Ledige Mütter im Deutschsprachigen Raum im 17. Jahrhundert

Da stellt sich dann die Frage inwieweit pornographische Literatur wirklich etwas über gängige Praktiken aussagt. Aber pornographische Literatur gab's auch neben Rochester, wenn auch nicht in dem Ausmaß. Samuel Pepys schreibt in seinem Tagebuch über ein Büchlein, daß er sich gekauft hat. 'L'école des Filles' (1655) heißt es, und er hat es dann anscheinend auch schnell verbrannt. Anscheinend ist das eines der ersten Bücher seiner Art.

Da fällt mir gerade noch eine Stelle aus seinem Tagebuch ein, zum Thema Verhütung, in der er über ein Erlebnis mit einer Dame in der Kutsche berichtet und sich zuversichtlich zeigt sie nicht geschwängert zu haben, weil sie anscheinend keinen Höhepunkt erreicht hat, was nach dem Denken der damaligen Zeit zur Empfängnis wichtig war.
Ja Pepys ist klasse. :D

Das mit dem Höhepunkt scheint er wohl verwechselt zu haben.:scheinheilig: Wäre interessant, ob nochmehr Herren seine Einschätzung teilten - hüstel, hüstel.
 
Wäre interessant, ob nochmehr Herren seine Einschätzung teilten - hüstel, hüstel.



Anscheinend war das ein weitverbreiteter und beim besten Willen nicht unbedenklicher Irrglauben. Aus dem Gedächtnis heraus, ich glaube es stand in Antonia Fraser's 'The Weaker Vessel' war der Gedanke weit genug verbreitet um in medizinischen Büchern des 17. Jahrhunderts Eingang gefunden zu haben. Es gibt anscheinend ein englisches Buch, von einer Hebamme geschrieben, in dem sie vorsichtig behauptet, daß extremer Haß im Falle einer Vergewaltigung normalerweise die Empfängnis verhindere. Also, nach damaligen wissenschaftlichen Erkentnissen, war der gute Samuel durchaus im Recht. ;)
 
Inwieweit Frauen, insbesondere junge unerfahrene Frauen, um ihren Zyklus Bescheid wussten...ich hab da so meine Zweifel...weiß aber schlicht und einfach nichts dazu aus dieser Epoche.


Das wüsste ich auch gerne, vor Allem, da in der Hinsicht wirklich viele zeitgenössische Quellen fehlen, oder es einfach nicht erwähnt wurde. (Hätte doch bloß auch Pepys' Frau ein Tagebuch geschrieben!:grübel:) Auf der anderen Seite, gibt es wiederum Haushaltsbücher mit Mittelchen und Rezepten für Tränke, die darauf ausgelegt sind den Zyklus wieder in Gang zu setzen. Ich mutmaße einfach mal, daß es da ein gewisses Wissen oder Vermutungen gab aber die Aufzeichnungen schlicht fehlen.
 
2. Also wie gesagt, ich kenne das Umdenken nur aus dem späten 18.Jh., auch wenn mir der Name Mitterauer ein Begriff ist. Ich glaube Walter Markov thematisierte den Wandel auch ganz kurz in "Grand Empire. Sitten und Unsitten der Napoleonzeit", Leipzig und Stuttgart 1984. Ich glaube, ich habe das Buch nur mehrfach gelesen, aber nicht vorliegend, dass er meinte, dass der Sittenwandel vor und während der Revolution einsetzte.



Je mehr ich mich dabei umsehe, desto mehr scheint auch Burgière damit etwas alleine dazustehen, nur argumentiert er auf der Basis eines religiösen Wandels den er früher ansetzt, der eine direkte Auswirkung auf das Verhalten der Paare im Privaten und dann in Folge auch von der Umwelt reflektiert wurde. Er meint, daß Sex zur Privatsache wurde, aus der sich die Kirche herausgehalten hat und macht das an Jansenistischen Einflüssen, die er als 'hyperpuritanisch' bezeichnet fest. Damit meint er, daß sich die Priester gescheut hätten das Ehebett auch nur zu erwähnen, und keine allzugroßen Fragen in der Beichte gestellt hätten aus Furcht ihren Schäfchen noch ein paar gute Ideen zu vermitteln.

Alle anderen Quellen die ich bisher gefunden habe, deuten auch eher um die Zeit der Französischen Revolution, kurz vorher, hin. Sobald ich Burgière noch mal vor mir habe, schaue ich ihn mir nochmal ganz genau an.
 
