Konstantinopel-Istanbul

Trotzdem halte ich es für einen Irrweg, blind der gerade aktuellen "akademischen Wirklichkeit", die sich ohnehin immer wieder ändert und an aktuelle politische und sonstige äußere, nichtwissenschaftliche, Einflüsse anpasst, zu folgen.

So sehe ich das auch.

Auf die "akademische Wirklichkeit" der außenpolitischen Studien der letzten Jahrzehnte zum Osamnischen Reich, die sich einerseits auf die zeitgenössische Terminologie abstützt, und andererseits offenbar konfliktfrei beide Bezeichnungen einbindet, habe ich ja mehrfach hingewiesen.
 
Damit haste wohl recht. Nur am Beispiel Konstantinopel/Istanbul in der Wiki habe ich ja eben den Eindruck gehabt, dass hier jemand anhand "aktuelle politische und sonstige äußere, nichtwissenschaftliche, Einflüsse" versucht, alle Istanbuls in Konstantinopel zu ändern. (Also aufgrund der EU-Türkei-Debatte bei uns, nicht aufgrund akademischer Debatten in der Sekundärlitatur.)
Denn bestimmt seit den 50er Jahren des 20. Jh. kam immer mehr Istanbul als Bezeichnung für das osmanische Konstantinopel auf.
Siehe hier Franz Babinger, der auf eine akademische Diskussion diesbezüglich verweist:
Mehmed the Conqueror and His Time - Google Bücher
Wenn ich zuhause bin, kann ich auch nochmal in meine Encylopaedia of Islam schauen, dort wird dieses bestimmt auch thematisiert, und vielleicht erläutert, warum diese Enzyklopädie sich auf Istanbul verständigte.
 
Damit haste wohl recht. Nur am Beispiel Konstantinopel/Istanbul in der Wiki habe ich ja eben den Eindruck gehabt, dass hier jemand anhand "aktuelle politische und sonstige äußere, nichtwissenschaftliche, Einflüsse" versucht, alle Istanbuls in Konstantinopel zu ändern. (Also aufgrund der EU-Türkei-Debatte bei uns, nicht aufgrund akademischer Debatten in der Sekundärlitatur.)
Denn bestimmt seit den 50er Jahren des 20. Jh. kam immer mehr Istanbul als Bezeichnung für das osmanische Konstantinopel auf.
Wenn in Artikeln zur heutigen Türkei oder zur Geschichte der Türkei seit den 30er Jahren des 20. Jhdts. statt Istanbul Konstantinopel verwendet wird, ist das natürlich verfehlt und abzulehnen, keine Frage. Dahinter steckt aber nichts anderes als hinter dem umgekehrten Versuch, alle Konstantinopels in Artikeln zu früheren Jahrhunderten in Istanbuls umzubenennen: Der Versuch, eigene politische Anschauungen und Rücksichtnahmen in historischen Darstellungen ohne Rücksicht auf historische Gegebenheiten durchsetzen zu wollen.
 
Zuletzt bearbeitet:
"Historische Gegebenheiten" ist ein gutes Stichwort. Wenn es einen einzigen immer offiziell benutzten Stadtnamen gäbe, ist die Sache klar.
Was ich aber mit meinem obigen Posting meinte ist, dass ich in meiner Literatur meistens den Namen Istanbul für die Zeit nach 1453 finde (nicht nur für Ereignisse nach 1930). Daher wurde ich stutzig, dass in jüngerer Zeit in der Wiki immer wieder Istanbul für Artikel nach 1453 durch Konstantinopel ersetzt wurde.
Also sehe ich in diesem Fall eher den von dir oben beschrieben Fall: "Der Versuch, eigene politische Anschauungen und Rücksichtnahmen in historischen Darstellungen ohne Rücksicht auf historische Gegebenheiten durchsetzen zu wollen." Eben durch diese Wikipedianer.
Ich sehe es hingegen nicht bei der Mehrzahl der Professorenschaft, dass die nun "eigene politische Anschauungen" bei dem Benutzen von Istanbul durchsetzen wollten. Denn es scheint mir eine Mehrzahl davon zu geben, zumindest bei denjenigen, die ihren Forschungsschwerpunkt im Osmanischen Reich haben, die eben die Schreibung von Istanbul nach 1453 bevorzugen. Wären es nur vereinzelte vor allem türkische Autoren, würde ich auch von einem von Nationalismus getriebenen unwissenschaftlichen Verhalten ausgehen. Es ist aber nicht so.

