Luftkrieg: Deutsche und alliierte Bombenangriffe auf Städte

Zum Belfast Blitz: Gibt es deutsche Quellen, dass dieser Angriff auf Belfast von deutscher Seite befohlen wurde bzw. stattfand? OKW-Eintrag oder sowas?

Da ihr fleissig den Thread am Leben haltet, ziehe ich mal meine Frage von vor vier Tagen wieder runter. Damit sie nicht - unabhängig von euren Diskussionen - verloren geht.
 
Hallo Hurvi:

Belfast Blitz - Wikipedia, the free encyclopedia

Die beteiligten deutschen Verbände suche ich noch heraus.

EDIT:
Kampfgeschwader 53 + 55 sowie I. Gruppe KG 4. Die Angabe von ca. 200 Bombern dürfte daher stimmen. In einer Geschwaderchronik wird von "schwersten Schäden" gesprochen, das dürfte sich wohl auf die üblichen Luftbildaufnahmen nach dem Nachtangriff beziehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Friesengeist schrieb:
flavius-sterius schrieb:

...Um einen alten Juristenkalauer zu bemühen:
Die Nürnberger hängen keinen, es sei denn, sie hätten ihn denn...

Ich weiss nicht ob man bei solch einem Thema unbedingt Kalauer ins Spiel bringen muss.
Wenn Du von dem Thema persönlich betroffen bist, dann tut mir das leid.

Ganz OT:
Ich persönlich sehe den 2. Weltkrieg als Geschichte an, für welchen eine übertriebene Pietät nicht mehr erforderlich ist. Beruflich habe ich sehr viel mit Hinterbliebenen zu arbeiten, die aktuell ihren Ehepartner, Vater oder ähnlich nahe stehende Personen verloren haben. Dazu bedarf es sehr viel Einfühlungsvermögen. Erfahrungsgemäß kann man sagen, dass nach einem Jahr dieser Verlust so weit verarbeitet ist, dass man über den Tod des Angehörigen normal reden kann. Der hier diskutierte Luftkrieg hat vor 63 Jahren und länger stattgefunden.

Friesengeist schrieb:
flavius-sterius schrieb:
...Es ist auch mich unstreitig, dass der allierte Luftkrieg unmenschlich war. Aber (und dieses aber ist entscheidend) das Ziel dieses Luftkrieges war die Zerstörung des Nazi-Regimes. Und zur Erreichen dieses Ziels waren m. E. alle Mittel erlaubt...

Ich glaub es nicht :motz: Der Zweck heiligt die Mittel?

Dann hättest du bestimmt auch die Atombombe auf Berlin gutgeheissen.

Also ich komm echt nicht über deine Aussage weg, "Alle Mittel sind erlaubt..."
Mit dieser Aussage kann sich jeder reinwaschen.
Hitler wollte nur die Weltherrschaft erlangen - müssen wir diesem Scheusal jetzt auch alle Mittel zugestehen? Hoffentlich nicht.
Und schon stehen wir an dem Punkt, wo wir vor der großen Weizsäckerrede 1985 waren. Wurden wir Deutschen 1945 befreit oder haben wir einen Krieg verloren? Mein Großvater hat dies sicherlich als Niederlage empfunden, er hat an die NSDAP geglaubt und seinen Führer vergöttert. Nachfolgende Generationen hätten wohl kaum in dem Land leben wollen, welches sich Hitler, Goebbels und Himmler für die Deutschen ausgedacht hatten. Für mich ist der 8.5.1945 ein Tag der Befreiung. Auch wenn nach diesem Tag ein Teil des Landes und seiner Bevölkerung für weitere 40 Jahre unter einer Diktatur leben mussten.

Ich habe das Schloss Gottesaue als Profilbild gewählt. Das Schloss - damals eine Polizeischule - ist bei einem Luftangriff am 27.05.1944 zerstört worden - 16 Menschen kamen dabei ums Leben. Du kannst mir also getrost glauben, dass ich mich mit dem Thema Luftkrieg im 2. Weltkrieg ausgiebig auseinander gesetzt habe.
 
