Hi Beetlebum,
zuerst einmal zu den Schiffen: Es ist schon möglich, dass sich die Ägypter Anleihen zum Schiffsbau geholt haben. Die Darstellungen ägyptischer Schiffe auf theräischen Wandmalereien zeigen, dass die Schiffe eigens für den Nil gebaut waren und nicht sonderlich seetüchtig gewesen sein dürften. Das mit dem Begriff Keftiu Ägäer gemeint gewesen sein dürften, ist auch klar. Nur, ob diese Keftiu aus Kreta allgemein, oder nur aus einem bestimmten Ort auf Kreta kamen oder ob vielleicht für die Ägypter die Theräer auch als Keftiu bezeichnet wurden, kann man nicht sicher sagen. Selbst wenn aber kretische Schiffsbauer für die Ägypter gearbeitet haben, sagt das nicht aus, dass die Minoer eine Flotte hatten, sondern nur, dass sie Schiffe bauen konnten. Als Beispiel: ich habe letztens einen Bericht über einen deutschen Architekten gesehen, der in Asien erdbebensichere Gebäude entwirft, was aber nicht heißt, dass wir in Deutschland überall erdbebensichere Wolkenkratzer stehen haben - wozu auch
Zum Minos-Begriff:
zuerst einmal müßte man die Hieroglyphen sehen, um irgendetwas ableiten zu können. Vor allem, mit welcher Hieroglyphe dieser Begriff determiniert ist. Dass er aber in Quellen Thutmosis' III., Amenophis' II. und Sethos' I auftaucht und dann etwas mit einer staatlichen Institution zu haben soll, ist unwahrscheinlich, weil sich die Verwaltungsstruktur komplett geändert hat und da Minos in den griechischen Mythen erwähnt wird, müßte der Begriff den Mykenern ebenso geläufig gewesen sein wie den Ägyptern. In der Verwaltungsstruktur der Mykener (sprich in den knossischen Linear-B-Texten) taucht kein Titel/Amt mit dieser Bezeichnung auf. Ein Ort wäre zwar möglich, aber auf keinen Fall Knossos - dafür gibt es andere Bezeichnungen.
Zur Mykener-machten-Minoer-platt-Theorie:
Die Fakten stimmten zwar soweit, doch die Schlußfolgerung ist Interpretationssache.
Mit den gleichen Fakten kann ich das Geschehen auch anders rekonstruieren:
Der Vulkanausbruch auf Thera dürfte weitreichende Folgen für die minoische Kultur gehabt haben. Das ökologische Gleichgewicht auf Kreta war schon immer sehr leicht zu erschüttern. Es gibt wenig Anbaugebiete, ständige Wasserknappheit, während eines der wichtigsten Anbaugebiete - die Hochebene von Lasithi- immer überflutet zu sein drohte. In einem System, welches so abhängig von äußeren Faktoren ist, hatte die herrschende Elite ihre Legitimation dadurch, dass sie als Vermittler zu den Göttern angesehen ward (die Rolle der Paläste als Kultzentren) und die Bevölkerung im Endeffekt versorgt wurde. Der Vulkanausbruch auf Thera hat zwar keine direkten Spuren an Gebäuden etc. auf Kreta hinterlassen (mal abgesehen von Bimsstein-Ablerungen und wenigen Zeichen von Überflutung) aber die Erde wurde mit Sicherheit erschüttert und die Luft dürfte so voller Bimsstein, Schwefel, Staub und anderen Eruptionsprodukten gewesen sein, dass die Kreter sicher eine ganze Menge davon mitbekommen haben. Der erste Glaube war schonmal, dass die Götter wütend sein mußten. Das heißt das Vertrauen der eigenen Herrscher als Vermittler zu den Göttern war schonmal erschüttert.
Kommen wir zu weiteren Folgen. Ein Forscher, der Tsunamis untersucht, hat gesagt, dass diese auch verursacht werden, wenn in der Folge eines Vulkanausbruchs Teile des Landes in das Meer abrutschen. Genau das ist auf Thera passiert. Wie verheerend Flutwellen sein können, haben wir gerade gesehen.
Die Boote waren evtl. zerstört, das Wasser schwefel- und ascheverseucht und in Kreta dürften die meisten Felder auch unter eine Ascheschicht begraben worden sein. Kein Fischfang, Probleme mit der Landwirtschaft und das über längere Zeit. An der Kleinasiatischen Küste hat man Ascheschichten von diesem Vulkanausbruch in der Stratigraphie entdeckt, die mehrere Meter dick waren. Das heißt, die Landwirtschaft dürfte eben erheblich gestört gewesen sein. Nun kommt also hinzu, dass wohl irgendwann in der Folge des Ausbruchs die Nahrungsvorräte zur Neige gingen.
Jetzt stell dir mal das Volk, hungernd und ohne Vertrauen zu den Herrschern vor. Vielleicht meinten sie, die Götter wieder besänftigen zu müssen und haben selbst die Paläste gestürmt. Und dann sieht man die "Mykener" die als Händler kommen (daher könnten fremde Keramikeinflüsse nämlich auch kommen), vielleicht auch als Siedler (erst kleinere Grüppchen und dann mehr und mehr), die wohl besser mit ihren Göttern klar kommen und deren Kultur in der Blüte steht - tut man dann nicht freiwillig davon ausgehen, dass man mit diesen als Herrscher und deren Götter nicht besser fährt...u.s.w.
also ich will jetzt nicht behaupten, dass es so gewesen ist, wie ich schildere (also Stürmung der Paläste durch die eigene Bevölkerung und freiwillige Akzeptierung der Mykener als neue Herrscher) - nur aufzeigen, dass man die gleichen Fakten auch völlig anders deuten kann. Davon mal abgesehen erscheint mir diese Variante, dass der Niedergang eine Folge mehrerer Faktoren war, am plausibelsten.
Gruß Qe