Wenn in der englischen Wikipedia auf einmal Editoren anfangen würden, Munich durch München zu ersetzen, wäre es eine (fast) ebenso falsche Abbildung der in der (engl.) Sekundärlitaratur bevorzugten Verwendung, wie es bei Istanbul/Konstantinopel der Fall ist.
 
Der Vergleich mit Munich und München hinkt aber, denn es handelt sich um denselben Städtenamen, der seit jeher gebraucht wird, nur einmal in der englischen und einmal in der deutschen Schreibweise. Konstantinopel und Istanbul hingegen sind zwei verschiedene Städtenamen für dieselbe Stadt, wobei im Laufe der Geschichte zuerst der eine, dann der andere verwendet wurde, mit einer Übergangsphase, in der anscheinend beide nebeneinander verwendet wurden, nur Ersterer anscheinend öfter als Zweiterer.

"Historische Gegebenheiten" ist ein gutes Stichwort. Wenn es einen einzigen immer offiziell benutzten Stadtnamen gäbe, ist die Sache klar.
Was ich aber mit meinem obigen Posting meinte ist, dass ich in meiner Literatur meistens den Namen Istanbul für die Zeit nach 1453 finde (nicht nur für Ereignisse nach 1930).
Die Frage ist: Soll sich die heutige Literatur an den historischen Gegebenheiten orientieren oder soll die Geschichte so umgeschrieben werden, dass sie zur heutigen Literatur passt?

Aber bleiben wir gleich bei der Stadt: Es wäre doch auch komplett verfehlt, die Stadt in der Zeit vor Konstantin dem Großen als Konstantinopel zu bezeichnen, denn davor hieß sie ausschließlich Byzantion. In der spätantiken und mittelalterlichen byzantinischen Literatur über die Spätantike und das Byzantinische Reich hingegen wird die Stadt teils Konstantinopel, teils weiterhin Byzantion genannt. Anna Komnena verwendet in ihrer "Alexias" sogar beide Namen alternierend. Du wirst mir aber wohl zustimmen, dass es Unfug wäre, wenn heutige Historiker Byzanz zur Zeit des Peloponnesischen Krieges Konstantinopel oder gar Istanbul nennen würden, bloß weil die Stadt später so hieß. Warum also soll man die Stadt dann bei Darstellungen einer Zeit, in der sie auch von den Osmanen selbst anscheinend noch überwiegend Konstantinopel genannt wurde, Istanbul nennen?
 
... und vielleicht erläutert, warum diese Enzyklopädie sich auf Istanbul verständigte.

Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass auch die Verfasser dieser Enzyklopädie die durchgehende Bezeichnung Istanbul lediglich unter dem modernen Aspekt einer islamgerechten Namen- bzw. Sprachengebung wählten. Sie könnten also vom grünen Tisch her entschieden haben, die Stadt bis bis zur Einnahme durch die Türken 1453 Konstantinopel zu nennen und hernach nur Istanbul - was aber der tatsächlichen historischen Sachlage nicht nur teilweise gerecht wird. In Europa jedenfalls hieß die Stadt bis ins 20. Jh. hinein Konstantinopel, was zahlreiche alte historische Karten beweisen.

Hier nochmals eine weiter vorn bereits genannte englische Karte aus dem Jahr 1754. Daneben gibt es eine Fülle ähnlicher historischer Karten.

Turky in Asia. - Reinhold Berg Alte Landkarten
 
Ravenik;578414... schrieb:
Die Frage ist: Soll sich die heutige Literatur an den historischen Gegebenheiten orientieren oder soll die Geschichte so umgeschrieben werden, dass sie zur heutigen Literatur passt? ...?
Nur mal dazu, zu mehr habe ich hoffentlich am WE Zeit :winke:
Ich bin der Meinung, die heutige (akad.) Literatur sollte sich an historischen Gegebenheiten orientieren. Bin da wohl Purist (sonst wäre ich vielleicht auch nicht hier ;))
Allerdings bin ich da auch nicht konsequent, so beuge ich mich der üblichen (auch wissenschaftlichen) Bezeichnung "Byzantinisches Reich", selbst wenn diese Bezeichnung eine spätere neuzeitliche Neuschöpfung ist.

