Mobilität

... auch die innerhalb einer Region zu wichtigen Marktplätzen u. dgl.

Aber warum muss man zu Markplätzen reisen und verkauft seine Güter nicht im Dorf ? Hier zeigt sich der Effekt zunehmender Arbeitsteilung und das Streben nach Gewinnmaximierung, also gesellschaftliche Phänomene.
 
Aber warum muss man zu Markplätzen reisen und verkauft seine Güter nicht im Dorf ? Hier zeigt sich der Effekt zunehmender Arbeitsteilung und das Streben nach Gewinnmaximierung, also gesellschaftliche Phänomene.

weil die produkte, die man im dorf herstellt, auch die anderen herstellen (können), es also keine nachfrage danach gibt. in der stadt diese dinge aber nicht produziert werden können. arbeitsteilung ja, aber gewinnmaximierung, naja, im mittelalter für einen bauern oder einfachen handwerker haben ja wohl eher von der hand in den mund gelebt.
 
Aber warum muss man zu Markplätzen reisen und verkauft seine Güter nicht im Dorf ? Hier zeigt sich der Effekt zunehmender Arbeitsteilung und das Streben nach Gewinnmaximierung, also gesellschaftliche Phänomene.
Gewinnmaximierung kann ich auch erkennen, aber Arbeitsteilung?
Neben der Konkurrenz im eigenen Dorf sehe ich noch eine Marktübersättigung als Anreiz für einen längeren Weg. Wieviele Pferde müssten den in einem Dorf leben, bevor es für einen Hufschmied rentabel wird? Wieviele Kunden braucht ein Korbflechter um nicht zu verhungern.
Außerdem geht man ja nicht nur auf den Markt um zu verkaufen, sondern auch um zu kaufen.
Hierzu passt sehr gut die Theorie der zentralen Orte von Christaller:
http://de.wikipedia.org/wiki/System_der_Zentralen_Orte
Gewerbe für speziellere Gegenstände gibt es weniger, als solche für den täglichen Bedarf, sie liegen daher auch weiter auseinander und verlangen vom Kunden mehr Mobilität.
 
In Südwestdeutschland schildern sie zZ die diversen Jakobswege neu aus.
Die Pilgerfahrten gehören ja auch zur Mobilität.

Grüße Repo
 
vielen dank für eure antworten :)
Ihr habt mir wirklich weitergeholfen, jedoch sind das sehr viele Informationen die ich erst einmal durchgehen muss.

Wo würdet ihr Zäsuren in diesem Zeitraum von 800-1700 in Bezug auf Mobilität setzen, d.h. welche Entwicklungen haben die Gesllschaft etc. so geprägt das man in dieser Zeit von einer eigenen Epochengrenzen im Bereich Mobilität sprechen könnte ?
 
wo kann man sozusagen eine Grenze setzen und sagen: Hier beginnt eine neue Epoche/Ära der Technik ?
 
Gewinnmaximierung kann ich auch erkennen, aber Arbeitsteilung?

Gerade in Deinem Link geht es genau um Arbeitsteilung : Wenn jeder nur Körbe für sich selbst, oder ein paar mehr für's ganze Dorf herstellt, braucht niemand in ein Zentrum zu reisen. Erst, wenn jemand Korflecht-Spezialist ist, der viel mehr, besser und billigere Körbe flicht, können sich überhaupt Zentren bilden, und es muss gereist werden. Die Mobilität spiegelt also auch den Grad der Arbeitsteilung wieder.
 
Aber in beiden Fällen habe ich doch eine Person, die alleine komplette Körbe flicht. Arbeitsteilung ist doch dann gegeben, wenn mehrere Leute die einzelnen Schritte des Korbflechtens (Ruten schneiden, Boden, Wand und Henkel anfertigen) unter sich aufteilen.
Imho führt die Arbeitsteilung sogar zu weniger Mobilität seitens des Erzeugers. Weil er eben seine Zeit mit wenigen Teilen des Arbeitsprozessen verbringt und den Transport und Verkauf anderen überlässt. Mobilität wird mit fortschreitender Entwicklung also wohl eher bei Kunden und Händlern zu beobachten sein.
 
Arbeitsteilung ist doch dann gegeben, wenn mehrere Leute die einzelnen Schritte des Korbflechtens (Ruten schneiden, Boden, Wand und Henkel anfertigen) unter sich aufteilen.

Ich habe in Wikipedia unter "Arbeitsteilung" nachgesehen : In der hautsächlichen Bedeutung hast Du Recht.

