Hi Leute,
passend zum Threadtitel und zum Jubiläum meines 700. Post was Feines:
Die Erlebnisse des syrischen Ritters
Usama Ibn-Munqid :
Unterhaltsames und Belehrendes aus der Zeit der Kreuzzüge / [Usama Ibn-Munqid. Aus d. Arab. übers. u. hrsg. von Holger Preissler]
http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=238272&postcount=4
"Gott mache sie hässlich !
Die seltsamen Sitten der Franken
Preis dem Schöpfer aller Dinge ! Wenn jemand von den
Franken berichtet, kann er nur Gott den Erhabenen
preisen und segnen, denn er sieht in ihnen Tiere, die
nur die Tugend der Tapferkeit und des Kampfes kennen,
wie auch Tiere, die die Tugend der Kraft und des
Duldens haben. Ich werde einiges von ihrem Tun und
ihrem seltsamen Verstand erzählen.
Im Heer des Königs Fulk ibn Fulk (Fulko V.) war ein
angesehener fränkischer Ritter, der gerade erst aus seinem
Land gekommen war, um die Pilgerfahrt durchzuführen
und dann zurückzukehren. Er war mir vertraut
und wurde mein Gefährte, so daß er mich ›Bruder‹
nannte. Zwischen uns bestanden Liebe und Freundschaft
. Als er sich über das Meer in sein Land begeben
wollte, sagte er zu mir : »Mein Bruder ! Ich ziehe in mein
Land zurück. Ich möchte, daß du deinen Sohn (mein
Sohn, der damals vierzehn Jahre alt war, war nämlich
bei mir) mit mir in mein Land schickst, damit er die Ritter
sieht und Verstand und Ritterlichkeit erlernt. Wenn
er dann zurückkehrt, wird er das Muster eines verständigen
Mannes sein.«
Mein Ohr erreichten da Worte, wie sie aus dem Kopf
eines Verständigen nicht kommen können. Wenn näm-
lich mein Sohn gefangengenommen würde, könnte ihm
die Gefangenschaft nichts Schlimmeres bringen, als in
das Land der Franken gebracht zu werden. Ich antwortete
also : »Bei deinem Leben ! Genau das habe ich im
Sinn gehabt. Doch ein Hindernis sehe ich darin, daß
seine Großmutter ihn so liebt und ihn selbst mit mir
nicht ziehen läßt, ohne mir den Eid abverlangt zu haben,
daß ich ihn zurückbringe.«
»Und deine Mutter lebt noch ?«
»Ja !«
»Dann darfst du ihr nicht zuwiderhandeln !«
Ihre Heilkunst ist gar seltsam. Das zeigt die folgende
Geschichte :
Der Herr von al-Munaitira (im nördlichen Libanon)
schrieb an meinen Onkel und bat ihn, einen Arzt zu
schicken, der einige kranke Gefährten von ihm heilen
sollte. Mein Onkel schickte ihm einen christlichen Arzt
namens T- ābit. Zehn Tage war dieser T- ābit fort. Dann
kehrte er zurück. Wir fragten ihn : »Wie hast du die Kranken
nur so schnell heilen können ?« Da erzählte T- ābit :
Man brachte mir einen Ritter, an dessen Fuß ein Geschwür
aufgegangen war, und eine Frau, die an Austrocknung
litt. Ich machte dem Ritter einen Breiumschlag,
so daß sich das Geschwür öffnete und er geheilt
wurde. Der Frau verordnete ich eine Diät und machte
ihr Temperament feucht.
Da kam ein fränkischer Arzt und sprach zu ihnen :
»Der da kann sie nicht heilen !« Den Ritter fragte er :
»Was ist dir lieber : mit einem Bein zu leben oder mit
zwei Beinen zu sterben ?«
»Ich möchte lieber mit einem Bein leben«, antwortete
jener.