...Ich persönlich sehe den 2. Weltkrieg als Geschichte an, für welchen eine übertriebene Pietät nicht mehr erforderlich ist ...

Wo bitte siehst du hier "übertriebene Pietät"?
Nur weil ich gesagt habe, das Witze zu solch einem Thema nicht passen?

Und davon abgesehen, was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Du bist der Meinung das zur Zerstörung des nationalistischen Systems alle Mittel recht sind - das habe ich in Frage gestellt.

Da spielt es also keine Rolle ob dein Großvater es als Niederlage oder du als Befreiung empfunden hast. Es geht ganz einfach um die banale Frage, "...darf ich Unschuldige bewusst töten um mein Ziel zu erreichen..."

Alles weitere können wir gerne per PN diskutieren sofern es nicht direkt zum Thema beiträgt.
 
Danke. Würde mich freuen.

Die Bestimmungen von Potsdam zu diesem Thema sind bekannt.
Im Januar 1946 war noch die Rede von Flugplätzen und Flugplatz-Einrichtungen die den Sowjets zum Abtransport der jeweiligen Reparationsgüter in den Westzonen überlassen werden sollten.
Ende Mai (27?) 1946 hat Clay dann das "vorläufige Ende sowjetischer Reparationen" verkündet. Ob das für alle West-Zonen so übernommen wurde, weiß ich jetzt nicht. Denke aber schon. Die Sowjets haben ja die im Gegenzug vereinbarten Lebensmittellieferungen nicht eingehalten, mussten die Westalliierten "ihre" Zonen mit Lebensmittel beliefern, was zumindest Briten und Franzosen schwer gefallen sein wird.

Als Beispiel nenne ich nochmals die Produktionsanlagen des Opel Kadettaus Rüsselsheim, damals ein hochmoderner Kleinwagen mit selbsttragender Ganzstahlkarosserie, die kpl. nach Russland kamen. Der Kadett wurde dort als Moskwitsch bis Mitte der 50er weiter gebaut.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Sowjets haben ja die im Gegenzug vereinbarten Lebensmittellieferungen nicht eingehalten, mussten die Westalliierten "ihre" Zonen mit Lebensmittel beliefern, was zumindest Briten und Franzosen schwer gefallen sein wird.

Ja, die Briten, Amerikaner und Franzosen mussten wegen der ausblieben Lieferungen der Sowjetunion Lebensmittel an"ihre" Zonen liefern.

Das stellte insbesondere die Briten vor ein schweres Problemen stellt, weil nämlich in der Folge die Nahrungsmittel in England kanpp wurden. Die britische Bevölkerung war darüber nur sehr mäßig amüsiert, das bei Ihnen nun zu deutlichen Schwierigkeiten mit der Nahrungsmittelversorgung kam, weil man die Deutschen versorgen musste.
 
Moderative Anmerkung

Das hier diskutierte Thema lautet "Deutsche und alliierte Bombenangriffe auf Städte". Genaugenommen sind bereits Erörterungen über die *Nachkriegs*versorgungslage und wem wo was knapp wurde deutlich OT.

Gänzlich OT sind jedoch Plaudereien über Autotypen aus der Nachkriegszeit, auch wenn diese bereits in der Vorkriegszeit oder während des Krieges in der Planung waren. Hierzu gibt es ein separates Thema.

Ich möchte sehr bitten, daß das Thema von den werten Diskutanten im Auge behalten wird.
 
Ich finde es doch schon irgendwie erschreckend, dass diese inhumane grauenhafte Art der Kriegführung gegen die Zivilbevölkerung, von einer Regierung eines demokratischen verfassten Landes veranlasst wurde.

