Lehenspyramide - Zusammenhang und Bildquelle Sachsenspiegel

El Quijote

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Der Sachsenspiegel als Bildquelle - Deutung einer Geste

Ich habe Probleme mit der Deutung einer Geste im Sachsenspiegel. In einer Darstellung sieht es so aus, als bohre sich der Lehnsnehmer im Auge, in einer anderen, als habe er den Zeigefinger schlicht erhoben. So oder so, ich kann die Geste nicht schlüssig deuten. Kennt jemand Interpretationen?
Belehnung im Sachspiegel.jpgFinger im Auge.jpg

Hier eine andere Darstellung, Text habe ich darunter transkribiert:
SLUB Dresden: Digitale Bibliothek: Werkansicht

"Des riches dienst, daz dem manne geboten wirt mit urteiln sechß wochen vor deme tage, e he varen sulle, und im das gekundiget wirt, daß iß zwene manß [ß ausradiert?] des h[e]ren horen, das sal he dinen bi phlichtig binnen duczscher zungen, die romischeme riche undertanig."

Wikisource kennt einen leicht veränderten Text:
"Des riches dienst, daz deme manne geboten wirt mit urtelen ses wochen vor deme tage, ir her varen solle, unde ime dar gekundegit wirt, da iz zwene man des herren horen, da sol her dienen bi plicht binnen dudischer art, die deme [67] Romischen küninge unde deme riche undertan sin."
Sachsenspiegel ? Wikisource
 
Ich denke die deuten schlicht auf sich selbst, so nach dem Motto "Ich, Rudolf von so und so gelobe Dir..."
 
Glaube ich nicht. Schau Dir mal die Bilderfolge an: Im obersten Bild siehst Du den Handgang: der Lehnsnehmer (Untervasall) gibt sich dem Lehnsgeber (Kornvasall) in die Hände (daher auch das Sprichwort) und die Kronvasallen berühren den Szepter des Königs. Im zweiten Bild werden Lehen vergeben (Burg/Kloster)
Im dritten Bild beeidet er Lehnsmann seinem Lehnsherren über einem Reliquiar die Treue und berät ihn (mit Rat und Tat zur Seite stehen).
Im vierten Bild steckt der Lehnsmann (Untervasall/Kronvasall), knieend vor dem sitzenden Lehnsherren (Kronvasall/König) sein Schwert in den Boden und den Finger ins Auge.
 
Ich würde schon Sagen, dass er auf das Auge (nicht ins Auge) und das Schwert schwört. Vielleicht will der Vasall mit Auge und Hand zu Diensten sein. Geht es bei Lehensverhältnissen nicht immer wieder darum, dass der Vasall mit dem, was ihm zu Gebote steht, dem Lehensherr dienen soll? Wenn der Vasall nun nur sich selbst als wichtigstes Gut der Lehenspflicht ansieht, würde ich sagen, könnte sein Versprechen mit Schwert und Auge zu Diensten zu sein, schon verständlich sein.

:grübel:

Also zumeist hat diese Handbewegung schon eine spezielle Bewandnis. Auf sich selbst schlicht zeigen die Figuren, wenn ich mich recht entsinne, anders.
 
Habe auch eine Frage zum Sachsenspiegel. Ich stell sie mal gleich hier, wenns Recht ist:

Ich frage mich, ob die beiden immer wieder kehrenden gekrönten Personen verschiedene Ämter darstellen sollen, oder stehen beide für "den König"?

sachsen7a8f.jpg


Besonders interessant finde ich nämlich die Krone des Oberen, die der Reichskrone sehr ähnlich sieht... Weiß jemand mehr?
 
Ich habe jetzt einmal bei Sachsenspiegel_Online (das ist der digitalisierte Wolfenbütteler Sachsenspiegel und weicht daher etwas ab) gesucht; dort dürfte es mE Folio 54v bzw. Bild 138 sein.
Anm.: Vorhergehendes Folio (54r) beachten!

