Nach Vouillé: Ostgotische Suprematie über die Westgoten

Auf jeden Fall nach Eurichs Regierung, wahrscheinlich sogar erst nach Vouillé.

Das geben die Quellen aber genausowenig her.

Abgesehen davon drehen wir uns dann im Kreis. Wenn die Westgoten nach Vouillé so geschwächt waren, wie konnten sie ganz Spanien erobern?
Oder sie waren gar nicht so geschwächt, weil sie schon längst in Spanien saßen, und nur noch die Reste in Aquitanien verteidigten.
 
Es ist doch so, dass die Quellen explizit davon sprechen, dass die Städte der Tarraconensis zweimal erobert werden, einmal unter Eurich, einmal unter Alarich. Von anderen Städten ist zu diesem Zeitpunkt nicht die Rede. Wir können also davon ausgehen, dass die Städte unter Eurich nicht wirklich erobert wurden bzw. nicht gehalten werden konnten, sonst hätten sie unter Alarich nicht erneut erobert werden müssen. Außerdem wissen wir aus den Quellen, dass nach Vouillé viele Goten ihre Wohnsitze in Aquitanien aufgaben, deine These von wegen, weil die Goten Spanien besiedelt hätten, hätten sie Aquitanien nicht mehr verteidigen können, ist also zurückzuweisen.

Was das Schweigen der Quellen zu Eroberungen in Südspanien angeht, so ist es üblicherweise so, dass man aus einem solchen Schweigen nichts deduzieren kann. Es ist eben kein beredtes Schweigen. Sprich: Für die These, Eurich habe nur die Tarraconensis erobert sprechen die Quellen, für die These, er habe auch Restspanien erobert sprechen die Quellen nicht. Stattdessen müssen wir von einer Landnahme nach Vouillé ausgehen, als die aquitanischen ihre Wohnsitze verließen.
 
Außerdem wissen wir aus den Quellen, dass nach Vouillé viele Goten ihre Wohnsitze in Aquitanien aufgaben, deine These von wegen, weil die Goten Spanien besiedelt hätten, hätten sie Aquitanien nicht mehr verteidigen können, ist also zurückzuweisen.

Die Quellen weisen vor allem auf eine Besiedelung in den 490-ern hin, also vor Vouillé

Stattdessen müssen wir von einer Landnahme nach Vouillé ausgehen, ....

Warum? Genau dieser Schluss erscheint eben unzulässig.
 
Was das Schweigen der Quellen zu Eroberungen in Südspanien angeht, so ist es üblicherweise so, dass man aus einem solchen Schweigen nichts deduzieren kann. Es ist eben kein beredtes Schweigen. Sprich: Für die These, Eurich habe nur die Tarraconensis erobert sprechen die Quellen, für die These, er habe auch Restspanien erobert sprechen die Quellen nicht. Stattdessen müssen wir von einer Landnahme nach Vouillé ausgehen, als die aquitanischen ihre Wohnsitze verließen.

Wie man sich auch dreht und wendet: ein schwieriges Thema.

Wenn die Niederlage von Vouille die Westgoten so sehr geschwächt haben sollte, dass sie ohne Theoderichs Intervention völlig am Ende gewesen wären, dann fragt man sich meiner Ansicht nach zurecht, warum sie innerhalb von nur 60 Jahren wieder so erstarken und attraktiv werden konnten, dass sie bald darauf tatsächlich fast ganz Spanien beherrschten (Sueben besiegt, die byzantinische Rekonquista fortgejagt, Gleichgewicht mit den Merowingern). Die Zeit nach Vouille scheint ja einigermaßen verworren gewesen zu sein, allerlei kurzlebige Könige usw. Zugleich aber musste der geschwächte westgotische Exercitus versorgt werden, traditionellerweise zu Lasten der beherrschten Bevölkerung (Steuern, Einqaurtierung, Annones usw.) und das setzt eine halbwegs belastbare Bevölkerung voraus - aber diese wiederum dürfte sich nicht gerne von einem geschwächten Heer dominieren lassen, sodass in diesem Fall mit erheblichem Widerstand gerechnet werden müsste. In der Übergangszeit von Vouille bis zu König Leovigild müssen die geschwächten, aber nicht völlig zerstreuten Westgoten noch genügend Land beherrscht haben - anders kann ich mir das nicht vorstellen.
 
