Libertalia, die kleinen Freibeuterkönigreiche in Madagaskar

Der Frieden von Utrecht 1713 beendete den Pirat im staatlichen Auftrag (Kaperbriefe).

Mit den Kaperbriefen war definitiv Schluss erst mit der Londoner Seerechtsdeklaration.
Nochmal aufgelebt im amerikanischen Bürgerkrieg. Stichwort "Alabama-Konflikt" als die Briten den Yankees schließlich Entschädigung zahlen mussten.
 
Also ich habe jetzt mal nachgeschlagen.

Als Gründungsanführer finde ich bei Neukirchen einen gewissen Misson, einen Franzosen, welcher auf dem Schiff "Victoire" als Offizier Dienst getan hatte. Als dessen Verwandter und Kapitän der "Victoire", ein bekannter Korsar namens Comte de Forbin, bei einem Gefecht fiel, wurde Misson zum Kapitän des Schiffes gewählt. Misson soll recht einfache Vorstellungen von einer idealen Gesellschaft ohne Privateigentum, von Freiheit und Gleichheit gehabt haben, wobei ihn ein Dominikanermönch Caraccioli unterstützte, welcher längst in Neapel zu der Besatzung gestoßen war. Ähnlich wie auch manche andere Piraten, so auch Kidd manchmal, nahm Misson nur einen bestimmten Teil der Ladungen von den Schiffen, welche er kaperte, und ließ ansonsten die Schiffe unbehelligt. Natürlich kam es auch zu Gefechten bis die "Victoire" in dem Indischen Ozean nach einer langen Fahrt durch den Atlantik ankam. Nachdem sich die Mannschaft 1690 an einem Krieg zwischen Anjouan und Moheli beteiligt hatte und währenddessen einige Mitglieder der Mannschaft wie auch die zwei Anführer geheiratet hatten, segelten sie nach Madagaskar. An der Nordspitze der Insel bei der heutigen Stadt Diego Suarez gründeten sie eine kleine Republik, welche sie '"Liberta" nannten und dessen Präsident sozusagen Misson wurde. Es soll eine Verfassung ausgearbeitet worden sein und es soll nur Gemeineigentum gegeben haben.

Der erfolgreiche Kapitän Thomas Tew wurde bei seinem Eintreffen in "Liberta" zum Flottenchef, denn Tew selbst verfügte zeitweise in seiner Laufbahn über die beachtliche Streitmacht von drei Schiffen.

Jetzt muss man sich das Ganze getrennt anschauen. Zum einen hatte der genannte Tew einen Teil der Mannschaft der "Amity" mit welchem er im Indischen Ozean viel Beute machte, auf Madagaskar abgesetzt, wo diese sich ansiedelten und etwas Besitz an sich brachten und die in der Gegend opperierenden Piraten mit Proviant und dergleichen versorgten. Geht man aber davon aus, dass ein genügend großer Teil der Mannschaft der "Amity" mit Tew zurück zu den Bermudas segelte, können diese Zurückgebliebenen nicht sehr viele gewesen sein, wenn auch immer wieder Piraten wie Avery dorthin fuhren.


Jetzt zurück zu "Liberta":
"Die Republik hat wohl nur einige Jahre existiert. Genaue Daten sind nicht vorhanden. Sicher ist nur, daß die Siedlung eines Tages von Eingeborenen aus dem Inneren der Insel angegriffen und zerstört wurde. Die meisten Libertianer, darunter auch Caraccioli, kamen ums Leben. Misson und 45 Mann konnten in zwei kleinen Segelbooten auf See hinaus flüchten, doch in Höhe von Kap Infantes wurden beide Boote durch einen Wirbelsturm vernichtet. Misson und die anderen Insassen der Boote ertranken."

Leider gibt Neukirchen keine Quellen am Ende des Buches an. Für die Piraten, welche mit Tew nach Madagaskar gekommen waren, gibt er den besagten Charles Johnson als Gewährsmann an. Allerdings scheinen mir Kaperbriefe und spezielle Aufträge, wie einer von 1692, welcher Tew vom Gouverneur von Bermudas aufgab, französische Handelsniederlassungen an der Mündung des Gambia zu plündern, die Unternehmen von Tew und den anderen Piraten im Indischen Ozean belegen zu können.