Somit trägt Churchill also sicher ein ordentliches Stück an Mitverantwortung für diesen Grauen, auch wenn er später begann, sich vorsichtig zu distanzieren. Erschreckend ist auch die Verweigerung der Briten, nach der Erkenntnis, dass die Flächenbombardements den ihnen zugedachten Zweck, nämlich die Moral der deutschen Bevölkerung zu brechen, erkennbar nicht erreichten, keine Konsequensen gezogen wurden, denn es wurde trotzdem weitergebombt. Das war irgendwie schon pervers.
 
Auch wenn die folgenden Beispiele bzw. Bombardierungen im Thread schon angesprochen wurden, wollte ich doch noch etwas dazu schreiben... :pfeif:

Ich habe hier mal einen Ausschnitt zum Bombenkrieg aus dem Buch "Lexikon fataler Fehlentscheidungen im Zweiten Weltkrieg" von H.-D. Otto:

Die Erkenntnis, dass pausenlose Flächenangriffe den Widerstandswillen und die Moral der schwer geprüften Zivilbevölkerung nicht brechen können, beschränkt sich nicht nur auf Berlin. Trotz aller Schrecken des Bombenkrieges geben die Menschen überall im Lande den Mut nicht auf. Im Gegenteil, die Feuerstürme schweißen das Volk zusammen. Er festigt die "Volksgemeinschaft" und bringt das deutsche Volk dem Naziregime sogar näher, weil die Menschen erkennen, dass es ums nackte Leben geht.

Natürlich kann man dies nicht nur auf die deutsche Bevölkerung beziehen, sondern auch auf all die anderen.

Und weiter heißt es:
Der kostspielige Versuch, den Sieg mit einer Politik zu erringen, die den Tod von unschuldigen Frauen und Kindern und die Zerstörung historischer Gebäude und Kunstschätze billigt und gar zum Ziel setzt, bleibt ein Kriegsverbrechen. ...

Über Rotterdam gibt es auch ein Kapitel... Dort heißt es, dass die Holländer Rotterdam mit allen Mitteln verteidigt haben und somit Artikel 25 der Haager Landkriegsordnung keine Anwendung findet. Nach der Zerstörung dieser Stadt eskalierte der Luftkrieg. Churchill hob das Verbot der Bombardierung deutscher Städte auf.

So schlimm der tragische Irrtum von Rotterdam auch ist, ein gezielter Terrorangriff gegen die Zivilbevölkerung ist er nicht gewesen. [...] Der Angriff diente einem rein militärischen, begrenzten taktischen Ziel.
Die Schlüsselstellung für die Besetzung Hollands sollte genommen und die eigenen Soldaten in der Stadt aus ihrer bedrohlichen Lage befreit werden. Ebenso erwiesen sind die verschiedenen Versuche, den Angriff zu stoppen. Dass dies nicht gelang, ist auf deutscher Seite sofort bedauert worden. Dennoch ändert dies nichts an der Schuld der deutschen Kriegsführung.

LG :winke:
 
Ich habe hier mal einen Ausschnitt zum Bombenkrieg aus dem Buch "Lexikon fataler Fehlentscheidungen im Zweiten Weltkrieg" von H.-D. Otto: ...
Vorab: Ich selbst gebe ich auch manchmal Nichthistorikern das Wort, wenn und insofern sie Aspekte ansprechen, die von anderen nicht gesehen (oder als zu riskant bewertet) werden. Das lasse ich auch für H.-D. Otto
gelten (zu Person und Oevre siehe Information über Otto, Hans-Dieter| Buchverlage LangenMüller Herbig nymphenburger terra magica).