Die Quellen weisen vor allem auf eine Besiedelung in den 490-ern hin, also vor Vouillé.

Und welcher Gebiete? Der Tarraconensis!



El Quijote schrieb:
Stattdessen müssen wir von einer Landnahme nach Vouillé ausgehen, ....
Warum? Genau dieser Schluss erscheint eben unzulässig.
Das habe ich erläutert: Weil wir Quellen haben, die davon berichten, dass viele Westgoten ihre Wohnsitze nach Vouillé in Aquitanien aufgaben.

Wenn die Niederlage von Vouille die Westgoten so sehr geschwächt haben sollte, dass sie ohne Theoderichs Intervention völlig am Ende gewesen wären, dann fragt man sich meiner Ansicht nach zurecht, warum sie innerhalb von nur 60 Jahren wieder so erstarken und attraktiv werden konnten, dass sie bald darauf tatsächlich fast ganz Spanien beherrschten (Sueben besiegt, die byzantinische Rekonquista fortgejagt, Gleichgewicht mit den Merowingern). Die Zeit nach Vouille scheint ja einigermaßen verworren gewesen zu sein, allerlei kurzlebige Könige usw. Zugleich aber musste der geschwächte westgotische Exercitus versorgt werden, traditionellerweise zu Lasten der beherrschten Bevölkerung (Steuern, Einqaurtierung, Annones usw.) und das setzt eine halbwegs belastbare Bevölkerung voraus - aber diese wiederum dürfte sich nicht gerne von einem geschwächten Heer dominieren lassen, sodass in diesem Fall mit erheblichem Widerstand gerechnet werden müsste. In der Übergangszeit von Vouille bis zu König Leovigild müssen die geschwächten, aber nicht völlig zerstreuten Westgoten noch genügend Land beherrscht haben - anders kann ich mir das nicht vorstellen.
Die Westgoten beherrschten ja noch Septimanien und die Tarraconensis. Das ist auch ein ordentliches Gebiet. Die frühen Reconquistakönigreiche und eigenständigen -grafschaften, die aus der karolinigischen Marca Hispanica erwuchsen, waren wesentlich kleiner. Zudem erhielten die Westgoten ostgotische Unterstützung durch Theoderich, ein Teil dieser Ostgoten optierte später dazu, ihre ostgotische Identität zugunsten einer westgotischen Identität aufzugeben.
Die Landnahme in Spanien ist ein fortdauerndes Ausweichen vor den Franken, die nach Vouillé auch die Pyrenäenpässe überschritten und Pamplona und Zaragoza angriffen - die einzigen politischen Autoritäten in Spanien waren die Bischöfe in den Städten, die sich aus dem hispanischen Senatorialadel rekrutierten.
 
Wohl ja. In den in den "Variae" Cassiodors gesammelten Briefen werden die Ostgoten zwar immer nur "Goten" genannt, nie "Ostrogothen", die Westgoten werden aber sehr wohl als "Visigothen" bezeichnet. (So hält es übrigens auch Prokopios.) Außerdem sind die Bezeichnungen Greutungen, Terwingen etc. etymologisch gotischer Herkunft, müssen also durchaus Eigenbezeichnungen gewesen sein.
Man sollte aber wohl bedenken, dass es oft nicht nur eine "Identität" gibt. Vielleicht war das Verhältnis Westgote-Gote einfach wie das Verhältnis Bayer-Deutscher.

Für diese Diskussion ist das allerdings eigentlich ohne Relevanz: Es ging nur darum, ob die im Westgotenreich stationierten Ostgoten beim Abzug der ostgotischen Truppen im Westen bleiben oder nach Italien zurückkehren wollten. Einen "Identitätswechsel" würde ich an der Entscheidung, im Westen zu bleiben, nicht festmachen. Ob sie sich fortan als Westgoten oder als Ostgoten fühlten, wird nicht zu klären sein und war wohl auch ohne Relevanz, solange sie loyal zu Amalarich und Theudis standen.
 
Wohl ja. In den in den "Variae" Cassiodors gesammelten Briefen werden die Ostgoten zwar immer nur "Goten" genannt, nie "Ostrogothen", die Westgoten werden aber sehr wohl als "Visigothen" bezeichnet. (So hält es übrigens auch Prokopios.)

