Luftkrieg: Deutsche und alliierte Bombenangriffe auf Städte

Was mich immer wieder fasziniert ist, dass das deutsche Moral Bombing erst die britische Bevölkerung kriegsbereit gemacht hat, davor scheint der Krieg ja sehr unpopulär und die Massen wollen in so schnell wie möglich hinter sich haben.

Das ändert sich mit den Luftangriffen und ein paar Jahre später statt von der eigenen Erfahrung zu lernen versuchen die Allierten selber die Moral mit Bombenangriffen zu schwächen.

Warum wenn es schon bei der eigenen Bevölkerung nicht gewirkt hat, dachte man es würde mit mehr Bombern gehen???

Gab es ein deutsches "Moral Bombing"? Ich bin in der Geschichte des Luftkriegs nicht sehr bewandert, muß an die Ankündigung Hitlers in einer seiner Hetzreden denken, dass er Bombe mit Bombe mehrfach vergelten wollte. Allerdings sind doch die Proportionen eher umgekehrt gewesen. Ein Vielfaches der deutschen Bombenmenge auf England wurde von der britischen und amerikanischen Luftwaffe auf Deutschland abgeworfen.

Welche Strategie folgte die deutsche Bombardierung britischer Städte im 2. Weltkrieg? Wurden absichtlich Wohnquartiere angegriffen oder wurden diese "nur" als Kollateralschaden in Kauf genommen?
 
Welche Strategie folgte die deutsche Bombardierung britischer Städte im 2. Weltkrieg? Wurden absichtlich Wohnquartiere angegriffen oder wurden diese "nur" als Kollateralschaden in Kauf genommen?

Kurz, ohne nachzuschlagen.

Es war absichtsvoll und zwar als Reaktion eines Angriffs der Royal Air Force auf Berlin.
 
ich suche verzweifelt den Text der bombing dirctive, General Directive No.5 (S.46368/D.C.A.S). Hat irgendwer einen link? Danke im Voraus.
 
ich suche verzweifelt den Text der bombing dirctive, General Directive No.5 (S.46368/D.C.A.S). Hat irgendwer einen link? Danke im Voraus.

In der Wiki Area bombing directive - Wikipedia, the free encyclopedia wird auf das Buch von Harris (1995) verwiesen. Hier ist auch noch ein Link zum National Archives, wo auf die Direktive verwiesen wird: Source 2 | Transcript

The main task, therefore, laid upon the Command by the Air Ministry directif letter numbered S.46368/D.C.A.S., of 14th February, 1942, was “to focus attacks on the morale of the enemy civil population, and, in particular, of the industrial workers.” This was to be achieved by destroying, mainly by incendiary attacks, first, four large cities in the Ruhr area and, then, as opportunity offered, fourteen other industrial cities in Northern, Central and Southern Germany. The aim of the attacks on town areas had already been defined in an Air Staff paper (dated 23rd September, 1941) as follows:-
“The ultimate aim of the attack on a town area is to break the morale of the population which occupies it. To ensure this we must achieve two things: first, we must make the town physically uninhabitable and, secondly, we must make the people conscious of constant personal danger. The immediate aim, is therefore, twofold, namely, to produce (i) destruction, and (ii) the fear of death.”
 
Gab es ein deutsches "Moral Bombing"?

Mir drängt sich eine Allegorie auf. 1939 wurde das Lied „Bomben auf Polenland“ von Wilhelm Stöppler geschrieben. Als der Krieg dann, nach kurzer Unterbrechung, 1940 weiter ging, fügte man zwei Strophen hinzu und aus „Bomben auf Polenland“ wurde „Bomben auf England“.
Ich will sagen, im Bombenkrieg war mehr improvisiert, als geplant. Die deutschen Bomber waren zudem für taktische Aufgaben konzipiert. Die Junkers 88, das wohl beste Bombenflugzeug in den deutschen Hangars zu dieser Zeit, besaß sogar Sturzflugbremsen. Für einen langangelegten, die Moral der Zivilbevölkerung zertrümmernden Luftkrieg völlig ungeeignet, auch wenn sich damit Städte zum Teil in Trümmer legen ließen, wie beim Unternehmen Mondscheinsonate. Allerdings waren es hier die schon alternden He 111.
 
Mir drängt sich eine Allegorie auf. 1939 wurde das Lied „Bomben auf Polenland“ von Wilhelm Stöppler geschrieben. Als der Krieg dann, nach kurzer Unterbrechung, 1940 weiter ging, fügte man zwei Strophen hinzu und aus „Bomben auf Polenland“ wurde „Bomben auf England“.
Ich will sagen, im Bombenkrieg war mehr improvisiert, als geplant. Die deutschen Bomber waren zudem für taktische Aufgaben konzipiert. Die Junkers 88, das wohl beste Bombenflugzeug in den deutschen Hangars zu dieser Zeit, besaß sogar Sturzflugbremsen. Für einen langangelegten, die Moral der Zivilbevölkerung zertrümmernden Luftkrieg völlig ungeeignet, auch wenn sich damit Städte zum Teil in Trümmer legen ließen, wie beim Unternehmen Mondscheinsonate. Allerdings waren es hier die schon alternden He 111.

