Merenptah und die Bibel

Wie dem auch sei: Wie will man eine Tradierung nachweisen können, ohne alte Textquellen dazu?

Ich erlaube mir hierauf mit einer Gegenfrage zu antworten: Warum sollten die Verfasser des Exodus und Levitikus den Narrativ der Wanderung ihres Volkes wählen, wenn sie ihn für ahistorisch gehalten hätten?
 
In der Zeit des 14. bis 13. Jahrhunderts v. d. Z. gab eine Klimakatastrophe und zeitweise sehr geringe Niederschläge, der Wasserspiegel des Toten Meeres ist in dieser Zeit so extrem gesunken wie noch nie, usw. weswegen wohl viele Menschen Kanaan verlassen hatten.

Es sind damals viele Leute nach Ägypten abgewandert, was sich anhand semitischer Personennamen in ägyptischen Texten nachweisen lässt. Die Stadt Ramses, ist in genau dieser Zeit von Ramses II. aufgebaut worden. Da waren sicher auch Arbeitskräfte – Gastarbeiter – aus Palästina bzw. dem späteren Israel dabei, wobei man heute weiß, dass die Ägypter ihre Bauwerke nicht etwa von Sklavenmassen errichten ließen, sondern von bezahlten Arbeitskräften.

Um 1200 herum haben wir dann die Merenptah-Stele, zu dieser Zeit gab es Stadtstaaten und auch das Volk Israel wurde im Gebiet Kanaan lokalisiert. Innerhalb weiterer 200 Jahren wurde dann ein Flächenstaat gebildet. Von 1400 - 1200 v. d. Z. herum gab es wohl Ein- und Auswanderungswellen, die man aber keinesfalls als geordneten Auszug bezeichnen kann.
 
naja sicherlich sind mal ein paar Hebräer aus Ägypten ausgewandert .. aber reicht das?
Wieviel muss deiner Meinung nach aus dem Exodus "Bericht" im AT stimmen, um von einem wahren "Kern" zu sprechen?
Ggf. hat man ganz schnell viele Sachen zusammen, die man ausserbiblisch nachweisen können müsste. z.B. wenn 1 Million (oder so) Hebräer 40 Jahre in der Wüste leben und auch ernährt werden müssen usw.

Auch dachte ich, dass man mittlerweise davon ausgeht, dass der Exodus nicht stattgefunden hat und sich die Israeliten/Hebräer aus den Kanaaniten gebildet haben - von Innern heraus sozusagen.

Die Eroberung des Landes Kanaan und seiner kanaanitischen Stadtstaaten erfolgte von außen, also durch eine Invasion. Als Träger dieser Invasion kommen nur die seit etwa 1000 v. Chr. in Palästina/Kanaan fassbaren Hebräer infrage, deren Vordringen durch archäologisch erschlossene Brandschichten und Zerstörungen kanaanitischer Stadtstaaten bezeugt ist. Die Besetzung des eigentlichen Palästina vollzieht sich als langsamer Prozess der Besiedlung des judäischen und zentralen Berglandes durch hebräische Hirtennomaden.

Woher diese hebräischen Hirtennomaden kamen, bleibt ungwiss. Ein Exodus aus Ägypten ist archäologisch oder durch Schriftquellen - abgesehen von der Bibel - nicht nachweisbar, kann aber auch nicht ausgeschlossen werden. Das biblisch bezeugte Zwölfstämmesystem ist ein späteres Konstrukt und erst bei den Erzählungen über die frühe Königszeit befindet man sich auf etwas sichererem Quellenboden.

Zu den alteingesessenen kanaanitischen Ethnien zählen die Amoriter, Phönizier und Hurriter, die bereits zu Beginn des 2. Jahrtausends in Palästina fassbar sind. Ab der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. kam es mit den Moabitern, Edomitern und später den Philistern zu einer weiteren Migration (Nachweise u.a. in den Tontafelarchiven des Palastes von Ebla in Syrien, Tontafeln von Ugarit usw.). Die Hebräer repräsentieren in diesem Zusammenhang die jüngste Ethnie, die als Hirtennomaden einwanderten und die altkanaanitischen Stadtstaaten meist wohl unterwanderten, zuweilen auch zerstörten.