Das sagt aber nichts über das Selbstverständnis aus, sondern ist ein Unterscheidungsmerkmal.
 
Besagt die Verwendung eines Unterscheidungsmerkmals denn nicht, dass man sich als etwas anderes sieht?
 
Peripherie oder Kernreich: Direkte & indirekte Herrschaft

Dann frage ich mich immer noch, welches Spanien Eurich nun in den 470ern erobert hat, wenn es nicht das Spanien südlich der Pyrenäen war. Und welche Romanen ihn dort als König anerkannten. Oder warum man den Sohn des gefallenen Königs nach Barcelona "in Sicherheit" schaffte, wenn man die Gegend um Barcelona nur locker beherrschte. Und wer um alles in der Welt denn damals in Spanien herrschte, bzw. wie die Westgoten jemals ein Toledanisches Reich gründen konnten...


[FONT=&quot]Dass die Könige der Völkerwanderungszeit sich eher auf wandernde Heere mit ihrem Anhang, denn auf „(gar geschlossen) siedelnde Völker“ stützten brauche ich nicht zu erwähnen? Infolgedessen konnte sich der Schwerpunkt der Reiche und Ansiedlungen relativ leicht verschieben. Auch die mittelalterlichen Könige/Kaiser des „Heiligen Römischen Reiches“ beherrschten etwa Böhmen nicht direkt durch Präsenz und Ansiedlung, sondern über formelle Oberhoheit und Unterstellung der dortigen Machthaber. Nochmal: Völkerwanderungszeitliche „Völker“ waren mehr durch Personenverbände (durch persönliche Bindungen der Familien, Krieger und Mächtigen an einen König…) gekennzeichnet denn als echte Abstammungsgemeinschaften. Es war also möglich von Tolosa/Toulouse aus Teile Spaniens zu „beherrschen“ ohne sonderliche „strukturelle“ Präsenz dort zu zeigen… [/FONT]

[FONT=&quot]Mit diesem Ansatz löst sich auch das relative „Missverhältnis“ zwischen gotischer „Oberherrschaft“ über mehr oder weniger große Teile Spaniens ab König Eurich einerseits, und den häufigen „Neueroberungen“ der Westgoten in Spanien vor Vouillé andererseits auf, wie EQ sie zu Recht mehrfach betont. Die Vorgänge erinnern mich an die frühen mittelalterlichen Kaiser des „Heiligen Römischen Reiches“, die sehr wohl auch über Reichsitalien geboten, ihre Oberherrschaft aber ständig wieder in neuen Zügen über die Alpen festigen mussten. Vielleicht hilft dieser grobe Vergleich, die Vorgänge besser zu verstehen und die Kontroverse darüber zu entschärfen? Fakt ist aber, dass erst nach Verlust der alten Hauptstadt in Gallien, die Westgoten daran gingen ihre Herrschaft in Spanien auf andere, deutlich festere Basis zu stellen als vorher![/FONT]

[FONT=&quot]Warum der Sohn des gefallenen Königs, (Amalrich) nach Barcelona in Sicherheit gebracht werden konnte – also fern des eigentlichen Zentrums ist auch indirekt zu erkennen. Gesalech, der statt seiner König der Westgoten geworden war, ließ sich Andernorts (nördlich der Pyrenäen!) krönen und hatte vorerst Wichtigeres zu tun, als sich um seinen Halbbruder im fernen Barcelona zu kümmern. Wäre Barcelona ein wichtiges Zentrum des Reiches vor Vouillé gewesen, dürfte er anders gehandelt haben! Der „Run“ etwa auf den Königsschatz in Carcassonne zeigt eine weitaus wichtigere Komponente für Königsherrschaft jener Zeiten. Ihn zu besitzen war wichtig für einen König. So entschied sich Theoderich auch nicht von Anfang an gegen Gesalech vorzugehen, sondern erst nachdem er Schatz und Königsspross in seinem Sinne einsetzen konnte![/FONT]