Hervorhebung durch mich.

Das stimmt.

H. wollte zwar den Krieg, aber eben nicht den Krieg mit GB.

Mw war dieser Kriegsgegner einfach nicht eingeplant, egal ob:

1. propagandistisch
2. "in Gedanken"
3. real (in irgentwelchen Plänen)

Nicht umsonst hat Hitler am 03.09.1939 gefragt: "Was jetzt?"

Und anstatt nun, (in den Jahren 1939 - 1941) der Realität ins Auge zu blicken und alle Kräfte gegen die Briten zu bündeln, hat Hitler die Westflanke ignoriert und einen Zweifrontenkrieg + Vernichtungskrieg angefangen.


=> Sebastian Haffner hat das gut niedergeschrieben.
(aus meiner Erinnerung)

H. konnte sich nicht auf veränderte Lagen einstellen.
Er zog sein Programm (Lebensraum und Massenmord) von Anfang bis zum Ende "nach Plan" durch, und in diesem Plan stand nun, nach der Niederringung Frankreichs, der Vernichtungskreig gegen die SU.
GB war als Verbündeter, mindestens als wohlwollender Neutraler eingeplant, NICHT als Kriegsgegner.

Deshalb musste im (Luft)krieg gegen die Briten improvisiert werden.
 
ich suche verzweifelt den Text der bombing dirctive, General Directive No.5 (S.46368/D.C.A.S). Hat irgendwer einen link? Danke im Voraus.
Einen link habe ich nicht, aber Literatur: Webster/Frankland, Strategic Air Offensive against Germany, Band 4, Anhang 8.

Es müßte ebendso gefragt werden, wie hätte sich ein anderer Einsatz der Bomberflotten ausgewirkt, auf militärische Ziele oder in der tat lediglich auf industrielle Ziele. Ford-Werke wie zB bei Köln blieben lange außen vor. Es hätte also reichlich nicht zivile Ziele gegeben.

Die tatsächlichen Auswirkungen auf die gesamte Industrieproduktion sind hinreichend untersucht. Gleichzeitig war das eine Frage der Kapazitäten und der Zielprioritäten. Nach den Erfahrungen 1943 (als es in erster Linie Wirkung der RAF-Nachtangriffe und nicht der US-Tagangriffe war, dass sich der rasante deutsche Kapazitätsaufbau abbremsen ließ) war das Niederringen der deutschen Jagdwaffe 1944 ein priorisiertes Ziel, ebenso wie (auch wegen der Normandie) die Logistik, die Treibstoffversorgung, die UBoot-Waffe.

Weitere Faktoren neben der Abwehr waren die Frage der Präzision gerade bei Nachtangriffen, etc. Industrielle Punktziele, selbst größere Industriekomplexe waren mit Nachtangriffen kaum zu treffen (Beispiel: der Fehlversuch der RAF, mit einem Großangriff die Skoda-Werke 1943 zu treffen). Als die "Präzision" bereits hinreichend gesteigert war, Frühsommer 1944, gibt das für die RAF folgendes Bild: 6% innerhalb von 500 yards oder insgesamt 20% innerhalb 1000 yards, oder 46% innerhalb 2000 yards. Oder umgekehrt: etwas über die Hälfte liegt außerhalb eines Radius von 1,8 km, bei zusätzlich nächtlichen Verlustraten der RAF von 3 - 10%.

Die Effekte der Bombardierungen trafen zusammen mit dem Expansionsschub der deutschen Kriegswirtschaft. Will man das ansatzweise ermessen, so sind die Speer-Statistiken aufschlussreich. Diese vergleichen deutsches Fertigungspotenzial und realisierten Output

Basis I/1942 = 100
Die Tatsache, dass 1943 das Potenzial nach der frühen schnellen Expansion nur noch langsam gesteigert wurde, hängt mit der "Ruhroffensive" der RAF, und der darauf folgenden intensivierten Verlagerung (nach Osten, bzw. Untertage) der deutschen Industrie zusammen. Es sind also hier zwei Faktoren: 1. Verlangsamung des deutschen Potenzialaufbaues und 2. Fehlmengen Output/Potenzial.