Ob man also an einen Exodus der Israeliten aus Ägypten glaubt, ist eine Ermessensfrage. Es gibt Forscher die dafür und viele die dagegen votieren.
 
Die Eroberung des Landes Kanaan und seiner kanaanitischen Stadtstaaten erfolgte von außen, also durch eine Invasion. Als Träger dieser Invasion kommen nur die seit etwa 1000 v. Chr. in Palästina/Kanaan fassbaren Hebräer infrage, deren Vordringen durch archäologisch erschlossene Brandschichten und Zerstörungen kanaanitischer Stadtstaaten bezeugt ist.

Wo denn zum Beispiel?
 
Wo denn zum Beispiel?

Man kann davon ausgehen, dass die ersten Vorstöße der Hebräer ins Land Kanaan friedlich erfolgten, denn die aus der Wüste kommenden Hirtennomaden hatten keine Waffen, mit denen sie den Truppen der kanaanitischen Städte entgegentreten konnten. Mittel zur Brechung der Stadtmauern fehlten völlig.

Erst im weiteren Verlauf der Landnahme, als die ersten Siedlungen der Hebräer entstanden waren, kam es zur Eroberung von Städten der Kanaaniter.

Die zweite Phase der Landnahme begann. Die Hebräer wurden mutiger und selbstbewusster, als es nun hin und wieder gelang, eine feste Stadt einzunehmen und deren Bevölkerung niederzumachen oder zu vertreiben.

(Manfred Clauss, Das Alte Israel, München 1999, S. 16)

Die Landnahme der Hebräer war demnach ein langer Prozess, an dessen Ende sich alle altkanananitischen Stadtstaaten in der Hand der Hebräer befanden. Dazu gibt es vermutlich drei Optionen: Eroberung, Unterwanderung oder freiwillige Übergabe.
 
Das klingt aber völlig anders als "deren Vordringen durch archäologisch erschlossene Brandschichten und Zerstörungen kanaanitischer Stadtstaaten bezeugt ist.".

Denn dafür wäre mir kein einziges Beispiel bekannt.
 
Nun ja. Bei den Franken zumindest wird das so gesehen.
Aber vielleicht hat auch diese Herkunftslegende doch einen historischen Kern.

Das ist nicht zu vergleichen. Denn die fränkische Wanderungslegende ist eine gelehrte Doublette eines bekannten römischen Stoffes, hauptsächlich Vergil. Hier handelt es sich nicht etwa um ein Mythem.
 
Ich erlaube mir hierauf mit einer Gegenfrage zu antworten: Warum sollten die Verfasser des Exodus und Levitikus den Narrativ der Wanderung ihres Volkes wählen, wenn sie ihn für ahistorisch gehalten hätten?
Um Identität zu stiften, d.h. um sich von den anderen Kanaaniten abzugrenzen. Um ggf. für kriegerische Handlungen eine göttliche Legitimation zu haben usw.
 
Ich erlaube mir hierauf mit einer Gegenfrage zu antworten: Warum sollten die Verfasser des Exodus und Levitikus den Narrativ der Wanderung ihres Volkes wählen, wenn sie ihn für ahistorisch gehalten hätten?

Dass sich Wanderhirten im Ägypten aufhielten, war in der Zeit vom 15. bis zum 12. Jh. v. Chr. keine Seltenheit. Verschlechterten sich die Lebensbedingungen in der Steppe oder der Wüste, zogen solche Gruppen in das Land am Nil, wo das Nildelta reiche Nahrungsquellen bot. Solche Züge liefen durchaus geordnet ab, d.h. die ägyptischen Grenzposten registrierten die Ankömmlinge und wiesen ihnen einen Aufenthaltsort zu. Als Gegenleistung zogen die Ägypter solche Nomaden zu Dienstleistungen heran, wozu besonders Bauvorhaben zählten.

Zu solchen Nomaden haben vermutlich die Gruppen gehört, die in die spätere Überlieferung der Hebräer den Aufenthalt in Ägypten einbrachten. Die Flucht einiger Hebräer aus Ägypten wurde zum Angelpunkt späterer Erzähltradition, weil sie entgegen der Macht des Pharao gelang. Das Entkommen wurde als ein Wunder dargestellt und in immer reicherer Form ausgeschmückt. Und da auch ein Anführer notwendig war, der göttliche Hilfe erhielt, wurde Moses aufgebaut, dessen Vita immer mehr Lgenden umwucherten.