Übersicht Folio:
Sachsenspiegel-Online: Page-Browser - Folio 54v
Volltexte - Folio 54v
Schlagworte - Folio 54v

Falls ich mich bei der Zuordnung der Abbildungen nicht geirrt habe, ist Zeile 1 die Gerichtssprache (vor einem Grafen), Zeile 2 die Gerichtssprache vor dem König.
Es handelt sich dort bei den jeweiligen Kronen in Zeile 1 um den Grafenhut, in Zeile 2 um die Lilienkrone für den König.

Da ich einen Irrtum meinerseits nicht ganz ausschließen möchte, bitte ich ggf. um Ergänzungen und/oder Korrekturen/Präzisierungen...
:fs:
 
@Timotheus: Danke. Ich denke, du hast Recht. Beim googlen bin ich auch auf einer Seite gelandet, die besagte Person als Grafen bezeichnet. In dieser Version von dir ist die Kopfbedeckung auch viel besser erkennbar.
 
Offensichtlich ist dieser Gestus wohl direkt auf's Auge bezogen, vielleicht in die Richtung "ich sehe dich!"? Im Sachsenspiegel natürlich sehen im Sinne von 'anerkennen' ("ich erkenne dich als meinen Lehnsherren an"), im Stuttgarter Psalter wohl eher in dem Sinne "du entkommst mir nicht!"
 
Ich habe Probleme mit der Deutung einer Geste im Sachsenspiegel. In einer Darstellung sieht es so aus, als bohre sich der Lehnsnehmer im Auge...
Ich würde schon Sagen, dass er auf das Auge (nicht ins Auge) und das Schwert schwört. Vielleicht will der Vasall mit Auge und Hand zu Diensten sein. Geht es bei Lehensverhältnissen nicht immer wieder darum, dass der Vasall mit dem, was ihm zu Gebote steht, dem Lehensherr dienen soll? Wenn der Vasall nun nur sich selbst als wichtigstes Gut der Lehenspflicht ansieht, würde ich sagen, könnte sein Versprechen mit Schwert und Auge zu Diensten zu sein, schon verständlich sein.
Offensichtlich ist dieser Gestus wohl direkt auf's Auge bezogen, vielleicht in die Richtung "ich sehe dich!"? Im Sachsenspiegel natürlich sehen im Sinne von 'anerkennen' ("ich erkenne dich als meinen Lehnsherren an"), im Stuttgarter Psalter wohl eher in dem Sinne "du entkommst mir nicht!"
Interessante Ideen, die mir sehr einleuchten! Es scheint kaum Literatur dazu zu geben, weil das Schwören mit nur einem Finger als "einfacheres Gelöbnis" (Grimm, Deutsche Rechtsalterthümer, S. 141) später durch das zwei- oder dreifingrige ersetzt wurde.
Das einfingrige jedenfalls heisst "Huldeschwur" (Einfhrung in die germanistische ... - Google Bcher). Zum Thema noch in dem kleinen Aufsatz hier (MPIER _ Zeitschriftenserver), sehr viel mehr sicher, auch übers Streck- versus Krümmfingerproblem - in der dort angegebenen Monographie von Karl von Amira.
 
Hallo liebes Forum,


ich beschäftige mich gerade mit dem Lehenswesen im Frühen Mittelalter.
Ich hab dazu ein paar oberflächlichere Fragen.

1. Wer belehnt den König? Ist das im Bild aus dem Sachsenspiegel ganz oben, der Mann mit dem langen Bart und der Fackel, eine Darstellung Gottes, der den Kaiser belehnt? (s.A. oder http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/cf/Heerschildordnung.jpg)

Also woher hat denn der Kaiser/ König seine Machtstellung? Common believe der Großen und Kleinen im Reich?

Ich freu mich auf Antworten!
Gruß,
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Welcher Sachsenspiegel???? Hier hat der König wohl das Lehen von Gott, aber das war denn Wunschdenken des Schreibers, wie die ganze schöne Lehnspyramide der Geschichtslehrer. Es gab ja nun etliche Freie , die außerhalb der Lehnspyramide standen.
 
Hallo liebes Forum,


ich beschäftige mich gerade mit dem Lehenswesen im Frühen Mittelalter.
Ich hab dazu ein paar oberflächlichere Fragen.