Gleichwohl verspüre ich ob des Zitats
Die Erkenntnis, dass pausenlose Flächenangriffe den Widerstandswillen und die Moral der schwer geprüften Zivilbevölkerung nicht brechen können, beschränkt sich nicht nur auf Berlin. Trotz aller Schrecken des Bombenkrieges geben die Menschen überall im Lande den Mut nicht auf. Im Gegenteil, die Feuerstürme schweißen das Volk zusammen. Er festigt die "Volksgemeinschaft" und bringt das deutsche Volk dem Naziregime sogar näher, weil die Menschen erkennen, dass es ums nackte Leben geht.
ein gewisses Unbehagen schon deswegen, weil diese Sätze - vom "Naziregime" abgesehen - so oder ähnlich auch vor 65 Jahren hätten geschrieben werden können. Nicht dass mir Otto irgendwie "verdächtig" wäre, beilieibe nicht - das Problem liegt sicher darin, dass es sich um ein "Destillat" aus einer Quellensuppe handelt, deren Zusammensetzung nicht erkennbar ist. Im Grunde müsste man zu allem nachfragen:

  • Gegen wen leistet die "schwer geprüfte" Zivilbevölkerung Widerstand? (Und gegen wen nicht?)
  • Um welche Art von Mut handelt es sich?
  • Wer ist "Er", der die Volksgemeinschaft festigt, und worin drückt sich die Festigung aus?
  • Was genau ist es, das das (ganze?) deutsche Volk dem Naziregime näher bringt? Tatsächlich die Angst ums "nackte Leben"?
("Die Feuerstürme schweißen das Volk zusammen..." - wenn man jetzt bei Jörg Friedrich "Der Brand" nachliest, wie sich das im Einzelnen verhielt, bekommt man sehr unappetitliche Assoziationen, und ich wundere insoweit über das Sprachgefühl unseres Autors.)

Der kostspielige Versuch, den Sieg mit einer Politik zu erringen, die den Tod von unschuldigen Frauen und Kindern und die Zerstörung historischer Gebäude und Kunstschätze billigt und gar zum Ziel setzt, bleibt ein Kriegsverbrechen. ...
So schlimm der tragische Irrtum von Rotterdam auch ist, ein gezielter Terrorangriff gegen die Zivilbevölkerung ist er nicht gewesen.
Jeder Bombenwerfer, angefangen beim Ersten Weltkrieg bis nach Afghanistan, weiß natürlich, dass die Waffe, die er benutzt, jederzeit "unschuldige Frauen und Kinder" treffen kann (das ist heutzutage sogar die Regel!), weil die sich nämlich nicht hinreichend von den eigentlichen Zielen (Soldaten, Waffen, andere Ressourcen - auch wohl die in einer Munitionsfabrik arbeitenden Frauen?!) separieren können oder dürfen. Wenn aber das "billigende" Inkaufnehmen der heute so genannten "Kollateralschäden" ein Kriegsverbrechen ist, dürfte auch Rotterdam zu dieser Fallgruppe gehören.

Ich habe den Eindruck, dass der Autor etwas Wichtiges sagen will, aber nicht kann, weil ihm keine akzeptablen Kategorien zur Verfügung stehen. Warum er sich das Themas überhaupt annimmt, ist sowieso die Frage. Das Buch beschäftigt sich ja laut Verlagswerbung (Lexikon fataler Fehlentscheidungen im Zweiten Weltkrieg | Buchverlage LangenMüller Herbig nymphenburger terra magica) mit "Fehlgriffen, die den Verlauf des Krieges beeinflusst oder eine Schlacht entschieden haben" - trifft das denn auf den Bombenkrieg zu? "In der ungeheuren Dramatik des Geschehens tritt zugleich ein Mann in den Vordergrund: Adolf Hitler" - darauf sind andere natürlich auch schon gekommen.
 
Ich stimme dir natürlich zu... und deine aufgeworfenen Fragen dazu sind ebenfalls berechtigt.

