Nahostkonflikt - Der Anspruch der Juden auf Israel

Hallo Brandius,

ich wollte nur kurz etwas erwähnen, das ich in deiner Präsentation bisher vermisse. Und zwar gibt es orthodoxe Juden, die gegen den Zionismus sind. Sie denken, dass es nicht richtig war, in Israel ein eigenes Land zu gründen, da ja der (jüdische) Messias noch nicht gekommen ist und man sich daher das versprochene Land zu früh nimmt.

Einige dieser Juden leben außerhalb von Israel, aber es gibt auch in Israel selbst Juden, die gegen den Zionismus sind. ........


Hier sollte man zur Definition des Begriffs "Zion-ismus" hinsichtlich des orthodoxen Verständnisse etwas differenzieren; " Zion " ein altes Wort, "Zionismus " -ein Begriff, der erst Ende des 19. Jahrh.auftaucht.
Die orthod. Vorstellung der "Wiederherstellung des Reiches Israel" basiert auf einer eschatologisch-messianischen Bewegung von "oben ", vom Eingreifen Gottes, eines Kommens des Messias. Seit dem Scheitern der pseudomessianischen Bewegung des Sabbataj Zwi im 17.Jahrh. geriet diese Zions-Erwartung in die Defensive, bewahrte sich u.a. bei den orthodox. Juden.
Der hier angesprochene "Zionismus" ist also im Gegensatz zur religiösen Zionserwartung , eine polit.-soziale Bewegung, welche die Errichtung eines jüdischen Staates ,in Palestina oder anderswo , von unten !...durch menschl. Aktivität und Aktion herbeiführen will. Dieser Zionismus ist eigentlich eine Folge der jüd. Aufklärung des 18. Jahrh. vor dem Hintergrund des aufkommenden Nationalismus im 19. Jahrh. mit zunehmend rass. Emigrationsdruck .
Insgesamt sollte dei diesem Themenkomplex nicht vergessen werden, dass die Besiedelung Palästinas u.a. aus o.g. Gründen einem äußerem Druck folgt und nicht, wie die imperialistisch-kolonialistischen Mächte wie England, Frankreich, früher Niederlande...etc. mit ihren Kolonien, die einheimische Bevölkerung für sich schuften ließ, das Land entsprechend ausplündernd, sondern die eingewanderten Juden aus Ost-Süd-und Westeuropa, den USA etc. mit ihren eigenen Händen dem Wüstensand ihren Lebensraum abgewannen, den man ihnen anderswo verunmöglichte. Daher ist m.M: nach der Begriff "Legitimistisch.." in diesem Themenkomplex mit großer Vorsicht zu verwenden, sonst müßten wir die "legtimistische " Geschichte der meisten europ. Staaten, geboren aus "Legitimismus " mindestens vom MA her aufrollen.........
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine aktuelle oder zumindest zeitgeschichtliche politische Darstellung welche die Herrschaft Israels auch für die Zukunft über die besetzten Gebiete legitimieren möchte.
Danke für die Erklärung.
Die bisher von mir gelesenen Quellen forderten eigentlich maximal das Existenzrecht Israels, nicht aber die (teilweise inzwischen ehemals) besetzen Gebiete, werden also wohl nicht legitimistisch gewesen sein.

Eigentlich gibt die Frage der eingewanderten Palästinenser dafür auch recht wenig her. Für Israel selber bzw. sein Existenzrecht braucht man solche Betrachtungen nicht (da reichen wie im UN-Teilungsplan die aktuellen Zustände), und einen Anspruch auf die besetzten Gebiete kann man damit auch nicht konstruieren (selbst wenn es stimmt, daß die Mehrheit Einwanderer waren, bleiben ja immer noch die Alteingesessenen - man kann also den arabischen Anspruch nie auf 0% drücken, wie das die echten Groß-Israel-Anhänger fordern).
 
Weil sie zum Zeitpunkt der Anspruchsklärung (d.h. UN-Teilungsplan 1947) legitime Einwohner Palästinas waren.

Die UN hat ja (m. E. völlig zu Recht) wenig Rücksicht auf historische Ansprüche der Art "meine Urgroßeltern wohnen schon seit 2000/500/10 Jahren hier" genommen und auch religiöse Schriften außen vor gelassen.
Die haben einfach nur geschaut, wer aktuell im Lande Einwohner war und dann versucht, halbwegs angemessen und sinnvoll aufzuteilen.
Es war ja Konsens das ein Israel erst mit einer jüdischen Mehrheit gegründet werden kann, die ganze Quoten und Landvergabe lief auf dieses Ergebns hinaus. Dann als ein gewisser Anteil erreicht wurde eine jetzigen Statistik ohne historischen Bezug zu erheben würde ich als Palästinenser doch als ein Farce ansehen. Wenn man in diesem Konflikt nicht ehrlich an die Sache geht schürt das nur Misstrauen.
 
