(wie einst die Mongolen auch) das ausschließlich von Viehzucht und Plünderungen lebte.
Von Ackerbau und Bodenkultivierung hatten sie nicht die geringste Ahnung.
das macht ja bei einem umherziehenden Hirten und Kriegsvolk auch keinen Sinn.
Wieder Quatsch hoch zehn.
Natürlich geben die klimatischen Verhältnisse Zentralasiens die Bewirtschaftung der Flächen vor, und so ist es kein Wunder, dass das Nomadentum (in all seinen Abstufungen) oft die einzige Möglichkeit darstellt und weit verbreitet (war). Trotzdem gibt es ebenso Ackkerbau durch Turkvölker, und das sogar in komplexer Form, also inkl. Bewässerungstechniken, wie Kanalbau, Wasserhebewerke, usw. Der Ackerbau reicht im Übrigen bis ins 5. bis 4. Jahrtausend vor Chr. zurück.
Beispielsweise seien die türkischen Usbeken, die Tadschiken und einige Gruppen der Turkmenen erwähnt, wo bei letzteren ganze Gruppen (die als „Chomur“ bezeichnet wurden) Ackerbau betrieben haben, neben dem Nomadismus.

"Für Turkestan ist laut KALTER typisch, dass in denselben ethnischen Verbänden vollnomadische, halbnomadische und sesshafte Gruppen nebeneinander
vorkommen.
Der Übergang zur Sesshaftigkeit erfolgte z.B. dadurch, dass militärisch überlegene Nomadengruppen Bauernland eroberten oder dass sie die Herdenerlöse in Landkäufe investierten. Umgekehrt konnte auch die sesshafte Bevölkerung wieder zu einer nomadischen Lebensweise zurückkehren, z.B. als Folge von Überbevölkerung des Ackerlandes, als Folge der Zerstörung oder des Verfalls der Bewässerungsanlagen,
Ausbleiben von Niederschlägen in den Regenfeldbaugebieten."
aus:
http://www.univie.ac.at/ksa/html/inh/stud/studmate_files/zentralas_0607/GesamtversionNewZas1_7.pdf

...
Da sprechen aber die Unterirdischen Städte in Kappadokien eine andere Sprache.
Noch mahl. Christen vermischen sich nicht freiwillig mit Moslems.
...
Da gab es noch gar keine Türken in der Nähe, als diese in Kappadokien errichtet wurden!
Diese wurden vielleicht teilweise schon in hethitischer Zeit, dann als Schutz vor römischen Verfolgungen durch die frühen Christen, und dann in Folge der Feldzüge der persischen Sasaniden, Hunnen und Isaurier errichtet. Später dann boten sie auch Schutz, als die Araber durchritten und ihre Razzien durchführten. Oder boten Schutz in innerbyzantinischen Kämpfen und Streitereien vor der Schlacht von Manzikert, als erstmalig die Türken eine Rolle in Anatolien spielten.

Dass die Türken (Seldschuken) keinesfalls nur als Nomaden nach Anatolien einwanderten, zeigt allein die Tatsache, dass sie relativ rasch die städtischen Zentren einnahmen um in deren Schutz Herrschaftssitze zu errichten und unter dem Schutz der Mauern Ackerbau betreiben konnten. Noch gab es nämlich nicht eingenommene byzant. Städte, die wie Inseln waren und Vorstöße (also Feldzüge) tätigten. Ausserdem ist belegt, dass neben den Bauern, die einwanderten, auch turkophone Städter aus Zentralasien und Iran einwanderten, was sich in einer sehr raschen Blüte der städtischen Kultur ausdrückt, die sich eben nicht von Null an entwickeln musste.
Das relativ flache Hochland eignete sich sehr gut für die Viehwirtschaft, bzw. das Nomandentum, war es doch recht dünn besiedelt, weil zuvor in innerbyzantischen Streitereien und durch die arabischen Razzien die Besiedlungsdichte zurückging. Trotzdem boten nicht allen mitgewanderten Nomaden diese Städte und ihr bäuerliches Umland ihre bevorzugte Lebensgrundlage, wenn auch etliche sesshaft wurden, und einige deshalb als Nomaden und Halbnomanden in die umliegenden Berge gingen. Etliche hingegen blieben als "bewegliche Elemente" des Staates immer ein gewisser Unruheherd, bzw. kaum fassbare steuerpflichtige Untertanen, so dass einige dieser Nomaden "weitergeleitet" wurden an die byzant. Grenzmark, wo sie in Raubzügen das fortsetzten, was die Araber zuvor aus Mesopotamien in Richtung Anatolien taten.