  • Gegen wen leistet die "schwer geprüfte" Zivilbevölkerung Widerstand? (Und gegen wen nicht?)
  • Um welche Art von Mut handelt es sich?
  • Wer ist "Er", der die Volksgemeinschaft festigt, und worin drückt sich die Festigung aus?
  • Was genau ist es, das das (ganze?) deutsche Volk dem Naziregime näher bringt? Tatsächlich die Angst ums "nackte Leben"?
Bei der Festigung der Volksgemeinschaft und der Nähe zum Regime greift evtl. "mitgegangen - mitgefangen". Die deutschen Zivilisten waren sich im Klaren, dass der Krieg verloren ist und sie wussten, dass am Ende die Sieger über sie (im Ganzen) urteilen werden. Vielleicht war es Verzweiflung und die Erkenntnis, dass sie zu weit mitgegangen sind, um jetzt den Kopf noch aus der Schlinge ziehen zu können? :confused:

Das Buch beschäftigt sich ja laut Verlagswerbung (Lexikon fataler Fehlentscheidungen im Zweiten Weltkrieg | Buchverlage LangenMüller Herbig nymphenburger terra magica) mit "Fehlgriffen, die den Verlauf des Krieges beeinflusst oder eine Schlacht entschieden haben" - trifft das denn auf den Bombenkrieg zu? "In der ungeheuren Dramatik des Geschehens tritt zugleich ein Mann in den Vordergrund: Adolf Hitler" - darauf sind andere natürlich auch schon gekommen.

Natürlich steht H. im Vordergrund des Geschehens... Doch in diesem Buch sind halt Fehlgriffe aller Seiten zu lesen; Ich muss jedoch sagen, dass H. dennoch die meisten Fehlgriffe zu verbuchen hatte (im Buch sind womöglich nur die größten genannt).

Aber ich muss zugeben, dass ich über deine aufgeworfenen Fragen noch eine Weile nachdenken werde...:grübel:

LG :winke:
 
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Nicht nur nicht widerlegt, sondern es gibt zahlreiche Hinweise.

Die Auswirkungen auf die "Moral" bzw. den Durchhaltewillen sind nur eine Seite. Obwohl hier in anderen posts mehrfach angesprochen und individuell zitiert, ist das praktisch dagegen kaum einzuschätzen, da man über die Entwicklungen "ohne Bombardierungen in diesem Ausmaß" spekulieren müßte.

Man sollte aber die materiellen Auswirkungen nicht übersehen, und die lassen sich wesentlich besser greifen:

- nach der Aussage Speers (Kransberger Protokolle) banden die Luftschlachten 30-40% der jährlichen Produktionskapazität von Geschützen und Munition; dieses bezieht auf die personellen Kapazitäten, hinzu kommen Werkzeugmaschinen, Engpaß-Materialien (zB Aluminium!), Jäger-Produktion, Fahrzeuge, Geräte etc. etc.

- darüber hinaus waren - ich würde das im Millionen-Bereich einschätzen (wobei eben zB auch die Luftwaffenhelfer den Auftakt einer Art "Volkssturm" bildeten, was die Allierten so nicht vorgesehen hatten) - gewaltige personelle Kapazitäten im Bereich der Industrie, Trümmerbeseitigung, Instandsetzung, Löschgruppen, Ordnungskräfte etc. gebunden, die ansonsten für die totale Mobilisierung im deutschen Machtbereich und damit für die kämpfenden Fronten frei geworden wären.

- die Auswirkungen auf die Treibstoffindustrie sowie die Schäden und Stockungen in der übrigen Rüstungsindustrie (Panzer, Flugzeuge, Munition, Geschütze, Elektronik, usw.) sind zusätzlich zu bewerten. Hier geht es nicht um die erzielten Steigerungen 1943 -> 1944, sondern um die Betrachtung von realisierbaren Steigerungen "ohne Bombenkrieg".

- das Deutsche Reich betrieb schließlich - und dabei wurden die KZs und Zwangsarbeiter eingeschlossen - seit 1943 einen gigantischen Aufwand, um Schlüsselindustrien "unter die Erde" zu bringen. Hier ergibt sich eine dramatische Folgewirkung aus den Opfern unter diesen Menschen, die so allierterseits vermutlich nicht gesehen, aber später wahrgenommen wurde (zB Luftbildaufnahmen von DORA-Mittelbau). Im Rahmen dieses totalen Krieges wurden daneben erhebliche Stoffressourcen gebunden; es ist keinesfalls zynisch gemeint, aber der Einsatz dieser Menschen (in der Folge: die Opfer) wäre auch auf anderen Rüstungsgebieten durch das Regime sicher erfolgt - man kann sich hierzu das SS-Wirtschaftssystem betrachten.


