Krummfingers Balthasar

leiergeier

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Hallo,
kann mir bitte jemand näheres über den Räuber Krummfingers Balthasar, seine Bande und vor allem seinen Bezug zum Städtchen Hildburghausen sagen?
Auch Material über das Hildburghäuser Protokoll, den Georg Schwarzmüller und alles was damit zu tun hat wäre mir sehr willkommen.
Vielen Dank im Voraus
der Leiergeier.
 
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Herzlichen Dank! Wieder ein Teilchen des großen Puzzles. Vor allem die Geschichte von den leierspielenden Zuträgern ist für mich interessant. Zur Erklärung: Als Spielmann in der Mittelalterszene plane ich nun auch mal ein anderes Programm einer anderen Zeit - eben der des deutschen Räuberunwesens, speziel in meiner Heimat. Obgleich ich mich in erster Linie als Illusionsverkäufer sehe, habe ich doch den Anspruch keine Halb- oder Unwahrheiten zu erzählen. Unter diesem Gesichtspunkt also meine Recherche. Weiß noch jemand was zum Thema? Wo könnte man denn dieses Hildburghäuser Protokoll mal lesen? Tausend Dank für die Hilfe.
 
Krummfingers Balthasar wurde meines wissens auch nie geschnappt. Sein Stiefsohn wurde allerdings in Hildburghausen verhört, und das Protokoll ist eine sehr wichtige Quelle.

Krummfingers Balthasar führte ein eigenes Wappen, trug als Zeichen seiner Chefwürde ein Brecheisen und verlieh an seine Leute fiktive Adelstitel

Literatur Uwe Danker, Räuberbanden im Alten Reich um 1700
Carsten Küther, Räuber und Gauner in Deutschland
Martin Lange, Räuber und Gauner ganz privat
 
Danke für die Tips. Die empfohlene Literatur habe ich bereits und arbeite sie zur Zeit durch. Mal sehen was vor Ort, -also in Hildburghausen noch zu recherchieren ist. Wenn ich neue Erkentnisse habe werde ich sie gerne hier einstellen.
 
Hier noch ein Auszug aus dem Hildburghausener Protokoll:

Actum 26. April 1745

Eröffnete Hands Georg Schwarzmüller noch folgende Umstände: Der nr 61 der Themarischen (Gauner)Liste beschriebene Krummfingers Balthasar sey der Vornehmste unter der Bandew oder das Haupt und der König derselben. Die Diebe wären mehrenteils Befreunde, Pathen und Gevatter von ihm. Seine eigene Familie bestünde aus 50 Personen, welche sowohl als die anderen Diebe insgesamt ihm gehorchen. Die Bande führe auch ein Siiegel, so groß wie ein Kayser- Guldebn. Es stünden darauf statt der armaturen Pistolen, Pulverhorn und dergleichen, in der Mitte aber ein Mann mit einem Diebssack. Die Unterschrift wäre Bin ein tuaf Cafer, der dem Caffer sei schura bestieben kann. Welches heiße ich bin ein braver Mann, der dem Bauer sei sach wegtragen kann. Den Vornehmsten unter der Bande gäbe der Krummfingers Balthasar Titul, und adelte sie mit Beydruckung des Siegels unter dem Briefe. Nicol beck sey Hofrath gewesen und habe Herr von Rosenberg geheißen. Der Buchbinders Christel wäre Herr von Ubenthal gennenet worden und Ober- Amtmann gewesen. Der Bamberg Jörg der Herr von Klugheit und Regierungsrath, Er Schwarzmüller selbst Herr von Marloffstein.

Krummfingers Balthasar hielt sogar Gericht über Banditen, die sich etwas zuschulden kommen ließen, die Kameraden bestahlen oder verrieten. Der Krummfingers Balthasar hatte fü+r diese Zwecke ein eigenes Gestzbuch mit Statuten entworfen, dass das "Plettenrecht" genannt wurde.

Insgesamt war diese Organisationsstruktur sehr ungewöhnlich, denn entgegen der landläufigen Vorstellungen eines Hauptmanns waren straffe Kommandostrukturen selten. Ein Bandit hatte in der Regel seinen Kollegen nichts zu befehlen und erst recht keine Recht über Leben und Tod. In der Gaunersprache gibt es nicht einmal ein eigenes Wort für Anführer, dafür aber mehr als ein Dutzend für verschiedene Formen des Diebstahls.

Ein Hauptzeuge war der 14jährige Stiefsohn von Krummfingers Balthasar, ein gewisser Lorenz Mahr. Dieser machte in seiner Aussage in Hildburghausen auch bezeichnende Angaben auf die erbärmlichen Zustände in den Gefängnissen.

Als seyn Vater in Ketten gesessen... und die Läuse und Maden hätten ihm große Löcher in die Seiten und Kniekehlen gefressen".
 
Danke für den Beitrag. Ich konnte das Protokoll bisher noch nicht einsehen, bleibe aber am Ball. Mahr ist übrigens in unserem Dorf ein alter aber noch immer existierender Familienname. Unter meinen eigenen Vorfahren finden sich welche dieses Namens. Wer weiß? Möglicherweise gibt es da Zusammenhänge? Ich muß sagen das diese Geschichte immer interessanter wird. Wie gesagt: Wenn ich was wirklich neues weiß, stelle ich es hier ein.
 
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Interessant auch das sich im Dialekt der südthüringer Gegend bis in unsere Tage Wörter aus dem Rotwelschen erhalten haben. So habe ich mich schon immer gefragt warum Dialekt sprechen bei uns auch - Platt sprechen -heißt , wo wir doch so gar nichts mit dem Plattdeudschen der Küste zu tun haben.
Klar, Platt - eine Form des Rotwelschen. Ein altes Fahrzeug wurde zu meiner Schulzeit oft Karete genannt und jeder der hier aufgewachsen ist dürfte wissen was mit paschen, mit ner Fleppe, Sandlatscher, muffen oder mauscheln gemeint ist. Sind diese Wörter eigentlich in anderen Gegenden auch noch geläufig?
Karete sagen bei uns nur noch wenige. Paschen steht abfällig für tauschen die Fleppe bezeichnet heutzutage den Führerschein, ein Sandlatscher ist nach wie vor ein Infanterist, wer mufft der stinkt und mit mauscheln sind heimliche nicht ganz saubere Geschäfte gemeint.
 
lieber leiergeier,

du findest sehr viel über dein thema in dem Buch "historische Studien zu schillers schauspiel die räuber von günter kraft. arion verlag weimar 1959
 
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