Übrigens sind Ost- und Zentralanatolien so rasch erobert worden, dass größere Fluchtbewegungen der Einheimischen in der Forschung als sehr unwahrscheinlich gelten; wie auch die Struktur der Städte dieses nahelegen. Oder altertümliche Dialekte, die man noch im 19. Jh. fand. Zudem zeigen die Überlieferung der Ortsnamen, meistens in ihrer vortürkischen Form, wenn auch türkisch angepasst, eine Bevölkerungskonstanz der Vorbevölkerung, die diese Namen mit in die neue Herrschaftszeit tradierten. Dieses gilt übrigens nicht nur für die größeren Städte, sondern ebenso für kleinere Orte und Dörfer. Wären diese alle leer gewesen, hätten die neuen Einwohner oft nicht den alten Namen übernommen sondern neue Namen verwendet.

Übrigens bestreite ich keinesfalls, dass bei den ersten Eroberungen nicht auch zu Verwüstungen und Massakern gekommen ist. Diese riefen aber keine massenhafte Fluchtbewegung hervor. Soviel wissen wir. Zudem lässt die rasche Etablierung staatlicher seldschukischer Macht in den städtischen Zentren stark vermuten, dass den frisch gegründeten Emiraten mehr an prosperierenden christlichen Steuerzahlern, denn an Massenkonversionen zum Islam gelegen war. Sowieso lagen die Steuersätze der Christen unterhalb dessen, was die Byzantiner ihnen vorher abpressten.
Das islamische Schutzgebot gegenüber der nichtislamischen "Buchreligionen" konnte in den Städten und deren Umgebung durchgesetzt werden, fraglich allerdings, ob alle erst "kürzlich" islamisierten Nomaden in peripheren Gebieten diese Schutzgebote vollständig respektierten. Wahrscheinlicher zogen beim jahrtausendealten Konflikt zwischen Nomadentum und Sesshaftigkeit ggf. die Sesshaften öfters den Kürzeren und zogen in oder in die Nähe der Städte. (Später, nach vollständiger Etablierung der Macht der Seldschuken wurden dann diese Weidegebiete manchmal zu Bauerngrund rekolonisiert, siehe unten)

Die Beziehungen zwischen Muslimen und Christen müssen in seldschukischer Zeit auf vielen Ebenen ausgesprochen gut gewesen sein. So belegen Zeugnisse, dass die Armenier und syrische Christen geradezu dankbar gewesen seien, dass sie nun nicht mehr geistig durch das griech.-orth. Konstantinopel bevormundet werden konnten. Aber auch griech.-orth. Bischöfe konnten in ihren Gemeinden ungestört amtieren und viele scheinen sogar an den Fürstenhöfen nicht unerheblichen Einfluss gehabt zu haben.

In der Oberschicht, auch bei türkischen Fürstenhäusern, gab es bald zahlreiche Verschwägerungen mit griechischen Familien von diesseits und jenseits der Grenze. Diese Beziehungen wurden auch zu politischen Zwecken eingesetzt.
Revoltierende byzant. Prinzen oder Gouverneure flohen zu den Seldschuken und umgekehrt nicht minder. Die Beziehungen zwischen den byzant. und selschuk. Machtzentren waren enger und vielfältiger, als zu denen der islamischen Glaubensbrüder in Syrien.

