Mitschuld an den Verbrechen der Eroberer

Pilgerfahrten/-züge bzw. Kreuzzüge 1099 !

Ähem; ich erlaube mir einmal die Anmerkung, daß ein Kreuzzug ein Pilgerzug gewesen ist - die Zeitgenossen sprachen im 12. und 13. Jh. zwar davon, "das Kreuz zu nehmen", jedoch nicht vom Kreuzzug, sondern von der "Wallfahrt in Waffen" -, andererseits aber auch den Hinweis, daß es hier eigentlich um ein anderes Thema geht (so wichtig es freilich war, auch zu den Orientkreuzzügen einige Dinge geradezurücken*).

* Wiewohl ich mir nicht sicher bin, ob bzw. inwiefern dies hier wirklich fruchtet...

Hey timotheus,

kein Widerspruch zu Deinen Ausführungen, danke; ich ergänze nur:

[FONT=Arial, sans-serif]Pilgerfahrten zum Zentrum der Christenheit - der Kreuzkirche mit dem Grab Christi in Jerusalem - gab es bereits seit dem 4. Jahrhundert![/FONT]
[FONT=Arial, sans-serif]Erst als, Papst Urbans II., am 27. November 1095 in Clermont zur „Befreiung“ der heiligen Stätten in Palästina durch die Ritterschaft aufrief, nahmen die Pilgerzüge den Charakter militärischer Formationen an - und nur diese führten schließlich zu den unseligen Ausschweifungen gegenüber den „Ungläubigen“ - erst jetzt wurden die bisher friedlichen Pilgerfahrten zum Heiligen Grab ein bewaffneter Eroberungskrieg im Zeichen des Kreuzes.[/FONT]
[FONT=Arial, sans-serif]So formierten sich im Jahr 1096 in den Gebiet in Südfrankreich, im Rheinland und in Süditalien drei verschiedene Kreuzfahrerarmeen aus Rittern und tausende von Fußsoldaten unter den Fürsten Gottfried von Bouillon, Raimund von Toulouse und Bohemund von Tarent u. a. sowie tausende unbewaffneter Männer, Frauen und Kinder zu riesigen Pilgerzügen. 1096/1097 erreichten die drei Armeen und die Pilgerzüge Konstantinopel und vereinten sich, um im fernen Palästina die wichtigsten Pilgerstätten der Christenheit - Jerusalem - aus der Hand der Muslime (Türken) zu befreien.

--- Und zum Ungeheuerlichen, dem angeblichen Mordaufruf der Katholischen Kirche zitiert - nur für die Nichtwissenden:
[/FONT]
[FONT=Arial, sans-serif]Die Rede (an die Ritterschaft) Papst Urbans II. auf dem Konzil von Clermont (1095)[/FONT]
– [FONT=Arial, sans-serif]schrieb zwölf Jahre später der Augenzeuge, Mönch Robert von Reims auf:[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Aus dem Land Jerusalem und der Stadt Konstantinopel kam schlimme Nachricht: Das Volk im Perserreich, ein fremdes Volk, ein ganz gottfernes Volk … hat die Länder der dortigen Christen besetzt, durch Mord, Raub und Brand entvölkert und die Gefangenen teils in sein Land abgeführt, teils elend umgebracht; es hat die Kirchen Gottes gründlich zerstört oder für seinen Kult beschlagnahmt … Wem anders obliegt nun die Aufgabe, diese Schmach zu rächen, dieses Land zu befreien, als euch? Euch verlieh Gott mehr als den übrigen Völkern ausgezeichneten Waffenruhm, hohen Mut, körperliche Gewandtheit und Kraft … Besonders bewegen möge euch das Heilige Grab unseres Herrn und Erlösers … Kein Besitz, keine Haussorge soll euch fesseln. Denn dieses Land, in dem ihr wohnt, ist allenthalben von Meeren und Gebirgszügen umschlossen und von euch beängstigend dicht bevölkert. Es fließt nicht vor Fülle und Wohlstand über und liefert seinen Bauern kaum die bloße Nahrung. Daher kommt es, dass ihr gegeneinander Krieg führt. Aufhören soll unter euch der Hass, schweigen soll der Zank, ruhen soll der Krieg, einschlafen soll aller Meinungs- und Rechtsstreit! Tretet den Weg zum Heiligen Grab an, nehmt das Land dort dem gottlosen Volk, macht es euch untertan! Gott gab dieses Land in den Besitz der Söhne Israels; die Bibel sagt, dass dort Milch und Honig fließen. Jerusalem ist der Mittelpunkt der Erde, das fruchtbarste aller Länder … Schlagt also diesen Weg ein zur Vergebung eurer Sünden.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]--Zitat nach: A. Borst, Lebensformen im Mittelalter. Frankfurt/Berlin/Wien[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]1979, S. 318 f.[/FONT]
Mit meinen besten Grüssen

Simplicissimus :winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
Meine Güte ist das Anstrengend!