1. Wer belehnt den König? Ist das im Bild aus dem Sachsenspiegel ganz oben, der Mann mit dem langen Bart und der Fackel, eine Darstellung Gottes, der den Kaiser belehnt? (s.A. oder http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/cf/Heerschildordnung.jpg)

Also woher hat denn der Kaiser/ König seine Machtstellung? Common believe der Großen und Kleinen im Reich?

Eine interessante Frage. Sicher ist, dass der König oder Kaiser in der Vorstellungswelt des Mittelalters von niemandem belehnt wird, da er in jedem Fall Lehnsherr ist und nach dem Sachsenspiegel den Ersten Heerschild hat.

Eike von Repgow beschreibt den ersten Heerschild in seiner Einleitung zum Sachsenspiegel so:

"Swe lenrecht kunne wille, de volge disses bukes lere. Aller erst scole wi merken, dat de herscilt an deme koninge begint unde in deme sevenden lendet."

Später heißt es:

"To der selven wis sint de herscilde ut geleget, der de koning den ersten hevet; de biscope unde de ebbede unde ebbedischen den anderen, de leien vorsten den dridden, sint se der biscope man worden sint; de vrie herren den virden; de scepenbare lude16 unde der vrier herren man den viften; ere man vord den sesten."

Wer ist nun der Mann mit dem langen Bart im Blatt oben rechts? Das weiß ich nicht. Möglicherweise Gott, da wir ja im Heiligen Römischen Reich das Konzept eines "Gottesgnadentums" haben.
 
leider weiß heute keiner , was Herr von Repgau geschrieben hat, die "Abschriften " sind redigierte Ausgaben und der jeweiligen Zeit angepaßt.

Was also in dem entsprechenden Codex steht, ist die Rechtsauffassung des Schreibers, angelehnt an die Rechtsauffassung seiner Region und Zeit, fußend auf einem vorherehenden Sachsenspiegel...
 
Was also in dem entsprechenden Codex steht, ist die Rechtsauffassung des Schreibers, angelehnt an die Rechtsauffassung seiner Region und Zeit, fußend auf einem vorherehenden Sachsenspiegel...

Das ist sicher eine sehr extreme Vorstellung.
Die erste Niederschrift des Sachsenspiegels wird zwischen 1220 und 1235 angesetzt. Die lateinische Urfassung ist nicht überliefert. Erst im Laufe von etwa zwei Jahrhunderten nach seiner Entstehung erhielt der Sachsenspiegel die uns heute vertraute Form.

Die Fassung des Heidelberger Sachsenspiegels, aus dem das Bild oben stammt, kommt von etwa 1300, also rund 100 Jahre nach Repgows Tod. Sie ist somit wie auch andere Abschriften, ein exzellentes Zeugnis mittelalterlicher Rechtsprechung, selbst wenn einiges ergänzt wurde, was man sich sicher nicht entstellend vorstellen sollte. Und weil das so ist, besitzt der Sachsenspiegel eine außerordentliche Stellung in der gesamten Rechtsgeschichte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dieter, die Sachsenspiegel. Und Eike von Repgow hat das Ding in Niederdeutsch geschrieben, steht jedenfalls so in den nachfolgenden Schriften. Also nichts mit lateinischer Urfassung.

Unbestritten sind diese Bücher hervorragende Einblicke in die Rechtsauffassung ihrer Zeit. Ich glaube, die letzte Ausgabe ist von irgendwann 1815 ff. Gültig bis zur Einführung des BGB und des StGB und auch noch dartüber hinaus. Das letzte Urteil, das sich auf "den Sachsenspiegel" bezieht, ist irgendwann von ~1930. Im Prinzip gilt der noch heute in seiner letzten Fassung, sofern jüngere Gesetze nichts anderes sagen.

Das mit den Ausgaben ist aber weiter so schlimm nicht, hier zeigt eben diese Ausgabe die Auffassung der Lehnspyramide um 1300 in Oldenburg. So ähnlich wird sie auch anderswo gesehen worden sein.
 
Du kannst ja hier im Bild sehen, dass die Person, die unten beim Handgang die Krone trägt oben unbekrönt neben dem Bärtigen sitzt. Wen auch immer das darstellen soll.
 
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