C. Cahen spitzt das bewusst etwas zu, wenn er das Verhältnis der Türken zu ihrer noch nicht islamischen Umgebung charakterisiert:

"They were Muslims, it is true, but in a certain sense they were integrated more or less consciously into the territory know as Rum, which they might aspire to dominate, though for the reason that they formed a part of it and felt more at home there than in the traditional Dar al-Islam [=Haus des Islam=muslimisch beherrschte Gebiete], even when they were among the infidels..."

Dieser Zustand der Toleranz galt allerdings nicht für die nordwestliche Grenzmark, die von beutemachenden Nomaden durchstreift wurde, und wo die Bevölkerung schon eher drangsaliert, zwangsassimiliert oder auch zur Flucht getrieben wurde.

Ausserdem gab es noch Zwangsumsiedlungen im selschuk. Reich, um Gebiete zu rekolonisieren. So wurden z.B. griechische Bauern aus dem Mäandertal nach Akşehir in Zentralanatolien umgesiedelt. Wahrscheinlich, nachdem der nomadische Einfluss in dieser Region durch die Seldschuken eingedämmt werden konnte.

Die nach der seldschukischen Reichsgründung erfolgte Durchmischung werden noch von anderen Faktoren getragen, wie z.B. die Konversion von vielen Christen zum Islam. Teilweise aus Überzeugung, teilweise aufgrund von gesellschaftlichem Druck, teilweise, um Karriere in bestimmten Bereichen machen zu können, usw. Die Konversion wurde zudem erleichtert, durch die Art, wie damals der Islam teilweise aufgefasst wurde: Dschelal ed-Din Rumi (der Ordensgründer der Tanzenden Derwische von Konya) soll mit seiner mystisch-philanthropischen Interpretation des Islam wahre Massenbekehrungen ausgelöst haben. Egal wie tief die Überzeugungen der Konvertiten auch gewesen sein mögen, offiziell zählten sie nun als Muslime, und wenn sie zudem auch noch zunehmend mehr türkisch sprachen, wurden sie bald zu Türken und wenige Generationen später erinnert sich vielleicht auch niemand mehr deren christliche Vergangenheit.

Aber auch die türk. Einwanderer waren keinesfalls homogen, wie oben schon geschildert, es gab ebenso Bauern und Städter, und die türk. Bauern standen den griech. Bauernnachbarn näher, als den türk. Nomaden und verbündeten sich und begünstigten somit wiederum die Assimilation. Auch die Nomaden waren keinesfalls homogen. Ihre Bindungen waren viel weniger stark zu ihrem jeweiligem Stamm, als zu einem politischen Führer. Wechselnde Gruppierungen waren demnach keine Ausnahme und begünstigten eine Durchmischung auch durch neu hinzu gekommene junge männliche ehemalige Christen, denen ein Leben in Freiheit, Abenteuer, Reichtum und Ehre als erstrebenswert erschien.

Wenn in Quellen im 12.-14. Jh. ein bestimmter Bevölkerungsteil Anatoliens als "Turkmenen" bezeichnet wird, dann ist damit nicht ein historisches "Volk", sondern eine Lebensform gemeint.

In osmanischer Zeit schließlich sprachen die meisten Christengemeinden umgangssprachlich Türkisch, und eine derartige Übernahme der Sprache setzt eine überwiegend türkisch-sprachige Umgebung voraus.

Osman. Register im 16. Jh. zeigen denn auch noch eine weithin vorhandene christl. Bevölkerung, aber in unterschiedlicher Dichte. Das Gebiet Trapezunt (Trabzon) ist noch zur Hälfte christlich, das Marmaragebiet mit Istanbul hat stattliche Gemeinden, in Zentralanatolien sind noch 10% christlich, dort wo die Seldschuken eben länger geherrscht hatten, als an den Küsten.
An der Ägäisküste ist hingegen das Christentum verschwunden, erst viel später siedelten sich im Zuge der Industrialisierung im 19. Jh. Inselgriechen und Griechen aus Griechenland an der kleinasiatischen Ägäisküste an.