Wieso soll Jerusalem zu dieser Zeit nicht 70.000 EInwohner gehabt haben?
Zur Zeit von Jesus soll die Stadt bereits 70-80.000 Einwohner gehabt haben, und das letzte große Massaker um 70nChr lag bereits 1000 Jahre zurück, auch die en Wikipedia Spricht von 70.000 vor dem Kreuzzug.
Dann darf man auch nicht die Flüchtlinge vergessen die sich dort aufhielten und schon klingt das dann doch nicht derart abgefahren.
 
Meine Güte ist das Anstrengend!

Stimmt.
Wieso soll Jerusalem zu dieser Zeit nicht 70.000 EInwohner gehabt haben?

Weil die Quellen in eine andere Richtung weisen.
Zur Zeit von Jesus soll die Stadt bereits 70-80.000 Einwohner gehabt haben, und das letzte große Massaker um 70nChr lag bereits 1000 Jahre zurück,

Stimmt.
auch die en Wikipedia Spricht von 70.000 vor dem Kreuzzug.

Wikipedia ist nicht unbedingt das non plus ultra.
Dann darf man auch nicht die Flüchtlinge vergessen die sich dort aufhielten und schon klingt das dann doch nicht derart abgefahren.
Ist das Massaker weniger schlimm, wenn sich nur 50000 Menschen in Jerusalem aufgehalten hätten? Oder weniger als 10000? Brauchst du so dringend möglichst hohe Zahlen?

Aber die Grundfrage ist doch: Kann man dieses Massaker der katholischen Kirche als Verbrechen anlasten? Und wie schon von anderen angedeutet: War das nicht mehr oder weniger 'normales' Verhalten bei der Eroberung von Städten, die sich nicht vorher ergeben haben?
 
Meine Güte ist das Anstrengend!

Allerdings :scheinheilig:

Wieso soll Jerusalem zu dieser Zeit nicht 70.000 EInwohner gehabt haben?
Zur Zeit von Jesus soll die Stadt bereits 70-80.000 Einwohner gehabt haben...

Ein "soll gehabt haben" ist natürlich immer eine verläßliche Aussage.
Mal ernsthaft: Nach wissenschaftlichen Abschätzungen hat sich herausgestellt, daß einige überlieferte antike Einwohnerzahlen übertrieben sind und daß Jerusalem zu seiner Blütezeit - also unter den Königen David und Salomo(!!!) - mindestens 40000, maximal aber nicht mehr als 100000 Einwohner gehabt hat. Diese Blütezeit lag um ca. 30 n. Chr. bereits 1000 Jahre zurück.
Vgl. dazu Kritische Empirie: Lebenschancen in ... - Google Books (S. 336)

... und das letzte große Massaker um 70nChr lag bereits 1000 Jahre zurück...

Hier unterschlägst Du die 614 von den Persern erschlagenen Christen Jerusalems: zwar bin ich bzgl. angeblich 90000 getöteter Christen auch da äußerst skeptisch und gehe von einer weit geringeren Zahl aus, aber dies ist trotz allem zu berücksichtigen.

... auch die en Wikipedia Spricht von 70.000 vor dem Kreuzzug...

... führt jedoch nicht näher aus, auf welche Zeit sich die 70000 Einwohner genau beziehen sollen - und das tut übrigens auch Michael Hull nicht, von dem dieser Satz nahezu 1:1 übernommen wurde.
Zur Abschätzung der Bevölkerungszahlen siehe Anmerkungen oben...