@brissotin und geschichtsfan07: Aaaalso, habe nach meine Quelle gefunden, und ich hab' es aus 'Love and Louis XIV' von Antonia Fraser, die ihr Zitat aus einer Übersetzung ins Englische von 1959 hat. Hier das ganze Zitat von Fraser:

Madame de Sévigné believed that her beloved daughter fell into the former category [ of having a too rapidly increasing family]. 'What, haven't they heard of astringents in Provence?' she enquired bitterly after the birth of Juliette's third child.



So, dann fang' ich auch mal an zu suchen ob's stimmt. :)
 
Noch ein paar Kräuter die anscheinend zur Lusteindämmung bei Männern benutzt wurden: Geißblatt, Kampfer, Hanf, Dill und Farn.

Um die Monatsblutungen anzuregen: Wermut, Fettblatt, Saffran, Mutterkorn, etc

Anscheinend sollte auch die Einnahme starker Alkoholika oder das Bluten der Füße zur Fehlgeburt führen.


Quelle: O. Hufton (1995) 'The Prospect before Her: A History of Women in Western Europe 1500-1800' Fontana Press
 
Mir scheint Ihr berücksichtigt bei Eurer Diskussion über die Verhütung den Faktor der "Rentenversicherung" nicht. Kinder als Altersicherung waren bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts ernste Notwendigkeit.

Die Leute wussten sehr wohl, was man macht, dass nichts passiert, aber es sollte oftmals etwas passieren.
Ergo: Auch der die Frau rücksichtslos zusammenrammelnde Mann ist ein Klischee das nichts mit der Realität zu tun hat.
(Ich habe zufällig letztes Wochenende aus einem Nachlaß sehr viele Famlienfotografien aus dem 19. Jahrhundert geerbt, die Bilder meiner Vorfahrinnen, die mich aus den Fotos anschauen, selbstbewußte Frauen, die wurden weder unterdrückt noch ausgenutzt noch sexuell mißhandelt, die wussten was auf der Welt los war)

Hat mit den ledigen Müttern natürlich nichts zu tun, aber ich denke auch da hat es weniger mit "Unwissen" zu tun.


Meine Auslassungen über den Umgang mit ledigen Müttern, stammen 100% aus dem ev. Bereich.
 
Wer berichtet davon, dass im 17.Jh. Soda im Gebrauch war?


Das ist nicht aus dem 17. Jahrhundert, das sind Opas wehrmachtsdöntjes. Der sagte immer, in Frankreich gab es nur eine art von Nahkampfverletzung: Tripper!

Da bekamen die Landser eben Soda verpasst.



Noch mal zurück zur Sexualität auf dem Lande. Die wußten durchaus auch in solchen Dingen Bescheid, man sah wie Tiere es machten, und wenn man so manchen Beamten Glauben schenken kann, die von Zeit zu Zeit ihre bequemen Residenzen verließen, konnten sich meist gar nicht einkriegen über die Sittenverderbnis der Bauern. Wenn man solchen Berichten Glauben schenken kann, waren die Spinnstuben Brutstätten des Lasters, wo dann angeblich "Hurerey" betrieben wurde und Zoten gerissen.

Wenn man solchen Berichten Glauben schenkt, waren die Bauern äußerst sinnlich, geistig träge und durchaus kein gottergebenes Kanonenfutter. Ein Beamter regte sich darüber auf, dass auf dem Land Kinder ihre Eltern mit "Du" anredeten, worauf ihm ein Bauer treffsicher antwortete, dass man Gott ja ebenso duzte.

Wenn die Bauern oft als rückständig und träge beschrieben wurden, lag das eher an den agrarstrukturen, denn solange man etwas so machte, wie es schon Vater und Großvater getan hatten, konnte man nichts verkehrt machen.

Nach den Predigten der Pfarrer ging es auf dem Land drunter und drüber, dennoch gab es relativ wenige Fälle von Ehebruch, die der Obrigkeit denunziert wurden. Eher regelte die Dorfgemeinschaft Normenverstöße unter sich. Die Bauern hatten keinen Grund, obrigkeitliche Mandate allzu ernst zu nehmen. Das war oft genauso ein Kappes wie in einem modernen Bürokratistan was da auf die Menschheit losgelassen wurde. Außerdem tat jeder irgend etwas, das verboten war, das wiederum ruchbar werden konnte, wenn die Sache Wogen schlug.

Wer Archivalien aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert liest, wird sich schnell von der Vorstellung verabschieden, dass die Bauern so knechtselig und gottesfürchtig waren, als die sie die Besucher aus der Stadt beschrieben.
 
Mir scheint Ihr berücksichtigt bei Eurer Diskussion über die Verhütung den Faktor der "Rentenversicherung" nicht. Kinder als Altersicherung waren bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts ernste Notwendigkeit.