Was ich als Arbeitsteilung ansah, wird dort als "soziale Differenzierung" bezeichnet :

Nicht jeder flicht soviele Körbe und baut soviel Getreide an, brennt soviele Ziegel, wie er braucht braucht,

sondern der eine flicht nur Körbe, der andere baut nur Getreide an, der dritte brennt nur Ziegel

und hinterher verkaufen sich alle gegenseitig ihre Produkte. Und je stärker diese Differenzierung ist, desto mehr lokaler Überschuss entsteht, und desto mehr muss gereist werden, um diesen zu verteilen.
 
In Südwestdeutschland schildern sie zZ die diversen Jakobswege neu aus.
Die Pilgerfahrten gehören ja auch zur Mobilität.

Grüße Repo

Vielleicht noch zur Verdeutlichung:
Alle Zweige des Jakobwegs führen nach Santiago de Campostella in Nordwestspanien.
Aus Mitteleuropa eine Weltreise.

Grüße Repo
 
Aber was sind die großen Sprünge im Gebiet der Mobilität? Sicherlich kann man hinsichtlich der Schiffsreisen auf andere Threads verweisen, die sich näher mit der Entwicklung der Schiffe beschäftigen.
Gab es vergleichbare Revolutionierungen wie die Einführung des Post(kutschen-)systems schon im Mittelalter oder der Renaissance, die nachhaltig die Mobilität änderten?

Pilgerreisen sehe ich zwar auch als einen Anlass zur Reise aber bei weitem nicht als ein solches Novum. Schon die antiken Griechen pilgerten nach Heilitümern wie Delphi und Olympia. Da sehe ich schon Parallelen.
:fs:
 
die wirklich grossen sprünge kamen erst nach 1700, eigentlich sogar erst mit der eisenbahn bzw. dampfschiffen, mit der die gesellschaften tatsächlich "mobil" wurden.

vor 1700 blieb es bei der weiterentwicklung vorhandener technik, die kaum auswirkungen auf das mobilitätsverhalten der bevölkerung hatte.

bislang hatten wir uns ja auf den europäischen kulturraum beschränkt. aber das stichwort pilgerreise liefert ein gutes stichwort. wie wurden eigentlich die pilgerfahrten nach mekka organisiert?
 
Pilgerreisen sehe ich zwar auch als einen Anlass zur Reise aber bei weitem nicht als ein solches Novum. Schon die antiken Griechen pilgerten nach Heilitümern wie Delphi und Olympia. Da sehe ich schon Parallelen.
:fs:

Klar gibts da Paralellen, aber meiine Tochter hat ein Praktikum in La Corunja (bei Santiago um die Ecke) abgeleistet, und das ist auch für heutige Maßstäbe ganz schön weit weg. Mit dem Auto wars Repo schlicht zu weit.

Und plötzlich begegnet einem immer wieder in der Landschaft jwd die Muschel. Verschiedenste Zweige des Jakobwegs ziehen sich durch den Südwesten. Ich bin kirchengeschichtlich überhaupt nicht beschlagen, aber das heißt doch, dass nicht alle Jubeljahre einer zu den Gallegos zog, sonder ständig welche unterwegs waren.

Dann die Entdeckungsreisen, Marco Polo fällt mir ein, der (Vater+Onkel?)wollte doch zuerst nur mal kurz nach seiner Filiale auf der Krim schauen, oder erinner ich mich falsch? Wann war das? So 13. Jahrhundert. Von Mobilität kann man da getrost sprechen.

Grüße Repo
 
Im Spätmittelalter wares durchaus üblich Leute nach Santiago zu schicken, um den sozialen Frieden zu erhalten. Statt einer ehrabschneidenden Strafe oder gar einer körperlichen Züchtigung bis hin zur Todesstrafe wurden Pilgerreisen nach Santiago verordnet, auch um ggf. Rachakte von seiten der Geschädigten zu unterbinden. Man hoffte, dass sich das Problem unterwegs von alleine regelte (der Weg war ja nicht ungefährlich), der Pilger ganz wegblieb, oder die Reise so lange dauerte, dass sich die erhitzten Gemüter beruhigten. Deshalb erlitt der Begriff Santiago-Pilger auch schnell einen Bedeutungswandel hin zum '(Klein-)Kriminellen'.
 
Im Spätmittelalter wares durchaus üblich Leute nach Santiago zu schicken, um den sozialen Frieden zu erhalten. Statt ............beruhigten. Deshalb erlitt der Begriff Santiago-Pilger auch schnell einen Bedeutungswandel hin zum '(Klein-)Kriminellen'.