Aber apropos "Tötung nahezu aller Einwohner Jerusalems" bzw. "70000 Getötete":
Wikipedia schrieb:
...
Obwohl die Ansicht, dass nahezu alle Stadtbewohner während der Eroberung Jerusalems getötet wurden, Eingang in die Standardliteratur gefunden hat, ist diese These fragwürdig. Auch die Anzahl wird von Historikern wie Peter Thorau in Zweifel gezogen, zwar ist die Einwohnerzahl Jerusalems im Jahr 1099 unklar, es ist aber nahezu ausgeschlossen, dass die Stadt eine solch hohe Bevölkerungszahl gehabt haben kann...
...
Von Belagerung von Jerusalem (1099) - Sturm und Massaker - Wikipedia

Dann darf man auch nicht die Flüchtlinge vergessen die sich dort aufhielten und schon klingt das dann doch nicht derart abgefahren.

Verwechselst Du jetzt bzgl. der Flüchtlingsproblematik auch nicht die Belagerung von 1099 mit der von 1187?



PS: Im Übrigen darf ich nochmals kurz anmerken, daß wir hier eigentlich über eine andere Thematik sprechen, nämlich den Eroberungskontext bzgl. Lateinamerika...
 
Gut dann lassen wir die Zahlen beiseite und kommen zur Schuldfrage:

Nun sag mir denkst Du es wäre zu all diesen Massakern gekommen wenn Papst Urban II nicht zum Kreuzzug gerufen hätte?

Bevor es mir hier wer unterstellt: Ich hege auch keine besondere Sympathie für den Islam, dieser Religion kommt gleich nach der KK was die Ausmaße der Gemetzel angeht, hat aber sicher die durchgeknallteren Inhalte.
 
PS: Im Übrigen darf ich nochmals kurz anmerken, daß wir hier eigentlich über eine andere Thematik sprechen, nämlich den Eroberungskontext bzgl. Lateinamerika...

Gut dann reden wir darüber, ist ja auch alles etwas besser untersucht und weniger lange her, zumindest habe ich mich bisher mit niemandem darüber gestritten.

Wie auch immer, ich hoffe dass diese Meinungsverschiedenheit die Diskussionen in anderen Bereichen nicht belastet.
 
Eigentlich waren die Schmiede schuld, da sie all die bösen Waffen gefertigt haben.

Ich denke ja wohl dass der Wille zum Morden mehr zählt als die Wahl des Werkzeugs bzw dessen Verfügbarkeit, sonst würden ja die verurteilten Mörder die Hersteller von Küchenmessern und div. schweren stumpfen Gegenständen verklagen.
 
Ich denke ja wohl dass der Wille zum Morden mehr zählt als die Wahl des Werkzeugs bzw dessen Verfügbarkeit, sonst würden ja die verurteilten Mörder die Hersteller von Küchenmessern und div. schweren stumpfen Gegenständen verklagen.

Ach iwo, Alfred Nobel wurde auch wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Anklagen kann man, wie man hier sieht, so gut wie jeden für alles mögliche. Es lässt sich auch immer eine mehr oder weniger gute Begründung dafür finden.
Ich persönlich kann dich nur dazu beglückwünschen, dass du die Wurzel allen Übel gefunden hast und uns endlich in so profunder Art und Weise erleuchtest.
 
Ich denke ja wohl dass der Wille zum Morden mehr zählt

Nächste Frage: War der Wille zum Massenmorden bei den Verantwortlichen der Katholischen Kirche (=Papst?) gegeben? Falls ja, dann bitte Belege dafür. Falls nein, warum kann man dann die Katholische Kirche (=Papst?) für die Morde verantwortlich machen, die in der Neuen Welt geschehen sind.

Und wenn es einzelne Priester gegeben hat, die das Morden rechtfertigten, kann man dann auch die ganze Katholische Kirche dafür verantwortlich machen?
 
Dass dieser Mann mWn lange, lange Zeit die einzige kirchliche Stimme war, die sich gegen die massenhafte Ausbeutung und Ermordung der amerikanischen Urweinwohner stellte, sagt doch eigentlich alles...

Das stimmt ja nun nicht, dass Las Casas der einzige gewesen wäre, der sich gegen die Behandlung der Indios ausgesprochen hätte. Außer Las Casas wären Antón Montesinos, Francisco de Vitoria, Domingo de Soto, Francisco Suarez und als Nichtspanier auch Papst (Paul III.) zu nennen, in der Bulle Sublimis Deus erkannte er die Gleichstellung aller Menschen vor Gott und verbot die Sklaverei.