Und ich kann dir nicht (genau) sagen, was die Historiker seit Mitte des letzten Jahrhunderts dazu immer mehr bewogen hat, "Istanbul" auch für Ereignisse seit 1453 in ihrer Literatur zu verwenden.

Du schreibst: "Osmanen selbst anscheinend noch überwiegend Konstantinopel genannt wurde..."
Dazu hätte ich gerne Belege, denn nachdem was ich bislang las,
1. war die Namensgeschichte durchaus wechselhaft,
2. hängt es von dem Bereich ab, welcher Name häufig oder häufiger verwendet wurde (also Literatur, Numismatik, Fermane, Diplomatik, Gebrauch beim Volk, Chroniken, Liedgut, usw.),
3. gibt es bestimmt keine exakten quantitativen Untersuchungen, die belegen würden, dass Istanbul z.B. 35% in Gesetzestexten, Konstantinopel 23%, Daresaadet 19%, usw. verwendet wurden, oder dass in der Numismatik 55% Konstantinopel, 24% Islambol, 18% Istanbul, usw. verwendet wurde,
4. scheint es zumindest beim Volk schon zu byzantinischer Zeit üblich geworden zu sein, Istanbul zu sagen. Interessanterweise schreibt der Weltreisende Ibn Battuta im 14. Jh. von Astanbul und Galata als beide Teile der Stadt, wozu ich zur Bemerkung
5. komme, denn manchmal ist mit der (parallelen) Bezeichnung von Istanbul, Stambul, Konstantinopel, etc. auch nicht immer dasselbe Stadtgebiet gemeint, so kristalisierte sich z.B. im 19. Jh. bei uns heraus, dass wir mit Stambul eher die dreieckige Altstadt meinten, siehe Karl May... ;),
6. wurde Istanbul 1930 nicht zuletzt deshalb auch als Name für die Stadt gewählt, weil sie die üblichste Beschreibung der Stadt geworden zu sein scheint, zumindest in der Türkei, und nun die Namen Pây-ı Taht-ı Saltanat, Beldet-üt-Tayyibe, Dergâh-ı Selâtin, Sultanşehir, Dâr-ül-İslâm, Kostantiniyye, und was es nicht noch alles gab, obsolet wurden. Übrigens schreibt im 17. Jh. der berühmte Gelehrte Evliya Çelebi davon, dass Islambol der übliche Name dieser Zeit gewesen sei, und dieses berichten auch Quellen aus den Jahrhunderten danach,
7. ist auf offiziellen Dokumenten der Stadt auch erst 450 Konstantinopel zu lesen, was zeigt, dass die Bennenung der Stadt von Byzantion zu Konstantinopel wohl ein gradueller Prozess war. Trotzdem schreiben wir über die Zeit Konstantins des Großen von Konstantinopel, und meist nicht von Nova Roma oder Byzantion
8. bezeichnend für die Uneinheitlichkeit des Verwendung des Stadtnamens ist z.B. das Dekret von Sultan Mustafa III. aus dem 18. Jh. Nachdem bereits neben Kostantiniyye Islambol auf den Münzen Anfang des 18. Jh. durch Ahmed III. (1703-1730) geprägt wurde, und diese Praxis durch Mahmud I., Osman III., eben genannter Mustafa III., Abdulhamid I., Selim III. 100 Jahre lang fortgesetzt wurde, wollte eben der Mustafa III. eine Vereinheitlichung der Münzprägestättenbezeichnung erreichen, indem er Kostantiniyye verbot und allein Islambol gelten lassen wollte:
III. Mustafa'n?n "Konstantiniye" ismi yerine "?slambol" isminin kullan?lmas? hakk?nda verilen padi?ah emri - VikiKaynak
Wenn also Kostantiniyye der weithin allgemeine offizielle Name gewesen wäre, dann hätte es sicherlich nicht dieses Erlasses bedurft.

Nein, ich denke, es gibt bestimmt eine gewisse Gewichtung, welcher Name der Stadt zu welcher Zeit wo auftauchte, aber Einheitlichkeit gab es nicht, und damit auch kein "offiziell" allein gültiger Name (zumindest nicht auf allen Gebieten. Kann sein, dass in Gesetzen nur ein einziger Name zu einer bestimmten Zeit erschien, aber dann ein anderer Stadtname auf diplomatischen Schriftverkehr, usw.).