Die Leute wussten sehr wohl, was man macht, dass nichts passiert, aber es sollte oftmals etwas passieren.

Zum ersten Abschnitt:
Klar galten Kinder als Altersversicherung.

Zum zweiten Abschnitt:
Das mag auf bestimmte Schichten zutreffen. Mit einer Verallgemeinerung bin ich angesichts des "Hänsel- und Gretel- "Syndroms"" vorsichtig.
 
Die Leute wussten sehr wohl, was man macht, dass nichts passiert, aber es sollte oftmals etwas passieren.
Ergo: Auch der die Frau rücksichtslos zusammenrammelnde Mann ist ein Klischee das nichts mit der Realität zu tun hat.
(Ich habe zufällig letztes Wochenende aus einem Nachlaß sehr viele Famlienfotografien aus dem 19. Jahrhundert geerbt, die Bilder meiner Vorfahrinnen, die mich aus den Fotos anschauen, selbstbewußte Frauen, die wurden weder unterdrückt noch ausgenutzt noch sexuell mißhandelt, die wussten was auf der Welt los war)




Klar, wenn ich da an ein paar der überlieferten Geschichten in meiner Familie über die Frauen zurückdenke, da scheinen auch keine unterdrückten zarten Wesen dabei gewesen zu sei. Liest man sich z.B.: undifferenzierte Literatur zur Situation 'der Frau' um 1900 durch, schießt sich auf den Mangel an Wahlrecht ein und schaut sich dann im Kirchenbuch an wieviele Kinder da geboren wurden, könnte man auch zu dem Schluß gelangen, daß einige meiner Vorfahrinnen rechtlos unterdrückte Wesen waren. Leider hat keine von ihnen ihre Memoiren geschrieben oder Aufzeichnungen zurückgelassen, weswegen ein Außenstehender den Rückschluß ziehen könnte, daß sie all ganz furchtbar unterdrückt waren. (Abgesehen davon gibt es 'die Frau' genausowenig wie 'den Mann'.)


(Z.B.: Eine von ihnen, vor der Jahrhundertwende geboren, hatte elf lebende Kinder, war Hebamme und hat den Laden im Dorf geführt, hat zwei Weltkriege mitgemacht und könnte leicht als leidend, überarbeitet und mit zuvielen Kindern dargestellt werden, nur war sie anscheinend Hebamme aus Leidenschaft, hat sich den Laden selbst erarbeitet und (laut ihren Anmerkungen im Rechnungsbuch und den Erzählungen) mit harter Hand geführt, während ihr Mann Malermeister war und sich anscheinend zeitlebens von den vielen Kindern genervt war. Leider ist über ihn nicht so viel bekannt.)


Die Problematik liegt darin, daß je weiter man versucht zurückzugehen, das Handeln der Einzelnen nicht mehr aus ihrer Warte erklärt werden kann, es sei denn sie haben entsprechende Quellen hinterlassen. Deswegen ist wegen der Niederschrift entsprechender lustdämmender Mittel anzunehmen, daß es sich hier um ein objektives Zeugnis männlichen Verhaltens und weiblicher Strategien dagegen handelt wirklich ein Trugschluß. Die Rezepte sagen nichts über die tatsächliche Anwendung aus, genausowenig wie die Rezepte zur Abtreibung behaupten, daß jede Frau sie benutzte, aber der Klischeefindung wird Auftrieb geleistet.



Das durchaus oftmals auch etwas passieren sollte, dem schließe ich mich an, und vor Allem auf dem Land Unwissen über Fortpflanzung anzunehmen ist widersinnig. Houlbrooke ((1984) 'The English Family 1450-1700, Longman) gibt da ein Beispiel an, aus dem Jahr 1567, als ein gewisser Richard Thomas bei der Weizenaussaat, der Magd seines Vaters, Maud Metheway einen Antrag gemacht hat in dem er ihr sagte, daß er es gerne hätte wenn sie genauso einen dicken Bauch wie Joan Asheman, eine schwangere Frau der gleichen Gemeinde, hätte und das, wenn sie sein Kind trüge, er sie heiratete. Da läßt sich Wissen und Absicht herauslesen. ;)


Nachtrag: Mir ist gerade noch ein Gerichtsfall aus Frankreich (vor der Revolution) eingefallen in dem eine Ehefrau ihre ehelichen Rechte gegenüber ihrem Ehemann vor einem Kirchgericht eingeklagt hat. Leider kann ich bis Montag die Quelle und die genauen Umstände nicht nachreichen, also nur als Beispiel dessen zu verstehen, daß Pauschalisierungen bei beiden Geschlechtern wenig Sinn machen.
 
