Marschall Blücher: Genialer Feldherr oder seniler Sturkopf?

balticbirdy

Ehemaliges Mitglied
Blücher gilt als die wohl "schillernste Figur" der Befreiungskriege. Von Friedrich dem Großen aus dem Truppendienst bereits als Rittmeister entlassen ("Er mag sich zum Teufel scheren..."), wurde er im Feldzug 1813-1815 zur Legende, mit über 70 Jahren.
Seine derbe, undiplomatische Art und die militärischen Vorlieben "Immer feste druff..." machten ihn im Volk und unter seinen Soldaten populär wie keinen anderen. Er setzte sich auf seine alten Tage lieber an die Spitze von Kavallerieattacken, die Planung und Logistik überließ er seinem Stabschef Gneisenau. Zudem zockte er leidenschaftlich gern Karten, soff und rauchte beträchtliche Mengen, hasste die diplomatischen Spiele bei Hofe zutiefst und war, wie man heute so schön sagt, bildungsfern. Unter anderen Umständen hätte er vermutlich lediglich einen passablen Unteroffizier abgegeben, aber seine Armee liebte ihn und folgte ihm blind. Er war halt einer von ihnen. Im Gegensatz zum Aristokraten Wellington, der seine eigenen Soldaten als "Gesocks" bezeichnete, verhielt er sich geradezu väterlich, wenn es um "seine Kinder" ging.

Hier eine Kostprobe aus einem Brief an seine Frau (5.12.1813):

...Meine armeh wird nun wieder uf 100 000 man versterkt und unter mich wird der HErzog von Coburg und der kuhrprinz von Hessen Comandiren, mit die Fürsten werde ich meine noth haben...
http://www.zvab.com/displayBookDetails.do?itemId=1465313&b=1

Ohne seine "militärische Sturheit" wären die Alliierten 1814 nicht auf Paris marschiert (Die Hofschranzen verhandelten hinter seinem Rücken schon mit Napoleon.) noch wäre Waterloo wie bekannt ausgegangen.

Jedenfalls werde ich bei aller Glorifizierung den Eindruck nicht los, dass er mehr ein altersstarrsinniger Haudegen mit Schlachtenglück als ein großer Feldherr war. Ein genialer Motivator ja, mehr aber auch nicht. Mich interessieren mal eure Meinungen zu diesem Standpunkt.
 
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Jedenfalls werde ich bei aller Glorifizierung den Eindruck nicht los, dass er mehr ein altersstarrsinniger Haudegen mit Schlachtenglück als ein großer Feldherr war. Ein genialer Motivator ja, mehr aber auch nicht. Mich interessieren mal eure Meinungen zu diesem Standpunkt.


Als man ihn an irgendeiner Uni zum Dr. eh machte, soll er gesagt haben, dann müsst ihr den Gneisenau zum Apotheker machen, denn die Pillen die ich dem Napoleon eingegeben habe, hat er gedreht.

Napoleon soll ihn als "der besoffene Husar" bezeichnet haben.

Behauptet wird ja, dass er den Bonaparte hätte füsilieren lassen, so er ihn 1815 erwischt hätte.
 
Ohne seine "militärische Sturheit" wären die Alliierten 1814 nicht auf Paris marschiert (Die Hofschranzen verhandelten hinter seinem Rücken schon mit Napoleon.) noch wäre Waterloo wie bekannt ausgegangen.

Da ist schon was dran, an deinem kompletten Posting; nur bei Waterloo wuerde ich widersprechen wollen:
Dass der Rueckzug nach Ligny nicht Richtung (bzw. ueber den) Rhein erfolgte, ist nicht Bluecher's Entscheidung gewesen - der lag verwundet irgendwo auf dem Schlachtfeld und entging nur knapp seiner Gefangennahme.
Wellington darf sich insofern bei Gneisenau bedanken.

Gruss, muheijo
 
@muheijo: Dass der Rueckzug nach Ligny nicht Richtung (bzw. ueber den) Rhein erfolgte, ist nicht Bluecher's Entscheidung gewesen - der lag verwundet irgendwo auf dem Schlachtfeld und entging nur knapp seiner Gefangennahme.
Wellington darf sich insofern bei Gneisenau bedanken.

Das ist vollkommen richtig. Allerdings war der "Alte" 2 Tage später wieder fit und billigte Gneisenaus Befehle, die ganz in seinem Sinne erfolgt waren. Ich bezweifle stark, dass Gneisenau so entschieden hätte, wäre sein Oberbefehlshaber ein anderer gewesen.
 