I/1944: Output 248 Potenzial 281
II/1944: Output 287 Potenzial 307
III/1944: Output 308 Potenzial 345
IV/1944: Output 270 Potenzial 381

1942/43/Mitte 1944 war die RAF nur nachts zu größeren Angriffen in der Lage. Erst ab Frühjahr 1943 stand in ausreichender Menge mit H2S ein weiterreichendes Zielsystem zur Verfügung, um die Ruhrlinie (bzw. 500km-Linie) überhaupt zu überschreiten.

Speziell zu den Ford-Werken, die im Kontext der Fahrzeugproduktion angegriffen werden sollten, was sich aber erübrigte:
http://www.geschichtsforum.de/f68/l...onen-im-luftkrieg-ab-1944-a-25507/#post393519
 
Einen link habe ich nicht, aber Literatur: Webster/Frankland, Strategic Air Offensive against Germany, Band 4, Anhang 8.
Vielen Danke.



Die tatsächlichen Auswirkungen auf die gesamte Industrieproduktion sind hinreichend untersucht. Gleichzeitig war das eine Frage der Kapazitäten und der Zielprioritäten. Nach den Erfahrungen 1943 (als es in erster Linie Wirkung der RAF-Nachtangriffe und nicht der US-Tagangriffe war, dass sich der rasante deutsche Kapazitätsaufbau abbremsen ließ) war das Niederringen der deutschen Jagdwaffe 1944 ein priorisiertes Ziel, ebenso wie (auch wegen der Normandie) die Logistik, die Treibstoffversorgung, die UBoot-Waffe.

Weitere Faktoren neben der Abwehr waren die Frage der Präzision gerade bei Nachtangriffen, etc. Industrielle Punktziele, selbst größere Industriekomplexe waren mit Nachtangriffen kaum zu treffen (Beispiel: der Fehlversuch der RAF, mit einem Großangriff die Skoda-Werke 1943 zu treffen). Als die "Präzision" bereits hinreichend gesteigert war, Frühsommer 1944, gibt das für die RAF folgendes Bild: 6% innerhalb von 500 yards oder insgesamt 20% innerhalb 1000 yards, oder 46% innerhalb 2000 yards. Oder umgekehrt: etwas über die Hälfte liegt außerhalb eines Radius von 1,8 km, bei zusätzlich nächtlichen Verlustraten der RAF von 3 - 10%.

Die Effekte der Bombardierungen trafen zusammen mit dem Expansionsschub der deutschen Kriegswirtschaft. Will man das ansatzweise ermessen, so sind die Speer-Statistiken aufschlussreich. Diese vergleichen deutsches Fertigungspotenzial und realisierten Output

Basis I/1942 = 100
Die Tatsache, dass 1943 das Potenzial nach der frühen schnellen Expansion nur noch langsam gesteigert wurde, hängt mit der "Ruhroffensive" der RAF, und der darauf folgenden intensivierten Verlagerung (nach Osten, bzw. Untertage) der deutschen Industrie zusammen. Es sind also hier zwei Faktoren: 1. Verlangsamung des deutschen Potenzialaufbaues und 2. Fehlmengen Output/Potenzial.

I/1944: Output 248 Potenzial 281
II/1944: Output 287 Potenzial 307
III/1944: Output 308 Potenzial 345
IV/1944: Output 270 Potenzial 381

1942/43/Mitte 1944 war die RAF nur nachts zu größeren Angriffen in der Lage. Erst ab Frühjahr 1943 stand in ausreichender Menge mit H2S ein weiterreichendes Zielsystem zur Verfügung, um die Ruhrlinie (bzw. 500km-Linie) überhaupt zu überschreiten.
Sicherlich war Präzision damals schwerlich zu erwarten und die Trefferquoten sind mir bekannt. Allerdings frage ich mich auch, warum trotzdem so oft die Innenstädte getroffen wurden. Man sollte doch erwarten, daß viele Bomben dann außerhalb fielen. Bei Würzburg haben wir zB für die Altstadt etwas weniger als 4qkm. Dennoch traf man die sehr genau.

Speziell zu den Ford-Werken, die im Kontext der Fahrzeugproduktion angegriffen werden sollten, was sich aber erübrigte:
http://www.geschichtsforum.de/f68/l...onen-im-luftkrieg-ab-1944-a-25507/#post393519
Die Frage bleibt dennoch, wäre Ford nicht trotzdem zerstört worden, wenn es nicht in amerikanischem besitz gewesen wäre?
 
Sicherlich war Präzision damals schwerlich zu erwarten und die Trefferquoten sind mir bekannt. Allerdings frage ich mich auch, warum trotzdem so oft die Innenstädte getroffen wurden. Man sollte doch erwarten, daß viele Bomben dann außerhalb fielen. Bei Würzburg haben wir zB für die Altstadt etwas weniger als 4qkm. Dennoch traf man die sehr genau.