Quellennachweis für das Zitat aus dem Brief der Mme de Sévigné

Nach langem Suchen und Rätseln haben Geschichtsfan07 und ich das fragliche Zitat endlich aufgetrieben. Das Zitat der Mme de Sévigné stammt aus einem Brief vom 18. Dezember 1671, einem Brief der gemeinsam mit einem M. de Coulanges verfaßt wurde und befindet sich im PS.

Quelle: Sévigne: 'Correspondence Mars 1646-Juillet 1675, Hrsg: Duchene (1972) Paris: Gallimard, Seite 395 und: gleicher Herausgeber, gleicher Verlag, Edition von 1953, Seite 433:

Originalwortlaut: "Quoi! On ne connait point les restringents en Provence? Hélas! que deviennent donc les pauvres maris, et les pauvres... je ne veux pas croire qu'il y en ait!" (Anmerkung: Die drei Punkte sind auch im Original zu finden.)


Es gibt noch eine Anmerkung in der Ausgabe von 1972 zu dem Zitat :
"S'agit-il de contraceptifs, comme on le comprend quelquefois? Les restrigents, dans le vocabulaire médical désignent les médicaments destinés à resserer ce qui est relâche. Le passage es d'autorité douteuse." (Originalwortlaut)


Also ist die Aussage, daß es sich dabei wirklich um ein Verhütungsmittel handelt auf das sich die Marquise bezieht umstritten, und die ehemals von mir angegebene Übersetzung von 'essig-getränkten Schwämmen' hinfällig!
 
Hamburg 1673- 1799 (arbeitende/besitzlose Frauen)

Quelle: M. Lindemann (1984) 'The Principles and Practice of Maternity Care in Eighteenth Century Hamburg' in Journal of Family History, 9 (44).



Der Artikel bezieht sich in erster Linie auf die sich verändernde Einstellung gegenüber schwangeren Frauen im Bezug auf das 'Spinnhaus', welches an das 'Werk-, Zucht-, und Armenhaus' angeschlossen war, in dem 'böse Leute, wie Huren und Diebe [...] zur Arbeit gezwungen und die Gottesfurcht gelehrt' wurden. Das 'Spinnhaus' wurde anscheinend Ende des 17. Jahrhunderts gegründet und bescherte umgehend Schwierigkeiten was werdende Mütter betraf, da man anscheinend keine Vorsorge für den Fall schwangerer Insassinnen getroffen hatte.


Hamburg erlebte , laut Lindeman, im Laufe des 18. Jahrhunderts einen enormen Zufluß von Bewohnern, und gleichzeitig einen Anstieg in der Anzahl der unehelichen Schwangerschaften. Lindeman gibt eine Statistik an, die sie aus dem 'Hamburgisches Diarium von Anno... Die... Woche/von... bis... Enthaltend die Zahl derjenigen Personen/so Wochentlich in jedem Kirchenspiel sind geboren/proclamiert, als auch Copuliert und gestorben.' (Hamburg, 1711-1715) und aus den 'Adreß-Comptoir-Nachrichten' (Hamburg, 1767- 1826) hat. Im Jahre 1712 wurden 2971 eheliche Kinder geboren, 47 uneheliche, also lag die Rate der Illegitimität bei 1.56%.
1799 wurden 3158 eheliche Kinder geboren, und 498 uneheliche Kinder, also lag die Rate der Illegitimität bei 12.2 %. In jener Statistik zeigt sich ein stetiger Anstieg der unehelichen Geburten, während die legitimen Geburten ihren Tiefststand mit 2343 im Jahr 1775 erreichen (illegitime Geburten: 263) sich aber immer um ca 2500 bewegen.


In dieser Zeit wurde es möglich sich freiwillig im Spinnhaus einzufinden um dort zu gebären. Eine Polizeierfassung (von 1801), die Lindemann zitiert, zeigt an, daß 177 Frauen die sich meldeten um im Spinnhaus zu gebären, 83 Dienstmägde waren. Über die Väter sagt die Erfassung nichts, wohl aber das die Polizei drei von ihnen wieder aus der Stadt eskortiert hat, weil sie schon schwanger nach Hamburg kamen. 27 Frauen wurden nach der Entbindung 'in Ammendienst gebracht', 8 gingen zurück zu ihren Eltern, 6 zu ihrer vorigen Herrschaft, weitere 27 zurück zu ihrer 'Wohn oder Schlafstelle'.


