Modenamen

rrttdd

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Seit wann gibt es eigentlich das Phänomen der Modenamen, also die Häufung bestimmter Namen in bestimmten Jahrgängen zu lasten anderer Namen?

Ich habe ja auch das Gefühl, dass es dieses Phänomen nicht in allen Ländern gibt... z.B. kam ich durch den derzeit vieldiskutierten, 30 Jahre alten Edward Snowden auf dieses Thema. Ich kenne keinen 30 Jährigen Deutschen mit dem Namen Edward

Was mir auch noch aufgefallen ist:
-Bei Türken scheint es das Phänomen weniger zu geben
-Auch Österreicher scheinen öfters traditionellere Namen zu wählen


In Deutschland aber auch in der Schweiz (wo alle Männer Ü40 Urs und die 25-40 Jährigen Beat und Sandro zu heißen scheinen) scheint mir das Phänomen hingegen recht krass.

Interessieren würde ich mich, seit wann es das Phänomen gibt und welche gesellschaftlichen Faktoren dazu führen oder geführt haben.:confused:
 
Eine fundierte Antwort kann ich dir spontan nicht geben.
Deshalb nur so ein Eindruck aus der Ahnenforschung, schon Ende des 19.Jhdt. beschränkte sich die Namenspalette bei den Neugeborenen in einem Dorf auf einige Modenamen in D. Wahrscheinlich sind Modenamen viel älter und natürlich landschafts- und schichtbezogen unterschiedlich.
Jedenfalls meine ich, dass man vom Vornamen mit 80%-er Sicherheit das ungefähre Geburtsdatum ableiten kann und noch einiges mehr. :winke:
 
Ich stimme rena zu, möchte aber in meinen Worten noch meinen Senf dazu geben.

Da die politischen und geografischen Einheiten, vor allem im kleinteiligen Deutschland, noch keine so große Ausdehnung hatten, war die Reichweite von Namensmoden auch nicht so groß. Auch die Schnelligkeit des Modewechsels hat sicher zugenommen, wie ja auch auf dem Modegebiet par excellence, der Bekleidung.

In Württemberg hieß man zu gewissen Zeiten gern Eberhard, in Preußen Friedrich oder Wilhelm (für Russen sind Deutsche immer noch gern "Fritzen"),
in Bayern Maximilian.
Relativ moderesistent waren in katholischen Gegenden Maria und Josef. Aber vielleicht kann man die große Häufigkeit in gewissem Sinne doch auch wiederum als Mode bezeichnen.

Dass in England und in englischsprachigen Ländern Edward häufiger vorkommt, ist wesentlich den Königen zuzuschreiben. Den letzten gab es zu einer Zeit als in Deutschland ein Häuptling names Adolf den Modetrend setzte.
 
Ich halte es schon für ein ziemlich deutsches Phänomen ,dass man nach dem Krieg oder besser gesagt ab den späten sechziger Jahren begann seinen Kindern englische, italienische und französische Vornamen zu geben. Vielleicht lag das an dem völlig ruinierten Selbstewusstsein der Deutschen nach dem von ihnen verschuldeten Krieg und den damit verbundenen Jahrhundertverbrechen . In der DDR war das ebenso ausgeprägt. Ab den siebziger Jahren waren die deutschen Vornamen absolute Seltenheit. Las man die Namensliste eines Kindergartens durch, so wusste man nicht in welchem Land man war. Bei allen europäischen Ländern erkennt man die Nationalität , bis auf wenige Ausnahmen an den Vornamen. In Deutschland ,bis auf Ausnahmen überhaupt nicht.
 
Wahrscheinlich sind Modenamen viel älter und natürlich landschafts- und schichtbezogen unterschiedlich.
nicht nur Modenamen, auch Modewörter bzw. Modeidiome: was heute "cool" oder gar "affengeil" ist, das nannte man um 1910 "verheerend" - sehr schön wird über solche Sprachmode in Manns Zauberberg referiert!

bzgl. mancher italienischer Modenamen im Deutschland der 60er Jahre: da könnten damalige und damals sehr bekannte Opernstars die Namenspaten gewesen sein

...bzgl. der Stilistik: natürlich wirkt ein Kevin-Noah Dumpfmeier als Name komisch, selbst wenn er es zum Atomphysiker beim Cern bringt ;):):)
 
Seit wann gibt es eigentlich das Phänomen der Modenamen, also die Häufung bestimmter Namen in bestimmten Jahrgängen zu lasten anderer Namen?
zu fragen wäre auch, ob man Alliterationen etc. bei den Namen innerhalb von Sippen für eine frühittelalterliche Mode halten könnte, oder ob damals die Namengebung ernsthafter und relevanter als nur modebedingt war
 
An Galeottos Darstelliung ist manch Wahres dran. Ausführlicher und differenziertes steht es da:
Vorname ? Wikipedia

Anleihen im Ausland gab es auch schon früher.
Einer der bekanntesten badischen Markgrafen hieß zwar offiziell Ludwig, bekannter ist er aber als Türkenlouis. Das war nicht auf ihn beschränkt - auch "gewöhnliche" Ludwigs wurden zu Louis. Oder Georg zu Schorsch, mancherorts auch Johann oder Hans zu Schang.
Von den Latinisierungen bis in die frühe Neuzeit gar nicht zu reden. Und die noch lange in Wortschöpfungen wie Hubertus nachwirkten.