:fs:
 
@Brissotin: Danke, das hilft mir wirklich weiter (besonders die geographischen Angaben) :friends:

So ausgestattet werde ich mich später nochmal in die Bücherei begeben und nachsehen, ob die Literatur bei uns im Institut nicht vielleicht doch einen winzig kleinen Hinweis zu bieten hat!

Da Namen und Daten genannt werden, finde ich das Ganze nun trotz allem recht überzeugend!

LG
Die_Schweigende
 
Leider gibt Neukirchen keine Quellen am Ende des Buches an. Für die Piraten, welche mit Tew nach Madagaskar gekommen waren, gibt er den besagten Charles Johnson als Gewährsmann an. Allerdings scheinen mir Kaperbriefe und spezielle Aufträge, wie einer von 1692, welcher Tew vom Gouverneur von Bermudas aufgab, französische Handelsniederlassungen an der Mündung des Gambia zu plündern, die Unternehmen von Tew und den anderen Piraten im Indischen Ozean belegen zu können.

:fs:

Das ist mir auch aufgefallen, dass der Neukirchen keine Quellen nennt.
Die 40 Mann die auf zwei booten flüchten, die dann alle bei einem wirbelsturm ums leben kommen. Also einer zumindest muss ja überlebt haben....
Der Gambia ist in Westafrika, jener Kaperbrief ist also kein Nachweis für den Indik.

Irgendwo habe ich aber schon mal was von dieser Piratenrepublik auf Mad. gelesen, ich glaube auch noch von einer zweiten... Aber wo????????
 
Das ist mir auch aufgefallen, dass der Neukirchen keine Quellen nennt.
1. Die 40 Mann die auf zwei booten flüchten, die dann alle bei einem wirbelsturm ums leben kommen. Also einer zumindest muss ja überlebt haben....

2. Der Gambia ist in Westafrika, jener Kaperbrief ist also kein Nachweis für den Indik.
1. Stimmt, das sehe ich auch so. Vor allem die Ortsangabe macht stutzig, es hätte ja sein können, dass jemand auf Madagaskar überlebender die Flüchtenden grob geschätzt hat und dann irgendwie Johnson oder jemand anders davon berichtete. Aber das würde nicht die Ortsangabe erklären.

2. Stimmt schon, mir ging es in dem Fall darum, dass die Historizität Tews überhaupt damit belegt wird. Er schlug sich schließlich auch ohnehin lieber mit reichen Schiffen des Großmuguls, statt mit weniger verlockenden als gefährlichen Zielen wie einem Landziel herum.

Grundsätzlich muss man wohl sagen, dass überhaupt die Quellenlage zur Piraterie nicht so wahnsinnig umfangreich sein kann. Wir sprechen von Unternehmen von einigen hundert Leuten. Nur im Falle von Prozessen, wobei die besonderen Verbrechen in Akten festgehalten wurden oder den Lebenserinnerungen und wenigen Werken von Männern wie Johnson und Exquemlin konnte sich überhaupt etwas von den Ereignissen erhalten. Besonders gut dokumentiert sind daher logischerweise auch bloß die großen Opperationen der erfolgreichsten Piratenführer. Einzelne Kapitäne sind v.a. durch deren Gegner bzw. Opfer überliefert. Dabei verbessert sich die Quellenlage natürlich um so näher wir ans 18.Jh. heran kommen, u.a. auch da sich die Strukturen in Amerika etablierten und die Behörden modernisiert wurden.
 
Zunächst etwas über Begriffsdefinitionen:

- Bukaniere sind Seeräuber der Karibik des 17. Jhds.
- Freibeuter sind Seeräuber, die einen Kaperbrief eines Souveräns besitzen und so im Falle der Gefangennahme nicht stante pede aufgeknüpft werden, sondern Privilegien eines soldatischen Gefangenen genießen.
- das Goldene Zeitalter der Piraterie wird allgemein als vom Ende der Bukaniere (~1680) bis 1720/ 30 definiert.

Primärquelle für die Libertalia- Geschichte ist der zweite Teil des Buches "A General History of the Pyrates" von Captain Johnson.

Bereits der Autor des Buches ist umstritten, es gibt eine wacklige Hypothese, daß es sich bei ihm um Daniel Defoe handele. Da "Captain Johnson" der eingetragene Autor ist, bleiben wir bei dieser Nomenklatur.