Insgesamt wird diese Fesselung der industriellen und personellen Kapazitäten kaum beachtet. Sie ist aber neben die Diskussion über die Moral und den Durchhaltewillen der Bevölkerung und der Wehrmachtsangehörigen zu stellen, wenn man den Bombenkrieg betrachten will. Dazu sind auch individuelle Äußerungen über "Kriegsmüdigkeit" oder Durchhaltewillen kaum brauchbar.


Ich würde schätzen, ausgehend von den Äußerungen Speers, dass hier tatsächlich 30-40% der unmittelbaren und derivativen Kapazitätsbindungen des gesamten industriellen Potentials im Deutschen Reich und den besetzten Gebieten lagen, die eben keine Panzer oder Flugzeuge produzierten, die dann wieder an der Ostfront oder der Normandie zum Einsatz kommen konnten.

Daher würde ich die Aussage teilen: der Krieg ist wesentlich verkürzt worden. Und dieses würde ich auch schon für die Ressourcenbindung 1943 so sehen, da ab 1942 die Bindungswirkung aufgrund der erwarteten alliierten Luftschläge tatsächlich eintrat: die Speerschen Äußerungen für die Ist-Produktion 1943/44 hatten nämlich einen entsprechenden industriellen Vorlauf, die Diversionswirkung trat wesentlich früher ein, als die Ausstoßzahlen etc. abbilden.

(Hervorhebung von mir)



Guter Beitrag. Ich denke man muß klar sehen, daß zwar der Hass auf die Angreifer stieg und somit wohl auch der Durchhaltewillen. Das ging den Deutschen in Hamburg so, wie den Engländern in London. Aber auch Hass und Wut braucht Kraft, um sich zu rächen. Und wie Silesia richtig feststellt wurde die Kraft durch die schlimmen Bombardements genommen. Die Briten haben am Ende gewonnen, aber bei vielen, die das erleben mußten, ist der Hass geblieben. Wieder egal, ob es die erwähnte Queen Mom war oder Oma Emma aus Wandsbeck.
 
Ich habe mir nochmals die Beiträge hier und im parallel laufenden Chemnitz-Thema durchgelesen.

Es ist erstaunlich, dass die Diskussion (so nehme ich das jedenfalls wahr) von folgendem Dreisatz beherrscht wird, der sich auch in der öffentlichen Diskussion wiederfindet:

- die allierten Luftkriegs-Direktriven setzten die "Moral" bzw. den Widerstandswillen als primäres Ziel der Strategischen Bombardierungen
- das wurde offensichtlich nicht erreicht
-> daraus ergibt sich die Bewertung der Bomberoffensive als Fehlschlag.


Ich möchte dazu nochmals auf die für die allierte Seite als Grenzübertritt zu wertenden britische Operationsanweisung vom 14.2.1942 zurückkommen (die deutsche Seite lag hier früher). Dort wird "morale" erwähnt, aber nicht nur: der materielle Kern der Anweisung ist der Übergang zur "Flächenbombardierung". Die Klarstellung setzt dann die "aiming points" (=Zielmarken" für OBOE und H2S-Systeme) mitten in die Städte. Das wird nochmals präzisiert nach Casablanca:
"The progressive destruction and dislocation of the German military, industrial and economic systems and the undermining of the morale of the German people to a point where their capacity for armed resistance is fatally weakened. Every opportunity to be taken to attack Germany by day to destroy objectives that are unsuitable for night attack, to sustain continuous pressure on German morale, to impose heavy losses on German day fighter force and to conserve German fighter force for the Russian and Mediterranean theatres of war"
Area bombing directive - Wikipedia, the free encyclopedia