Der Auszug aus Ägypten stiftete somit eine hebräische Identität, die in Erzählungen verbreitet und im Passahfest als kultisches Ereignis gefeiert wurde. [1]

Das Fehlen jeder direkten außerbiblischen Nachricht über den Auszug aus Ägypten und die Eroberung Palästinas bildet kein durchschlagendes Argument, die biblische Überlieferung abzulehnen, sondern beruht auf der Tatsache, dass diese Vorgänge im internationalen Maßstab zu belanglos waren, als dass sie in den zeitgenössischen Quellen Spuren hinterlassen hätten. Allerdings fand der Exodus nicht so farbenreich statt, wie ihn die Bibel schildert, und er war vermutlich weitaus weniger spektakulär.

Sicher war es nicht ein ganzes Volk, das wanderte und es gibt ohnehin eine Reihe von Historikern, die die Ethnogenese des jüdischen Volks erst in Kanaan/Palästina annehmen und nicht glauben, dass bereits ein "Volk der Hebräer" in Palästina einwanderte. Man kann im übrigen davon ausgehen, dass längst nicht alle nomadischen Hebräer an den Nil migriert waren, sondern ein beträchtlicher anderer Teil in Palästina zurückgeblieben war und die hebräischen Neuankömmlinge bei der Besetzung und Besiedlung Kanaans tatkräftig unterstützte.

[1] Manfred Clauss, Das Alte Israel, München 1999
 
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Der Auszug aus Ägypten stiftete somit eine hebräische Identität, die in Erzählungen verbreitet und im Passahfest als kultisches Ereignis gefeiert wurde. [1]

Ob ein katholischer Theologe allerdings die beste Referenz für die Geschichte Israels darstellt, sei dahingestellt.

Die Ausführungen zum Exodus sind doch eher Spekulatius.
 
Da nur die Bibel als Quelle zur Verfügung steht, sind wir alle auf Spekulationen und Hypothesen angewiesen. Welche dir am wahrscheinlichsten erscheint, bleibt dann dir überlassen.

Es gibt ja nun durchaus archäologische Quellen, und die sprechen zumeist eine andere Sprache. Die Werke von Finkelstein und Silberman sind da sehr interessant.
 
Es gibt ja nun durchaus archäologische Quellen, und die sprechen zumeist eine andere Sprache. .

Was für eine Sprache sprechen die denn?

In ihrem Buch "Keine Posaunen vor Jericho" lehnen Finkelnstein und Silberman überhaupt sowohl den Exodus als auch die Landnahme der Hebräer in Kanaan ab. Eine ziemlich fundamentalistische Auffassung, die natürlich nur eine Stimme im Konzert der Historiker ist.

Dazu gibt es eine schöne Rezension:

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.11.2002

Hans-Peter Schmidt hat grundsätzlich mit großem Interesse die archäologischen Ergebnisse über den historischen Wahrheitsgehalt der Bibel zur Kenntnis genommen. Kenntnisreich fasst der Rezensent einige Resultate der Archäologen zusammen, wie zum Beispiel die Beweisführung, dass die Josephsgeschichte kaum vor dem Jahr 800 v. u. Z. geschrieben worden sein könne, weil erst zwischen 700 und 600 die dort genannten Karavanengüter Harz, Balsam und Myrrhe einen Wert als Ware hatten. Des weiteren werde durch die Autoren überzeugend nachgewiesen, dass Jerichos Mauern durch die Posaunen Joshuas nicht zum Einsturz gebracht werden konnten, weil Jericho zu der Zeit ein kleines Dorf ohne Stadtmauern war, so der Rezensent fasziniert. Diese und weitere Beispiele zählt Schmidt als "plausible Thesen" auf. Überhaupt findet er die Ausführungen, die sich auf tatsächliche Ausgrabungen beziehen, sehr überzeugend und "spannend" zu lesen, dazu noch "sorgsam übersetzt". Was ihn allerdings stört ist die "Selbstsicherheit der exakten Wissenschaft", mit der die Autoren insbesondere die These vorstellen, die Bücher Mosis seien das propagandistische Werk einer einzigen "politischen Clique". Hier vermisst der Rezensent "wissenschaftliche Aufrichtigkeit" und er sieht damit die "unzweifelhaften Qualitäten" der Studie beschädigt.

