Matronea in frühchristlichen Kirchen

Mashenka

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Habe zwei Fragen zur Bezeichnung »Matroneum« bei frühchristlichen Kirchen.

Das Wort bezeichnet heute (mindestens) zwei unterschiedliche Orte in frühchristlichen Kirchen, bzw. Basiliken.

• einen Bereich direkt am Sanctuarium für privilegierte Frauen auf einer der Seiten (rechts oder auch links), zusammen mit dem Senatorium auf der anderen Seite für die Herren.

• einen mit Arkaden abgetrennten Gang über den Säulen des Mittelschiffes, oder auch eine Empore für Frauen, die spätestens nach der Gotik ihre Funktion zur Wahrung der »Kirchenzucht« verloren hatte.


Beschränkt man das Wort auf den erhöhten Arkadengang, ist es synonym zu »Gynaikonitis«

Dazu Wiki:
Gynaikonitis bezeichnet auch in den Kirchen des byzantinischen Ritus die den Frauen vorbehaltenen Galerien zu beiden Seiten des Mittelschiffes, wie sie beispielsweise in der Hagia Sophia vorhanden sind. Die Verbindung der zuvor neutraler als Hyperoa („Obergeschosse“) bezeichneten Galerien mit Geschlechtertrennung ist ab dem 6. Jahrhundert belegt.



Frage 1: Wurde das Wort »Matroneum« für erhöhte Galerien und Emporen (d.h. also nicht für den Sitzbereich am Sanctuarium) bereits im Mittelalter verwendet? Oder könnte die Bezeichnung eine Folge der ›Entbyzantinisierung‹ frühmittelalterlicher Architektur in Italien durch die Renaissance sein, d.h. eine Folge klassizistisches Wunschdenkens?

Frage 2: Wie muss man sich den zugewiesenen Aufenthaltsort für Frauen in frühchristlichen Basiliken mit einer solchen Galerie vorstellen? Saßen die adligen Damen unten, während der Rest der Frauen zusammengedrängt oben auf der Galerie stand? Eine solche Doppelmoral kann ich mir kaum vorstellen, zumal es um die Sittlichkeit ging.
 
Gut, ich glaube, die Antwort auf meine zweite Frage gefunden zu haben in: Ernst Zacharias Plattner u.a., Beschreibung der Stadt Rom, Cotta, Stuttgart/Thüringen, 1830, S.432f

Zunächst dem Sanctuarium war zu beiden Seiten ein mit Schranken von Marmorplatten[?] gesonderter Ort. Der auf der Männerseite führte den Namen Senatorium, weil hier, zu besonderer Auszeichnung, die Senatoren und vielleicht überhaupt die Adeligen sich befanden. Der auf der Frauenseite wurde Matroneum genannt, und war der Patz für die Frauen der Senatoren und anderer vornehmen Männer. Auch hatten in dem Senatorium die Mönche, und in dem Matroneum die Nonnen ihren Aufenthalt: nämlich nicht diejenigen, die in Klöstern lebten, sondern die zwar ihr Leben einzig dem Dienste Gottes geweiht und das Gelübde der Keuschheit abgelegt hatten, übrigens aber in Privathäusern wohnten.
Nicht in allen Kirchen waren Männer und Frauen auf die so eben beschriebene Weise abgesondert. Denn in einigen waren die Frauen auf Emporkirchen, und diese Einrichtung fand ohne Zweifel in den Basiliken statt, die wie die Kirche S. Agnese gebaut waren.


Entweder gab es also das untere Matroneum beim Chor, oder oben als Arkadengang, aber nicht beides. Unlogisch dabei, dass unten nicht die ganze Frauenseite Matroneum hieß, sondern nur der Teil für die privilegierten Frauen, während man bei der Arkaden-Version das Ganze so nennt.

Meine erste Frage nach der Entstehung des Wortes bleibt dennoch unbeantwortet…
 
Zuletzt bearbeitet:
Entweder gab es also das untere Matroneum beim Chor, oder oben als Arkadengang, aber nicht beides. Unlogisch dabei, dass unten nicht die ganze Frauenseite Matroneum hieß, sondern nur der Teil für die privilegierten Frauen, während man bei der Arkaden-Version das Ganze so nennt.
Stimmt nicht ganz :grübel:: Die ganze Arkadenreihe wird meist nur bei späteren Bauten »Matroneum« genannt, nicht aber bei frühchristlichen Kirchen (mit paar Ausnahmen in der Literatur des 19. Jhs.). So wird zum Beispiel bei der Basilika Sant’Agnese fuori le mura in Rom die Arkadenreihe »Galerie« genannt und nur die Galerie über dem Narthex (durch Säulen abgetrennter Eingangsbereich) als »Matroneum« bezeichnet. Heißt wohl, dass das Matroneum auch hier den privilegierten Damen vorbehalten war, und die seitliche Galerien dem Rest der Frauen.
 
Hier noch einige Erkenntnisse zur Bezeichnung »Matroneum«, um dieses Thema abzurunden.:)

Soweit ich herausgefunden habe, nennt erst der Archäologe Alfonso Chacón im 16. Jh. den unteren Bereich am Chor für verheiratete Frauen »matroneum«. Vitruv seinerseits nennt einen Frauenbereich in De Architettura »Gynaeconitis«: »Haec pars aedificii gynaeconitis appellatur.«

Dass die Abtrennung der Geschlechter in den Kirchen auch nach Familienstand erfolgt war, zeigt auch ein Artikel aus The Ecclesiologist, vol 5, eine Publikation des Ecclesiological Society in Cambridge aus 1846, mit dem Titel »The Separation of the Sexes in Publick Worship«:
In the early Latin churches this place was called matroneum, as Ciacconius testifies. In the Roman Ordo [Ritus], it is called the pars mulierum. […] For the virgins also had a distinct station from the married women, as Origen shows[*]. Which were undoubtedly either the aisles, on either hand, or the galleries over them, or both, […]
*: in lateinischen Übersetzung. Info zu Origen bei Christian Classics Ethereal Library

Somit sind meine beiden Fragen beantwortet:

1. Die Bezeichnung »Matroneum« wurde wahrscheinlich erst im 16. Jh. eingeführt und später auch für die Galerien verwendet; d.h. also Neulatein, evtl. als Auswirkung des Tridentinums (?).

2. Die den Frauen zugewiesenen Bereiche konnten entweder in den Emporen, oder auch unten, auf einer der Seiten liegen. Das Matroneum aber war in frühchristlichen Kirchen in jedem Fall nur für verheiratete Frauen zugänglich, bezeichnet also nicht den einzigen, für Frauen zugänglichen Ort in einer Kirche.
 
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