Muspilli

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Ich bräuchte zu dieser philosophischen Richtung einmal eine gute Literaturempfehlung, insbesondere über Heinrich Rickert. Ich habe mir über ihn vor einiger Zeit einmal was aus dem Internet runtergeladen. Aber seine Begrifflichkeiten sind schwer zu verstehen. In Buchläden habe ich zum Neukantianismus (und von Rickert ganz zu schweigen) gar nichts gefunden.
In der Literatur, die ich angeschaut habe, wird immer auf die Methodendiskussion eingegangen.
Konkret suche ich Informationen über die Ideengeschichtliche Anbindung an Kant u. a., hier darf es gerne theoretisch sein, des weiteren eine Aufstellung der Vertreter des Neukantianismus und ihrer grundlegenden Positionen, sowie ein Ausblick auf die Rezeption.
Vielleicht kennt einer von euch auch Links auf Vorlesungsskripts, wo die eine oder andere Frage behandelt wird.
 
Ich bräuchte zu dieser philosophischen Richtung einmal eine gute Literaturempfehlung, insbesondere über Heinrich Rickert.

Habe selbst eine gefunden, im Antiquariat. Vielleicht irgendwann mal eine Darstellung von mir. Jedenfalls der Titel des Buches: Bausteine einer Geschichte der Philosophiedes 20. Jahrhundert von Kurt Wuchterl (1995). Dort werden die verschiedensten Philosophen sehr ausführlich behandelt, inklusive biographischer Informationen, d. h. also auch, wo sie promovierten, habilitierten und später lehrten.
 
Als ich damals meine Anfrage hier im Geschichtsforum tätigte, hatte ich glaube ich übers Googeln folgende (von Wikipedia verlinkte) Seiten noch nicht gefunden:
http://www.philosophie.uni-bremen.de/uploads/media/Neukantianismus_Sandkuehler.pdf
http://www.philosophie.uni-bremen.de/uploads/media/Neukantianismus-Holzey-Renz.pdf
Überrascht war ich denn allerdings, als ich vor einiger Zeit dann über googeln auf eine solche Anfgae stieß: Philosophie Forum - Neukantianismus
Eine Darstellung, die sich gewiß an Köhnkes Neukantianismusbuch (Lit. siehe unten) orientiert, findet sich hier: Standardvorlage

Da ich natürlich nach Literatur fragte: mittlerweile habe ich mir natürlich eine Kopie besorgt von H.-L. Ollig, Der Neukantianismus. Stuttgart 1979; von einigen Werken Rickerts und Dissertationen über ihn selbstverständlich auch. Aber sehr weit bin ich eigentlich auch nicht gekommen; ich schreibe einfach mal etwas, da ich kürzlich aufgefordert wurde, nun endlich einmal meine Darstellung des Neukantianismus zu posten (vgl. http://www.geschichtsforum.de/f72/hegel-und-das-germanische-reich-23019/ #11). Ich beginne mal mit einem Zitat von Wilhelm Windelband aus dem ersten Vorwort (1883) seines Sammelbandes, das den Titel Präludien trägt:

"Wir alle, die wir im 19. Jahrhundert philosophieren, sind die Schüler Kants. Aber unsere heutige ‚Rückkehr' zu ihm darf nicht die bloße Erneuerung der historischen Gestalt sein, in welcher er die Idee der kritischen Philosophie darstellte. Je tiefer man den Antagonismus erfaßt, der zwischen den verschiedenen Motiven seines Denkens besteht, um so mehr findet man darin die Mittel zur Bearbeitung der Probleme, die er durch seine Problemlösungen geschaffen hat. Kant verstehen, heißt über ihn hinausgehen". (Wilhelm Windelband)

Der letzte Satz findet sich in allen Überblicksdarstellungen zum Neukantianismus. Aber nicht immer wird deutlich was damit gemeint ist, insonders wenn die Geschichtsschreibung des Neukantianismus, die lange Zeit die Selbstdarstellung ihrer philosophischen Schulen tradierte, auf Otto Liebmanns Motto, es müsse also auf Kant zurückgegangen werden, rekurriert. Köhnke (1986), der mit Otto Liebmann in seiner Darstellung nicht zimperlich umgeht, da er dessen Jugendschrift als "unersprießlich" empfindet, wird Recht haben, wenn er bemerkt, daß es Liebmanns Refrain - "Also muß auf Kant zurück gegangen werden" stand am Ende jeden Kapitels seines Buches "Kant und die Epigonen" aus dem Jahre 1865 - ist, der "übrigens schon bald das einzige sein sollte, was je aus diesem Buch zitiert wurde" (S.218). Natürlich klingt es plausibel, daß man erst auf Kants Philosophie zurückgehen muß, um über ihn hinauszugehen.
Aber wenn man anhand der Sekundärliteratur diesen philosophiegeschichtlichen Vorgang rekonstruieren will, stößt man leider allzubald auf widersprüchliche Informationen. Um nur ein Beispiel zu nennen:
Bei Manfred Pascher (1997) beispielsweise findet sich unter dem Stichwort "Einfluß Fichtes auf den Neukantianismus" die Behauptung, daß "Fichte im Neukantianismus vor der Jahrhundertwende kaum eine Rolle [spielte]" (S.46), wobei er eigentlich nur dessen politische Philosophie meint, denn schon bei Hanspeter Sommerhäuser (1965) Dissertation über die Auseinsetzungen zwischen Heinrich Rickert und seinem früh verstorbenen Schüler Emil Lask hieß es, daß der Neukantianismus eigentlich auch ein Neufichtianismus sei. Und im Anschluß an Guy Oakes (1983/1988) hatte denn später auch Sven Wöhler darauf hingewiesen, daß die neukantianische Methodologie zumindest der südwestdeutschen Schule implizit auf zentralen Überlegungen aus Fichtes Erkenntnislehre basiert, und Heinze (2002) hat schließlich sogar bezüglich der Philosophie Wilhelm Windelbands (Rickerts Lehrer) festgestellt, daß hier nämlich die Wissenschaftslehre Fichtes zugrunde zu legen sei. Windelband, der Lehrer Rickerts, war wiederum Schüler Kuno Fischers, der gemäß der überzeugenden Darstellung Köhnke definitiv einen Neoidealismus vertrat, der mehr mit Fichte zu tun hat als mit Kants Transzendentalphilosophie.

Lit.:
http://www.uni-erfurt.de/archiv/2001/0002/woehler.pdf
M. Pascher, Einführung in den Neukantianismus. Kontext - Grundpositionen - praktische Philosophie. München: Fink, 1997
K. Ch. Köhnke, Entstehung und Aufstieg des Neukantianismus. Frankfurt a. M. 1986
Marion Heinz, Fichte und die philosophische Methode bei Windelband. in: D. Pätzold & C. Krijnen (Hg.), Der Neukantianismus und das Erbe des deutschen Idealismus: Die philosophische Methode. Königshausen & Neumann, 2002, S.135-146
 
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