"Morale" ist hier ein Baustein des Niederdrückens der militärisch-industriellen Kapazitäten des Kriegsgegners, neben den substantiellen Zerstörungen. Deswegen greift mE jeder Schluß, der sich an der Tatsache des Widerstandswillens bis 5nach12 orientiert, zu kurz. Zu den substantiellen Einwirkungen nochmals Daten:

- der USSBS (Schadensreport) weist anhand der deutschen Industriedaten und der unmittelbaren Nachkriegsanalyse eine Schadenswirkung je nach Industriesektor zwischen 5 und 25% der Jahreskapazitäten 1943/44 nach.
- einen Einblick in die "Soll-Ist-Abweichung" der deutschen Rüstungsfertigung gibt das strategische Schwerpunktziel (lt. Casablanca-Konferenz) Jäger-Produktion nach Budraß, Flugzeugindustrie und Luftrüstung, S. 868): Bereits zwischen Sept. und Dez. 1943 lagen die Istabweichungen mit 23-51,4% unter Soll bei den Typen Bf109 und FW190. Zwischen Februar und Juni 1944 lag die Abweichung zwischen 24 und 38%, um dann im Juli 1944 aufgrund der "Ablenkung" des Luftkriegs auf die französische Invasionsfront sogar wieder plus 1,6% zu betragen. Dabei handelt es sich nicht nur im direkte Folgen von Luftangriffen auf Städte der Luftrüstung, sondern auch um derivative Wirkungen der Zerrüttung und Störungen in der Lieferkette, von optischen Geräten bis zu Motoren etc. Diese massiven Störungen lassen sich in beliebiger Kette für weitere Beispiele finden, so für U-Boot-Produktion und Panzerfertigung, ganz abgesehen von direkten Ressourcenbindungen im Luftkrieg.


Die Fokussierung des Bombenkriegs auf eine Beurteilung des Widerstandswillens greift daher mE nicht nur wegen der Frage der Beurteilung, sondern aufgrund der primären, nachweisbaren Auswirkungen zu kurz.
 
Nicht nur nicht widerlegt, sondern es gibt zahlreiche Hinweise.

Die Auswirkungen auf die "Moral" bzw. den Durchhaltewillen sind nur eine Seite. Obwohl hier in anderen posts mehrfach angesprochen und individuell zitiert, ist das praktisch dagegen kaum einzuschätzen, da man über die Entwicklungen "ohne Bombardierungen in diesem Ausmaß" spekulieren müßte.

Man sollte aber die materiellen Auswirkungen nicht übersehen, und die lassen sich wesentlich besser greifen:

- nach der Aussage Speers (Kransberger Protokolle) banden die Luftschlachten 30-40% der jährlichen Produktionskapazität von Geschützen und Munition; dieses bezieht auf die personellen Kapazitäten, hinzu kommen Werkzeugmaschinen, Engpaß-Materialien (zB Aluminium!), Jäger-Produktion, Fahrzeuge, Geräte etc. etc.

- darüber hinaus waren - ich würde das im Millionen-Bereich einschätzen (wobei eben zB auch die Luftwaffenhelfer den Auftakt einer Art "Volkssturm" bildeten, was die Allierten so nicht vorgesehen hatten) - gewaltige personelle Kapazitäten im Bereich der Industrie, Trümmerbeseitigung, Instandsetzung, Löschgruppen, Ordnungskräfte etc. gebunden, die ansonsten für die totale Mobilisierung im deutschen Machtbereich und damit für die kämpfenden Fronten frei geworden wären.

- die Auswirkungen auf die Treibstoffindustrie sowie die Schäden und Stockungen in der übrigen Rüstungsindustrie (Panzer, Flugzeuge, Munition, Geschütze, Elektronik, usw.) sind zusätzlich zu bewerten. Hier geht es nicht um die erzielten Steigerungen 1943 -> 1944, sondern um die Betrachtung von realisierbaren Steigerungen "ohne Bombenkrieg".