[FONT=&quot]Die Bedeutung des Königsschatzes zeigte sich noch nach dem Ende des letzten Ostgotenkönigs 552 nach der Schlacht am Mons Lactarius. Die noch Widerstand leistenden Goten in Italien mochten durchaus gewillt sein, einen neuen König zu erheben, zumal ein Bruder des letzten Königs noch immer eine Festung mit dem Kronschatz gegen die Oströmer/Byzantiner hielt. Dieser kapitulierte aber lieber und schloss sich den siegreichen Byzantinern an, statt mit jenen Goten gemeinsame Sache zu machen, die sich den nun einfallenden Franken angeschlossen hatten. Ihm war klar dass zwischen Franken und Byzantinern keine neue gotische Königserhebung mehr möglich war… [/FONT]

[FONT=&quot]Mit dem Ende des Krieges gegen Franken und Burgunder hatten die Westgoten eben das Glück in das vorher mehr indirekt beherrschte Spanien ausweichen zu können, wo sich in der Tat noch sehr gute Entfaltungsmöglichkeiten boten. In der Folge davon konnte das Reich von Toledo gegründet werden, nachdem sich die Verhältnisse unter dem Schirm Theoderichs und seiner Ostgoten stabilisierten. Betont wurde bereits, dass sich an dieser Neuformierung ostgotische Gruppen maßgeblich beteiligten und Teil der Westgoten wurden. Auch Wolfram betont, dass die Trennung der beiden gotischen Kronen nach dem Tode Theoderichs das italische Ostgotenreich schwächte, durch die Verluste an jenen Kriegern, die sich für das westgotische Reich entschieden hatten! Hier, zusammen mit der langjährigen Erholungsphase unter der Herrschaft Theoderichs wurden die Grundlage für den Neuaufstieg der Westgoten gelegt. Das ist auch die Antwort auf folgende Frage:[/FONT]

Dekumatland schrieb:
Wenn die Niederlage von Vouille die Westgoten so sehr geschwächt haben sollte, dass sie ohne Theoderichs Intervention völlig am Ende gewesen wären, dann fragt man sich meiner Ansicht nach zurecht, warum sie innerhalb von nur 60 Jahren wieder so erstarken und attraktiv werden konnten, dass sie bald darauf tatsächlich fast ganz Spanien beherrschten…

[FONT=&quot]60 Jahre sind für die Verhältnisse der Völkerwanderungszeit doch eine durchaus lange Zeit! Man bedenke, dass die Wurzeln der Westgoten im Jahre 376 noch im heutigen Rumänien lagen und die Ansiedlung der Westgoten bei Toulouse erst 418 (= über 30 Jahre!!) stattfand. In der Zeit dazwischen hatten sie fast ständig gekämpft, waren durch Balkan, Italien und Gallien und bis nach Spanien hinein und nach Gallien zurück gezogen. Sie hatten dutzende Niederlagen und Siege errungen, mehrfach am Rande der Vernichtung gestanden, nur um doch immer wieder neu aufzustehen, solange es noch Raum zur Entwicklung gab! Verglichen damit waren die Jahre zwischen der faktischen Königsherrschaft Theoderichs und der stabilen Etablierung in Spanien weniger Ereignisreich, wenn sie auch nicht ohne Höhen und Tiefen abliefen, was mir kennzeichnend für diese Zeiten scheint.[/FONT]
 
Das im Nachhinein zu beurteilen, dürfte schwierig sein. Theoderich d. Gr. traute aber den Westgoten und ihrem König militärisch offensichtlich nicht allzu viel mehr zu, denn es heißt in einem Brief an Alarich II., dass die Seinen aus Mangel an Kriegsübung wohl nicht mehr die alten seien.

Eindeutig ist dagegen der Eroberungswillen Chlodwigs. Nach 490 n. Chr. hatten die Franken bereits einen Vorstoß gemacht und dabei Santones von den Westgoten erobert. 496 n. Chr. gewannen diese die Stadt zurück, dafür verloren sie 2 Jahre später Burdigala (Bordeaux). Nach Gregor von Tours soll Chlodwig gesagt haben:
„Es missbehagt uns, dass diese Arianer einen Großteil Galliens besitzen. Marschieren wir mit Gottes Hilfe und als Sieger wollen wir ihr Land in unsere Herrschaft bringen.“
533/534 und 542 n. Chr. griffen die Franken dann in Spanien an.