Die Innenstädte wurde getroffen, weil sie anvisiert wurden. Bei dem Angriff zB auf Kassel (Dettmer, Kassel im Bombenkrieg, Oktober 1943) waren für die nur mäßige bzw. schlechte Zielerfassung des frühen H2S die Kombination von Fulda-Verlauf und den Türmen der Martinskirche ausschlaggebend. Hier scheiterte der erste Großangriff 14 Tage zuvor total, bei dem zweiten wurde das Ziel Kassel erfasst.

1945 sind wieder andere Verhältnisse als 1943/44, und Weiterentwicklungen in der Präzision gegeben (eigentlich ab Sommer 1944, H2S III, IV).

Die Frage bleibt dennoch, wäre Ford nicht trotzdem zerstört worden, wenn es nicht in amerikanischem besitz gewesen wäre?
Es stand auf der Liste, folglich wäre es wie General Motors/Opel oder beliebiger anderer amerikanischer Besitz im Reichsgebiet bombardiert worden. Mir sind aber die anderweitigen Mutmaßungen bekannt. So etwas Unbelegtes ist natürlich - wie jede Verschwörungstheorie - nicht zu widerlegen. Positiv kann man festhalten, dass das Werk im Rahmen der erfolgenden Serienangriffe auf LKW-Produktion mit einer nach der Faktenlage zutreffenden Begründung ausgespart geblieben ist.
 
Die rüstungswirtschaftliche Seite bzw. die kriegswirtschaftlichen Folgen des Bombenkrieges sind schon verschiedentlich angesprochen worden. Bekannt ist ua. eine Einschätzung von Speer, dass ca. 30% der Rüstungskapazitäten durch den Luftkrieg gebunden waren (das ist weit gefasst, und darunter fallen nur als Teilbereiche Flugzeug- und Flakproduktion, bis hin zu Schadensbeseitigung, Werkzeugmaschinenproduktion etc.).

Es gibt nun eine neuere Publikation, die sich (nur!) mit den Rüstungsverlagerungen und den dadurch gebundenen Kapazitäten beschäftigt:

Clemence: German Underground Factories of the Second World War: an essential folly?, 2008.

Auch die Studie ist wieder unvollständig, weil die rüstungswirtschaftlichen Konsequenzen der sonstigen Verlagerungen (Diversifikationen, Ostverlagerung - zB Krupp nach den ersten "Ruhrschlachten", Neustandorte) nicht einbezogen worden sind. Sie macht aber die erhebliche Bindungswirkung durch den Luftkrieg erneut deutlich. Weitgehend uninteressant sind dabei finanzielle Messung, interessanter sind die Ressourcenbindungen.

Einige Hinweise daraus:

1. Der Flak-Reichsverteidigungsprogramm 1942/45 (Geschütze und Munition) hatte allein einen "Aluminium-Gegenwert" von 40.000 Jagdflugzeugen.

2. Das Raketenprogramm V2 hatte eine rüstungsindustrielle "Äquivalenz" (Rohstoffe, Energie, Bau- und Werkzeugkapazitäten, Arbeitskraft) von 24.000 Jagdflugzeugen.

3. Die energiewirtschaftlichen Konsequenzen der U-Verlagerung werden an den dazu getätigten Ausbauten gemessen. Hinzu kamen Werkzeugausstattungen und im großen Umfang Ausfallzeiten für die Verlagerungen, die sich selbst bei fertigen Aufnahmestandorten kaum unter 1-2 Monaten begrenzen ließen. Dies verursachte erhebliche "Stockungen"

4. Ein Beispiel aus dem Flakprogramm und die Ressourcen- und Kapazitätsbindungen (bis hin zu Energieverbrauch, der hinter den "Massen" steckte): Der Zoo-Flakturm in Berlin allein nahm folgende "Massen" in Anspruch: 120.000 to. Sand, 78.000 to. zerkleinertem Gestein, 35.000 to. Zement, 9.500 to. Stahl, 15.000 m³ Holz, 3200 Arbeitskräfte während der Bauzeit).

Die Liste der Beispiele ließe sich beliebig fortsetzen.
 
Das Binden von Ressourcen war auch im Ersten Weltkrieg der Haupteffekt des Bombenkrieges. Laut Wiki banden 15000 Mann der Luftschiffer mit ihrem durchschnittlichen Bestand von 25 Zeppelinen die Kräfte der Entente im Verhältnis 1:33
Wenn man den Kalten Krieg als verhinderten (Atombomben)Krieg betrachten möchte, dann siegte der Westen, weil er das Zehren an den Ressourcen wirtschaftlich locker wegstecken konnte. Der Osten dagegen ging u.a. auch an der überhitzten Rüstung in die Knie.
 
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