http://www.perlentaucher.de/buch/israel-finkelstein-neil-a-silberman/keine-posaunen-vor-jericho.html
 
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Dazu gibt es eine schöne Rezension:

Ähmm, das ist die Rezension einer Rezension.
Vielleicht solltest du lieber mal das Buch selber lesen.
Finkelstein und Silbermann stützen sich intensiv auf die Surveys im israelischen Bergland, sowie auf eben das Fehlen jeglicher archäologischer Hinweise auf eine Immigration. Ebenso auf das Fehlen von Zerstörungshorizonten, auch wenn du diese weiter oben noch postuliert hast.
 
Finkelstein und Silbermann stützen sich intensiv auf die Surveys im israelischen Bergland, sowie auf eben das Fehlen jeglicher archäologischer Hinweise auf eine Immigration. Ebenso auf das Fehlen von Zerstörungshorizonten, auch wenn du diese weiter oben noch postuliert hast.

Dann zitier doch mal ein paar aufschlussreiche Stellen aus diesem Buch!

Die völlige Ablehnung des Exodus und der Landnahme ist in der Forschung sicher nicht unwidersprochen geblieben. Leider sind uns solche Stimmen nicht bekannt, doch wäre es sicher verfehlt, nun alle bislang geglaubten Wahrheiten auf den Müllhaufen zu schmeißen und ich bin sicher, dass das auch niemand tut. Wie aus einer weiteren Rezension hervorgeht, sagen Finkelnstein und Silberman, dass ihre Ergebnisse nicht der Weisheit letzter Schluss sind und das ist vermutlich auch korrekt.
 
Gern später mehr, aber schonmal zwei wichtige Punkte:

* Die materielle Kultur der Siedlungen ändert sich über einen längeren Zeitraum praktisch nicht.
* Es gibt keine Zerstörungshorizonte in den städtischen Siedlungen

Beides schließt eine massive Einwanderung nahezu aus.
 
Der interessanteste Punkt in Finkelsteins und Silbermanns Analys des Exodusberichtes ist allerdings, dass sie auf Grund des archäologischen Befundes nachweisen, dass eine Reihe der eroberten Städte zur in Frage kommenden Zeit noch gar nicht existierte, oder aber seit langer Zeit zerstört waren und erst Jahrhunderte später wiederbesiedelt wurden.
Und zwar stimmt die Geographie des Exodus, die dort genannten Orte, und die Berichte der Landnahme sehr gut mit der Geographie Judäas zur Zeit Josias überein. Fast liest es sich wie ein Bericht über Josias Feldzüge.
Nun gehen viele Forscher davon aus, dass das heutige alte Testament im wesentlichen unter Josia verfasst wurde. Darin verarbeitet ist eben auch die politische Botschaft des judäischen Königs, der die Eroberung seinem Fast-Namensvetter zuschreibt und damit seinen Anspruch auf die Oberhoheit über Israel unterstreicht.
Für die tatsächlichen Entwicklungen der Zeit der Landnahme gehen die Autoren davon aus, dass das Gebiet schon seit jeher von einer gemischten Bevölkerung aus Bewohnern der Ebene sowie des Berglandes bestand.
Nach dem die Städte der Ebenen zunächst im Seevölkersturm, und dann noch einmal im Feldzug Pharao Schischaks katastrophale Zerstörungen hinnehmen mussten, blieben nur die Berglandbewohner als Machtfaktor übrig, die aber erst allmählich sich staatlich organisierten und das Nordreich Israel herausbildeten. Juda blieb noch längere Zeit eine rückständiges Gebiet, das erst nach der Eroberung Israels durch die Assyrer größere Bedeutung erlangte, und eben vor allem unter Josia schließlich eigene Großmachtgedanken hegte, die allerdings ebenfalls an Assur bzw Ägypten unter Necho scheiterten.
 
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