(Obige Ausführungen teilweise fast wörtlich, aber meist zusammengefasst aus: Hütteroth, Wolf-Dieter: Türkei. Darmstadt 1982, Wissenschaftl. Länderkunde, Band 21. S. 198 ff. "Anatolien wird türkisch und islamisch")
 
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Die Völker sind nicht ausgestorben, weil sie auf eroberten Grund weiter leben durften, statt vertrieben, versklavt, vernichtet, usw. zu werden. Das hinderte die Völker nicht daran, eine allmähliche Assimilation zu durchlaufen, je länger sie unter islamischen Einfluss waren, desto mehr assimilierten sich.

Eine Assimilation der christlichen Balkanvölker an die Türken fand keineswegs statt, denn sonst würden sich auf dem Balkan heute nur noch türkische Völker befinden. Das versteht man unter Assimilation.

Ganz im Gegenteil wurden die Völker auf der Balkanhalbinsel von den muslimischen Türken gewaltsam unterworfen, was im Angesicht vieler verlustreicher Schlachten erfolgte, die noch heute zu den nationalen Mythen dieser Völker zählen. Sie widerstanden einer türkisch-islamischen Assimilation - abgesehen von Teilen der bosnischen und albanischen Bevölkerung, die leduglich ihren muslimisch gewordenen Herrschaften folgte - und blieben sowohl christlich als sie auch ihre nationale Identität als Serben, Kroaten, Rumänen, Bulgaren und Griechen gegenüber dem muslimischen türkischen Staatsvolk bewahrten.

In Anatolien finden sich z.B. folglich weniger Christen im Laufe der Jahrhunderte, als auf der Morea.

Vom 11.-13. Jh. wurde Anatolien von einer Woge nomadischer Turkvölker überschwemmt, ganz abgesehen von den muslimischen Fürstentümern der Rum-Seldschuken bzw. dem Sultanat Rum. Es braucht keine besondere Fantasie um sich vorzustellen, dass die seit 800 Jahren christliche Bevölkerung Anatoliens dieser gewaltsamen Unterwerfung und kulturellen Infiltration und Dominanz weichen musste und im Verlauf von etwa 100 Jahren muslimisch wurde. Das gleiche finden wir - anders herum - bei der cjhistlichen Reconquista in Spanien, wo hunderttausende spanischer Mauren zwangsweise christianisiert wurden. Nun mag man einwenden, dass die Türken keine Zwangsbekehrungen vornahmen, was sicherlich korrekt ist. Wenn aber mit einem anatolischen Christentum eine soziale Deklassierung einherging und ein Aufstieg von Christen in wichtige staatliche Positionen nicht möglich war, so ist das Resultat das gleiche.

Trotzdem gibt es ebenso Ackkerbau durch Turkvölker, und das sogar in komplexer Form, also inkl. Bewässerungstechniken, wie Kanalbau, Wasserhebewerke, usw.

Was seit dem 11. Jh. in Anatolien einwanderte, waren turkstämmige Nomadenvölker mit Weide- und Viehwirtschaft, also schlichte Hirten und Raubkrieger, wie es seit Jahrtausenden bei solchen Völkern - Hunnen, Awaren, Skythen, Sarmaten, Alanen, Mongolen - Sitte und Brauch war. Sie überwältigten die christliche Bevölkerung Kleinasiens, die ihnen militärisch nicht gewachsen war und zudem die blutsaugerische Steuerpolitik der byzantinischen Reichsregierung über Jahrhunderte hinweg erdulden musste. Dass sie allerdings beim Auftauchen der nomadischen Turkvölker in Freudenschreie ausbrach, halte ich für einen Euphemismus.

Dass die Türken (Seldschuken) keinesfalls nur als Nomaden nach Anatolien einwanderten, zeigt allein die Tatsache, dass sie relativ rasch die städtischen Zentren einnahmen um in deren Schutz Herrschaftssitze zu errichten und unter dem Schutz der Mauern Ackerbau betreiben konnten.