Chlodwig hatte die Alemannen unter seine Herrschaft gebracht (und seine Nachfolger später die Thüringer). Die Ostgoten hatten dabei nicht militärisch eingegriffen, sondern nur den Resten Schutz gewährt. Selbst wenn bei Vouillé nicht der Krieg, sondern nur eine Schlacht verloren gewesen wäre, die Franken hätten es in Kürze wieder versucht.

Hier möchte ich nochmal einhaken und fragen ob der Sieg von Vouillé wirklich so großartig war wie immer dargestellt wird.
Wenn man sich die Folgezeit betrachtet, gelang es den merowingischen Herrschern nicht wirklich, Herrschaft in Aquitanien auszuüben. Erst die Karolinger konnten den Südwesten stärker unter ihre Kontrolle bringen, wobei Toulouse bis ins hohe Mittelalter nahezu sebständig blieb.
Es wurden zwar immer wieder einmal merowingische Herzöge, kurzzeitig auch Könige in Aquitanien genannt, aber eine Verbindung mit dem Restreich gelang nicht.
Septimanien blieb ohnehin gotisch, auch die Provence wurde zunächst nicht erobert.
Im Westen bildeten sich die Herzogtümer Vasconien und Aquitanien mit nur loser - wenn überhaupt - Oberhoheit der Franken, häufig geführt von galloromanischem Adel.
Eine große Expansionslust in diese Gegend scheint es zumindest von Seiten der Franken nicht gegeben zu haben, Rückeroberungspläne der Visigoten allerdings auch nicht. Man überlies das Gebiet lieber den Einheimischen und den zuwandernden Basken, derer man ohnehin nicht recht habhaft wurde.

Ein Gefecht um ein Gebiet, das man anscheinend gar nicht so recht wollte gegen einen Gegner, der ohnehin dabei war, sich nach Süden abzusetzen - da erscheint die Bedeutung dieser Schlacht doch um einiges überschätzt.
 
Ich denke nicht, dass man aus den nachfolgenden Behauptungsschwierigkeiten so einfach darauf schließen kann, dass die Franken (und die Westgoten) das Gebiet gar nicht so wirklich wollten. Versuche der Franken, Aquitanien unter Kontrolle zu bringen, gab es schließlich genug, sei es durch die Einsetzung von merowingischen (Unter-)Königen (Chramm, Merowech, Charibert, Chilperich), sei es durch den Versuch, loyale Herzöge zu etablieren. So wirklich faktisch verloren ging Aquitanien auch erst Mitte des 7. Jhdts. Man sollte auch nicht übersehen, dass die Merowinger auch mit anderen formal unterworfenen Gebieten wie Alemannien so ihre Schwierigkeiten hatten. Später lief es mit Aquitanien ja auch nicht besser: Karl der Große konnte es zwar fester ans Reich binden, aber im 9. Jhdt. verselbstständigte es sich wieder weitgehend - und das, obwohl bereits Karl der Große in Aquitanien ein regionales Unterkönigtum unter Karolingerkönigen schuf. Der Regionalherrscher Ramnulf II. beanspruchte sogar die Königswürde. Aquitanien wurde zu einem mächtigen Herzogtum. Mangelnde Durchsetzungsfähigkeit sollte man nicht mit mangelndem Willen verwechseln. Außerdem war die Schlacht von Vouille auch kein singuläres Ereignis, sondern Teil von sich länger hinziehenden kriegerischen Verwicklungen. Chlodwig und sein Sohn Theuderich waren länger mit der Eroberung der westgotischen Gebiete Galliens beschäftigt, und die Ostgoten griffen in Septimanien ein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn man sich die Folgezeit betrachtet, gelang es den merowingischen Herrschern nicht wirklich, Herrschaft in Aquitanien auszuüben. Erst die Karolinger konnten den Südwesten stärker unter ihre Kontrolle bringen, wobei Toulouse bis ins hohe Mittelalter nahezu sebständig blieb.