Captain Johnson ist ein begnadeter Mischer von Fiktion und Wahrheit, und als solcher als Zeitzeuge nur mit allergrößter Vorsicht zu genießen. Insbesondere im in Frage stehenden zweiten Teil der "General History" läßt er seiner Fantasie freien Lauf und beschreibt ganze fikive Lebensläufe (Captains "Lewis" und "Cornelius").

Die Libertalia- Geschichte ist allerdings noch wesentlich unsicherer und innerhalb von Historikern außerordentlich umstritten, da Daten von Johnsons Bericht nicht zusammenpassen. Ferner ergaben Untersuchungen auf Madagascar keinen Beweis für die Existenz einer solchen Republik.

Aus anderen Quellen ist einiges mehr über das Leben von Thomas Tew, eines der angeblichen Mitgründer, bekannt. Jedoch keine dieser Quellen bestätigt Johnsons Berichte über Libertalia.

Es ist unumstritten, daß es eine Menge Piraten auf Madagascar gab, aber bisher fand man keine Anzeichen für die Existenz der angeblichen Piratenrepublik.

Ich persönlich ließe mich gerne überzeugen, daß es eine solche Republik gab, würde dies doch der historischen Piraterie eine weitere schillernde Facette hinzufügen. Solange es aber keine weiteren Beweise gibt, ist Skepsis angebracht, da es gerade in diesem Gebiet die phantastischsten Stories gibt, die keiner ernsthaften Untersuchung standhalten.
 
Ich glaube, das ist überhaupt ein Problem im 18.Jh., dass viel anonym herausgegeben wurde und heute nur von den bedeutenderen Autoren und v.a. jenen, welche ihre Beziehung zu den eigenen allerdings anonym erschienen Werken später zugaben, die Autorenschaft bekannt ist. Oftmals frage ich mich, ob dies überhaupt noch nachweisbar ist. Die Quellen werden ja nicht mehr über die Zeit, die verstreicht, sondern eher weniger. Selbst manche berühmte Bücher des 18.Jh. können bis heute nicht einem bestimmten Autoren zugeschrieben werden, wenn schon die Zeitgenossen ratlos in der Hinsicht waren.

Hier der Einfachheit halber der Artikel zu Johnson: Charles Johnson - Wikipedia

Mir liegt das Werk nicht vor und ich bin kein Literaturwissenschaftler. Gibt es denn Indizien im Schreibstil welche auf Defoe deuten? Klar er war in der Seefahrt bewandert, aber es haben sich auch einige Werke von ihm erhalten, welche eine Überprüfung von Gemeinsamkeiten im Stil ermöglichen müssen.

Ansonsten gilt was ich in meinem letzten Beitrag sagte. Außerdem war Madagaskar weit und man müsste wohl im Detail schauen als wie umfangreich Johnson die Befestigungen und Bauten der Piraten von "Liberta" beschreibt und ob diese dauerhafterer Art waren. Aber ich bin wirklich kein Kenner der Materie und wollte nur darlegen, was mir bekannt ist.
:winke:
 
Ich habe den "Neukirchen" letzte Nacht mal durchgeackert.
Meiner ist von 1976 Bertelsmann Lizenzausgabe.

Entweder war ich besoffen, oder kein Wort von den Piraten-Republiken.
Einziger Hinweis, mehrere Piraten hätten sich dort "zur Ruhe gesetzt" und Plantagen angelegt, und ihre Erzeugnisse zT. an die Piraten verkauft. Auch hätten sie teilweise "Eingeborene" als Sklaven an die Piraten verkauft.

Wird der Neukirchen zumindest Zweifel bekommen haben.
 
Oder bei transpress in der Zone eine politische Spritze.:still:
Vor allem was zum Charakter von "Liberta" von Neukirchen gesagt wird, klingt doch nach Inselsozialismus.:still:

Ja sehr. Und eigentlich müsste einen ja der Name schon stutzig machen, aber manchmal ist das Mißtrauen abgeschalten....

Aber ich habe 100% von diesen Piratenrepubliken gelesen. Aber wird tatsächlich so ein "Roman" gewesen sein.
Tut mir leid.
 
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