KZ Deportationen - Eichmanns Gewissen bei Arendt

Lexius

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Hallo liebe Historiker,

ich untersuche derzeit die Instanz des Gewissens bei Sophie Scholl als höchste Instanz moralischen Handelns und den "Kollaps des Gewissens" durch den Prozess des Adolf Eichmann in Jerusalem. Adolf Eichmann erklärte, er habe durch die Deportationen von Juden nach Auschwitz stets im Einklang mit seinem Gewissen gehandelt.
Ich habe bereits gelesen, dass Hanna Arendt in der "Banalität des Bösen" das Gewissen als Instanz untersucht und am Beispiel des Adolf Eichmann demontiert/bzw. als systemkonform deklariert. Leider liegt mir Arendts Titel nicht vor. Kennt jemand von euch die genauen Passagen (und könnte diese zitieren), in welcher sie klare Aussagen über die Funktion und Unterworfenheit des Gewissens an sich macht?
 
Adolf Eichmann erklärte, er habe durch die Deportationen von Juden nach Auschwitz stets im Einklang mit seinem Gewissen gehandelt.
Das beantwortet nicht Deine Frage, aber:
Ich erinnere mich aus dem Buch, dass er sein Vorgehen derart legitimierte dass er das Morden professionalisierte und auf Schmerzlosigkeit abzielte, sprich, er gegenüber den Opfern eine Haltung einnahm wie man sie gegenüber Tieren pflegt deren Tod notwendig ist. Den Opfern das Menschsein abzusprechen hat allein für sich ja bereits Wirkung auf das Gewissen.
 
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Hallo liebe Historiker,



ich untersuche derzeit die Instanz des Gewissens bei Sophie Scholl als höchste Instanz moralischen Handelns und den "Kollaps des Gewissens" durch den Prozess des Adolf Eichmann in Jerusalem. Adolf Eichmann erklärte, er habe durch die Deportationen von Juden nach Auschwitz stets im Einklang mit seinem Gewissen gehandelt.

Ich habe bereits gelesen, dass Hanna Arendt in der "Banalität des Bösen" das Gewissen als Instanz untersucht und am Beispiel des Adolf Eichmann demontiert/bzw. als systemkonform deklariert. Leider liegt mir Arendts Titel nicht vor. Kennt jemand von euch die genauen Passagen (und könnte diese zitieren), in welcher sie klare Aussagen über die Funktion und Unterworfenheit des Gewissens an sich macht?



Ich hab Deinen Beitrag zum Anlass genommen nochmal - Hanna Arendt – Eichmann in Jerusalem; Ein Bericht von der Banalität des Bösen - aufzuschlagen.

(Übrigens ein sehr lesenswerter Bericht der Philosophin die als Prozessbeobachterin der amerikanischen Wochenzeitschrift „The New Yorker“ anwesend war. Der Prozess begann April 1961.)
Eichmann, als ein wesentlicher Organisator des Holocaust, ist nach ihrer Darstellung nicht etwa hasserfüllt oder fanatisch. Es ist viel einfacher und „banaler“:

„Außer einer ganz ungewöhnlichen Beflissenheit, alles zu tun, was seinem Fortkommen dienlich sein konnte, hatte er überhaupt keine Motive..“

Die „Beflissenheit“ selber „war an sich keineswegs kriminell“..
Er hätte „bestimmt niemals einen Vorgesetzten umgebracht um an dessen Stelle zu rücken.“

S. 56

Das ist der Typ der eben keine Motive hat, außer dem Motiv des eigenen Fortkommens.
Der hasst nicht und der liebt nicht und deshalb auch nicht einfühlend im Sinne einer Bereitschaft sich in die Lage eines Anderen hineinzuversetzen.
Dieser, an sich nicht außergewöhnliche, „banale“, Charakter wird zu einem sehr erfolgreichen Organisator des Massenmords vor dem Hintergrund veränderter, und auf den Kopf gestellter, Spielregeln:
„„.. so wie das Recht in zivilisierten Ländern von der stillschweigenden Annahme ausgeht, daß die Stimme des Gewissens jedermann sagt: „Du sollst nicht töten“, gerade weil vorausgesetzt ist, daß des Menschen natürliche Begierden unter Umständen mörderisch sind, so verlangte das neue Gesetz Hitlers, daß die Stimme des Gewissens jedermann sage: „Du sollst töten.““

..
„Im Dritten Reich hatte das Böse die Eigenschaft verloren, an der die meisten Menschen es erkennen – es trat nicht mehr als Versuchung an den Menschen.“

S. 248/249

In diesem Umfeld, man könnte auch sagen Biotop, entsteht ein neuer und mächtiger Verbrechertyp.
Leidenschaftslos mordet er mit besonderer Wirksamkeit weit mehr Mitmenschen, als sich der hasserfüllte Durchschnittsfanatiker erträumen kann oder gar auszuführen bereit wäre.
Das ist die „Banalität des Bösen“, so wie ich Hannah Arendt verstehe.


Und das wäre dann wohl auch der krasse Gegenentwurf zum tatsächlich vorhandenen Gewissen einer Sophie Scholl.
 
Danke für die Recherche! Ist eine harte Nuss, aber das waren schonmal konkrete Hinweise. Die Erkenntnis daraus ist nun, dass ich nicht drumrum komme selbst ins Buch reinzuschauen. Ist bereits unterwegs und ich bin gespannt was sich finden lässt ;-)
 
Gerne. Mich hat das Buch sehr beeindruckt.

Vergnügen kann ich Dir bei der Lektüre leider nicht wünschen. :)
 
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