- das Deutsche Reich betrieb schließlich - und dabei wurden die KZs und Zwangsarbeiter eingeschlossen - seit 1943 einen gigantischen Aufwand, um Schlüsselindustrien "unter die Erde" zu bringen. Hier ergibt sich eine dramatische Folgewirkung aus den Opfern unter diesen Menschen, die so allierterseits vermutlich nicht gesehen, aber später wahrgenommen wurde (zB Luftbildaufnahmen von DORA-Mittelbau). Im Rahmen dieses totalen Krieges wurden daneben erhebliche Stoffressourcen gebunden; es ist keinesfalls zynisch gemeint, aber der Einsatz dieser Menschen (in der Folge: die Opfer) wäre auch auf anderen Rüstungsgebieten durch das Regime sicher erfolgt - man kann sich hierzu das SS-Wirtschaftssystem betrachten.


Insgesamt wird diese Fesselung der industriellen und personellen Kapazitäten kaum beachtet. Sie ist aber neben die Diskussion über die Moral und den Durchhaltewillen der Bevölkerung und der Wehrmachtsangehörigen zu stellen, wenn man den Bombenkrieg betrachten will. Dazu sind auch individuelle Äußerungen über "Kriegsmüdigkeit" oder Durchhaltewillen kaum brauchbar.

Ich würde schätzen, ausgehend von den Äußerungen Speers, dass hier tatsächlich 30-40% der unmittelbaren und derivativen Kapazitätsbindungen des gesamten industriellen Potentials im Deutschen Reich und den besetzten Gebieten lagen, die eben keine Panzer oder Flugzeuge produzierten, die dann wieder an der Ostfront oder der Normandie zum Einsatz kommen konnten.

Daher würde ich die Aussage teilen: der Krieg ist wesentlich verkürzt worden. Und dieses würde ich auch schon für die Ressourcenbindung 1943 so sehen, da ab 1942 die Bindungswirkung aufgrund der erwarteten alliierten Luftschläge tatsächlich eintrat: die Speerschen Äußerungen für die Ist-Produktion 1943/44 hatten nämlich einen entsprechenden industriellen Vorlauf, die Diversionswirkung trat wesentlich früher ein, als die Ausstoßzahlen etc. abbilden.
Die Punkte die du hier nennst sind sicherlich in gewisser Weise richtig, du vergißt aber eins, der Bombenkrieg verschlang nicht nur Kapazitäten auf deutscher Seite, sondern auch auf alliierter Seite. Die oben erwähnten Punkte können nicht so alleine für sich stehen. Es müßte ebendso gefragt werden, wie hätte sich ein anderer Einsatz der Bomberflotten ausgewirkt, auf militärische Ziele oder in der tat lediglich auf industrielle Ziele. Ford-Werke wie zB bei Köln blieben lange außen vor. Es hätte also reichlich nicht zivile Ziele gegeben.
 
Was mich immer wieder fasziniert ist, dass das deutsche Moral Bombing erst die britische Bevölkerung kriegsbereit gemacht hat, davor scheint der Krieg ja sehr unpopulär und die Massen wollen in so schnell wie möglich hinter sich haben.

Das ändert sich mit den Luftangriffen und ein paar Jahre später statt von der eigenen Erfahrung zu lernen versuchen die Allierten selber die Moral mit Bombenangriffen zu schwächen.

Warum wenn es schon bei der eigenen Bevölkerung nicht gewirkt hat, dachte man es würde mit mehr Bombern gehen???
 
Zuletzt bearbeitet:
Und Harris haben die Briten auch noch ein Denkmal hingestellt. Was die Briten wohl sagen würden, wenn wir Rommel eines in Berlin hinstellen.
 
Bei der weit verbreiteten Rommel-Verehrung in Großbritannien hätten sie damit vermutlich keine Probleme.

@beorna: es ist keine Unaufmerksamkeit, ich antworte nach dem Urlaub.
 
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