Diesen "Ackerbau" betrieben bezeichnenderweise nicht die türkischen Seldschuken, die das als nomadisches Reitervolk als unter ihrer Würde betrachteten, sondern die alteingesessene christliche anatolische Bevölkerung, die wegen sozialer Deklassierung allmählich zum Islam konvertierte.

Noch gab es nämlich nicht eingenommene byzant. Städte, die wie Inseln waren und Vorstöße (also Feldzüge) tätigten.

Die nomadischen Turkstämme, die Kleinasien seit dem 11 Jh. überfluteten, fühlten sich auf der kargen anatolischen Hochfläche am wohlsten, die ihrem Reiternomadismus am ehesten entsprach. Insofern blieben die küstennahen Randgebiete Kleinasiens noch eine Weile von der türkischen Expansion verschont, was allerdings lediglich eine Übergangsphase war.

Die Beziehungen zwischen Muslimen und Christen müssen in seldschukischer Zeit auf vielen Ebenen ausgesprochen gut gewesen sein.

Aus einer solchen Feststellung darf man keine falschen Schlüsse ziehen. Die Byzantiner haben die Seldschuken naturgemäß nicht geliebt, die ihnen zwei drittel ihres Staates gewaltsam entrissen und sie auf den Status einer Mittelmacht zurückgeworfen hatten, die ihnen zudem einen hohen Blutzoll an Schlachten und Menschenverlusten abgezwungen hatten. Aber die Byzantiner waren auch Realpolitiker und haben sich mit der Existenz der türkischen Seldschuken abfinden und das Beste aus dieser politisch-militärischen Zwangslage machen müssen. Es wäre also irreal, das politische Verhältnis zwischen Byzantinern und muslimischen Seldschuken romantisch verklären zu wollen. Die Gesetze der Realität haben das bestimmt und nicht etwa ein "inniges Verhältnis".
 
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Halte es ruhig als Euphemismus, ich halte mich da lieber an den Quellen und der maßgeblichen aktuelleren Sekundärliteratur. :p

Übrigens wird das Gazitum der frühen Osmanen inzwischen als Rückprojektion betrachtet. Es wurde erst in der Zeit Bayezid I. (ca. 1360-1403) den expansiven Vorstößen von muslimischen und mit ihnen verbündeten christlichen Kriegern unterlegt. (K. Kreiser: Der osm. Staat. 2008. S. 206)
 
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PS: Natürlich assimilierten sich auch Bewohner aus der Balkanregion allmählich, je mehr Türken dort ansässig wurden, desto mehr, also je näher zu Istanbul, desto mehr Balkanesen nahmen den Islam an. Aber auch vereinzelte Zentren vermehrter Konversionen finden wir, z.B. an Stätten, wo sich Derwische niederließen, und durch ihr Wirken, teilweise auch nach ihrem Tode noch, Christen zu Muslimen werden ließ. Dieses mag sich vielleicht in gebildeteren Städtekreisen verlangsamt haben, als im 18. Jh. zunehmend die osman. Kultur nicht mehr als die "führende" und erfolgreiche anerkannt wurde und das Nacheifern Teil dieser Kultur auch religiös werden zu wollen zurückging. Aber das ist ein anderer Thread.
 
PS: Natürlich assimilierten sich auch Bewohner aus der Balkanregion allmählich, je mehr Türken dort ansässig wurden, desto mehr, also je näher zu Istanbul, desto mehr Balkanesen nahmen den Islam an. .

Abgesehen von einem Großteil der Albaner und den muslimischen Bosniern haben sich im Balkanraum Nationen mit einer christlichen Bevölkerung durchgesetzt - sieht man einmal von türkischen Einsprengseln vor allem in Bulgarien ab, während die moldawischen Gagausen vermutlich bereits vom Ursprung her wohl ein oghusischer türkischer Volkssplitter waren. Historisch zählen dazu natürlich auch die rund 500 000 Türken, die nach dem katastrophalen militärischen Abenteuer der Griechen in Kleinasien 1922/23 aus Griechenland ausgesiedelt wurden, während im Gegenzug 1,2 Millionen Griechen die Türkei bzw. Kleinasien verlassen mussten.

