Kompetenzen der Reichsrätekammer in Bayern

Hallo liebes Forum,

meistens schmökere ich ja bei den alten Griechen rum, aber jetzt hat mich alten schwäbischen Baiuwaren der Wind der Geschichte bis hierhin getrieben:winke:

Und folgendes führe ich mit vielen Fragezeichen im Gepäck:

1. Es geht um die bayerische Verfassung nach 1848. Genauer: Um den Landtag.
Insgesamt handelt es sich bei der Regierung nach 1848 um eine Modifikation der Verfassung von 1818. Es handelt sich bei ihr um eine konstitutionelle Monarchie. Die Regierungsgewalt ist bereits dreigeteilt in Gerichte, Monarchen mit vom ihm berufener Exektuvie (Ministerium) und TADAA! einer echten, gewählten Volksvertretung (Wer mehr als 30 Kreuzer hat, darf Kreuzchen setzen, sprich: aktives Zensuswahlrecht für Männer über 21 ). Die große Modifikation zur Zeit vor der Revolution: Der Landtag hat Gesetzesinitiativrecht und die Minister sind nun durch Misstrauensaussprache torpedierbar (was ja auch beim ersten Reformlandtag 1849 gleich passierte).

2. Was mir aber nicht klar ist: Wie werden Gesetze und Beschlüsse im Detail verabschiedet? Bei Treml ("Die Geschichte des modernen Bayern"), S. 107, steht, dass das Wahlrecht 1906 reformiert wurde, weil Zentrum und SPD kooperierten und "mit der damit erreichten Zwei-Drittel-Mehrheit" das Wahlgesetz beschlossen werden konnte.
Von der Zwei-Drittel-Mehrheit hab ich auch gelesen, als es im Reformlandtag 1849 um die Annahme oder Ablehnung der Nationalverfassung und des Grundgesetzes geht. Damals stimmten die liberalen "Fraktionen" mit 72: 62 Stimmen für die Paulskirchen-Beschlüsse. Das passt dem Ministerium nicht, also verzoffen sich Landtag und Ministerium, Ministerium wird abgesetzt, Landtag vertagt, Wahlkreisgeometrie betrieben, neuer Landtag gewählt, der die von der Regierung gewünschte gemäßigte Mehrheit enthält und dann wird gemäßigte Restaurationspolitik betrieben. Soweit so logisch.

3. Aber: Wie kommen jetzt Beschlüsse zusammen? Der Landtag ist ja geteilt in zwei Kammern: Reichsrätekammer und Abgeordnetenkammer. Die Abgeordneten sind meistens das voranschreitende Element bei der Sache, die Reichsräte versuchen ihre Privilegien und die alte Ständeordnung zu bewahren. So weit so Goethe. Und nun, konkret bei der 48ger Frage: Warum ließ der König (Max II) den Landtag auflösen, wenn die Rätekammer - wie zu erwarten ist - eh dagegen gestimmt hat? Er hatte ja ein Vetorecht, denn gefunden hab ich das hier:


Die rechtlichen Kompetenzen der Reichsräte entsprachen genau denjenigen der Abgeordneten: Dies waren als politisch materielle Rechte das Mitwirkungsrecht an der Gesetzgebung des Landes, seit 1848 auch das Gesetzesinitiativrecht, sowie das Recht zur Prüfung des Staatshaushalts und zur Bewilligung der Steuern, zudem als sogenannte politisch formelle Rechte das Informations-, Petitions-, Beschwerde-, Anklage- und Legitimationsprüfungsrecht, seit 1848 das Interpellationsrecht und das Recht einer erweiterten Ministeranklage, freilich ohne parlamentarische Ministerverantwortlichkeit. Beide Kammern berieten und beschlossen entsprechende Gesetzentwürfe oder Budgetvorlagen völlig selbständig; nur die übereinstimmende Willenserklärung beider Kammern stellte dem König gegenüber den staatsrechtlich gültigen Landtagsbeschluß dar, oder anders gewendet: Jede der beiden Kammern hatte innerhalb der ihr zustehenden Befugnisse absolutes Vetorecht5.
4. Aber stimmt das so? Dann hatte die Volksvertretung außer einer Repräsentation ihres Standpunkts defakto kaum bis gar keine politische Macht inne und ausüben können, oder?

Pfiads oich!
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