Blücher zum jungen Kronprinzen Friedrich Wilhelm auf dem Schlachtfeld von Brienne, 2.2.1814:
Hier sehen Sie, mein gnädigster Herr, die Folgen des Krieges. Wird indes der Krieg so gerecht geführt, als der unsrige, so heiligt der Zweck die Mittel; wird er aber aus Habsucht, Herrschsucht und anderen Motiven geführt, dann wird jeder Tropfen Blut der Gefallenen, spät oder früh, zum siedenden Öl auf dem Gewissen des Regenten.

Blücher an seine Frau vor Paris 3.7.1815 (also NACH Waterloo):
...aber ich habe gestern und heutte wider gegen 3000 man verlohren ich hoffe zu gott es sollen die letzten in diesem krige sein, ich habe daß morden zum überdruß sahtt.

Quelle siehe Posting 1. Bei aller Courage, er war sich seiner Verantwortung als Truppenführer für das Leben der Soldaten bewusst. Kann man von Friedrich dem Großen oder seinem Gegenspieler Napoleon nicht immer behaupten...
 
Noch eins aus gleicher Quelle hinterher, was Blücher von Titeln hielt (Er selbst hatte den Rang "Fürst von Wahlstatt" erhalten).

Blücher an Staatskanzler Hardenberg über sein Fernbleiben beim Wiener Kongress, 22.9.1814:
Ich muß mich in Ew. Excellenz Gedegtniß zu rück Rufen, da ich nicht nach Wien kommen kann,... versprochen ist vill und wider meinen willen habe ich Fürst werden müssen, wen ich aber daß hehr der hungrigen Fürsten complettiren soll, so nehme ich in alle öffentlige Blätter von dieser würde abschied.
 
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Ich hatte mal eine Biographie zu Blücher gelesen. Er war wiederholt ein richtiger Haudegen und schon im 7-jährigen Krieg war er ja als Husar unterwegs. Ich weiß indes nicht, wie oft es vorkommt, dass ein Feldherr überhaupt so eindeutig die Leistungen seines Stabschefs und dessen Anteil am Sieg einräumt. Ansonsten muss man zu einem Feldherren wie Blücher nunmal sagen, er übernahm die Verantwortung für seine Kriegsführung. Seine Schlachten an der Katzbach, bei Wartenburg, Möckern usw. hatten einen großen Anteil an dem insgesamten Erfolg der Verbündeten.

Die Rechtschreibung vom "alten Blücher" fand ich schon früher zum Schießen, erinnert mich ein bisschen an Quellen aus der Zeit um 1700, jedenfalls eher als an das, was so zu Blüchers Zeiten normalerweise geschrieben wurde.

Seine Beliebtheit bei seinen Soldaten sah er mit einem Lächeln. Hochmütig wurde er dadurch nicht und auch nicht, als er in England mit Jubel empfangen wurde.
 
Allerdings war der "Alte" 2 Tage später wieder fit und billigte Gneisenaus Befehle, die ganz in seinem Sinne erfolgt waren. Ich bezweifle stark, dass Gneisenau so entschieden hätte, wäre sein Oberbefehlshaber ein anderer gewesen.

Die beiden haben sich schon sehr gut ergænzt und hætten gemeinsam sicher ebenfalls so entschieden.
Zum Zeitpunkt der Rueckzugbefehls musste Gneisenau aber das Schlimmste bezuegl. seines Oberbefehlshabers annehmen, ob dieser nun Bluecher hiess oder anders.
Es war jedenfalls eine mutige und gleichzeitig geniale Entscheidung.

Gruss, muheijo
 
Interessant ist auch, wie er einer Meuterei sächsischer Truppen im Mai 1815 begegnete.
Beim Wiener Kongress waren Teile Sachsens Preußen zugeschlagen worden und das betraf auch die in Belgien stehenden Kontingente der sächsischen Armee. Es gab einen allgemeinen Aufruhr und Blücher, der am liebsten selbst mit dem Säbel dazwischen hauen wollte, wäre vielleicht gelyncht worden, hätten ihn nicht seine Ordonanzen durch die Hintertür seines Quartiers komplimentiert.
Anderntags verlangte er bei Androhung der Dezimierung die Auslieferung der Rädelsführer und ließ die Truppenfahne der beteiligten Einheiten verbrennen.