Es gibt dazu einen recht ordentlichen Wiki-Artikel (Türkische Minderheiten in Südosteuropa ? Wikipedia), der auch zeigt, dass die rund 400 Jahre währende türkische Herrschaft auf dem Balkan natürlich ihre Spuren hinterlassen hat - abgesehen von muslimischen Volksgruppen wie Bosniern und Albanern besonders im kulturellen und sprachlichen Bereich der christlichen Balkanvölker.

Daher gibt es seit einigen Jahren eine Reaktion in diesen Ländern, die z.B. türkische Lehnworte aus den Balkansprachen eliminieren und durch eigensprachliche Worte ersetzen will. Zudem stört sich ein Teil der Bevölkerung an zurückgebliebenen und nicht mehr benutzten Moscheen aus der osmanischen Epoche und an türkisch geprägten Stadtvierteln mit dem Ziel, türkische Spuren der Vergangenheit zu tilgen.

Ob das allerdings ein glückliches Unterfangen ist, sei dahingestellt. Auch die noch relativ jungen Balkanstaaten müssen lernen, mit ihrer Geschichte und ihrer Vergangenheit zu leben.
 
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Daher gibt es seit einigen Jahren eine Reaktion in diesen Ländern, die z.B. türkische Lehnworte aus den Balkansprachen eliminieren und durch eigensprachliche Worte ersetzen will.

Kann ich dir im Fall Bulgarien getrost widersprechen. Die Englischen Wörter setzten sich dort durch, wo sie sich auch in Deutschland und Österreich durchsetzen. Es ist also nicht mal im Entferntesten so, wie du es hier sagst. Im Gegenteil: Die Bulgaren haben zu den Türken ein bei weitem besseres Verhältnis als zu den Serben.
 
Kann ich dir im Fall Bulgarien getrost widersprechen. Es ist also nicht mal im Entferntesten so, wie du es hier sagst. Im Gegenteil: Die Bulgaren haben zu den Türken ein bei weitem besseres Verhältnis als zu den Serben.

Genau das Gegenteil sagt die kenntnisreiche Wissenschaftlerin Suraiya Faroqhi, seit 1988 Professorin für Osmanistik an der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität. Sie bestätigt, dass die jungen Balkannationen vielfach osmanisch-türkische Spuren tilgen wollen:

Dieses Verschwinden osmanischer Kulturelemente ist darauf zurückzuführen, dass etwa in Bulgarien oder Griechenland, nachdem der jeweilige Nationalstaat einmal gegründet war, die Kultur der Region in oft einschneidender Weise umdefiniert worden ist. Dieser Prozess ist auch heute nicht abgeschlossen, wie etwa die erzwungene Namensänderung und Vertreibung von vielen muslimischen Bürgern Bulgariens in den späten achtziger Jahren beweist.

Bei dieser Neudefinition geht es darum, "orientalische", d.h. osmanische Komponenten möglichst rasch zum Verschwinden zu bringen. In vielen Fällen hat dies auch bedeutet, dass man die osmanischen Baudenkmäler dem Verfall überließ, oder ... diese sogar vorrangig zerstörte.

(Suraiya Faroqhi, Geschichte des Osmanischen Reichs, München 2000, S. 113 f.)
 
Kalojan, das hinderte sie aber nicht daran, noch in den 90er Jahren an osmanischen Moscheen Brandsätze zu legen, ganz zu schweigen von dem Vanddalentum der 70er bis 80er Jahre. (Über die Zeit davor braucht man erst recht nix sagen.)
Heute gibt der bulg. Staat immerhin ein kleines Budget für die Denkmalpflege der verbliebenen osm. Bauten aus, damit sie nicht weiter verfallen und verwahrlosen, allerdings ist dieses so winzig, dass zu befürchten ist, dass von den ehemals ca. 20.000 osmanischen Bauwerken des Balkans noch mehr als die bisherigen 98% von der Bildfläche verschwinden dürften.