Das Umgekehrte gab es in Zeiten deutscher Dominanz durchaus auch. Beliebte spanische Königsnamen: Carlos und Alfonso. In Osteuropa ist Karol sogar die Bezeichnung für den König selbst.
 
Die Mode bei den Namen

... ist so alt wie die ältesten Namen. Nehmen wir "nur" die deutschen Namen ins Visier. Carlos > Karol > Karl in all seinen Schreibweisen stammt von dem germanischen "kerl" und bedeutet heute wie früher "Mann, Macho, Typ, ein ganzer Kerl, dank Papi" oder so ähnlich. Alfonso > Alfons ist aus dem germanischen "adalfuns" entstanden. adal = edel und funs = bereit sein (zum Kampf). Rodrigo kommt von Roderich = hrod > der Ruhm, die Ehre und ric > die Kraft, die Macht. Rolando = Roland = hrod und land. hrod s.o. Ruhm, auch berühmt. und die Silbe land könnte man mit "im Land" übersetzen, also im Land berühmt! Na ja. jedenfalls: als die Germanen gezwungenermaßen mit der Kirche bekannt wurden, kamen dann Josef und Maria, Adam und Eva und etliche andere Namen ins Spiel. Wenn ein Fürst oder König beliebt war, wurde sein Name gerne verwendet. (Heute ist es dann der King of pop). immer wieder kam es zu "Moden". So wurde zu Bachs Zeiten fast jedem Jungen in seine Vornamen ein Johannes gequetscht. Dann war wieder "Deutsch" angesagt, so dass sich Namen wie "Gottlieb", "Gotthelf" und "Gottfried" häuften. Was also soll's? Heute sind es halt die Kevins, die Schantalls und die anderen Gagas. Nur zu germanischen Zeiten (und die Engländer sind auch germanisch-stämmig) war mit der Namensgebung der Wunsch der Eltern verbunden, dass das Kind die Eigenschaften des Namens erhält. Heute ist es der Wunsch, dass das Kind so reich und berühmt wird wie sein "Namenspatron".
 
Mir fällt auf die Schnelle in der Zeit vor dem 19.Jh. eigentlich nur die französische Revolution ein, als besonders stark "Modenamen" wie Liberté, Brutus oder ähnliches vergeben wurden.

Z.T. ist es schwierig, konkret von Modenamen zu sprechen. So erfreuten sich unter Pietisten oftmals besonders "christliche" Namen großer Beliebtheit.
Bezeichnende Namen fand ich unter den Brüdern Gellert. Der Dichter selbst hieß ja Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769) und stammte aus einer Pastorenfamilie und wurde durch viele, viele Kirchenlieder neben seinen Fabeln berühmt. Sein Bruder war der Metallurge Christlieb Ehregott Gellert (1713-1795).
 
Mir fällt auf die Schnelle in der Zeit vor dem 19.Jh. eigentlich nur die französische Revolution ein, als besonders stark "Modenamen" wie Liberté, Brutus oder ähnliches vergeben wurden.

Z.T. ist es schwierig, konkret von Modenamen zu sprechen. So erfreuten sich unter Pietisten oftmals besonders "christliche" Namen großer Beliebtheit.
Bezeichnende Namen fand ich unter den Brüdern Gellert. Der Dichter selbst hieß ja Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769) und stammte aus einer Pastorenfamilie und wurde durch viele, viele Kirchenlieder neben seinen Fabeln berühmt. Sein Bruder war der Metallurge Christlieb Ehregott Gellert (1713-1795).


Und mir fiel auf die Schnelle der amerikanische Bürgerkrieg und die folgende Ära der Reconstruction ein. In den Südstaaten kam der Brauch auf, Jungen den Namen des Regimentskommandeurs des Vaters oder den von populären Kriegshelden der Konföderation zu geben. Scarlett o´Haras erstgeborener (ungeliebter) Sohn bekam den Namen Wade Hampton Hamilton. Ihre Tochter mit Rhett Butler wurde auf den Namen Eugenie Victoria getauft, erhalten blieb ihr aber der Spitzname Bonny, nachdem Melanie Wilkes feststellte, dass das Baby blaue Augen wie "the bonny blue flag" habe. Bei Kindern die zwischen 1861 und den 1870er Jahren im Süden geboren wurden kam es zu einer wahren Inflation von Robert Lees, und Jacksons, während viele schwarze Babys auf die Namen "Lincoln" und "Emancipation" getauft wurden.
 
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