Papst Paul III.: Bulle »Sublimis Deus« vom 9. Juni 1537
 
... dann lassen wir die Zahlen beiseite und kommen zur Schuldfrage:

Nun sag mir denkst Du es wäre zu all diesen Massakern gekommen wenn Papst Urban II nicht zum Kreuzzug gerufen hätte?

Wie bereits geschrieben sind wir hier eigentlich in einer Diskussion, wo es nicht primär um die Orientkreuzzüge geht; desweiteren weise ich darauf hin, daß Fragestellungen "was wäre gewesen wenn" gemeinhin nicht gerade zielführend sind. Aber sei's drum...

Letzte Anmerkungen zum Kreuzzugskontext, um zu zeigen, daß dieser historisch korrekt nicht so einfach in moralisierender Haltung abzuhandeln ist:
1. Zunächst ist in diesem Kontext - das muß zur Klarstellung noch hinzugefügt werden - natürlich zu sehen, daß die Zeit friedlicher Koexistenz bereits vor dem Beginn der Kreuzzüge vorüber war. Seit Beginn des 11. Jh. (gewöhnlich wird die Zerstörung der Grabeskirche 1009 etc. unter al-Hakim als Ausgangspunkt bzw. historische Kennzahl genannt), also noch zu Zeiten der unbewaffneten Pilgerfahrten (mit den Kreuzzügen beginnen - wie ausgeführt - die bewaffneten Pilgerfahrten), hatte bereits gewalttige Übergriffe, Steinigungen, Tötungen etc. gegeben. Ich lasse es an der Stelle einmal der Einfachheit außen vor, daß dabei zunächst die Christen Opfer waren, und unterstelle an der Stelle ein beidseitiges Eskalieren von Gewalt im Heiligen Land während des 11. Jh.
2. Daß Massaker u.ä. geschehen können, wenn Menschen bewaffnet sind, auch wenn nicht zu Massakern u. dgl. aufgerufen wurde, brauchen wir wohl nicht zu diskutieren. Die Frage ist also, ob ausdrücklich zu Massakern etc. aufgerufen worden ist o. dgl. ...
3. Zur Beantwortung der Fragestellung unter 2. muß der Hintergrund (Verteidigung des Glaubens = Kampf gegen den Unglauben und die Ungläubigen; nicht einfach Kriegszug, sondern Wallfahrt in Waffen etc.) in seiner historischen Dimension klar sein!
Kurzum: Dies in seiner Tiefe zu betrachten erfordert diesbezüglich eine ausgeprägte Sicherheit in der entsprechenden Thematik -und das gilt sowohl für die Orientkreuzzüge und die Reconquista genauso wie für die Konquista wie auch für jede andere Thematik!

So - jetzt aber wirklich zurück zur ursprünglichen Thematik des Threads... :fs:
 
Zurück also zum eigentlichen Thema...

Ich denke ja wohl dass der Wille zum Morden mehr zählt als die Wahl des Werkzeugs bzw dessen Verfügbarkeit...

Hier darf ich mich zunächst Tela anschließen
Nächste Frage: War der Wille zum Massenmorden bei den Verantwortlichen der Katholischen Kirche (=Papst?) gegeben? Falls ja, dann bitte Belege dafür. Falls nein, warum kann man dann die Katholische Kirche (=Papst?) für die Morde verantwortlich machen, die in der Neuen Welt geschehen sind.

Und wenn es einzelne Priester gegeben hat, die das Morden rechtfertigten, kann man dann auch die ganze Katholische Kirche dafür verantwortlich machen?
und desweiteren darauf verweisen, was ich bereits weiter vorn ausführte:
Nach wie vor fallen viele Leute noch immer auf die antispanische Geschichtsschreibung der Engländer sowie das antikatholische Element nationalistischer, nationalsozialistischer wie auch sozialistischer Geschichtsbetrachtung herein...

Bei den vielen Punkten, die man der katholischen Kirche zu Recht bzgl. Verfehlungen und Versäumnisse in Lateinamerika vorwerfen kann, gehört doch gerade die Ausrottung der Indios bzw. das Nichteinsetzen für die Indios eben nicht dazu. Im Gegenteil: Es ist gerade - bei allem, was man zu Recht kritisieren kann und muß - auch dem Engagement der katholischen Kirche zu verdanken, daß die indigene Bevölkerung in Lateinamerika eben nicht ausgerottet worden ist o.ä.
 
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