Anscheinend kam es nicht selten vor, daß Frauen im Armenhaus geschwängert wurden und dann zur Geburt ins Spinnhaus verlegt wurden. Ebenso wurden Frauen die des Kindsmordes verdächtigt wurden, sowie solche die sich strafbar gemacht hatten indem sie versucht hatten eine Schwangerschaft zu verbergen, im Spinnhaus bis zur Geburt untergebracht. Anfangs als Zuchthaus gedacht, zeigen die Aufnahmebücher an, daß die Zahl der Wöchnerinnen zwischen 1673 bis 1799 stetig anstieg, von 5.5 % der Insassinnen die Wöchnerinnen waren, zu einem Anteil von 96.15%. (Anmerkung: dies heißt nicht, daß die Anzahl der illegitimen Geburten anstieg, sondern illustriert eher die Veränderung in der Benutzung des Spinnhauses.)


Ab 1698, nachdem sich mehrere Kindsmorde im Spinnhaus ereignet hatten, wurde die Regelung eingeführt, daß die dort geborenen Kinder sofort dem Waisenhaus übergeben wurden, wo die Überlebenschancen der 'Spinnhauskinder' ebenso schlecht waren. Erst ab 1772 wurden die Gebärenden von den anderen getrennt, und in einem einzigen Raum untergebracht in den man auch die Sterbenden brachte. Die Spinnhauskinder die nicht starben wurden sobald wie möglich in Lehre gegeben oder wurden Mägde.


Die Mütter konnten bis zu sechs Monaten vor ihrer Entbindung ins Spinnhaus gehen und sollten im Grunde bis zu 18 Monaten im Spinnhaus festgehalten werden. Bis zur Entbindung musste gearbeitet werden, also spinnen, nähen oder stricken etc. In der Realität wurden die Mütter meist kurz nach der Entbindung wieder auf freien Fuß gesetzt, wogegen anscheinend 1770 einer der Gefängnisverwalter protestierte, da er meinte, daß hier nichts unternommen werde um die ledigen Mütter zu bestrafen, sondern stattdessen über Monate hinweg für sie gesorgt werde, und dann gingen sie einfach wieder (und überließen der Stadt im Waisenhaus auch noch die finanzielle Bürde der Kinder). Ein Fall, einer Magdalena Klefman wurde anscheinend besonders angeprangert als Beispiel wie sehr dieses gemeinnützige System ausgenutz wurde. Anscheinend hielt sie sich zwischen ihrem 17. und 21. Geburtstag dreimal im Spinnhaus auf, und gebar drei uneheliche Kinder.

In einem anderen Fall bat anscheinend eine Frau um Aufnahme ins Spinnhaus mit der Begründung, sie sei von ihrem Verlobten verlassen worden, und vetraute sich später der Frau eines Wärters an, zugebend, daß ihre Verwandten sie nach Hamburg gebracht hatten um sich des Kindes zu entledigen. In den Aufnahmebüchern stehen laut Lindemann weitere Gründe für Aufnahme: 'sie war arm und schwanger', 'sie wurde vom Ehemann verlassen, ist mittellos und schwanger', oder eine Frau wurde aufgenommen weil 'sie entband in einem öffentlichen Durchgang'.


Lindeman befasst sich in ihrem Artikel in erster Linie mit der Entwicklung des Spinnhauses zur karitativen Entbindungsstation und weniger mit der Bestrafung der ledigen Mütter, aber sie gibt Hinweise, daß es strafbar war Schwangerschaft zu verbergen, daß eine Strafe für uneheliche Schwangerschaft von bis zu 18 Monaten im Spinnhaus möglich war, und das die Ordnungshüter so weit wie möglich versuchten Schwangere die von außerhalb kamen auch wieder dorthin zurückzuschicken. Die Frauen mit denen sie sich befaßt scheinen in erster Linie zum arbeitenden Volk gehört zu haben (Mägde etc), nur leider erwähnt sie die Väter nicht, außer um darauf hinzuweisen, daß nach Ende des Siebenjährigen Krieges die Bevölkerung durch Zuwanderung von Soldaten anwuchs, und anscheinend damit auch die Rate der unehelichen Geburten.

Über Verhütungsmittel sagt Lindeman nichts, ebensowenig über Gründe, abgesehen vom Bevölkerungszuwachs, wie es zur Steigerung der unehelichen Geburten im Gegensatz zum relativen Gleichbleiben bei ehelichen Geburten kam, sondern versucht eher Einsichten zu vermitteln wie sich die Einstellung zu unehelichen Kindern geändert hat, will heißen, daß sich laut ihrer Meinung nach ein langsamer Wandel im Denken über uneheliche Kinder eingestellt habe, der die Sorge um die Mütter beeinflußte.
 
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