Was "islamgerechte Namen- bzw. Sprachengebung" in der Encyclopaedia of Islam sein soll, Dieter, erschließt sich mir nicht. Diese Enzyklopädie ist ja kein religiöses "Machwerk" von Muslimen, sondern die allermeisten Autoren sind Profs. der renommiertesten Universitäten der Welt.
Abgesehen davon ist ja auch Istanbul griechisch, so wie Izmir (Smyrna), Iznik (Nicaia), Izmit (Nicomedia), Kayseri (Cäsarea), Antakya (Antiocheia) und zahlreiche andere Städtenamen, die ihre antike griech.-röm. Herkunft kaum verleugnen (und wo übrigens die in meinen Postings genannten Autoren ähnlich verfahren, wie bei Istanbul...).
 
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In meiner Heimat haben viele Städte und Dörfer zwei unterschiedliche Namen. Einen Deutschen und einen Sorbischen. Das kann man auch auf den Ortseingangsschildern lesen. Jede Volksgruppe nennt seine Stadt so wie er möchte und keiner von uns käme auf den Gedanken jemand Anderen vorzuschreiben wie er die eine oder andere Stadt zu nennen hat. Geschweige den, noch einen wissenschaftliche Begründung dafür zu nennen(die sich aller Jubeljahre auch noch ev. ändert).
 
Ich möchte einiges direkter An- und Aussprechen, was viele hier vielleicht nicht machen mögen/wollen. Nach diesem Kommentar werden mich vermutlich viele wieder als Nationalisten angreifen (wie schon letztes Jahr), aber ich möchte das Kind beim Namen nennen.

Viele Europäer und Christen haben das Osmanische Reich, die Eroberung Konstantinopels (1453 hieß die Stadt so) und die Belagerung Wiens immer noch nicht verarbeitet, verkraftet und akzeptiert. [MOD]die Vorfälle in einem anderen Forum sind zur Themendiskussion weder relevant, noch dulden wir derartige Äußerungen bei uns[/MOD]Niemand kommt auf die Idee, den "Weißen Mann" oder den Spanier als Belagerer Amerikas zu sehen, aber die Türken werden immer noch als Belagerer aus Zentralasien gesehen.

Die Bezeichnung "Konstantinopel" sehe ich kulturell und meinungsbezogen in gleicher Linie. Wenn derjenige den Namen "Istanbul" benutzen würde, hätte er sich mit der historischen Begebenheit der Eroberung und dass diese Stadt nun der Türkei gehört (und seit 1453 den Osmanen gehört hat) abgefunden und diese akzeptiert. Aber die politischen Ereignisse um 1920 zeigen definitiv, dass sich besonders die Griechen, aber auch grosse Teile der christlich westlichen Welt damit nicht abgefunden hat. Der Traum vom christlichen griechischen Konstantinopel lebt weiter.

Die Griechen nennen Istanbul immer noch "Konstantinopel" und die Begründung ist eher in obigem zu suchen als im linguistischem Bereich.

Es verhielt sich mit den Geschichtsschreibern und Autoren wohl auch nicht anders. Die, die sich in die Sprache und somit auch die Kultur der Osmanen eingelebt und somit eigentlich die osmanische Realität "akzeptiert" hatten, bezeichneten die Stadt mit dem gebräuchlichen osmanischen/türkischen Namen Istanbul. Die, die es aus dem Westen betrachteten, die Sprache und Kultur nicht kannten, immer noch in der Rückeroberungshoffnung lebten, das osmanisch-moslemische in Kleinasien und Osteuropa immer noch als Fremdkörper sahen, in der Hoffnung auf eine Wiederbelebung von Byzanz waren, nannten sie "Konstantinopel".
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Es verhielt sich mit den Geschichtsschreibern und Autoren wohl auch nicht anders. Die, die sich in die Sprache und somit auch die Kultur der Osmanen eingelebt und somit eigentlich die osmanische Realität "akzeptiert" hatten, bezeichneten die Stadt mit dem gebräuchlichen osmanischen/türkischen Namen Istanbul. Die, die es aus dem Westen betrachteten, die Sprache und Kultur nicht kannten, immer noch in der Rückeroberungshoffnung lebten, das osmanisch-moslemische in Kleinasien und Osteuropa immer noch als Fremdkörper sahen, in der Hoffnung auf eine Wiederbelebung von Byzanz waren, nannten sie "Konstantinopel".
Dabei ignorierst Du allerdings den Umstand, dass auch die Osmanen selbst die Stadt lange Zeit Konstantinopel (in der Form "Kostantiniyye") nannten. Der Name wurde also keineswegs nur von westlichen Kolonialisten und Möchtegernkreuzzüglern verwendet.
 