An seine Frau, undatiert:
...die nachricht wird nach Berlin kommen, daß die Saxen mich haben ermorden wollen, aber kehre dich an nichts, du weißt wohll daß ich den kobff so ballde nicht verlihre, es tuht mir nuhr leid, daß ich morgen 4 menschen als Rebellen tod schissen lasse, die Saxen müssen aber meinen nahmen mit Ehrfurcht zu nennen lernen...
Dem König von Sachsen, der heimlich gegen die Verbündeten intrigierte, bekam zudem einen sehr direkten, gepfefferten Brief:
Wird meine Stimme nicht gehört...und sollte ich genötigt sein, die ganze sächsische Armee niederschießen zu lassen.
Wie man an der Orthographie sieht, ist der nicht eigenhändig geschrieben worden...:rofl:
 
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War Blücher nicht der Initiator (und natürlich Mitattakierer) der Kavallerie-Attacke bei der Scharnhorst verwundet (letztlich tödlich) wurde?

"Scharnhorst, Sie sind doch mit dabei?"


Blücher war, auch Angesichts seines Alters!, ein Mords-Kerl, und aus denen macht man Helden.


OT: Den Todesritt bei Mars la Tour hat doch ein General v. Alven befohlen, als ein Untergebener auf die zu erwartenden großen Verlust hinwies, hat ihn Alven angeschnauzt, "die haben Sie nicht zu verantworten"
von der militärischen Notwendigkeit verstehe ich natürlich nichts, aber sowas wäre bei Blücher nicht passiert.
 
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... aber seine Armee liebte ihn und folgte ihm blind.
Und das ist schon eine ganz wesentliche Qualität für einen Feldherrn.
Diese Art Gefolgschaftstreue erhält man nicht, wenn man nur mit dem Leuten säuft und starke Sprüche macht.
Die Soldaten (und vor allem die meinungsmachenden Unteroffiziere) respektieren die Professionalität und das Können eines Feldherrn - denn davon hängen weitgehend ihre Überlebenschancen ab.

Im Gegensatz zum Aristokraten Wellington, der seine eigenen Soldaten als "Gesocks" bezeichnete, verhielt er sich geradezu väterlich, wenn es um "seine Kinder" ging.
Mit diesem Gegensatz wäre ich vorsichtig.
Wellingtons berühmtes Zitat mit dem "Scum of the earth" traf ja zu. Die englische Armee rekrutierte sich zum großen Teil aus dem Bodensatz der Gesellschaft mit einem hohen Anteil an Kriminellen.
Wobei die preußischen Truppen da auch nur teilweise besser waren - und es würde mich nicht überraschen, wenn ein Blücher das nicht nur realistisch erkannt, sondern seinen Leuten auch offen gesagt hätte.

Und man darf auch nicht vergessen, daß Wellingtons Zitat so weitergeht: "and it really is wonderful that we should have made them the fine fellows they are."
Er hat sich nämlich - wenn auch in der Form sehr anders als Blücher - ebenfalls überdurchschnittlich um seine Soldaten gekümmert, um ihre Versorgung und auch um die Vermeidung unnötiger Verluste. Und er war bei ihnen ähnlich populär wie Blücher bei den seinen.
 
von der militärischen Notwendigkeit verstehe ich natürlich nichts, aber sowas wäre bei Blücher nicht passiert.
Ist alles nicht mehr meine Epoche - aber wenn ich der Wikipedia-Darstellung glauben kann, dann war dieser Angriff zwar verlustreich, aber taktisch ein großer Erfolg und mitentscheidend für den deutschen Sieg.
Und so etwas hätte m. E. auch Blücher gemacht
 
Übrigens ist interessant, wie stark Blücher einem anderen berühmten deutschen Heerführer ähnelt:
Georg von Frundsberg ? Wikipedia

Ich bin mir nicht sicher, ob es analoge Beispiele aus anderen Ländern gibt oder ob das eine deutsche Spezialität ist.
 
@R.A.: Wobei die preußischen Truppen da auch nur teilweise besser waren - und es würde mich nicht überraschen, wenn ein Blücher das nicht nur realistisch erkannt, sondern seinen Leuten auch offen gesagt hätte.
Preußen hatten 1813 - 15 eine Mobilisierungsquote von über 6% der Landesbevölkerung. Ein Großteil, wenn nicht sogar die Mehrheit waren (oft kleinbürgerliche oder akademische) Kriegsfreiwillige, Landwehr und ehemalige "Krümper".
Landwehr (Militär) ? Wikipedia
Krümpersystem ? Wikipedia
Das kann man nicht mit Wellingtons Berufsarmee, die kein ziviles Leben kannte, vergleichen.

EDIT: Das Internet hat (fast) alles. Sogar Blüchers gesammelte Briefe, Aufrufe und sonstigen Dokumente.
http://ia311225.us.archive.org/3/items/blcherinbriefe00bluoft/blcherinbriefe00bluoft.pdf
(Laden dauert etwas, lohnt aber)
 
Zuletzt bearbeitet:
Preußen hatten 1813 - 15 eine Mobilisierungsquote von über 6% der Landesbevölkerung.
Das ist aber m. E. nur eine Quote, die aus Bevölkerungszahl und Heeresstärke errechnet wird.
Sie sagt nicht, daß diese Soldaten wirklich alle aus der eigenen Landesbevölkerung rekrutiert waren.

Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wie hoch der Anteil von Freiwilligen etc. wirklich war - wahrscheinlich niedriger als der Befreiungskriege-Mythos suggeriert.

Aber es gab wohl immer noch - wie zu Zeiten des alten Fritz - einen Anteil von "ausländischen" Söldnern, d.h. Angeworbenen meist aus anderen Gebieten Deutschlands.
Und die dürften in ihrer sozialen Zusammensetzung nicht viel anders gewesen sein wie in der englischen Armee.

Das Internet hat (fast) alles. Sogar Blüchers gesammelte Briefe, Aufrufe und sonstigen Dokumente.
Sehr schön!
Da muß ich mal schmökern ...
http://ia311225.us.archive.org/3/items/blcherinbriefe00bluoft/blcherinbriefe00bluoft.pdf
 
Ist alles nicht mehr meine Epoche - aber wenn ich der Wikipedia-Darstellung glauben kann, dann war dieser Angriff zwar verlustreich, aber taktisch ein großer Erfolg und mitentscheidend für den deutschen Sieg.
Und so etwas hätte m. E. auch Blücher gemacht


Weiß ich jetzt gar nicht.
ABER: Blücher hätte sich aufs Ross gesetzt und wäre mit geritten. Und hätte weniger von Verantwortlichkeiten gesprochen.
 
@R.A.: Aber es gab wohl immer noch - wie zu Zeiten des alten Fritz - einen Anteil von "ausländischen" Söldnern, d.h. Angeworbenen meist aus anderen Gebieten Deutschlands.
Zumindest bei den Mannschaftsdienstgraden gab es bei den preußischen Regimentern fast nur Landeskinder. Für "Ausländer" war nach 1806 kein Platz mehr, die Armee vertraglich auf 42000 Mann reduziert. Das zu umgehen war ja gerade der Sinn des oben verlinkten Krümpersystems. 1813 hatte Blücher allerdings viele russische Einheiten samt Kosaken in seiner Schlesischen Armee. Seinen Spitznamen "Marschall Pascholl" bekam er von ihnen.
 
Aber es gab wohl immer noch - wie zu Zeiten des alten Fritz - einen Anteil von "ausländischen" Söldnern, d.h. Angeworbenen meist aus anderen Gebieten Deutschlands.

Das war, zumindest in den deutschen Heeren, überall so, die württembergische Armee zB hat 1806, als die Preußen Feinde wurden, ein gutes Drittel ihrer Offiziere verloren.

Hat man vielfach erfahrenen Unteroffizieren angeboten Offizier zu werden.
 
Ich möchte noch etwas anfügen, was Blüchers Charakter hinreichend beleuchtet:

Nicht nur dass er Napoleon hätte füsilieren lassen, er mochte auch Paris und die Pariser nicht, für ihn war es ein Sündenbabel, das er am liebsten zerstört hätte.

An seine Frau 9.7.1815:
...die Franzosen sind zum abscheuen nidertregtig, Ludwig der 18te ist nun wider in Pariß, aber ich bin sicher wen wihr weggehen, daß sie ihm in 3 tage wider weg jagen...
Wenigstens die Seinebrücke "Pont du Iena" (wg. Namen!) ließ er zur Sprengung vorbereiten, allen Einwänden zum Trotz. "Die Brücke wird gesprengt, und ich wünsche, Herr Talleyrand (Anm.: frz. Chefdiplomat und Minister) setzte sich vorher darauf..."

Die Sprengung missglückte kläglich zum Gaudium der Pariser und steht noch heute...
 
@R.A.: Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wie hoch der Anteil von Freiwilligen etc. wirklich war - wahrscheinlich niedriger als der Befreiungskriege-Mythos suggeriert.

Quelle: siehe Post 1 (p. 129)
Gymnasium zum Grauen Kloster Berlin
Zum Heer gingen im Februar 1813:
Von 45 Primanern 39.
Von 55 Sekundanern 32.
Von 54 Großtertianern 18.
Von 57 Kleintertianern 13.
Aus übrigen Klassen: 11
Bis Ostern folgten nach: 21
= 134
Davon kehrten 17 zurück in die Klassen, 10 waren gefallen, 2 vermisst.
Der Rest ging danach zur Uni oder blieb beim Militär.
1815 gingen wieder 64 Schüler zum Heer.
 
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