Bisher hat es funktioniert.
Man kann Menschen nicht nach Belieben formen. Nur weil man einem Menschen Waffen in die Hand drückt, wird er noch kein Soldat. Dafür braucht es auch eine passende Mentalität. Mangelnden Kampfgeist kann man zwar in Grenzen durch langen Drill wettmachen, aber ein kampfunwilliger Zwangsrekrut wird nie denselben Kampfwert haben wie jemand, der aus echter Motivation heraus (sei es aus Kampflust, sei es, weil er es zumindest für seine Pflicht hält) Kriegsdienst leistet.
Diese kriegerische Mentalität ist der Bevölkerung Italiens im Laufe der Kaiserzeit wohl abhanden gekommen. Nicht grundlos setzten sich die römischen Armeen der Kaiserzeit in immer höherem Maße aus Provinzialen zusammen statt aus Italikern.
Es steht ja außer Frage, dass das Oströmische Reich (ORR) ein Fortsetzer des Römisches Reichs (RR) war. Nur war mit dem Wegfall des Westteils gewissermaßen auch das Kernland - Rom! - kein Teil des RR mehr.
Die Stadt Rom selbst allerdings blieb nach der Niederwerfung der Goten bis ins 8. Jhdt., als eine Art fliegender Wechsel zu den Franken erfolgte, unter römischer Herrschaft. Mitte des 7. Jhdt.s besuchte noch Kaiser Konstans II. persönlich Rom - nicht als Staatsgast, sondern als Herrscher.
Auch Ravenna blieb bis Mitte des 8. Jhdts. römisch, Teile Süditaliens bis ins 11. Jhdt.
Das ist schon irgendwo eine steile These, wenn man die Reiche der Goten, Vandalen, Sueben, Franken und Burgunder mitberücksichtigt. Sicher, es gab, auf Kosten oder Ostgoten und Vandalen eine byzantinische "Reconquista" von Teilen des weströmischen Reichsteils, aber das war ja auch nur von kurzer Dauer. Was unter Belisar restituiert wurde, ging auch bald wieder an Westgoten, Langobarden und Muslime verloren.
In Italien wirkte die "Reconquista" bis ins 11. Jhdt. nach. Auch auf Sardinien hielten sich die Römer noch lange.
Dazu kommt noch die ideelle Bedeutung der römischen Herrschaft im Westen: Kaiser Maurikios plante, das Reich administrativ unter seinen Söhnen in einen West- und einen Ostteil zu teilen. Kaiser Konstans II. führte persönlich einen (erfolglosen) Feldzug gegen die Langobarden. Bis ins 11. Jhdt. wurde immer wieder erbittert um Italien und Sizilien gekämpft. All das zeigt hinlänglich, dass die Römer Italien nicht aufgegeben hatten, sondern sich erbittert an ihre dortigen Territorien klammerten (und das teilweise zu Zeiten, als der Großteil des Balkan und sogar Griechenlands sowie so manche Ägäis-Insel unter Fremdherrschaft standen und Konstantinopel selbst von Arabern und Bulgaren bedroht wurde). Rein von den Territorien her ging zwar mit dem Einfall der Langobarden ein Gutteil Italiens verloren, aber in der Wahrnehmung der Römer bildeten ihre dortigen Restgebiete offenkundig nach wie vor einen wesentlichen Reichsteil.