1. Nicht alle die Namen von Städten verwenden, machen sich große Gedanken darüber.
2. Nicht alle Verwendung von Städtenamen ist "logisch" oder gar "bös gemeint". Z.B. spricht man im Englischen von Cologne statt Köln, und man meint damit nicht gleich, dass Köln eigentlich "römisch" ist, weil dieser Name dem lateinischen ähnlicher als Köln ist, und die Germanen "fremde Besetzer" wären.
3. Istanbul ist auch ein griechischer Name, wie Konstantinopel. Insofern dürften sich türkische Nationalisten gar nicht groß aufregen - zumindest wenn es drum geht, Besitzansprüche durch einen Namen kenntlich zu machen. Dies wäre anders, wäre Istanbul ein türk. Wort.
4. Du hast aber recht, dass die Verwendung des Namens Konstantinopel statt Istanbul durch Europäer damit einher gehen kann, dass sie damit bewusst oder unbewusst deutlich machen, dass diese großartige Stadt eigentlich doch noch griechisch/byzantinisch/europäisch/unsere sei, und nur durch "Fremde" besetzt sei, man sich also immer noch nicht damit abgefunden hatte - zumindest nicht bis zum 2. Weltkrieg. So zumindest las ich es ebenfalls in einem Buch, welches ich bei der Recherche zum Namen las, sauge ich also nicht aus meinen eigenen Fingern. (Ähnliche Verwendung von Städtenamen, die sich geändert haben, sieht man bei bestimmten Städten auch woanders, je nachdem politisch motivierte Benutzung diverser Städtenamen...)
5. Griechen sind da nicht besser oder schlechter als Türken. Wenn Griechenland Istanbul als Konstantinopel bezeichnet, ist es meist genauso, warum die Türken Jerusalem als Kudüs (die Heilige) nach dem arabischen Al-Quds bezeichnen. Die meisten denken sich nix dabei, einige werden darunter sein, die mit dieser Bezeichnung damit ausdrücken wollen, dass Konstantinopel eigentlich den Griechen gehört, und Kudüs eigentlich den Türken/Osmanen/Arabern gehört. usw.
6. Ravenik hats schon gesagt. :)
 
Ich bezog mich auf westliche Geschichtschreiber und Autoren und deren Sichtweise. Natürlich wurde unter Anderem der Name Kostantiniyye auch verwendet, wobei in diesem Zusammenhang interessant wäre zu wissen, welche gesellschaftlichen Schichten und Teile diesen Namen verwendeten. Denn das osmanische Reich bestand nicht nur aus ethnischen Türken, sondern war ein Mosaik verschiedenster Ethnien. Die Verwendung des Namen Kostantiniyye unter Griechen, Serben, Bulgaren, etc. im Reich, würde die Sache anders aussehen lassen. Aber dies ist natürlich Spekulation, ich habe keine Ahnung welche Teile der osmanischen Gesellschaft welchen Namen verwendete.

Andererseits wäre es genau umgekehrt eigentlich verständlicher gewesen. Die, die osmanisch/türkisch sprechen konnten, hätten die Bezeichnung "Kostantiniyye" verwenden können, haben aber anscheinend nicht. Die, die die Landessprache nicht konnten, hätten die Bezeichnung "Kostantiniyye" nicht wissen und sich auch nicht danach richten können. Das wäre aber ihnen aber nach der obigen Grundidee sowieso egal gewesen.

PS: MOD geht total in Ordnung. Sorry.
 
1. Nicht alle die Namen von Städten verwenden, machen sich große Gedanken darüber.

Da gebe ich dir %100 Recht. Aber es zeigt den kulturellen und politischen Einfluß und das Umfeld, in dem sie leben und beeinflußt werden.

2. Nicht alle Verwendung von Städtenamen ist "logisch" oder gar "bös gemeint". Z.B. spricht man im Englischen von Cologne statt Köln, und man meint damit nicht gleich, dass Köln eigentlich "römisch" ist, weil dieser Name dem lateinischen ähnlicher als Köln ist, und die Germanen "fremde Besetzer" wären.