Bei Bamiyan schreit die Welt (zurecht!) auf. Beim Balkan schaut die Welt offensichtlich nicht hin.

PS: Dieter, zu deinem "recht ordentlichen" Wiki-Artikel: Der Artikel wurde vorwiegend von einem recht nationalistischen Türken geschrieben, der alle Turkophonen des Balkans als türkisch-oghuzische Einwanderer ansieht, also als "sein eigenes Volk", welches direkt aus Zentralasien stammt. Seine These, dass alle unter sich blieben, und es nie zu einer Vermischung und Assimilierung der christl. Umgebung kam, ist überholt und ein Relikt der türk. Geschichtsschreibung der ersten Hälfte des 20. Jh.
 
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PS: Dieter, zu deinem "recht ordentlichen" Wiki-Artikel: Der Artikel wurde vorwiegend von einem recht nationalistischen Türken geschrieben, der alle Turkophonen des Balkans als türkisch-oghuzische Einwanderer ansieht, also als "sein eigenes Volk", welches direkt aus Zentralasien stammt.

Ich hatte beim Überfliegen des Artikels den Eindruck, dass er historisch einigermaßen sachgerecht über die türkischen Minderheiten auf dem Balkan informiert. Allerdings bin ich nicht wie du in die Tiefen der turkophilen Obsessionen des mir unbekannten Herrn hinabgestiegen! :sorry:
 
Also, seit den Zeiten des Kommunismus hat sich einiges gewandelt. Die Türken sind auch nicht mehr in dem Sinne ein Feindbild. Im übrigen haben die Bulgaren kaum Mittel zum Erhalt ihrer Kulturdenkmäler im Allgemeinen, wenn sich auch die wirtschaftliche Lage deutlich gebessert hat im Vergleich zu vor 10 Jahren. Und es ist wohl selbstverständlich, dass man die wenigen Mittel eher in den Erhalt der Ruinen von Pliska, Preslav, Turnovo, Nessebar und den Grabhügeln von Kazanluk, steckt, ist selbstverständlich.

Etwas Recherche diesbezüglich anstatt unwahre Behauptungen aufzustellen wäre wünschenswert :winke:

Im übrigen hat diese "gezielte Verfolgung von Muslimen" in Bulgarien nix mit der Religion in dem Sinne zu tun, sondern damit, dass diese im Norden ein Autonomiebestreben hatten, und sich dagegen zur Wehr setzten, und zwar entschieden. Die Namensänderungen sind natürlich da wieder ein eigenes Kapitel.

Ich würde allen hier dringend dazu raten

a, Mal lieber Bulgarisch zu lernen, anstatt irgendwelche Dinge bezüglich der Sprache zu behaupten.

b, Mal hin zu fahren, und sich das mal anzusehen, wie es dort nun wirklich abläuft, und nicht nur Zeitung zu lesen (die im übrigen 90% der Fakten verdrehen, so dass die deutschsprachigen Massen sie verdauen können, und ihr Weltbild nicht zerstören).

Sollte sich jemand davon gekränkt fühlen, ist es mir ziemlich Wurscht, wenn es auch nicht als Angriff, sondern als Mahnung gedacht ist.
 
Etwas Recherche diesbezüglich anstatt unwahre Behauptungen aufzustellen wäre wünschenswert.

Ich habe mit Suraiya Faroqhi die Aussagen einer ausgewiesenen Spezialistin zitiert - Professorin an der Münchener Universität im Fach Osmanistik -, die bereits zahlreiche wissenschaftliche Beiträge veröffentlicht hat. Und da ich nicht flugs nach Sofia reisen kann, bleibt mir nur, aus ihren Publikationen zu zitieren! :grübel:
 
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