»Dann bringt mir einen starken Ritter und ein scharfes
Beil !« befahl der Frankenarzt. Ritter und Beil wurden
geholt. Ich war anwesend. Der Arzt legte das Bein
des Ritters auf einen Hackklotz und gebot dem Ritter,
es mit einem Schlag abzuhauen. Ich sah, wie er zuschlug.
Doch wurde der Fuß nicht mit einem einzigen
Schlag abgetrennt. Der Ritter schlug also noch einmal
zu. Da floß das Knochenmark heraus, und der kranke
Ritter starb auf der Stelle. :rofl:
Danach schaute sich jener Arzt die Frau an. »Diese
Frau hat einen Teufel im Kopf, der sie liebt. Schneidet
ihr Haar ab !« Sie taten es. Die Frau aber aß wieder ihre
üblichen Speisen mit viel Knoblauch und Senf. So nahm
ihre Austrocknung zu. Der Arzt meinte nun : »Der Teufel
steckt in ihrem Kopf !« Er nahm ein Rasiermesser,
schnitt in ihren Kopf ein Kreuz ein und zog dort die
Haut ab, so daß der Schädelknochen zutage trat. Dann
rieb er ihn mit Salz ein. Die Frau starb sofort. :rofl:
Da fragte ich diese Franken, ob sie mich noch brauchten.
Sie verneinten. Nachdem ich von ihrer Heilkunst
etwas gesehen hatte, was mir vorher unbekannt gewesen
war, kehrte ich zurück.
Ich sah von ihrer Heilkunst aber auch das Gegenteil.
Der König von Jerusalem hatte unter seinen Rittern
einen Schatzmeister namens Barnâd (Bernhard) – Gott
verfluche ihn. Einmal trat ihn ein Pferd ans Bein. Sein
Bein begann daraufhin zu eitern und war an vierzehn
verschiedenen Stellen offen. Jedesmal wenn sich eine
Stelle geschlossen hatte, öffnete sich eine andere. Ich
aber wünschte sein Verderben. Da kam ein fränkischer
Arzt zu ihm. Er beseitigte die bisher gebrauchten Salben
und begann, alles mit saurem Essig zu waschen. Da
schloß sich die Wunde, der Ritter gesundete und war
wieder wie ein Teufel.
Zu den Seltsamkeiten ihrer Heilkunst gehört auch
folgendes :
Bei uns in Šaizar war ein Handwerker namens Abū l-
Fath, der einen Jungen hatte, dessen Hals von Skrofulöse
befallen war. Jedesmal wenn sich eine Stelle schloß,
öffnete sich eine andere wieder. Abū l-Fath kam wegen
einer Arbeit mit seinem Sohn nach Antţākiya. Da sah
ihn ein Franke und fragte nach dem Jungen. »Es ist
mein Sohn«, antwortete der Handwerker. Darauf meinte
der Franke : »Schwör mir bei deinem Glauben, daß
du von keinem, den du danach behandelst, ein Honorar
nimmst, wenn ich dir eine Arznei verschreibe, die
ihn heilt. Nur in diesem Falle verschreibe ich dir eine
Arznei, die deinen Sohn heilt !«
Abū l-Fath leistete den Schwur, und der Franke sprach
zu ihm : »Nimm ungestoßene Pottasche, brenne sie und
weiche sie in Öl und sauren Essig ein ! Gib ihm diese
Mischung, damit sie alles wegnimmt ! Dann nimm geschmolzenes
Blei und mische es mit Butter ! Dann gib
es ihm, und er wird geheilt werden !«
Abū l-Fath gab alles seinem Sohn, und der wurde gesund.
Die Wunde schloß sich. Er war wieder so munter
wie vordem.
Jeder, der in den fränkischen Gebieten noch neu ist,
hat rohere Sitten als jene, die sich schon an das Land
gewöhnt haben und die mit den Muslims zusammenleben.