Gebe ich dir auch Recht. Aber meine Erfahrung (bestimmt nicht stellvertretend für alle), die Ereignisse um 1920 und auch aktuelle Ereignisse (darf das Beispiel genannt werden? Diyarbakır/Amed wird zu gleichen politischen Zwecken benutzt) bezeugen "bös gemeintes".

3. Istanbul ist auch ein griechischer Name, wie Konstantinopel. Insofern dürften sich türkische Nationalisten gar nicht groß aufregen - zumindest wenn es drum geht, Besitzansprüche durch einen Namen kenntlich zu machen. Dies wäre anders, wäre Istanbul ein türk. Wort.

Muss nicht sein. Wir haben es A genannt, ihr habt es in B umbenannt. Da schaut niemand hin, was B eigentlich heisst und welcher Sprache es entnommen ist. Das Umbenennen ist entscheidend.

4. Du hast aber recht, dass die Verwendung des Namens Konstantinopel statt Istanbul durch Europäer damit einher gehen kann, dass sie damit bewusst oder unbewusst deutlich machen, dass diese großartige Stadt eigentlich doch noch griechisch/byzantinisch/europäisch/unsere sei, und nur durch "Fremde" besetzt sei, man sich also immer noch nicht damit abgefunden hatte - zumindest nicht bis zum 2. Weltkrieg. So zumindest las ich es ebenfalls in einem Buch, welches ich bei der Recherche zum Namen las, sauge ich also nicht aus meinen eigenen Fingern. (Ähnliche Verwendung von Städtenamen, die sich geändert haben, sieht man bei bestimmten Städten auch woanders, je nachdem politisch motivierte Benutzung diverser Städtenamen...)

Das ist eigentlich auch die Grundidee meines Posting gewesen. Aber von bestimten Kreisen eher bewußt.

5. Griechen sind da nicht besser oder schlechter als Türken. Wenn Griechenland Istanbul als Konstantinopel bezeichnet, ist es meist genauso, warum die Türken Jerusalem als Kudüs (die Heilige) nach dem arabischen Al-Quds bezeichnen. Die meisten denken sich nix dabei, einige werden darunter sein, die mit dieser Bezeichnung damit ausdrücken wollen, dass Konstantinopel eigentlich den Griechen gehört, und Kudüs eigentlich den Türken/Osmanen/Arabern gehört. usw.

Das bestreitet niemand. Jerusalem ist die zweitwichtigste Stadt des Islam und die erste Kaabe (Vor Kaabe war die gebetsrichtung Jerusalem. Aber das wisst ihr sicherlich.) Jedem strenggläubigen Moslem (ich zähle mich nicht dazu, aber ich kenne viele) ist das jüdische Jerusalem ein Dorn im Auge. Deshalb ist die Paralele zu Istanbul m.E. auch angebracht.

6. Ravenik hats schon gesagt. :)

Ich auch :)

Es wäre sicherlich Falsch, allen, die die Bezeichnung "Konstantinopel" verwendeten, etwas zu unterstellen. Viele haben sicherlich an ihr eigenes Publikum und das Umfeld gedacht, als sie dies verwendeten. Und sie haben es vielleicht selber nicht in dem Sinne gesehen oder empfunden. Aber eine Bezeichnung für irgendetwas trägt eine Meinung mit sich. Man verbreitet damit etwas (absichtlich oder nicht). Dies ist hier der Fall, denke ich.

Grüsse
 
Zuletzt bearbeitet:
...
...Diyarbakır/Amed wird zu gleichen politischen Zwecken benutzt) bezeugen "bös gemeintes".
Hier musst du aufpassen nicht in Tagespolitik abzugleiten.
Ich sehe da zwei Ebenen. Einmal die Weigerung einiger westlicher Gelehrter Istanbul statt Konstantinopel zu schreiben oder zu sagen.
Zweitens die Türkisierungspolitik der Türkei im 20. Jh. Letzteres kann man auch hier ansprechen, aber nur in seiner Historie, nicht heutige Implikationen.

