Napoleon als Urvater der EU?

Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass Friedrich II. den hessischen Staat auf viele Jahrzehnte mit dem "Soldatenhandel" saniert hätte. Wie passt denn das zusammen?

Gute Frage.
Zu Friedrich II. heißt es auf Wiki:

"Im Jahre 1785 starb Friedrich überraschend an einem Schlaganfall und hinterließ seinem Nachfolger Wilhelm IX. nach 25-jähriger Regentschaft eine gefüllte Staatskasse."

Und zu Wilhelm IX. später Kurfürst Wilhelm I. heißt es auf Wiki:

"Wilhelm war ein Landesherr, der zeit seines Lebens den Maßstäben des fürstlichen „Absolutismus“ des Ancien Régime verhaftet blieb – in seiner Politik, in seiner „Mätressenwirtschaft“ und in seinem umstrittenen Soldatenhandel, der ökonomisch sehr erfolgreich war und auch von anderen Fürstern betrieben wurde. Wilhelm galt als einer der reichsten deutschen Fürsten seiner Zeit, und es gelang ihm mit Hilfe des Frankfurter Bankiers Mayer Amschel Rothschild, dieses Vermögen auch über die napoleonische Zeit hinweg zu retten."

Das bedeutet wohl, dass man die Staatskasse Kurhessens und die Privatschatulle des Fürsten trennen muss/sollte.

Was nun Westphalen angeht:

Ich habe einmal Wiki bemüht:

"Die Reformen waren jedoch nur begrenzt erfolgreich, da der ständige Geld- und Menschenbedarf für die napoléonischen Kriege das Land wirtschaftlich ausbluten ließ. Die Finanzen des Königreiches wurden durch ständige Kontributation an Frankreich zerrüttet und dadurch, dass Napoleon und Jerome einen Großteil der einst steuerpflichtigen Güter als Apanagen französischen Offizieren überließen. Die Rolle der finanziellen und militärischen Belastungen wird allerdings durch neuere Studien relativiert und anders eingeschätzt."

Eine Relativierung mag sein, ändert aber nichts daran, dass die finanziellen Möglichkeiten des Landes Frankreich zugute kamen.

"Das Königreich hatte trotz wechselnder Landesgrenzen und somit unterschiedlicher Einwohnerzahl (1807: fast 2 Mio., 1810: über 2,6 Mio., 1811: über 2 Mio.) dem Rheinbund ein Kontingent von 25.000 Soldaten zu stellen - tatsächlich kämpften in Russland 28.000 und in Spanien parallel 8.000 Westphalen, von denen jeweils kaum 1.000 zurückkehrten (Angaben des Landesmuseums Kassel). Bespitzelung und polizeistaatliche Unterdrückung sollten die Bürger, die die neuen Herrscher zum Teil erbittert ablehnten, zur Raison bringen."

Man kann vieles relativieren, es bleibt, dass Westphalen von Paris fremdgesteuert und systematisch ausgeplündert wurde, die Söhne des Landes für französische Interessen in Spanien und Rußland ihr Leben ließen. Aber franz. Interessen ist gar nicht richtig, man muss schon deutlich zwischen den Interessen Frankreichs und denen Napoleons unterscheiden. Aber das ist ein anderes Thema.

Grüße
excideuil
 
Ist er nach dem Einmarsch der Franzosen mit der Staatskasse geflohen und hat die Schuldscheine da gelassen?
Nein, die Trennung von Staatskasse und Privatvermögen des Kurfürsten zeigt sich wohl hier:

"1806 wurde Kassel von französischen Truppen besetzt und Kurfürst Wilhelm I. musste sich ins Exil begeben. Carl Friedrich Buderus gelang es, ein Vermögen von 27 Millionen Gulden und damit einen beträchtlichen Teil des kurfürstlichen Vermögens vor dem französischen Zugriff zu retten. Bei der Verwaltung des Vermögens griff Buderus überwiegend auf die Dienste von Mayer Amschel zurück. Mayer Amschel zog beispielsweise für den Kurfürsten die Zinsen bei verschiedenen Kreditnehmern ein und legte sie für den Kurfürsten wieder an. Er kaufte auch einen großen Teil der kurfürstlichen Münzsammlung auf, die die Franzosen auf dem freien Markt verkauft hatten, tätigte für den Kurfürsten verschiedene Geldüberweisungen und lieh dem in Berlin lebenden Sohn und Erben von Kurfürst Wilhelm I. 160.000 Gulden. Er kümmerte sich auch um die Finanzen der kurfürstlichen Mätresse Gräfin Karoline von Schlotheim."

Mayer Amschel Rothschild ? Wikipedia

Grüße
excideuil
 
War eine strikte Trennung nicht eher unüblich? Ich meine mich zu erinnern, dass die meisten Monarchen zwar ein Budget hatten, dass aber aus dem Staatsschatz nahmen.
 
War eine strikte Trennung nicht eher unüblich? Ich meine mich zu erinnern, dass die meisten Monarchen zwar ein Budget hatten, dass aber aus dem Staatsschatz nahmen.
Mir ist bis jetzt zumindest immer wieder beides vorgekommen, also ein Herrscher, der strikt trennte und bspw. für Schlossbauten das Geld versuchte einzig aus der Privatschatulle zu entnehmen und andere, die keine Unterschiede machten. Ein Hauptproblem dürften die Überschneidungen zwischen bspw. Hofstaat und Staatsverwaltung gewesen sein. Zählte der Hofstaat nun zu den Einrichtungen, welche aus der Privatschatulle zu finanzieren waren oder war er eine staatliche Angelegenheit? Und wie sah es aus mit Räten, die obendrein Oberhofmarschälle oder Kammerherren waren? Das eine Amt aus der einen Kasse, das andere aus der anderen bezahlen?
 
Zurück
Oben