Von der Sittenroheit der Franken – Gott mache
sie häßlich – zeugt folgende Geschichte :
Als ich Jerusalem besuchte, war ich oft in der al-Aqşā-
Moschee, neben der eine kleine Moschee liegt, die die
Franken in eine Kirche umgewandelt hatten. Wenn ich
die al-Aqşā-Moschee betrat, in der sich meine Freunde,
die Tempelritter, befanden, ließen sie mich in jener kleinen
Moschee allein, damit ich dort beten konnte. Eines
Tages ging ich wieder dorthin, sprach ›Gott ist groß‹
und stellte mich zum Gebet auf. Da fiel einer der Franken
über mich her, packte mich und drehte mein Gesicht
nach Osten. »So mußt du beten !« sprach er. Gleich
eilte eine Gruppe Tempelritter zu ihm, nahm ihn und
führte ihn von mir weg. Ich widmete mich wieder dem
Gebet. Doch der Franke überrumpelte die Tempelritter,
fiel noch einmal über mich her und drehte mein
Gesicht wieder nach Osten. »So mußt du beten !« rief
er. Die Templer kamen zurück und holten ihn hinaus.
Dann entschuldigten sie sich bei mir : »Er ist noch fremd.
Erst dieser Tage ist er aus dem Frankenland angekommen.
Er hat noch nie jemand gesehen, der nicht nach
Osten gewendet betet !«
»Ich habe genug gebetet !« meinte ich und ging hinaus.
Ich war von jenem Teufelskerl überrascht ! Seine Gesichtsfarbe
hatte sich verändert, und er erschrak, als er
sah, wie ich das Gebet, nach Mekka gerichtet, vollzog.
Einmal sah ich, wie ein Franke zum seligen Emir
Mu‘īn ad-Dîn kam, als er gerade im Felsendom (in Jerusalem)
weilte. Er fragte den Emir : »Willst du Gott als
Knaben sehen ?« Der Emir bejahte. Der Franke ging vor
mir her, bis er uns das Bild von Maria und dem Messias
– Heil ihm – als Knaben in ihrem Schoß zeigte. »Das ist
Gott als Kind !« meinte der Franke.
Hocherhaben ist Gott über das, was die Ungläubigen
da sagen !
Die Franken kennen weder Ehrgefühl noch Eifersucht.
Ein Mann kann bei ihnen mit seiner Frau auf der Straße
gehen. Ein anderer kann kommen, die Frau beiseite
nehmen und sich mit ihr allein unterhalten, während der
Ehemann dabeisteht und darauf wartet, daß sie ihr Gespräch
beendet. Wenn es ihm aber zu lange dauert, läßt
er sie mit dem anderen allein und geht seiner Wege.
Ich habe auch folgendes erlebt :
Als ich einmal nach Nābulus (in Palästina) kam, stieg
ich im Haus eines Mannes namens Mu‘izz ab. Sein Anwesen
war die Herberge der Muslims, und sie hatte Fenster,
die sich auf die Straße öffneten. Auf der anderen
Straßenseite stand das Haus eines Franken, der für die
Händler Wein verkaufte. So nahm er eine Flasche Wein
in die Hand und rief laut : »Der Händler Soundso hat ein
ganzes Faß von diesem Wein geöffnet. Wer etwas davon
will, gehe dorthin !« Als Lohn für das Ausrufen erhielt
der Franke dann den Wein, der in der Flasche war.
Eines Tages kam er nach Hause und fand einen Mann
bei seiner Frau im Bett.
»Was hat dich denn zu meiner Frau geführt ?« fragte
er den Fremden.
»Ich war so müde. Deshalb bin ich eingetreten, um
mich etwas auszuruhen !«
»Und wie bist du in mein Bett gekommen ?«
»Ich fand das Bett gemacht vor und legte mich schlafen.
«
»Und meine Frau hat mit dir geschlafen ?«
»Das Bett gehört ihr doch. Wie konnte ich sie daran
hindern, sich in ihr Bett zu legen ?«
»Bei meinem Glauben ! Wenn du das noch einmal
tust, gibt es Streit zwischen uns !«
So sehen Mißbilligung und höchste Eifersucht bei
den Franken aus. :rofl:
"
Höchst amüsant und aufschlußreich...
Viel Spass, LG, lynxxx