Muss nicht sein. Wir haben es A genannt, ihr habt es in B umbenannt. Da schaut niemand hin, was B eigentlich heisst und welcher Sprache es entnommen ist. Das Umbenennen ist entscheidend.
Wie ravenik schon sagte: "Wir (die Griechen) haben A und B gesagt, wir (die Osmanen) haben es A und B (und C) genannt, ihr (Westeuropäer) habt es oft nur B genannt. Wir (Türken) haben A offiziell gemacht. Ihr sagt manchmal weiterhin nur B. :D
 
Konstantinopel war übrigens bis ca. 1920 nach offizieller Volkszählung eine überwiegend griechische Stadt. Es gab mehr Griechen als Türken in der Stadt. Erst der Bevölkerungszwangsaustausch 1923 hat dem ein Ende bereitet,

Das ist wohl ein Märchen.

Die Bevölkerung von Istanbul beträgt 1922 rd. 510.000 Menschen; nach dem grieschischen Zensus 1926 stammten 38.000 Flüchtlinge aus dieser Stadt.

Quelle: McCarthy, Death and Exile sowie The Ottoman People and the End of Empire.
 
Das ist wohl ein Märchen.

Die Bevölkerung von Istanbul beträgt 1922 rd. 510.000 Menschen; nach dem grieschischen Zensus 1926 stammten 38.000 Flüchtlinge aus dieser Stadt.

Quelle: McCarthy, Death and Exile sowie The Ottoman People and the End of Empire.

Die erste Volkszählung soll 1927 sein. Gibt es überhaupt glaubhafte Daten für frühere Zeiten?
 
Die erste Volkszählung soll 1927 sein. Gibt es überhaupt glaubhafte Daten für frühere Zeiten?

Das ist eine Angabe aus McCarthy, Muslims and Minorities, vermutlich Rückrechnung ua. anhand der Migration in die Stadt 1921/27 (35.500 laut Census), zitiert in McCarthy, Ottoman People, Tabelle 11.1, S. 195.
 
Er (Gegenkaiser) hat vielleicht die Griechen mit den Christen verwechselt, denn meines Wissens war Istanbul Anfang des 20. Jh. mehrheitlich christlich. 1914 ca. 450000?
Ich hatte im Forum schon mehrfach "behauptet", dass Istanbul Anfang des 20. Jh. noch mehrheitlich christlich wäre:
http://www.geschichtsforum.de/f40/die-erben-von-byzanz-heute-6702/index13.html
Ich weiß aber nicht mehr, wo ich es gelesen habe, vielleicht im Hütteroth?

Ausserdem müsste man eigentlich genaue Zeitangaben machen, denn die Bevölkerung Istanbuls war - besonders auch bei den Nichtmuslimen - Anfang des 20. Jh. sehr schwankend, so füllte sich Istanbul z.B. während der Balkankriege mit Christen, usw.
zumindest eine Angabe habe ich gefunden, dass Ende des 19. Jh. Istanbul zur Hälfte Nichtmuslimisch war:
Christen und Muslime: interethnische ... - Google Bücher

(Interessantes aus dem Buch: Wir haben ja schon festgestellt, dass die ägäische Küste zwischenzeitlich nicht mehr von "antiken" Griechen bevölkert war, als der griech.-türk. Bevölkerungsaustausch im 20. Jh. vollzogen wurde. Nun lese ich dort, dass besonders viele Griechen aus Griechenland nach der Unabhängigkeit Griechenlands ostwärts in das osmanische Kleinasien gezogen oder geflüchtet waren. Grund war bestimmt vor allem, dass in den jungen unabhängig gewordenen Staaten des Balkans die Lebensqualität sank, da die Wirtschaft runterging, während es im "Rest"-Osmanischen Reich einen gewissen Aufschwung und damit Arbeit gab. Das nur nebenbei.)

Sehr interessant auch dieses neue Buch zum Namen von Istanbul und Konstantinopel:

Geschichte Istanbuls: von der Antike ... - Google Bücher

Dort wird die Namensgeschichte nochmals schön erläutert, und erwähnt, dass es einen radikalen (Namens-)Bruch gegeben habe. Und zwar anders, wie viele hier glauben, nicht hin zu Istanbul, sondern der Autor behauptet, der Eroberung folgte ein Namensbruch hin zu Konstantinopel/Kostantiniyya. :eek:

PS: In einem hat aber Gegenkaiser unrecht: Vom Bevölkerungsaustausch war Istanbul ausgenommen. Der Rückgang der griech. Bevölkerung in den frühen Republikjahren hatte andere Ursachen.
 
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