Aquitanien war nach Vouillé Bestandteil des frankischen Reichs beziehungsweise lag es im Wirkungsbereichs der fränkischen Königsmacht. Die wurde danach weder von den Goten noch irgendjemand anders eingefordert. Die Herzöge Aquitaniens wurden von den Königen eingesetzt und waren ihre Gefolgsmänner. Herzog Odo floh nach seiner Niederlage gegen Abd ar-Rahman Schutz suchend zu Karl Martel am Vorabend der Schlacht von Tours-Poitiers. Die späteren aquitanischen Unterkönige waren karolingische Prinzen und der aquitanische Name war noch unter den ersten Kapetingern Bestandteil der Königstitulatur neben den der Franken und Burgunder. Die Grafendynastie von Toulouse nebst der anderen Aquitaniens und Gothiens (Languedoc) sind von den karolingischen Königen eingesetzt worden.

Das sich diese Lokaldynasten ab dem 10. Jahrhundert zunehmend von der königlichen Oberherrschaft lösten und selbstständig agierten lag in der Schwäche des Königtums der späten Karolinger und frühen Kapetinger begründet, die sich nur noch selten über die Loire hinaus wagten, und markiert die Epoche der feudalen Anarchie in Westfranken/Frankreich, die man erst ab dem 13. Jahrhundert zu überwinden began. Dies betraf nicht nur Aquitanien allein, sondern alle Regionen Westfrankens. Das aber die Herzöge von Aquitanien Vasallen der fränkischen Könige waren blieb stetts im Bewusstsein. Als König Ludwig VI. 1124 zum allgemeinen Heerbann gegen den Kaiser aufrief steuerte der Herzog sein Kontingent bei und als sich der Herzog zur Pilgerfahrt nach Galicien aufmachte unterstellte er seine Erbtochter dem Schutz des Königs.

Ramnulf II. von Poitou beanspruchte kein aquitanisches Königtum, bzw. hätte ich einen Beleg dazu. Er verweigerte dem neu gewählten König Odo die Anerkennung. Er wird lediglich in den Annales Fuldenses als "König" bezeichnet, selbst aber führte er nicht diesen Titel, auch nicht den Herzogstitel. Erster Fürst Aquitaniens zu seiner Zeit war Wilhelm der Fromme von der Auvergne, der dann auch tatsächlich den Herzogstitel führte.
 
Ramnulf II. von Poitou beanspruchte kein aquitanisches Königtum, bzw. hätte ich einen Beleg dazu. Er verweigerte dem neu gewählten König Odo die Anerkennung. Er wird lediglich in den Annales Fuldenses als "König" bezeichnet, selbst aber führte er nicht diesen Titel, auch nicht den Herzogstitel. Erster Fürst Aquitaniens zu seiner Zeit war Wilhelm der Fromme von der Auvergne, der dann auch tatsächlich den Herzogstitel führte.
Ja, Du hast recht. (Das kommt davon, wenn man sich auf Übersetzungen verlässt, statt das Original zu studieren.) Ich hatte mich auf folgenden Text der Annales Fuldenses zum Jahr 888 gestützt: "und Ramnulf erklärte sich zum König." Aber das lateinische Original ist tatsächlich nicht so eindeutig: "deinceps Ramnolfus se regem haberi statuit." Das besagt tatsächlich nicht zwangsläufig, dass er selbst die Königswürde beanspruchte.
 
Ja, Du hast recht. (Das kommt davon, wenn man sich auf Übersetzungen verlässt, statt das Original zu studieren.) Ich hatte mich auf folgenden Text der Annales Fuldenses zum Jahr 888 gestützt: "und Ramnulf erklärte sich zum König." Aber das lateinische Original ist tatsächlich nicht so eindeutig: "deinceps Ramnolfus se regem haberi statuit." Das besagt tatsächlich nicht zwangsläufig, dass er selbst die Königswürde beanspruchte.

Zu merowingischer Zeit nannten sich die Merowinger Gudowald und Charibert durchaus Könige.
Die Duces von Toulouse Felix und Lupus waren nur formell den Franken untertan und herrschten ansonsten unabhängig als galloromanische Adlige. Sie wurden eben nicht von den fränkischen Herrschern eingesetzt, auch Odo, der wahrscheinlich Baske war, nicht.
Chilperich II. bot Odo die vollständige Unabhängigkeit an, als Gegenleistung für Unterstützung gegen Karl Martell. Einfordern konnte er also offensichtlich nichts.
 