Das wußte ich bisher auch noch nicht.
Was aber klar voraussetzt, dass die Justiz Kenntnisse über Orte und Wege über ein paar tausend Kilometer haben mußte! Was wiederum voraussetzt, dass die Mobilität wesentlich größer war, als wir uns das heute gemeinhin vorstellen.

Grüße Repo
 
Geh mal die Kirchen deiner Umgebung ab und such nach "Jakobussen" mit Südwestern oder Jakobs-Muscheln. Natürlich war der drittwichtigste Ort der katholischen Christenheit im Mittelalter den Menschen bekannt. Es gab Pilgerlieder, Pilgerführer, Pilgerherbergen etc.
 
Das wußte ich bisher auch noch nicht.
Was aber klar voraussetzt, dass die Justiz Kenntnisse über Orte und Wege über ein paar tausend Kilometer haben mußte! Was wiederum voraussetzt, dass die Mobilität wesentlich größer war, als wir uns das heute gemeinhin vorstellen.

Grüße Repo

natürlich gab es pilgerreisen auch zu solch entfernten orten wie santiago de compostela und man wird in vielen kirchen zeichen von pilgerfahrten finden. was ich bezweifle ist allerdings, dass es sich bei diesen pilgerreisen um "massenveranstaltungen" gehandelt hat, oder dass es in jeder stadt oder gar jedem dorf alljährlich einen oder mehrere pilger gab, der diese beschwerliche und teure reise auf sich nahm. und auch als strafe/busse ist es nicht allzu häufig verhängt worden:

Diesen freiwillig unternommenen Pilgerfahrten läßt sich
der Typus der zunächst von kirchlichen, dann auch von
weltlichen Instanzen verordneten Bußbzw.
Strafpilgerfahrt gegenüberstellen. Es handelte sich
dabei zuerst um eine Praxis des kanonischen Rechts, die
sich in der Karolingerzeit entwickelt hatte und über
Jahrhunderte lebendig blieb. Ab dem 13. Jahrhundert
werden auch von weltlichen Instanzen, besonders im
belgisch-niederländischen Raum, später auch in den
Hansestädten, Strafwallfahrten nach Santiago verhängt.
Zwischen 1415 und 1513 erfolgten allein in Antwerpen
etwa 2500 Verurteilungen zu verschiedenen Pilgerfahrten.
Nicht umsonst hat man hier von einer Art Sozialhygiene
gesprochen (Steven Runciman). Es blieb nicht aus, daß
dieser Typus von Pilgerfahrt auf das Pilgerbild im
allgemeinen negativ abfärbte. Im Extremfall wurden die
Begriffe "Pilger" und "Verbrecher" synonym. Von daher
wird es auch verständlich, warum die Katholischen Könige
Spaniens im 16. Jahrhundert den Pilgerweg nach Santiago
auf eine vier Meilen breite Zone entlang dem alten
camino frances begrenzten. Wer diese Zone verließ, hatte
keinen Anspruch auf die Vorrechte des Pilgerstatus. Die
Nationalstaaten nahmen das Pilgerwesen unter eine
strengere Kontrolle, von den Pilgern wurden vielfach
Geleitbriefe und Ausweisschreiben aus ihrer Heimat
verlangt.

2500 in rund hundert jahren, also rund 25 im jahr. zu verschiedenen pilgerfahrten, also nicht alle gleich ans ende der welt nach santiago (ich gehe davon aus, dass die weitaus meisten in den nächstgelegenen wallfahrtsort pilgern mussten).

Eine dritte, ebenfalls seit dem Spätmittelalter häufiger
anzutreffende Form ist die Delegationspilgerfahrt, bei
der jemand anstelle eines anderen oder im Auftrag einer
Gruppe reist. Die stellvertretende Pilgerfahrt bzw. die
testamentarisch angeordnete "postume" Fahrt machten es
möglich, daß es berufsmäßige Pilger gab, die nach einem
festen Tarif bezahlt wurden.
beide: http://www.kath.de/quodlibe/santiago/santia05.htm

auch diese art der pilgerreise stützt meine these, es war einfach zu beschwerlich, als dass es ein massenphänomen gewesen sein kann, jedenfalls was "grosse" pilgerfahrten betrifft. wenn es einfach und ungefährlich gewesen wäre, hätte es keinen bedarf für berufspilger gegeben.

und noch eine bemerkung, natürlich gab es solche leute wie die polos, die nach damaligen massstäben eine weltreise unternommen hatten. aber warum kennt man heutzutage noch ihre geschichte? sie waren damals eine sensation (und zumeist nicht geglaubt wurden), weil einfach ganz, ganz wenige solche reisen unternahmen.

der mittelalterliche handel wickelte sich doch zumeist über mehrere zwischenstationen (messe- und stapelorte) ab und die händler kannten vielleicht noch die übernächste aus eigener anschauung. wer sich selbst auf die reise machte, galt doch als sonderling oder verrückter.
 