Es war ja Konsens das ein Israel erst mit einer jüdischen Mehrheit gegründet werden kann
Im Prinzip ja, aber das "erst" ist mißverständlich.
Es gab ja keinen Plan der Art "Gründung erfolgt ab Prozentsatz X".

Sondern die Juden wollten in ihrem Teilstaat die Mehrheit haben (die Araber umgekehrt natürlich auch), und je mehr sie waren, desto größer würde ihr Anteil werden.

Der Zeitpunkt der Gründung bzw. der Teilung hatte aber nichts mit den internen Verhältnissen zu tun, sondern wesentlich von außen gesteuert - der Weltkrieg war vorbei, die UN etabliert und die Völkerbundsmandate in der Region wurden abgelöst. Auch die übrigen Staaten des Nahen Ostens wurden ja in dieser Zeit unabhängig.
 
Aber nicht alle Juden, die den Zionismus ablehnen, gehören zur Neture Karta. Auch "ganz normale" orthodoxe Juden auf der ganzen Welt vertreten diese Meinung. Ob nun alle orthodoxen Juden so denken, weiß ich nicht - aber einige tun es.
Schöne Grüße
Petra

Es gibt unterschiedliche Richtungen im orthodoxen Judentum. Hier zwei bedeutende Beispiele:

Die Agudat Israel ( 1912 in Kattowitz gegründet) versuchte zunächst, die othodoxen Juden West- und Osteuropas und der USA gegen den von säkularen Juden gegründeten und auch geleiteten Zionismus zu einen. Zudem konnte nach ihrer Auffassung die gottgewollte Verbannung aus Zion nur von Gott, nicht von Menschen beendet werden.
Die AI wurde zur Partei der "Chassidim" in Israel.
Die religiös pantheistische Glaubensrichtung des Chassidismus war eine Reaktion auf den von @Arcimboldo angesprochenen Sabbatai Zwi, der die Chmelnicki- Pogrome für die Geburtswehen des Messias hielt und sich später selbst zum Messias ausrufen ließ. (Er litt unter Depressionen. Ein kabbalistischer Heiler überzeugte ihn davon, der Messias zu sein.)

Das Misrachi (1902 in Wilna gegründet) wollte einerseits die antireligiösen Tendenzen des Zionismus bekämpfen, andererseits die antizionistische Auffassung des orthodoxen Judentums verwerfen.
Ein jüdischer Staat konnte nur auf dem Fundament der religiösen Tradition seines Volkes errichtet werden.

Durch diese Beispiele wird die Komplexität der Zusammenhänge hoffentlich noch etwas deutlicher.
 
Ach du liebes bisschen! Das ist ja noch viel komplizierter, als ich geahnt habe. Wusste ich es doch, dass die nicht alle einer Meinung sind. ;)

Übrigens, was mir hier in dem Thread noch fehlt, oder vielleicht habe ich es auch nur überlesen: Direkt nach der israelischen Unabhängigkeitserklärung wurde der neue Staat angegriffen. Natürlich hat er sich gewehrt, und es kam zum ersten Krieg Israels. Dadurch vergrößerte sich auch die Fläche des Landes. Aber was ich sagen will: Wenn die arabischen Nachbarstaaten Israel nicht angegriffen hätten, wäre alles etwas anders gekommen. Wer weiß, vielleicht gäbe es dann heute einen arabischen und einen jüdischen Staat, die mehr oder weniger friedlich nebeneinander leben?

Den Wikipedia-Artikel zu Israel fand ich übrigens sehr interessant. Sicher, Wiki kann man nicht zitieren, aber ich würde ihn trotzdem lesen. Ich verwende so etwas gerne als Gedächtnisstütze, damit ich nichts vergesse, was ins Referat mit rein sollte.

Schöne Grüße

Petra
 
Ergänzungen zur Erweiterung Israelischen Territoriums während des Unabhängigkeitskrieges:


Wie von @Petra_44 schon beschrieben, kam es nach Ausrufung des Staates Israel (14. Mai 1948 durch David Ben Gurion (der 15. Mai, Ablauf des Mandates, war ein Sabbat, deshalb Freitag, der 14. Mai)) zu massiven Angriffen seitens arabischer Staaten.