Das Beispiel von Gundowald zeigt aber auch, dass es den Franken (in diesem Falle: Guntram) keineswegs egal war, was in Aquitanien vor sich ging, sondern sie versuchten, ihre Herrschaftsrechte dort geltend zu machen (in diesem Fall mit Erfolg).
Und was Odo betrifft: Zu fordern hatten die Merowinger im 8. Jhdt. in der Praxis generell nicht mehr viel. Aber dass Chilperich II. ihm die Unabhängigkeit anbot, zeigt im Umkehrschluss, dass er Aquitanien noch als fränkisch betrachtete.
 
Die Oberhoheit wurde anerkannt, natürlich. Was das in der Praxis bedeutete, bleibt sehr unklar. Zumindest wurde die Gegend zunächst nicht so eindeutig integriert wie etwa Burgund.
Ich finde es interessant, dass erst nach dem Wegfall der westgotischen Macht in Spanien - der sich ja nun fast zeitgleich zur Machtübernahme der Karolinger im Frankenreich vollzog - die Franken Aquitanien fester in ihr Reich einbeziehen.
 
Ich finde da jetzt gerade nichts. Gab es vor der islamischen Eroberung jemals einen fränkischen Sieg über die Basken, oder holten sie sich jedesmal eine blutige Nase?

Interessant auch Wiki über Odo und seine Vorgänger:

In the year 660, Felix of Aquitaine, a patrician from Toulouse of Gallo-Roman stock, received the ducal title of both Vasconia and Aquitaine (located between the Garonne and Loire rivers), effectively ruling independently over Vasconia and at least part of Aquitaine. Under Felix and his successors, Frankish overlordship became merely nominal. It did become a most important regional power.

Independent dukes Lupus, Odo, Hunald and Waifer succeeded him respectively, with the last three belonging to the same lineage. Their ethnicity is not certain, since records and their names are not conclusive.

But the Muslim invasion of 711 effected a complete shift in trends. Hitherto the duke Odo the Great had been independent, refusing to recognise the authority of either the Merovingian king or his mayor of the palace. In 714, Pamplona was captured by the Moors. In 721, Odo defeated the Moors at the Battle of Toulouse. In 732, however, he was utterly routed at the Battle of the River Garonne near Bordeaux, after which the Muslim troops under Abdul Rahman Al Ghafiqi plundered the country and captured Narbonne. Only by submitting to the suzerainty of his Frankish archrival, the mayor Charles Martel, could they decisively defeat the Muslim invaders at the Battle of Tours. Aquitaine and its attendant marches were then united to Francia, but Odo probably kept ruling the Duchy of Vasconia and Aquitaine about the same as before until his death.
 
Die Oberhoheit wurde anerkannt, natürlich. Was das in der Praxis bedeutete, bleibt sehr unklar. Zumindest wurde die Gegend zunächst nicht so eindeutig integriert wie etwa Burgund.
Ich finde es interessant, dass erst nach dem Wegfall der westgotischen Macht in Spanien - der sich ja nun fast zeitgleich zur Machtübernahme der Karolinger im Frankenreich vollzog - die Franken Aquitanien fester in ihr Reich einbeziehen.
Ist das so erstaunlich? Die Merowinger hatten im späten 7. Jhdt. und im frühen 8. Jhdt. fast nichts mehr zu sagen, und die Hausmeier waren auch mit Kämpfen untereinander beschäftigt. Dann, als sich die Karolinger endgültig als alleinige Hausmeier durchgesetzt hatten, hatte Karl Martell mit der Abwehr der arabischen Einfälle zu tun und versuchte andere abtrünnige Gebiete wie Thüringen oder Alemannien wieder stärker ans Reich zu binden. Pippin der Jüngere war mit seiner Königserhebung beschäftigt, kämpfte gegen die Langobarden, vertrieb die Araber von der Mittelmeerküste und begann dann auch mit dem Kampf um Aquitanien. Aber erst Karl der Große kam dann dazu, die Sache mit dem nötigen Nachdruck zu betreiben.

Dass Burgund besser in den merowingischen Machtbereich integriert wurde, wird wohl auch daran gelegen haben, dass es meist über seinen eigenen Merowingerkönig verfügte, Aquitanien hingegen nur selten.
 
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