Zuletzt bearbeitet:
Sozialhygiene funktioniert aber nicht, wenn man nur bis zum nächsten Pilgerort muss, und nach drei Tagen wieder daheim ist. Außerdem waren es nur die zum Pilgern Verurteilten, die der Link nennt, nicht die Gesamtzahl derer, die pilgerten.
 
nein, der text nennt nicht die gesamtzahl der pilger, aber die gesamtzahl der zu einer pilgerfahrt verurteilten in hundert jahren aus einer der grössten damaligen städte. und es sagt auch aus, dass es verschiedenen pilgerstätten gab, zu denen verurteilte reisen mussten.

und noch ein aber: wenn "pilger" und "verbrecher" synonym verwandt wurden, dann war wohl ein erheblicher teil der pilger zu solchen reisen verurteilt.

aus der gleichen quelle:
Wir können davon ausgehen, daß fast jedermann im Hochund
Spätmittelalter, je nach Stand und Vermögen, Abkömmlichkeit und Devotion, mindestens einmal in seinem Leben eine Pilgerfahrt zu einem ferneren oder
nahegelegenen Heiligtum unternommen hat.

alleine weil man nicht einfach wochen- oder gar monatelang von seiner arbeit oder scholle wegbleiben konnte, werden die meisten pilgerfahrten eben ein nahegelegenes heiligtum zum ziel gehabt haben (gab ja genügend). jakobs- oder rom- oder gar jerusalem-pilger waren hochgeachtete ausnahmen, die man entsprechend geehrt hat, aber eben ausnahmen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine Schiffspilgerreise aus Stralsund nach Santiago im Jahre 1506 aus Gert Dröghes Lebensbeschreibung des Stralsunder Bürgermeisters Franz Wessel.
Hg. durch Volker Honemann, in Niederdeutsches Wort 43/2003:

Anno 1508.segelde he in den |Sundt / vnd van dar na S.Jacob/| in einem Pelgrimes schepe / darinne | weren auer 150.Manßpersonen / ane Frowen vnd Jungfrowen : vnd quam | wol in vo[FONT=&quot]e[/FONT]fftich hauen vunder Norwe=|gen / Schotlandt / Flandern / Enge=|landt / Frankryken / etc.|
Tho Pleimo
[FONT=&quot]e[/FONT]de steken twe Pel= | grime den dru[FONT=&quot]e[/FONT]dden dot / vnde wu[FONT=&quot]e[/FONT]r= | den beide gehenget : de andern alle arresteret / by vorlust lyues vnd gu= | des. Deme vngeachtet / lepen se mit | haluem winde thor Seewert an / vth | der besate : vnde en wu[FONT=&quot]e[/FONT]rden twe sei=|den bo[FONT=&quot]e[/FONT]te mit geschu[FONT=&quot]e[/FONT]tte vnd volcke na | geschicket. De Pelgrime steken in den windt / vnde brachten 24. Fal= | ckenere vnde Scharpetinger an bort /| vnde stene in de Marse. Namals leten se dregen / vnde scho[FONT=&quot]e[/FONT]ten so lange vp de Engelschen / dat se de flucht geuen. |
Jn Hispanien / tho Compstelle| sach Frans Wessel de Kro
[FONT=&quot]e[/FONT]ninge des Ko[FONT=&quot]e[/FONT]niges Philippi / vnde mennigerley | gesandten : vnde krech tydinge van den Engelschen / dat se alle Pelgrime wolden vpgehenget hebben / wenn se erer mechtich geworden / etc.|
Alse he weder thom Sunde | quam / was hertzlyke grote fro
[FONT=&quot]e[/FONT]wde | by synen Oldern vnd fru[FONT=&quot]e[/FONT]nden / wen= | te he was ein einger So[FONT=&quot]e[/FONT]ne: vnde ne= | mandt gedachte anders / he were in | der See gebleuen / edder sonst ge= | storuen.

1508 ist entweder ein Irrtum des Verfassers Dröghe, oder ab
er der Verfasser hat der ganzen Reise noch mehr Importanz geben wollen, indem er die Krönung Philipps des Schönen verlegt hat... die war jedenfalls 1506, weshalb Honemann davon ausgeht, dass Dröghe sich mit dem Jahr der Reise geirrt hat.

Edit: Diese zu klein geratenen <e> sollten eigentlich über den davor liegenden Vokalen sein... könnt ihr als Dehnungs-<e> oder als Umlaute lesen.
 
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