Im Verlauf der Kampfhandlungen gewann Israel einige der in der Un- Teilungsresolution dem arabischen Staat zugeteilten Städte und Gebiete:

Z. B. Lod bei Tel Aviv, wo der Flughafen "Ben Gurion" liegt, Ramla, Gebiete im nördlichen Galil, den Negev, die Erweiterung des Zugangs nach Jerusalem, das über einen längeren Zeitraum belagert und abgeschnitten gewesen war, etc. (Über das Leben, die Zustände und das Empfinden der jüdischen Bevölkerung Jerusalems während dieser Zeit schreibt Amos Oz aus der Sicht des Kindes und Heranwachsenden sehr eindrucksvoll in seinem Roman: "Eine Geschichte von Liebe und Finsternis", Frankfurt/ M. 2004)

"Israel hatte seine Unabhängigkeit gegen eine arabische Übermacht erfolgreich verteidigt und über die in der UN- Teilungsresolution von 1947 vorgesehenen Grenzen hinaus erheblich erweitert, aber mit 6000 Toten nahezu ein Prozent der Bevölkerung des Landes zum Zeitpunkt der Unabhängigkeitserklärung verloren." (Julius, H. Schoeps (Hg.): Neues Lexikon des Judentums, Gütersloh 2000, S. 824)
 
Mir ist das gerade ein Artikel untergekommen, der noch in diese Diskussion paßt:
How 'Nakba' Proves There's No Palestinian Nation

Das ist natürlich eindeutig keine unparteiische Darstellung und daher auch nur als Indiz zu nehmen.

Interessant finde ich daher weniger die Behauptung, die Masse der palästinensischen Araber wäre parallel zu den Juden als Einwanderer ins Land gekommen - das entspricht zwar der Diskussion oben, wird aber auch hier nicht belegt.

Aber spannend ist die zitierte Selbstbeschreibung der "Palästinenser" als "Syrer", und der Brief von Assads Großvater.

Das gibt interessante Ansatzpunkte für Recherche (sobald mal Zeit dafür ist ...).
 
Äähm... Wolffsohn ist, sagen wir mal, umstritten... Ob sich das auch in dem Buch niederschlägt, weiß ich nicht, vermutlich bei seinen Positionen aber schon.
Also wenn möglich, vielleicht eines der hunderten anderen Bücher zum Thema anschauen?
(Vor allem als "Einsteiger" ins Thema?)

Warum ist er umstritten? Erklär' bitte ;)
 
Die Frage ist ob überhaupt noch ein Rechtsanspruch der in Gaza lebenden Palästinenser auf Israel bestehen kann. Gaza ist einer der am dichtest besiedelten Teile der Welt, auch das Westjordanland. 1914 war das anders. Woher kommen sie, woher kommen ihre Vorfahren, und warum sind sie so viele?
Man sollte die arabischen und israelischen Legitimitationsstrategien vergleichen. Über die staatliche Zugehörigkeit Osmanisches Reich, Mandatsgebiet, Jordanien, palästinensisches Autonomiegebiet ist es ein holpriger Strang.
 
Die Frage ist ob überhaupt noch ein Rechtsanspruch der in Gaza lebenden Palästinenser auf Israel bestehen kann. Gaza ist einer der am dichtest besiedelten Teile der Welt, auch das Westjordanland. 1914 war das anders. Woher kommen sie, woher kommen ihre Vorfahren, und warum sind sie so viele?
Die Palästinenser, welche die Uhr auf 1948, 1929 oder 1897 zurückdrehen wollen, sind natürlich völlig weltfremd oder gefährlich. Das steht außer Frage. Jedoch ist Nakbah ja keine geschichtsrevisionistische Erfindung. Die Palästinenser in Ghaza kommen natürlich aus verschiedenen Teilen des heutigen israelischen Staatsgebiets. Ein paar mögen auch die Nachfahren der Ägypter sein, die dort lebten, als Ghaza noch zu Ägypten gehörte. Ich kann schon verstehen, dass Palästinenser ihrem Besitz im heutigen Israel nachtrauern. Dass im Zuge der Staatswerdung Israels beide Seiten einander Unrecht angetan haben, ist mittlerweile auch in der israelischen Geschichtsschreibung angekommen, bei der palästinensischen Geschichtsschreibung dürfte es schwieriger sein, mit dieser Kenntnis offen umzugehen, vor allem in Ghaza.
Die Araber haben den ersten israelisch-arabischen Krieg vom Zaun gebrochen, aber einige israelische Milizen, insbesondere Etzel und Lechi, haben diesen Anlass für ethnische Säuberung benutzt. Es steht natürlich außer Frage, dass dies umgekehrt genauso passiert wäre, das rechtfertigt aber keine ethnische Säuberung.
Man sollte sich da vor keinen Karren spannen lassen, weder vor einen palästinensischen, noch vor einen israelischen. Fakt ist, der Staat Israel existiert heute und seine Existenz ist sehr eng mit unserer Geschichte verknüpft.
 
Zurück
Oben